« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Horb Kapitel B 8 »
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Bildechingen,
Gemeinde III. Klasse, mit 726 Einw., wor. 3 Ev. – Kath. Pfarrei; die Ev. sind nach Hochdorf eingepfarrt.


Auf der fruchtbaren Hochebene nördlich vom Neckarthale, die schon zum sogenannten oberen Gäu gerechnet wird, liegt frei und angenehm an der Landstraße von Horb nach Rottenburg der mittelgroße, freundliche und reinlich gehaltene Ort; er besteht gleichsam aus zwei sich rechtwinkelig kreuzenden Straßen und aus einer abgesonderten Gebäudegruppe, zu der auch die Kirche und das Pfarrhaus gehören. Unter den theils von Stein, theils von Holz erbauten Häusern macht sich manche stattliche Bauernwohnung bemerklich. Die Entfernung von der südwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 3/4 Stunden.

Die weithin sichtbare Pfarrkirche wurde im Laufe der Zeit mehrfach verändert und nur die drei unteren Stockwerke des Thurms stammen noch aus der früh romanischen Periode, während das oberste, vierte Stockwerk spitzbogige, mit gothischem Maßwerk gezierte Fenster | enthält und mit einem Satteldach versehen ist. Von den auf dem Thurme hängenden Glocken ist die größere 1655 gegossen worden, die kleinere trägt in alten Majuskeln die vier Evangelistennamen als Umschrift. Das Langhaus ist auf der Nordseite stylwidrig verändert, auf der Südseite enthält es spitzbogige Fenster ohne Füllungen und ein aus Stein gut gearbeitetes Marienbild mit dem Jesuskinde, über dem sich ein Baldachin erhebt. Der mit Strebenpfeilern versehene, mit einem halben Achteck schließende Chor hat frühgothische, in den spitzen Bogentheilen mit Maßwerk gefüllte Fenster. Das Innere des Langhauses ist flach gedeckt, während der Chor ein doppeltes Kreuzgewölbe enthält, dessen Gurten theils von Fratzengesichter vorstellenden Consolen, theils von halbrunden, an den Wänden herunterlaufenden Säulen ausgehen. Die Gewölbeschlußsteine enthalten einen Christuskopf und ein Agnus Dei. Der Thurm wird von einer runden Säule unterstützt.

Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche.

Das in der Nähe der Kirche gelegene Pfarrhaus, welches die Gemeinde zu unterhalten hat, befindet sich in gutem baulichen Zustande.

Ein Schulhaus mit zwei Lehrzimmern wurde 1823 erbaut; der Schulmeister wohnt in einem abgesonderten, der Gemeinde gehörigen Gebäude. Eine Industrieschule besteht.

An der Landstraße steht das 1845 massiv aus Stein erbaute, ansehnliche Rathhaus, das in seinem unteren Stockwerk eine Gemeindebackanstalt enthält; überdieß ist ein öffentliches Waschhaus vorhanden.

An der Nordseite des Dorfs stand eine Kapelle, jetzt in ein Wohnhaus umgewandelt, in deren Nähe alte Gräber aufgedeckt wurden.

Gutes Trinkwasser liefern fünf Pumpbrunnen, die jedoch in ganz trockenen Jahrgängen nachlassen, so daß periodisch Wassermangel entsteht.

Die sehr thätigen Einwohner sind im allgemeinen schön gewachsene, gesunde Leute, die selten von Krankheiten heimgesucht werden und häufig ein hohes Alter erreichen. Bei einfacher Lebensweise finden sie ihre Haupterwerbsquelle in der Landwirthschaft; jüngere Männer arbeiten in neuerer Zeit häufig als Maurer und Steinhauer, während die übrigen Gewerbe nur dem nöthigsten örtlichen Bedürfnisse dienen. Die ökonomischen Verhältnisse der Einwohner gehören zu den besseren und der vermöglichste Bürger besitzt etwa 50 Morgen Felder, der sogenannte Mittelmann 18 Morgen und die ärmere Klasse 1–2 Morgen.

Die mittelgroße Markung bildet einen von kleinen Thälchen und | Vertiefungen durchzogene wellige Hochebene, deren Boden größtentheils aus einem fruchtbaren Lehm, theilweise auch aus den Zersetzungen des Muschelkalkdolomits (Malmboden) besteht. Die Luft ist gesund und meist etwas bewegt; Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird unter Anwendung verbesserter Ackergeräthe sehr gut und fleißig betrieben und der Boden außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln auch mit Hallerde, Gips und Compost immer ergiebiger zu machen gesucht. Im Dreifeldersystem baut man die gewöhnlichen Getreidearten, vorzugsweise Dinkel und Weizen; in der Brache kommen Kartoffeln, Luzerne, dreiblättriger Klee, Esparsette etc. zum Anbau. Von Handelsgewächsen zieht man viel Flachs und Hanf, ziemlich viel Reps und nur wenig Hopfen. Flachs und Hanf werden größtentheils im Ort versponnen, dagegen Reps und Hopfen auswärts abgesetzt.

Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 8–10 Scheffel Dinkel, 3 Scheffel Weizen, 4–5 Scheffel Gerste, 5–6 Scheffel Haber und 3 Scheffel Roggen angegeben. Die niedersten Preise eines Morgens Acker betragen 100 fl., die mittleren 4–500 fl. und die höchsten 900–1000 fl. Von den Getreideerzeugnissen wird über den eigenen Bedarf eine namhafte Menge an Fruchthändler aus der Nachbarschaft abgesetzt.

Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, denen keine Wässerung zukommt, ertragen 25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd pr. Morgen. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 200–800 fl.

Die Obstzucht, welche sich mit Mostsorten und Zwetschgen beschäftigt, ist im Verhältniß zu den übrigen Orten des Bezirks gut und überdieß im Zunehmen begriffen. Der Obstertrag wird größtentheils gemostet und gedörrt.

Die Pferdezucht ist unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht von Belang und bildet eine Haupterwerbsquelle der Einwohner, namentlich wird viel Vieh gemästet und nach Frankreich abgesetzt. Man hält eine tüchtige Landrace, zu deren Nachzucht drei Farren, die ein Bürger Namens der Gemeinde hält, aufgestellt sind.

Auf der um 470 fl. verpachteten Weide laufen im Vorsommer 150 und im Nachsommer etwa 300 Stück Bastarde. Die Pferchnutzung sichert der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von 400 bis 500 fl. Der Abstoß der Schafe geht meist nach Frankreich.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, dagegen werden viele Ferkel (halbenglische und bayerische) eingeführt und theils für den eigenen Bedarf, theils nach Außen, besonders nach Stuttgart verkauft.

| Die Zucht des Geflügels und der Bienen ist unbedeutend.

Außer der durch den Ort führenden Staatsstraße sind noch Vicinalstraßen nach Mühlen und Hochdorf angelegt.

Die Gemeindewaldungen ertragen jährlich etwa 21 Klafter, welche zur Heizung der Raths- und Schulzimmer, wie auch zur Feurung des Gemeindebackofens verwendet werden.

Über die Markung führt etwa 1/8 Stunde nördlich vom Ort unter der Benennung „alte Straße“ eine von Rottenburg herkommende Römerstraße nach Altheim.

Bildechingen gehörte ursprünglich einem gleichnamigen Geschlechte, von welchen Walter 1274 und Hartman von Bildechingen 1294 in Urkunden der Nachbarschaft genannt werden (Schmid Mon. Hohenb. 47, 119).

Marquart von Ihlingen schenkte im Anfange des 12. Jahrhunderts ein Grundstück zu Bildechingen an das Kloster Alpirsbach (Würt. U.-B. 2, 416).

Vor dem Übergang an Württemberg im Jahr 1805 war Landeshoheit, Blutbann, Forstherrlichkeit und niedere Gerichtsbarkeit österreichisch und der Ort gehörte zum Obervogteiamt Horb. Er taucht schon 764 (Cod. Laur. Nr. 3121) und in den nächstfolgenden Jahren mehrmals in der Geschichte auf, indem das Kloster Lorsch an der Bergstraße wiederholte Schenkungen allda erhielt. Bezeichnet wird er Bildechingen, Bildachingen, Bildichingen, Bildachinger marca, in pago Alamannorum, und noch genauer in pago Naglagowe (auf letztere Weise Cod. Laur. Nr. 3528). Auch die hiesige Kirche (basilica) wurde im Jahr 772 an das genannte Kloster geschenkt (ebend. Nr. 3232). Übrigens weiß man außer der Thatsache der Schenkung nichts weiteres von den Schicksalen dieses Klosterbesitzes.

Am 23. März 1287 erkaufte das Kloster Kniebis des Pfalzgrafen Ludwig von Tübingen Hof und die Kapelle mit deren Widem (Schmid Mon. Hohenb. 83. 171, vergl. dess. Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 51). Auch das Kloster Allerheiligen hatte im Jahr 1265 hiesige Besitzungen (Crusius Ann. Suev. 3, 109).

Die Ortskirche wurde im Jahr 1478 dem Chorherrnstifte in Horb einverleibt. Späterhin erscheint sie als Filial der Pfarrei Eutingen. Im Jahr 1806 wurde eine besondere Pfarrkaplanei errichtet und 1812 die letztere zur selbstständigen Pfarrei erhoben. Damals wurden auch die Katholiken in Mühlen, welche früher zu Eutingen gehörten, hieher eingepfarrt.


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