« Kapitel A 7 Beschreibung des Oberamts Herrenberg Kapitel B 2 »
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B.


Ortsbeschreibung,


in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 27 politischen Gemeinden oder Schultheißereien; jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt.

Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen, I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes, II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen und III. des Steuer-Catasters, des Gemeinde- und Stiftungshaushaltes.


Herrenberg,[1]


Gemeinde II. Classe mit 2374 Einw., wor. 19 Kath. – Ev. Pfarrei. Die Kath. sind nach Altingen eingepfarrt.
Die Stadt Herrenberg liegt unter 26° 32′ 3,60″ östlicher Länge und 48° 35′ 49,26″ nördlicher Breite, 81/2 geometrische Stunden südwestlich von Stuttgart. Die Erhebung über dem Mittelmeer beträgt an dem Postgebäude 1543 württembergische| Fuß = 1361 Par. Fuß. Als Oberamtsstadt ist sie der Sitz des Oberamtsgerichts- und des Gerichts-Notariats, des Oberamts und des Oberamts-Physicats, des evangelischen Decanatamtes, desgleichen eines Hof-Kameralamts, für die Besitzungen der K. Hofdomänenkammer, (In Beziehung auf Staatsgefälle gehört Herrenberg zum Cameralamt Reuthin und in forstlicher Beziehung zum Forstamt Wildberg.) Neben dem Oberamtsarzt und dem Oberamtswundarzt, der zugleich prakticirender Arzt ist, wohnen in der Stadt ein weiterer prakticirender Arzt und ein Thierarzt. Auch ist Herrenberg der Sitz eines Postamts.

Von der südwestlichen Ecke des bewaldeten Schönbuchs zieht sich ein schmaler, 1/2 Stunde langer Bergrücken (Schloßberg) in das weit gedehnte fruchtbare Flachland (Gäu), aus dem sich letzterer, steil abdachend, frei erhebt, nur an der Nordostseite mit dem Schönbuch zusammenhängend. Auf der äußersten Spitze des Bergrückens stand das Schloß Herrenberg und um seinen südwestlichen schmalen Abhang lagert sich, ein halbes Eirund bildend, die Oberamtsstadt, welche eine sehr unebene, meist gegen Westen und Norden abhängige, übrigens freundliche Lage hat. In Folge dieser Lage ist die Stadt dem freien Zutritt der Winde ausgesetzt und nur gegen die von Osten und Nordosten herkommenden durch den Schloßberg geschützt; die Luft ist gesund, daher auch die Stadt früher, in Zeiten der Pest, mehrmals als Zufluchtsort diente[2]. Durch den Schloßberg werden herannahende Gewitter entweder gegen Böblingen oder gegen Tübingen gewiesen, daher Herrenberg häufig „an der Wetterscheide“ genannt wurde. Wenn aber die Gewitter von Nordosten über den Schönbuch ihren Weg nehmen, dann entladen sie sich auf eine gefährliche Weise, nicht nur über die Stadtmarkung, sondern über den ganzen Distrikt zwischen dem Schönbuch und der im Westen des Bezirks hinziehenden Anhöhe; so ist z. B. in den letzten 10 bis 12 Jahren die Stadtmarkung dreimal vom Hagel betroffen worden. Wenn zur Zeit der Obstblüthe ein lauer Südwind weht, so erzeugt dieser gerne einen sogenannten Honig- oder Mehlthau.

Die Anlage der Stadt ist, wie ein Blick auf den der Oberamtskarte angefügten Plan zeigt, ziemlich unregelmäßig; die Ortsstraßen sind theils chaussirt, theils gepflastert, übrigens enge und| zum Theil winkelig. Dagegen hat der beinahe in der Mitte der Stadt gelegene viereckige Marktplatz eine namhafte Ausdehnung und ist, wie die meisten Ortsstraßen, gegen Westen abhängig, was zur Reinlichkeit des Orts viel beiträgt, indem bei Regengüssen Marktplatz und Straßen abgeschwemmt und die Unreinigkeiten aus denselben fortgeführt werden. Früher wurde die Stadt in die obere und untere abgetheilt, gegenwärtig unterscheidet man nur noch den innerhalb der Mauern gelegenen Theil (Altstadt) und die Vorstädte. Die Gebäude sind mit Ausnahme der öffentlichen und einiger Privathäuser, meist unansehnlich und zum größten Theil erst nach dem Jahre 1635 erbaut, in welchem den 18. Juli die Stadt beinahe ganz eingeäschert wurde. Was die ehemalige Befestigung anbelangt, so liefen von dem wohlbefestigten Schloß zwei starke, mit Umgang und staffelförmigen Zinnen versehene Mauern gegen die Stadt, wo sie sich an die Stadtmauern anschlossen, so daß Stadt und Burg in ungehindertem, geschütztem Verband standen. Außer der mit hohen Thürmen[3] versehenen, 1622 bedeutend ausgebesserten Hauptmauer lief um die Stadt nebst Wall und tiefem Graben, noch eine zweite, weniger hohe Mauer, an der Halbrondele mit Schießscharten und Zinnen angebracht waren; von den Halbrondelen sind noch drei vorhanden und zwar zwei an der Südseite und eines an der Westseite der Stadt. Überdies gewährte der an der Westseite gelegene See (s. unten) der Stadt einen bedeutenden Schutz. Drei Hauptthore und zwei Nebenthore führten in die Stadt; erstere waren sogenannte Doppelthore, so zwar, daß ein Thor diesseits und eines jenseits des Stadtgrabens stand, und das näher der Stadt gelegene je einen bedeutenden Thurm über sich hatte, während die Verbindung beider Thore mittelst Zugbrücken hergestellt wurde. Hauptthore waren 1) das Nufringer Thor an der Nordseite, 2) das Brunnen-Thor an der Westseite, wo gegenwärtig das Hofkameralamts-Gebäude steht, und 3) das Tübinger Thor an dem sogenannten Stiftskasten der Ostseite der Stadt gelegen; Nebenthore waren das dermalen noch stehende Hack-Thor hinter der Kirche an der Stadtmauer und das Gerber-Thor[4], welches an der Nordwestseite der Stadt stand. Ein kleines Ausfallthörchen war in der Nähe des Sees angebracht. Durch den meistens in das gegenwärtige Jahrhundert fallenden Abbruch der Thore (des Nufringer z. B. im Jahr 1823)| verwischte sich ein bedeutender Zug in der Physiognomie des Orts, welcher früher das echte Gepräge einer wohlbefestigten, mittelalterlichen Stadt hatte. Indessen haben sich die Stadtmauern zum größeren Theil noch erhalten, während die an derselben angebracht gewesenen Thürme der modernen Verschönerung geopfert wurden.

Von öffentlichen städtischen Gebäuden sind zu nennen:

1) Die an der Ostseite der Stadt hoch am Schloßberg gelegene, münsterartig über die Stadt emporragende Pfarrkirche, zu der drei steinerne Treppen von verschiedenen Seiten führen. Mit Ausnahme einiger älteren Theile fällt ihre Erbauung in die unmittelbar auf die Erhebung der Pfarrkirche zur Stiftskirche 1439 folgenden Jahrzehenden; sie stammt somit aus zwei Bauperioden, der früh- und der spät-germanischen. Obgleich die letztere an dem im Allgemeinen sehr großartigen Kirchenbau vorherrscht, so haben sich doch aus der früh-germanischen Periode noch manche architektonische Schönheiten an denselben erhalten. An dem Langhause, wie an dem mit einem halben Achteck schließenden Chore befinden sich Strebepfeiler und hohe Spitzbogenfenster, deren Bogentheile mit zierlichem Maßwerk gefüllt sind, das übrigens häufig sogenannte Fischblasen enthält und hiemit den spät-germanischen Styl bekundet. Auf den Streben an der südlichen Seite des Langhauses erheben sich freie Spitzsäulen, welche Thierfiguren (Hunde, Löwen etc.) statt der Giebelblumen haben, während die Strebepfeiler des Chors nur mit einem einfachen, mit Krappen und Kreuzblumen geschmückten Giebel bekrönt sind; auf den Streben an der Nordseite des Langhauses erheben sich verschiedene, mit Kreuzblumen versehene Pyramidenthürmchen. Unter dem Kranzgesimse lauft ein Spitzbogenfries, der sich auch über die glatten Strebepfeiler fortsetzt. Der südliche Eingang in die Kirche bildet eine mit einem Netzgewölbe gedeckte Vorhalle aus spät-germanischer Periode, deren rundbogiger Eingang eine mit Krappen und großartiger Giebelblume gezierte Wimberge übersetzt. Der Zwickel derselben enthält in Relief einen Christuskopf und zu beiden Seiten des geschweiften Spitzbogens sind die Wappen des Herzogthums Württemberg und der Stadt Herrenberg angebracht. Rechts und links der Wimberge erheben sich Fialen, welche von Säulen mit Laubwerkkapitälen unterstützt werden. Der eigentliche Kircheneingang innerhalb der Vorhalle (Taufkapelle) bildet einen Spitzbogen mit Kleeblattfüllung auf schlanken, mit blumenkelchförmigen Kapitälen versehenen Dreiviertelssäulchen. Das nördliche Seitenportal, eine sogenannte Brautthüre, enthält über dem geradlinigen Thürsturz einen mit reichem Blendmaßwerk gefüllten Spitzbogen; die beiden, das Portal einschließenden| Streben, welche durch einen flachgesprengten Bogen verbunden sind, bilden eine kleine Vorhalle, auf deren Schlußstein ein Schild mit dem Steinmetzzeichen des Baumeisters (ein mit einem Winkelmaß gekreuzter Hammer) angebracht ist. Der an der Westseite stehende massige Thurm wurde, als er im Jahr 1749 dem Einsturz drohte, durch vorgenommene Veränderungen entsetzlich verunstaltet, indem man ein großartiges, germanisches Fenster und eine Fensterrose an demselben zumauern und zwei oben auf dem Thurme schlank emporstrebende Spitzthürmen abbrechen und an dessen Stelle ein hölzernes Stockwerk mit einem Kuppelaufsatz setzen ließ. Auch wurden, zur weiteren Befestigung und Sicherung des Thurms, zwei massenhafte, unschöne Streben an der Westseite desselben angebracht. Auf dem Thurme, von dem man eine ausgezeichnet schöne Aussicht über das Gäu, an die Schönbuchsterrasse und an die Alp genießt, hängen fünf Glocken, von denen die größte, die sogenannte Guldenglocke, im Jahr 1602 gegossen wurde, auf der zweiten stehen mit Majuskeln die vier Evangelistennamen, auf der dritten ist ebenfalls in Majuskeln neben den Namen der vier Evangelisten die Umschrift: „O rex glorie Christe veni cum pace“ angebracht, die vierte ist im Jahr 1630 gegossen worden, die fünfte, einen Stock höher hängende, wird ihrer seltenen, schmalen Form nach die älteste sein. Im unteren Theil des Thurmes befindet sich eine große Halle, in deren Mitte zwei starke runde Säulen stehen, die bis in das zweite Stockwerk hinaufreichen. Früher enthielt der Thurm in seinen untern Theilen zwei über einander stehende, mit Kreuzgewölben gedeckte Stockwerke, welche zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts herausgebrochen und durch einen schwerfälligen Holzeinbau ersetzt wurden. Diese Thurmhalle bewahrt mehrere Grabdenkmale, namentlich ließ hier dem um die Geschichte von Stadt und Amt Herrenberg verdienten Gottlieb Friedrich Heß, herzogl. Rath, Hofgerichtsassessor, wie auch Stadt- und Amtsvogt zu Herrenberg, welcher den 13. Januar 1761 starb, seine Gemahlin eine geb. Dörtenbach ein Grabmal setzen. Auf der östlichen Giebelseite des Langhauses sitzt ein steinernes Spitzthürmchen. Von dem Thurm gelangt man durch ein spitzbogiges, weit abgeschrägtes Portal in die geräumige dreischiffige Kirche, deren schön construirte Netzgewölbe durch zwei Reihen spitzbogiger Arcaden auf je fünf reich profilirten Pfeilern getragen werden. Die Netzgewölbe mit ihren zierlichen Schlußsteinen[5] waren, wie auch die Kirchenwände früher| bemalt[6], erhielten aber schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts theilweise und aus Veranlassung des Reformationsfestes im Jahr 1817 durchgängig eine weiße Tünchung. An einem der Pfeiler ist die aus Lettenkohlensandstein vortrefflich gearbeitete, im spät-germanischen Styl gehaltene Kanzel angebracht; ein sternförmig über das Eck mehrfach gesetzter Fuß trägt einen schön gegliederten Pfeiler mit reich verziertem Knaufe, auf dem sich die, mit den vier Kirchenvätern und der Mutter Gottes gezierte Brüstung erhebt.[7] In dem gleichen Geschmack, wie die Kanzel, ist auch der achtseitige, reich ornamentirte Taufstein gehalten, welcher die Jahrszahl 1472 trägt. In der Verlängerung des nördlichen Seitenschiffs befindet sich neben dem Chor die sogenannte Gruft (Begräbniskapelle), die aus zwei Stockwerken besteht, von denen das untere zwei spitzbogige Kreuzgewölbe enthält, deren Gurten von Consolen mit Menschenlarven ausgehen; sie diente als Begräbnißstätte der zu Sindlingen angesessenen Freiherren v. Bernardin, von denen sie noch drei Grabdenkmale (von 1646, 1680, 1718) enthält. Von der ursprünglichen Bemalung der Kapelle hat sich nur die der Decke noch erhalten. Das zweite Stockwerk enthält zwei gedrückte Kreuzgewölbe und wird gegenwärtig als Archiv der Stiftungspflege benützt. An der südlichen Seite des Chors befindet sich die | dreiseitig schließende Sacristei, in deren Nebengemach ein ausgezeichnet schöner, im germanischen Geschmack geschnittener Schrank aufbewahrt wird.

Der im Jahr 1699 im Rococcogeschmack ausgeführte Altartisch steht in dem um 7 Stufen höher gelegten Raum vor dem Chorbogen, der ehemals durch einen Lettner überbaut war[8]; von ihm gelangt man durch einen spitzen Triumphbogen in den Chor, der mit zwei Kappengewölben gedeckt ist, dessen Schlußsteine in der Richtung von Westen nach Osten folgende Bildwerke enthalten: 1) eine Taube (der heil. Geist), 2) Ecce homo und 3) Agnus Dei. In dem Chor stehen 23 aus Eichenholz geschnittene, mit reichen Ornamenten gekrönte Chorstühle, welche mit einer Menge in Flachrelief geschnittenen Bildern, Scenen aus der biblischen Geschichte und der christlichen Legende, verschiedene Heilige, die vier Evangelisten, Kirchenväter etc. vorstellend, geziert sind. An diesem kunstreichen Gestühlwerk, das ebenfalls im Jahr 1817 weiß und grau getüncht wurde, steht folgende Inschrift: „Im Jar Cri. 1517 an der 10.000 Rittertag [22. Juni] ward dis Werck usgemacht durch Hinrich Schickard von Sigen Burger zur Herrenberg.“[9]

Der um drei Stufen höher gelegte Chorschluß bewahrt die Reste eines erst in neuerer Zeit wieder hergestellten Hochaltars, von dem sich noch vier mit guten Gemälden versehene Deckel und die Staffel erhalten haben. Die Vorderseite der zu einer Haupttafel vereinigten zwei Deckel zeigt einerseits die Dornenkrönung und Geiselung, anderseits die Kreuzschleppung und Kreuzigung Christi, die Rückseite die Vermählung der Maria und die Beschneidung des Jesuskindes. Die Innenseiten der beiden Thürflügel enthalten das Abendmahl und die Auferstehung, während auf den Außenseiten derselben der Abschied und das Ausgehen der Apostel in die Welt dargestellt ist. Auf der in drei Felder getheilten Staffel sieht man in der Mitte das Tuch der heil. Veronica (Schweißtuch) mit dem Bilde des Herrn und auf jeder Seite einen Engel, der das Rauchfaß schwingt[10]. Ferner hängt in dem Chor eine Tafel, welche| früher an der, aus dem Kloster zu Wildberg im Jahr 1579 in die Kirche versetzten Orgel angebracht war; sie enthält die Wappen des Herzogthums Württemberg und das der Herren von Anweil nebst folgender Unterschrift:

Vor Zeiten hab ich wol klungen,
Zu Wildberg mit den Nonnen g’sungen,
Bei ihrer Meß und Götzenwerckh.
Ludwig Hertzog zu Wirtemberg,
Hat mich aus Gnad geordnet her,
Der gemein Statt Herrenberg zu Ehr,
Auf Hans Burkhardt von Anweil Begehr,
Daß Gott durch mich gelobet wer.

Auch ist von Bildern, welche die Kirche noch bewahrt, zu erwähnen: eine Grabtafel mit dem Bildniß des Verstorbenen und der Inschrift: Anno dom. 1586 den 21. Octobris starb der Ehrefest und führnehm Hanß Andler, gewesener Burgermeister etc.; seine Ehefrau war Catharine Bukerin etc.

An der südlichen Außenseite der Kirche befinden sich noch viele Grabdenkmale aus dem 17. und 18. Jahrhundert; einzelne, jedoch unleserlich gewordene, stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert[11].

Weniger bedeutend ist

2) die Spitalkirche[12] zum heil. Geist, in der Tübinger-Straße gelegen, von ganz einfacher, germanischer Bauart; über ihrem spitzbogigen Eingang befindet sich das Schweißtuch mit dem Bild des Herrn und auf dem First sitzt ein Thürmchen, ein sogenannter Dachreiter. Das Innere ist düster und hat außer der Kanzel, dem Altar und einigen Betstühlen, welche im Renaissancegeschmack kunstreich aus Holz geschnitten und eingelegt sind, nichts Bemerkenswerthes. Beide Kirchen sind Eigenthum des Hospitals, dem auch die Verbindlichkeit, dieselbe zu unterhalten, obliegt.

3) Das Rathhaus, ein sehr großes, ansehnliches Gebäude mit Thürmchen und Uhr, steht frei an der östlichen Seite des Marktplatzes; es wurde auf der Stelle des früheren, nach dem Brand| von 1635 im Jahr 1649 erbauten Rathauses 1807 neu aufgeführt; es enthält zugleich die Wohnung des Stadtschultheißen und in den unteren Gelassen die des Amtsdieners.

4) Die hinter der Spitalkirche gelegene lateinische Schule, in welcher sich auch die Wohnung des Präceptors – und im untern Stockwerk ein Theil der deutschen Schule befindet, ist ein gut erhaltenes und geräumiges Gebäude und gehörte, wie das gegenüber liegende, gegenwärtig von dem Oberamtsarzt bewohnte, zu dem Spital. Die lateinische Schule war bis zum Jahr 1709 in einem Gebäude hinter der Stiftskirche.

5) Neben der lateinischen Schule steht das ziemlich gut eingerichtete deutsche Schulgebäude, in welchem sich auch die Wohnungen der Lehrer befinden; es gehört ebenfalls dem Spital und ist durch einen bedeckten Gang mit der lateinischen Schule verbunden.

6) Das Realschulgebäude mit der Wohnung des Reallehrers steht außerhalb des Nufringer-Thors in dem ehemaligen Stadtgraben.

Überdieß gehören der Stadt:

7) Der Stifts-Fruchtkasten, ehemalige Kelter, auch Steinhaus genannt, ein großes, an dem Tübinger-Thor stehendes Gebäude, an dessen südöstlicher Ecke ein räthselhafter Erker angebracht ist; die Gemeinde hat im Jahr 1851 dieses Gebäude um 3000 fl. erkauft.

8) Etwa 1/8 Stunde südöstlich der Stadt liegt an der Straße nach Tübingen das Armenhaus, ehemaliges Siechenhaus, an dem ein ummauerter Kirchhof sich befindet, der früher den sogenannten armen Sündern als Begräbnißplatz diente; eine daselbst gestandene Kapelle wurde im Jahr 1663 abgebrochen.

9) Ein an der Wette stehendes Gemeindewaschhaus mit Backhaus und Obstdörre; ein weiteres öffentliches Waschhaus steht an dem Tübinger-Thor und eine zweite öffentliche Obstdörre in der Nähe des Schafhauses, sowie

10) eine Gipsmühle oben an dem See gelegen.

Von Gebäuden, welche dem Staat gehören, sind anzuführen:

1) Die Oberamtei, früher Kellerei-Behausung, ein sehr großes, altes Gebäude, welches ziemlich erhöht über der südöstlichen Ecke des Marktplatzes liegt, die oberen Räumen desselben gewähren eine schöne Fernsicht[13].

| 2) Das in der Vorstadt an der Südwestseite der Stadt gelegene im Jahr 1830/31 in einem gefälligem Styl neuerbaute Oberamtsgerichtsgebäude. Die oberamtsgerichtlichen Gefängnisse befinden sich in einem abgesonderten Gebäude auf dem ehemaligen Stadtgraben hinter dem Oberamtsgericht.

Im Eigenthum der K. Hofdomänenkammer stehen folgende Gebäude:

1) Das Hofkameralamt, ein gut eingerichtetes, gelb getünchtes Gebäude, in der Brunnenstraße zunächst des ehemaligen Brunnenthors; dasselbe war früher die Wohnung des geistlichen Verwalters und wurde im Jahr 1819 zu seinem gegenwärtigen Zwecke eingerichtet.

2) Das Dekanathaus, ehemalige Probstei zu unser Frauen, später von dem Obervogt bewohnt – und erst im Jahr 1749 dem jeweiligen Dekan und Stadtpfarrer zur Wohnung eingeräumt. Das ansehnliche dreistockige Gebäude liegt frei, mit äußerst freundlicher Aussicht, hoch am Schloßberg, die ganze Stadt, zu deren malerischer Ansicht es viel beiträgt, weit überragend. An dasselbe lehnt sich ein terrassenförmig angelegter Garten[14]. Auch die Baustelle der ehemaligen Pfisterei ist nun als Garten angelegt, unter dem sich gegenwärtig noch die Gewölbe von dem früheren Gebäude befinden. Haus, Garten und Hofraum sind mit einer Mauer umgeben und bilden einen wohl geschlossenen, äußerst angenehmen Pfarrsitz.

3) Das Diaconathaus, welches dem Oberamteigebäude gegenüber steht und im Jahr 1625 von Heinrich Schickard erneuert wurde.

4) Der neben dem Diaconathaus stehende hofkammerliche Kasten, früher Kellereikasten.

Eine ebenfalls hofkammerliche, am sogenannten Gerberthor gelegene Zehentscheuer wurde im Jahr 1850 und die Hauptzehentscheuer in der Vorstadt im Jahr 1852 an Privaten verkauft.

Von abgegangenen Gebäuden, oder von solchen, die früher eine andere Bestimmung hatten, ist vor allen das schon erwähnte | Schloß zu nennen, welches auf dem Schloßberg stand und nach den noch vorhandenen, wenigen Überresten, von bedeutendem Umfange und Ansehen gewesen sein muß[15]. Es hatte zwei Thürme (der eine am östlichen Ende, der andere an der nordwestlichen Ecke), und einige hohe Gebäude, welche nebst den Ringmauern einen Hofraum einschlossen. Von den Schloßgebäuden sind gegenwärtig nur noch die äußersten Ringmauern vorhanden[16]. Ein etwa 60 Fuß tiefer, rund ausgemauerter Brunnen ist zugedeckt worden. Im Osten des Schlosses zieht quer über den schmalen Bergrücken ein beträchtlicher Graben, welcher dasselbe auf der von Natur allein leicht zugänglichen Seite befestigte, und in dem Rücken des Grabens steht ein ziemlich hoher, größtentheils künstlich aufgeworfener Hügel, auf dem im Jahr 1841 zur Feier des 25jährigen Regierungs-Jubiläums Sr. Majestät des Königs Wilhelm einige Eichen und Linden gepflanzt wurden; eine weithin sichtbare Eiche, welche früher daselbst stand, wurde im Jahr 1852 durch den Sturm niedergerissen. Auf dieser Stelle stand ebenfalls eine Burg, im Gegensatz zur vorderen[17] Burg die hintere genannt, von der man schon Grundmauern etc. ausgegraben haben will. Die Aussicht von diesem Punkt ist wohl die schönste und ausgebreitetste in dem ganzen Oberamtsbezirk; das Auge überblickt hier in seiner ganzen Ausdehnung das Gäu mit seinen lachenden, stattlichen Ortschaften und fruchtbaren Gefilden, zwischen denen sich durch üppige Wiesengründe die stille Ammer und ihre Seitenzuflüsse hinschlängeln und gemeinsam dem Neckar zufließen. Wendet man den Blick gegen Südosten, so erscheint die mannigfaltig gruppirte, mit Obstbäumen und Reben reichlich bepflanzte Schönbuchsterrasse, an deren Fuß sich die Ortschaften Kayh, Entringen, Poltringen, Unter-Jesingen etc. lagern, während die Vorsprünge derselben mit den Schlössern Hohen-Entringen, Roseck und mit der Kirche und einem Theil des Orts Mönchberg geziert sind. Gegen Süden übersieht man die Gegend um Rottenburg mit dem spitzen Bergkegel, der die Wurmlinger Kapelle trägt und mit dem weitgedehnten Rammertwald, in dessen| Hintergrunde die Steilterrasse der Alp, vom Plettenberg bis in

die Nähe der Achalm, das Panorama schließt, während gegen Westen noch ein blauer Streifen des Schwarzwaldes sichtbar wird.

Ein zwischen der Kirche und der Stadtmauer gelegenes Haus war früher ein Beguinen-Kloster der Schwestern zur grauen Sammlung, das bei der Reformation aufgelöst wurde. Ein in der Nähe des ehemaligen Klosters auf der Stadtmauer am Hackthor stehendes Haus, in welches 1581 die Schule verlegt wurde, wird noch das Nonnenhaus genannt.

Früher bestand ein Badhaus in der Froschgasse zunächst des Gerberthors, wie denn schon im Jahr 1342 des Baues einer neuen Badstube erwähnt wird.

Die Stadt hatte früher 2 Begräbnißplätze, den einen um die Stadtkirche, den anderen beinahe 1/4 Stunde südlich vom Ort auf der Flur „zu Mühlhausen“ gelegen; auf einem kleinen Theil des letzteren hat die Filialgemeinde Haslach noch das Recht, ihre Todten zu beerdigen, der übrige Theil wird von der Gemeinde Herrenberg als Baumschule benützt. Auf demselben stand ehemals eine dem heil. Basilius geweihte Kapelle, welche 1751 abgebrochen wurde. Der seit 1800 für Herrenberg ausschließlich bestimmte Begräbnißplatz liegt am südlichen Ende der Stadt auf dem sogenannten Spitalacker.

Trinkwasser liefern der Stadt 6 laufende und 11 Pumpbrunnen, erstere sind:

1) Der vierröhrige Marktbrunnen, welcher im Jahr 1660 auf dem Marktplatz neu aufgeführt und 1680 mit einem Aufwand von 1381 fl. etwas weiter hinunter, an seinen jetzigen Platz versetzt wurde; auf der im Renaissancegeschmack ausgeführten Brunnensäule sitzt ein Löwe, das württembergische Wappen haltend.

2) Der vierröhrige Radbrunnen, auf dessen im Renaissancestyl gehaltener Brunnensäule ein Seepferd das Stadtwappen haltend und die Jahrszahl 1671 angebracht ist.

Beide Brunnen werden mittelst einer, 1/2 Stunde langen, hölzernen Teichellage, welche bis zu den, in den Affstätter Thalwiesen entspringenden 4 Quellen führt, gespeist, und liefern ihr Abwasser überdies noch den Brunnen vor dem Tübinger-Thor.

3) Der Königsbrunnen in der Schuhstraße hat seine Quelle an dem nördlichen Abhang des Königsrains 1/2 Stunde östlich vom Ort.

4) Der Spitalbrunnen, welcher 1566 errichtet – nach dem

großen Brande längere Zeit unbrauchbar war, und erst 1665| wieder hergestellt wurde, wird 1/2 Stunde nordöstlich vom Ort

am Fuß des Röthelbergs gefaßt und in die Stadt geleitet.

5) Der Probsteibrunnen entspringt am Lüglenthälchen 1/2 Stunde östlich von der Stadt.

6) Der Kuhsteigbrunnen in der Nufringer Vorstadt, beginnt in der Kuhsteig und wird nur einige 100 Schritte weit geleitet; in trockenen Sommern versagt er häufig seinen Dienst und versiegt auf längere Zeit.

Von den laufenden Brunnen haben der Königs- und der Probsteibrunnen das beste Wasser; die Pumpbrunnen führen mit Ausnahme der in der Vorstadt befindlichen, welche sehr gutes Wasser liefern, und des Badbrunnens, dessen Wasser noch vor einigen Jahren von Kranken benützt wurde, meist hartes, gipshaltiges Wasser.

Im Gemeindewald (Abtswald) befinden sich zwei Quellen, die sehr stark incrustiren und Kalktuff absetzen.

Ein Feuersee und eine Wette sind am westlichen Ende der Stadt angelegt und eine periodisch fließende Quelle (Hungerbrunnen) befindet sich am Fuß des alten Rains.

An der Stadt lagen früher zwei Seen und zwar der obere See auf dem sogenannten Aischbach, welcher im Jahr 1749 vollends trocken gelegt wurde[18] und der schon im Jahr 1379 vorkommende untere See, welcher ursprünglich herrschaftliches Eigenthum war, aber im Jahr 1553 an die Stadt gegen einen ewigen Zins von jährlich 82 fl. 8 kr. 4 hlr. überging; diese ließ den See trocken legen und in 55 Theile abgrenzen, welche den Ortsbürgern je nach dem Alter ihrer Verheirathung gegen Umlage des ewigen Zinses überlassen sind.

Zwei kleine Seen, der eine zwischen Herrenberg und Gültstein,der andere auf der Flur Raistingen, sind ebenfalls abgegangen.

Die Ammer entspringt auf der Markung, eine 1/4 Stunde südwestlich von der Stadt in einer namhaften, in dem ebenen

Wiesengrunde hervordringenden Quelle, mit deren Wasser sich der| 1/4 Stunde nordöstlich der Stadt entspringende, nahe an der Nordseite des Orts vorbeifließende Aischbach vereinigt. Die Leibmanns- oder Leiblingsgrube oberhalb des Ammerursprungs liefert periodisch mehr Wasser als die Ammerquelle selbst; zuweilen vertrocknet sie jedoch ganz.

In dem Spitalwald kommen in dem oberen Muschelkalk mehrere Erdfälle vor, von denen einer zu einer Höhle führen soll; auch in der Nähe der Stadt entstehen zuweilen in dem unteren Mergel Einsenkungen, welche vermuthlich in Folge des allmäligen Auflösens des Gipses durch unterirdische Gewässer erfolgen[19].

In dem der Gemeinde gehörigen Walde Stellhau wird eine harte, feuergebende Abänderung des grobkörnigen Keuper-Sandsteins gebrochen und zu Pflastersteinen verwendet; Werk- und Bausteine liefern 4 in dem feinkörnigen Keuperwerkstein (Schilfsandstein) angelegte Steinbrüche, welche Privaten gehören, dagegen besitzt die Gemeinde einen Muschelkalksteinbruch auf Haslacher Markung, aus dem Straßenmaterial gewonnen wird; eine Sandgrube befindet sich auf der Gültsteiner Ebene, auch sind 2 Lehmgruben vorhanden, von denen eine der Gemeinde, die andere dem Ziegler eigen ist. Töpfererde wird in den in dem Schönbuch gelegenen Gemeinde-Waldungen an vielen Stellen gewonnen, und früher wurde auch an dem Schloßberg wie überhaupt an der Schonbuchsterrasse Gips gebrochen, der in der Nähe der Stadt sehr entwickelt ist, so daß der ältere, innerhalb der Mauern liegende Stadttheil, beinahe ganz auf Gips ruht und die meisten der Keller in demselben sich befinden.

Die Bevölkerung der Stadtgemeinde betrug im Jahr 1853 (3. Dezember) 1197 männliche, 1177 weibliche, zusammen also 2374 Ortsangehörige, wovon 57 im Auslande wohnten. Die| Zählung vom Jahr 1846 ergab hier 2319 Ortsangehörige (1150 männliche, 1169 weibliche), wovon 2300 der evangelischen Confession, 19 der katholischen angehörten.

Im Jahr 1832 (1. Nov.) wurden hier gezählt: 2151 Ortsangehörige (1042 männliche, 1109 weibliche); davon waren ortsabwesend 266; dagegen Fremde anwesend 253; wonach die ortsanwesende Bevölkerung 2138 betrug. Im Jahr 1849 belief sich letztere auf 2194.

Nach Altersklassen vertheilt sich die städtische Bevölkerung auf folgende Weise:

1832 Nov. 1. 1846 Dez. 3.
männl. weibl. männl. weibl.
unter 6 Jahre alt 143 138 139 139
von vollendetem 6–14. Jahre 161 166 166 142
von vollendetem 14–20. Jahre 98 123 158 144
von vollendetem 20–25. Jahre 88 92 95 104
von vollendetem 25–40. Jahre 252 250 249 267
von vollendetem 40–60. Jahre 199 253 251 281
von vollendetem 60–70. Jahre 72 66 63 67
von vollendetem 70–80. Jahre 23 17 25 24
von vollendetem 80–90. Jahre 6 4 4 1
von vollendetem 90–100. Jahre
über 100 Jahre
1042 1109 1150 1169
2151 2319.

Der Familienstand war

1832 Nov. 1. 1846 Dez. 3.
Verehelichte 646 674
Wittwer 54 51
Wittwen 72 90
Geschiedene 10 13
Unverehelichte 1369 1491
zusammen       2151 2319

Familien zählte man 1846 529; Ehepaare 337, wonach auf eine Familie 4,38, auf ein Ehepaar 6,9 Angehörige kommen.

In dem zehnjährigen Zeitraum von 1837/47 wurden im Durchschnitt jährlich 79,0 Kinder geboren, und zwar 43,1 Knaben, 35,9 Mädchen; darunter waren uneheliche 9,9 (5,4 Knaben, 4,5 Mädchen).

Hienach fallen auf 1000 Angehörige 34,9 jährliche Geburten (1:28,7) und unter 100 Geburten waren 12,5 uneheliche (1:8,0).

| In dem gleichen Zeitraum starben jährlich im Durchschnitt 70,3 Angehörige (37,3 männliche, 33,0 weibliche). Es treffen hienach auf 1000 Einwohner jährlich 32,2 Todesfälle (1 auf 32,2) und zwar auf 1000 männliche Einwohner 33,9, auf 1000 weibliche Einwohner 28,3 Gestorbene.

Auf 1000 Sterbfälle kommen 1123,7 Geburten, und der natürliche Zuwachs zur Bevölkerung berechnet sich für den erwähnten Zeitraum auf 87 (58 männliche und 29 weibliche), die effective Zunahme aber auf 85 (65 männliche und 20 weibliche).

Das hohe Alter, welches die Einwohner zuweilen erreichen, geht daraus hervor, daß im Jahr 1762 5 Ehepaare in der Stadt waren, die über 50 Jahre in einer Ehe lebten.

Die Einwohner sind im Allgemeinen körperlich gesund, übrigens nicht sehr ansehnlich gebaut, auch kommt Cretinismus und Kropf ziemlich häufig vor, was als Folge des gipsführenden Wassers zu betrachten sein dürfte. In moralischer Beziehung zeichnen sie sich aus durch Verständigkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Sinn für Religion, der sich häufig bis zum Pietismus steigert. Ihre Vermögensumstände gehören gerade nicht zu den besten, es gibt nur wenig Reiche[20], aber ziemlich viele Unbemittelte; übrigens ist der Mittelstand immer noch der vorherrschende. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; neben dem Feldbau treiben die meisten Bürger noch irgend ein Gewerbe, theils für die örtlichen Bedürfnisse, theils für den Bedarf der Einwohner der umliegenden Orte.

Ausgezeichnete Herrenberger sind:

Burkhard Krebs, Chorherr zu Sindelfingen, seit 1438 Domdechant zu Passau, als welcher er am 10. Juli 1458 ein Capital von 1000 fl. stiftete, wovon jährlich 30 fl. an den Spital zu Herrenberg und 20 fl. an arme Mädchen ausgetheilt werden sollten (St.-A.). Auf Verlangen Kaiser Friedrichs III, schrieb er eine Kaiserchronik; am bekanntesten ward er dadurch, daß er in Wien im Jahr 1456 die Lilienburse an der Stelle, wo das Collegium Pazmanianum erbaut wurde (Kink, Geschichte der Univ. Wien 1, 144), und andere Stipendien für Schwaben stiftete. Er starb im Jahr 1462 (Vergl. Crus. Annal. Suev. 3, 381, Hansiz Germ. Sacr. 1, corollar. Nr. 8, Öfele Rer. Boic. 1, 713).

Heinrich Schickard, geb. den 5. Febr. 1558, einer der berühmtesten Baumeister seiner Zeit, für seinen Beruf namentlich auch in Italien ausgebildet, seit 1593 in Stuttgart angestellt.| Besonders Herzog Friedrich war ein großer Gönner des unglaublich thätigen Künstlers; er nahm ihn zum Begleiter im Jahr 1599 auf seine italienische Reise, deren Beschreibung Schickard im Druck herausgab, betraute ihn sowohl in Württemberg als auch in Mömpelgard mit der Ausführung vieler Bauwerke, in Stuttgart namentlich des durch seine Schönheit ausgezeichneten (1757 innen ausgebrannten, 1779 ganz abgebrochenen) sog. neuen Baues. Auch bei dem Bau von Freudenstadt war er sehr thätig. Er starb zu Herrenberg, ein Opfer der wilden Zeit nach der Nördlinger Schlacht, an einer von einem Soldaten ihm beigebrachten Stichwunde am 31. Dez. 1634 (Eberh. v. Gemmingen, Heinr. Schickards Lebensbeschreibung. Tübingen 1821. 8).

Joh. Valentin Andreä, geb. den 17. August 1586, Sohn des hiesigen Spezialsuperintendenten, ein Mann von vielseitigster Bildung, reichster dichterischer Anlage, ausgezeichnetster Schriftstellergabe, tiefster Religiosität, brennendstem Eifer für das wahre Christenthum, ausgebreitetsten Verbindungen (z. B. mit dem Herzog August von Braunschweig), überhaupt eine wahre Zierde seiner Zeit. Nach mehrjährigen Reisen durch Frankreich und Italien wurde er 1614 Diacon in Vaihingen a. d. E., 1620 Spezial in Calw. Bei Zerstörung dieser Stadt im Jahr 1634 verlor er seine Bücher- und Kunstsammlung und fast alle seine Habe. Im Jahr 1639 wurde er Hofprediger und Consistorialrath in Stuttgart, 1650 Abt in Bebenhausen, 1654 Abt in Adelberg, als welcher er am 27. Juni 1654 verschied. Unter seinen zahlreichen Schriften sind zu erwähnen z. B. Hercules christianus, Turbo, Menippus, Mythologia christiana: auch verfaßte er eine Selbstbiographie (Vita ab ipso conscripta. Ex autographo ed. Rheinwald. Berol. 1849. 8). Eine besonders große Bewegung brachten hervor seine Schriften über den Rosenkreuzerorden, in welchen er dem Aberglauben seiner Zeit, insbesondere der alchemistischen und theosophischen Schwärmerei durch Spott entgegen zu wirken suchte.

Wilhelm Schickard, geb. den 22. April 1592, Sohn eines Schreiners und Werkmeisters, obigen Heinrichs Neffe, ein sehr ausgezeichneter Orientalist, Verfasser des häufig aufgelegten Horologium hebraeum, gestorben als Professor der hebräischen Sprache zu Tübingen den 24. October 1635 an der Pest. (Schnurrer Nachrichten von Lehrern der hebr. Literatur in Tübingen 160–226.)

Außer diesen kamen noch manche tüchtige Männer hier zur Welt; theils in einem Lehrfach, theils auf der Kanzel thaten sich hervor: Andreas Veringer, geb. 1553, gest. den 15. Nov. 1609 als Consistorialrath und Abt in Alpirsbach. Johann| Valentin Neuffer, geb. den 10. Nov. 1572, gest. im April 1610 als Pandektenprofessor in Tübingen. Sam. Haffenreffer, geb. den 26. April 1587, gest. den 26. Sept. 1660 als Professor der Medicin in Tübingen. Joh. Conr. Klemm, geb. den 23. Nov. 1655, gest. den 8. Febr. 1717 als Professor der Theologie in Tübingen. Joh. Ferd. Gaum, geb. den 15. Oct. 1738, Klosterprofessor in Blaubeuren 1777–1796, bekannt als Bearbeiter der hebräischen Grammatik Schröders, gest. 1814 als Spezialsuperintendent in Calw.

Auch in Nordamerika thaten sich zwei Männer hervor, welche zwar nicht aus der Stadt, jedoch aus dem ehemaligen Amte Herrenberg gebürtig sind, nämlich Joh. Konrad Weiser und sein Sohn Konrad (Letzterer geb. um 1701). Der Vater zog mit sieben Kindern im Frühjahr 1709 aus und gründete nach Überwindung vieler Mühseligkeiten einen Sitz zu Wommelsdorf in Pennsylvanien. Der genannte Sohn, welchen von dem Vater der mit diesem vertraute Mohikanerhäuptling Quagnant zu sich erbeten hatte, und welcher so seine Jugend bei den Indianern verlebte, erwarb sich Verdienste, als Bevollmächtigter der Regierungen von Pennsylvanien und Virginien bei diesen Völkerschaften, als kräftige Stütze Zinzendorfs, da dieser die Mission unter den Wilden ordnete, als Friedensrichter unter seinen Landsleuten, dazwischen hinein bei dem Krieg der Engländer gegen die französischen Kanadier als Oberster von neuen Compagnien. Er starb 1760 im 59. Lebensjahr; noch viele Jahre lang wallfahrteten die Wilden nach Wommelsdorf zu dem Denkmal „ihres guten Vaters.“ (Siehe G. Schwab im Jugendalbum 1851, 26–35).

Die Stadtmarkung hat eine ganz seltene in die Länge gezogene Figur, die sich beinahe in der ganzen Ausdehnung des Oberamtsbezirks von Osten nach Westen 33/4 Stunden lang erstreckt, während ihre Breite von 1/2 Stunde bis zu einigen 100 Schritten wechselt[21]. Die Schönbuchsterrasse und die Gehänge gegen einige, die Markung durchziehende Thälchen ausgenommen, liegen die Feldgüter ziemlich eben und haben im Allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der in den ebener gelegenen Partien aus Diluviallehm mit Muschelkalkdolomit als Unterlage – an dem Schönbuchsabhang, wie an dem Fuß desselben, theils aus einem starken Thonboden mit Mergel und Gips als Unterlage, theils aus Mergel selbst besteht; einzelne Stellen, an denen der Keuperwerkstein| ansteht, haben einen ziemlich leichten mit Thon vermischten Sandboden. In den Thalebenen kommen schwarze, für den Wiesenbau sich gut eignende Alluvialböden vor, während in den Waldungen auf dem Schönbuch neben einer Verwitterung des grobkörnigen Keupersandsteins ein etwas strenger Thonboden – und in den Waldungen westlich der Stadt aber ein humusreicher Kalkboden vorherrscht. Die ergiebigsten Felder sind hinter dem Schießhaus, Schafhausfelde, Grabenäcker etc.

Die Landwirthschaft, obwohl man sich meist des Brabanter-Pflugs, wie auch der Walze, der Repssäemaschine, des einfachen Jochs etc. bedient, wird nur mittelmäßig betrieben, da vielen Bürgern eigenes Zugvieh fehlt und manche durch andere gewerbliche Beschäftigungen vom Feldbau abgehalten sind. Die Düngerstätten sind zum Theil gut und häufig mit Gülleneinrichtungen versehen, übrigens wird immer noch ein ziemliche Theil des Düngers in Folge der abhängigen Lage der Stadt bei Regengüssen weggeschwemmt; außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln wird Gips, Hallerde und etwas Compost zur Besserung des Bodens angewendet.

Im üblichen Dreifeldersystem baut man hauptsächlich Dinkel, Hafer, Gerste, ziemlich viel Einkorn, wenig Roggen und Weizen; ewiger Klee kommt ziemlich viel zum Anbau und Ackerbohnen zieht man meist unter dem Hafer. Die Brache wird etwa zur Hälfte angeblümt und zwar mit Kartoffeln, dreiblätterigem Klee, Angersen, sehr viel Kohlraben, etwas Reps, Mohn und Hopfen. Hanf und Kraut zieht man in eigenen Ländern, besonders aber auf dem Grund des ehemaligen Sees unfern der Stadt, auf dem überdieß noch Gemüse und Gartengewächs in ziemlicher Ausdehnung gepflegt werden.

Der verstorbene Bürgermeister Diez hat zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit gutem Erfolg Tabak gebaut, auch gegenwärtig fängt man wieder an, mit dem Tabakbau Versuche zu machen.

Auf den Morgen rechnet man Aussaat 7 Simri Dinkel, 41/2–5 Simri Hafer, 3–31/2 Simri Gerste und 5 Simri Einkorn; der Ertrag ist durchschnittlich 9 Scheffel Dinkel (einzelne der ergiebigsten Äcker haben in ganz günstigen Jahren schon 14–16 Scheffel geliefert), 6 Scheffel Hafer, 5 Scheffel Gerste, 7–8 Scheffel Einkorn, dessen Anbau, da es sehr gerne gedeiht, immer mehr in Aufnahme kommt.

Der höchste Preis eines Morgens Acker beträgt 500 fl., der mittlere 250 fl. und der geringste 100 fl. Gerste, Hafer und nur wenig Dinkel wird theils an Händler, theils an Bäcker meist im Orte selbst abgesetzt.

| Der Gartenbau wird theilweise zum Vergnügen, mehr aber für das eigene Bedürfniß betrieben, einzelne pflanzen auch Gemüse etc. auf den Verkauf. Von namhafter Ausdehnung ist der Wiesenbau, der mit Ausnahme einzelner Waldwiesen nur in den Thalebenen, jedoch mit unbedeutender Wässerung betrieben wird; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd angegeben. Das Futter ist sehr gut und kommt zum Theil nach Außen zum Verkauf. Die Preise für den Morgen Wiesen bewegen sich von 350–500 fl. Der Weinbau, welcher früher in den südlich gelegenen Herrenbergen (Burghalde) und an dem alten Rain[22] ziemlich ausgedehnt betrieben wurde[23], wird gegenwärtig nur noch auf etwa 2 Morgen aus Liebhaberei gepflegt; dagegen hat sich die noch immer im Zunehmen begriffene Obstzucht bedeutend ausgebreitet und bildet einen Haupterwerbszweig der Einwohner. Auch die Gemeindeverwaltung befördert die Obstzucht und hat die Allmanden, wie die Straßen mit Obstbäumen bepflanzen lassen, so daß gegenwärtig die Allmandbäume durchschnittlich 150 fl., in günstigen Jahren 500 fl. eintragen. Von Tafelobstsorten werden Lederäpfel, mehrere Gattungen Rainetten, Fleiner, sogenannte Bongertäpfel, Rosenäpfel, Goldparmänen, rothe und weiße Bietigheimer; Bergamottbirnen, Zuckerbirnen, Schnabelbirnen etc. gezogen, während von Mostsorten besonders Luiken, Spießling, Pfaffenäpfel, Weinäpfel, Knausbirnen, Steinlacher Birnen, Palmischbirnen, Brünnlesbirnen, Reichenäckerin und Bogenäckerin, etwas Bratbirnen etc. zur Anpflanzung kommen. Von Steinobst zieht man sehr viel Zwetschgen, welche sich durch Größe und Süßigkeit auszeichnen, weniger Kirschen. Wegen des Schutzes gegen Norden und Osten und weil die Obstbäume größtentheils auf bebautem Ackerfeld stehen, gedeiht das Obst gerne und wird neben sehr kräftig. Mit Obst und namentlich auch mit gedörrten Zwetschgen wird ein starker Handel meist in den Schwarzwald getrieben und überdies noch ziemlich viel Obst im Ort verbraucht und vermostet. Der Obstertrag beläuft sich in günstigen Jahren auf etwa 80.000 Sri. Äpfel, 20.000 Sri. Birnen und 20.000 Sri. Zwetschen. Die jungen Stämme werden theils in| zwei Gemeindebaumschulen nachgezogen, theils von Außen aufgekauft. Die Gemeinde besitzt 27105/8 Morgen Waldungen, die meist mit Eichen und Buchen bestockt sind und in einem 90jährigen Umtriebe bewirthschaftet werden; die Eiche ist sehr häufig, so daß gegenwärtig die Stadt 8553 Eichenstämme besitzt. Es werden jährlich 672 Klafter und 14.600 Stück Wellen geschlagen, hievon erhält jeder Bürger 1 Klafter und 16–20 Stück Wellen, während der Rest mit Einschluß des etwa 50 fl. betragenden Pachtgeldes aus Waldwiesen, des Erlöses für Ernteweiden etc. der Gemeinde durchschnittlich 2000 fl. einträgt. Überdies sind noch 228 Morgen Stiftungswaldungen vorhanden, aus deren jährlichem Holzertrag etwa 800–1000 fl. erlöst werden.

Die Besitzer der an der Ammer gelegenen drei Mühlen hatten das Recht, Bau- und Werkholz, theils unentgeldlich, theils im Revierpreis aus dem Schönbuch zu beziehen, was nun abgelöst worden ist.

Die Weiden, soweit sie neuerlich nicht mit Forchen kultivirt worden sind, werden nebst der Brach- und Stoppelweide von der Gemeinde benützt, indem jeder Bürger das Recht hat, nach Maßgabe seines Feldbesitzes Schafe laufen zu lassen, wofür er von dem Schaf 1 fl. 12 kr., von dem Lamm 36 kr. an die Gemeindekasse entrichtet, was derselben, mit Einschluß des Pferchgeldes jährlich 500 fl. reinen Ertrag liefert.

Die Pferdezucht ist nicht beträchtlich, obgleich schon lange her eine Beschälplatte im Ort besteht. Auf diese werden viele Stuten aus der Umgegend zum Sprung gebracht und mit veredelten Hengsten gekreuzt, was einen sehr vortheilhaften Einfluß auf die Pferdezucht des Bezirks äußert, indem aus demselben jährlich eine nicht unbedeutende Anzahl schöner Pferde theils an das Militär, theils an Privaten zum Verkauf kommt.

Die Rindviehzucht ist sehr bedeutend und wird immer mehr zu heben gesucht; es wird ein rothbrauner, mittelstarker Landschlag gehalten und durch 4–5, theils reine Simmenthaler, theils Bastard Simmenthaler Farren nachgezüchtet und veredelt[24]. Mit Vieh wird auf den Ortsmärkten ein lebhafter Handel getrieben und Mastvieh setzen hauptsächlich die Bierbrauer ab. Milch kommt viel in der Stadt und Butter auf dem Wochenmarkt zum Verkauf.

Die Schafzucht, meist in Bastarden, ist nicht unbedeutend. Auch Schweine werden gezogen, jedoch muß zur Mast noch die| größere Zahl der Ferkel von Außen aufgekauft werden. Das Stift Herrenberg war verpflichtet, ein Eberschwein zu halten, hat aber diese Last schon im Jahr 1487 an einen Privaten gegen Abtretung einer Wiese übertragen. Ziegen halten Unbemittelte und die Bienenzucht ist ganz unbedeutend, indem sich die Gegend für dieselbe nicht eignet.

Was die Gewerbe in der Stadt betrifft, so sind nach der neuesten Aufnahme (für Zwecke des Zollvereins) zu erwähnen:

I. Fabrikations-Anstalten.

In Herrenberg bestehen vier Anstalten für Fabrikation von wollenen und halbwollenen Zeugen mit vier Stühlen und fünf Arbeitern. Baumwollene und halbbaumwollene Stoffe liefern drei Stühle mit drei Arbeitern, leinene und halbleinene vier Stühle mit vier Arbeitern. Bandweberei wird von einem Arbeiter auf einem Stuhl betrieben. – Als Nebenbeschäftigung wird Leinwand auf fünf weiteren Stühlen gewoben.

Die drei Getreidemühlen haben zusammen dreizehn Gänge und beschäftigen einschließlich der Eigenthümer acht Arbeiter.
In der Ziegelei arbeiten drei Gehilfen.
Die sieben Bierbrauereien nehmen neun Arbeiter in Anspruch.
Die vier Branntweinbrennereien beschäftigen vier Arbeiter.


II. Mechanische Künstler und Handwerker.
Meister Gehilfen       Meister Gehilfen
Bäcker 20 5 Steinhauer 4 3
Mezger 16 8 Pflästerer 4
Seifensieder 3 1 Kaminfeger 2 1
Gerber 9 2 Hafner 2 1
Schuhmacher 21 5 Glaser 4 1
Sekler 3 Gipser 3
Sattler 2 1 Grobschmied 5 3
Seiler 6 Schlosser 14 4
Schneider 12 3 Kupferschmied 3 1
Knopfmacher 1 Zinngießer 1
Hutmacher 1 Flaschner 3 1
Tuchmacher u. Tuchscheerer 4 1 Nadler 3 1
Färber 4 7 Uhrmacher 3
Zimmerleute 3 3 Gold- und Silberarbeiter 2 1
Schreiner 12 4 Barbiere 2
Wagner 6 2 Buchbinder 3 2
Küfer und Kübler 8 2 Apotheker 2 3
Dreher 2 2 Schäfer 2 1
Kammmacher 2 Kleemeister 1
Bürstenbinder 1 Strumpfstricker 1
Maurer 3 4 Feldmesser 2
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III. Handels-Gewerbe.
Meister Gehilfen       Meister Gehilfen
Weinhändler 5 5 Frachtfahrer und Lohnkutscher 12 16
Kaufleute 10 8 Krämer und Händler 2
      Sodann zählt die Stadt :
Schildwirthschaften 8 Buchdruckereien 1 2
Gassen- u. Speisewirthschaften 16 Musikanten 1

Für entferntere Märkte arbeiten besonders die Tuchfabriken und Gerbereien; namentlich scheint das Tuchmacher-Gewerbe schon in früherer Zeit von Bedeutung gewesen zu sein[25].

Der Handel besteht hauptsächlich in dem Verkauf der schon gedachten Gewerbs-Erzeugnisse und in dem Detailverkauf von Specerei- und Ellenwaaren, Eisen etc., welchen die in der Stadt ansäßigen Kaufleute betreiben[26].

Die Stadt hat das Recht, vier Jahr- (Vieh- und Krämer-) Märkte, welche sehr besucht sind, und alle Samstag Wochenmarkt zu halten[27].

Obwohl an keiner Handelsstraße gelegen, hat die Stadt doch ziemlich Verkehr, worüber Näheres im allgemeinen Theil erwähnt ist, der auch die Straßen, Post- und Boten-Anstalten angibt.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet; über das Vermögen der Gemeinde, wie über das der Stiftungspflegen s. Tabelle III.

Als örtliche Wohlthätigkeits-Anstalt besteht insbesondere der im Jahr 1400 gegründete Heiligen-Geist-Hospital, aus welchem| für arme Bürger Kostgelder und andere Unterstützungen gereicht werden.

Außer den im allgemeinen Theil aufgeführten, besonders verwalteten (Stipendien-) Stiftungen ist hier noch folgender dem Hospital einverleibten Stiftung zugleich als Gedächtniß an Heinrich Schickard zu erwähnen:

Johann Gröninger, Bürgermeister in Herrenberg, stiftete 200 fl. für Arme; Bürgermeister und Gericht bekennen den 15. Juni 1612 diese Summe von seiner Wittwe Anna und seiner Tochter Barbara, Gattin des Baumeisters Heinrich Schickard, mit noch weiteren 100 fl. zu Handen des Spitals erhalten zu haben, und versprechen, daß künftig der Spitalmeister alljährlich die 15 fl. Zinse einziehen und an Pfingsten den Ausspendern dieses Almosens übergeben soll, um es auszutheilen unter Knaben armer Bürger, welche die Schule besuchen oder ein Handwerk lernen wollen, oder auch sonst unter dürftige Leute, wobei die Nachkommen und Verwandten des Stifters vorzugsweise zu berücksichtigen seien. Hiezu stiftete dann Heinrich Schickard den 9. Februar 1628 noch 400 fl., seine Tochter Barbara den 28. Nov. 1635 aber 200 fl., welche Summe empfangen zu haben Bürgermeister und Gericht am 2. Febr. 1652 bekennen und zu den oben genannten Zwecken zu verwenden versprechen. Weil aber ein Capital von 600 fl. auf halbe Zinse herabgesetzt ward, verlangte die Stadt von den Schickard’schen Erben noch weitere 300 fl., begnügte sich aber in Vergleich vom 11. Aug. 1688 mit 200 fl. (Moser, Samml. württemb. Stipendien 1, 99).

Das Wappen der Stadt ist eine goldene Kirchenfahne im rothen Felde (während die Stadt Tübingen und die Familie der Pfalzgrafen von Tübingen vor der Theilung überhaupt umgekehrt eine rothe Kirchenfahne in goldenem Felde führen).

Kirchliche Anstalten. An der Kirche sind angestellt: ein Stadtpfarrer, zugleich Dekan der Diöcese Herrenberg, und ein Diacon, welcher zugleich Pfarrer von Haslach ist. Das Nominationsrecht für beide Stellen hat der Staat. Der erste evangelische Pfarrer war Caspar Gräter von 1534–1537.

Was die schon im allgemeinen Theil erwähnten Schul- und Lehr-Anstalten betrifft, so sind: 1) an der lateinischen Lehranstalt ein Präceptor und ein Collaborator angestellt[28]; 2) an der| Realschule und zugleich an der Sonntags-Gewerbsschule ein Reallehrer unterrichtet. 3) An der deutschen Schule sind zwei Lehrer und zwei Lehrgehilfen angestellt.

Als einzelne auf der Stadtmarkung gelegene Wohnsitze sind zu nennen:

a) Die erste (obere) Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang, liegt 1/4 Stunde südlich der Stadt an der Landstraße nach Horb.

b) Die zweite (mittlere) Mühle mit vier Mahlgängen und einem Gerbgang, steht in geringer Entfernung unterhalb der ersten.

c) Die dritte (untere) Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang liegt 1/2 Stunde südlich von der Stadt und wird, wie die übrigen, von der Ammer in Bewegung gesetzt[29].

d) Das Armenhaus (s. oben).

Etwa 1/4 Stunde südlich von der Stadt lag der im Mittelalter abgegangene, auf einen römischen Wohnplatz gegründete Ort Mühlhausen (s. unten) und 1/4 Stunde südwestlich von Herrenberg stand der längst abgegangene Ort Reistodingen (siehe hienach), von dem noch der wohlgefaßte Brunnen vorhanden ist und nach welchem die Stelle des ehemaligen Orts noch zu Reistingen genannt wird[30].

Der abgegangene Hof Waldhaus, welcher dem Heiliggeist-Spital gehörte, lag im Spitalwald unfern der Landstraße nach Nagold[31].


| Im Herrenberger Stadtwald, etwa 11/2 Stunden westlich von der Stadt, stand oben an dem Abhange gegen das Lindach-Thälchen ein Waldbruderhaus, von dem noch Überreste eines gewölbten Kellers sichtbar sind; ein von Hildrizhausen dahin führender Weg wird der Mönchweg genannt.

Nördlich von der Stadt kommen die Benennungen Schanze und Schanzenwiesen vor.

Geschichtliches. Auf die ursprüngliche Bedeutung des Namens Herrenberg, eines um einen Herrensitz entstandenen Ortes, weisen hiesige Ortsbezeichnungen, wie „wyngarten am graben vnder myns Herren berg gelegen“ (1470, Schmid 147. Eine andere Burg Herrenberg erbaute der Montfortische Nebenzweig des pfalzgräflich-tübingischen Hauses bei Sewelen im Werdenbergischen im linken Rheinthale). Die erstmalige Nennung des ohne Zweifel weit ältern Orts fällt ins Jahr 1228; am 28. März d. J. urkundete Pfalzgraf Rudolf von Tübingen († um 1247) hier auf seiner Burg (castrum nostrum H.) für das Kloster Salmansweiler, wie er denn auch später hier noch mehrere Urkunden ausstellte. Unter dieser Burg, zu ihrem Schutz und von ihr geschützt, bildete sich eine Gemeinde, welche noch Reste der Einwohnerschaft Mühlhausens und Reistingens in sich aufgenommen haben mag. Als Stadt erscheint Herrenberg erstmals den 8. Dez. 1278 (wenigstens hatte damals universitas in Herrenberc ihr Sigel, welches sie an eine Urkunde des Klosters Reuthin hing) und dürfte dies auf Veranstaltung der Tübinger Pfalzgrafen ein Paar Jahrzehnte zuvor geworden sein und hiemit Umfangsmauern erhalten haben. Von Herrenberg seiner Stadt (civitas nostra H.) bezog im Jahr 1301 Pfalzgraf Rudolf von Tübingen 65 Pfd. Heller Jahressteuer (Besold Doc. red. 394).

Hiesige Schultheißen, betraut mit der bürgerlichen Rechtspflege, kommen vor seit dem Jahr 1266; ein solcher, Dietrich Roth (Sindelfinger Urk. bei Haug zu Chron. Sindelf. 36), ist Zeuge Pfalzgraf Rudolfs von Tübingen vom 4. April d. J. (Schmid Urk. 32). Am 1. Jan. 1291 war bereits Konrad sein Amtsnachfolger (Schmid 265).

Der Wechsel der Herren, unter welchen Herrenberg stund, ist im allgemeinen Theil erwähnt, sofern dieser Hauptort mit dem größeren Theile des Bezirkes das gleiche Schicksal hatte. Die für das Pfalzgrafenhaus so verderblichen Theilungen gingen am Ende so weit, daß am 6. Febr. 1347 die Stadt Herrenberg selbst Gegenstand einer brüderlichen Theilung der Pfalzgrafen Rudolf und Konrad wurde, in welcher auch die hiesigen Verhältnisse genauer hervortreten.

| Der jüngere, Konrad, erhielt den oberen (südöstlichen) Theil, der ältere, Rudolf, den untern (d. i. der Ammerniederung mehr genäherten oder nordwestlichen). Gemeinschaftlich blieben die „Burghalde“, bis an den Kirchhof, diesen einschließlich, hinab und von dem „Hakthor“ (welches den Zugang vor der Burg zur Stadt bildete) bis an die gemeine Straße, der Weg zu der Kirche, auch die Strafgelder für die auf dem Kirchhof begangenen Frevel, ferner der Markt, der Stock desselben, die Brod- und Fleischbänke, der Brunnen daselbst, die Steingrube, die Ziegelhütte, der Schutz und Bann des Felds zu Herrenberg und der Wege innerhalb und außerhalb der Stadt. Die Scheidungslinie, welche den obern Theil bis zum „Tübinger Thor“ hin links und den untern Theil bis zum „Nufringer Thor“[32] rechts ließ, zog vom Kirchberg zwischen Wencken Haus und der Metzel und den Markt ab bis an des Schultheißen Haus und dann die Gasse hinunter bis an den Ärcker, genannt „Hagenbach“ und das „Brunnenthor“ (beim jetzigen Hof-Cameralamt). Zur Ausgleichung, da der untere Theil der unbedeutendere war, erhielt Graf Rudolf noch das Vogtrecht von zwei Gütern, Gäns- und Hühner-Geld, einige Zinse, mehrere Gilten u. a. (St.-A., zum Theil bei Schmid 167, 168). Diese Trennung wonach die Stadttheile Ober- und Unter-Herrenberg jeder seinen eigenen Schultheiß und Richter und sein eigenes Sigel hatte, fand, als Herrenberg im Jahr 1382 ganz an Württemberg kam, ihre natürliche Endschaft.

Genannten Pfalzgrafen Konrad sehen wir im Jahr 1338 zu Gericht sitzen „zu Herrenberg in seiner Grafschaft an des Reiches Landstraß“ und sieben Richter vor ihm stehen (Schmid 436).

Unter den mancherlei hiesigen Besitzungen und Rechten seines Hauses kommen auch Laienzehnten vor, welche im Jahr 1337, 1350 als von dem Pfalzgrafen Rudolf dem Scheerer zu Lehen rührend erwähnt werden (Reg. Boic. 7, 184).

Die Herrschaft Württemberg bezog hier nach der im Jahr 1383, also ein Jahr nach der Erwerbung Herrenbergs, aufgezeichneten Erneuerung (Schmid 499) an jährlicher Martini-Steuer 200 Pfund Heller, am Umgeld nach durchschnittlichem Anschlag 150 Pfund Heller, an Zinsen: von zwei Badstuben 151/2 Pfund Heller und 2 Schilling, von Hofstätten 71/2 Pfund, von der neuen Metzel 51/2 Pfund, und hatte sonst noch ansehnliche Einkünfte aus dem jährlichen Mühlgeld von 4 Mühlen, aus verliehenen Liegenschaften, wie dem Hof „ze Amro“, aus Weinbergen, aus den zwei| Seen und dergl. Alles zusammen wurde angeschlagen zu „388 Pfund 2 Sch. Heller, 100 Malter Kern, 6 Simri Kern, 104 Malter Roggen, 2 Viertheil Roggen, 2 Malter Haber, 38 Gäns, 72 Hühner“ (Schmid 500).

Dagegen hatte die Stadt, wie mehrere mit ihr zur Schönbuchsgenossenschaft gehörende Amtsorte, sogenannte Schönbuchsrechte (Schmid Urk. 170).

Nach allgemeinem Brauche wurden die Stadtgerichte, wenigstens in peinlichen Sachen, noch im 15. Jahrhundert unter freiem Himmel, z. B. auf offenem Markte, gehalten. Am 29. Februar 1504 erlaubte König Maximilian dem Schultheißen und Gericht in Herrenberg die Gerichtssitzungen auf das Rathhaus zu verlegen.

Verbrennung einer Hexe fand noch im Jahr 1613 Statt.

Der älteste hiesige Beamte, welchen man kennt, ist aus der pfalzgräflich-tübingischen Zeit Albertus cellarius (Keller) de Herrenberch, Zeuge in einer Urkunde Ritter Wolpots von Wurmlingen für das Kloster Kirchberg (Schmid Urk. 16). Hiesige Obervögte, deren Stelle im Jahr 1755 im Land überhaupt einging, sind erst, seit Herrenberg an Württemberg kam, mit Namen bekannt. Werner von Rosenfeld (1385), berühmt durch seine Hilfeleistung bei der Schlacht von Döffingen (1388), ist der älteste. Später erscheinen Heinrich von Giltlingen 1403 (Monum. Zoller. Nr. 481), Albrecht von Nüwnegg 1421 in einer Kloster Oberndorfer Urkunde; auch ein Sprosse des pfalzgräflich-tübingischen Geschlechtes, Konrad, Graf von Tübingen-Lichtenek, bekleidete in dem Jahr 1593 hier, in der ehemaligen Herrschaft seiner Ahnen, die Vogtswürde. Von der österreichischen Regierung war eingesetzt im Jahr 1529 Jörg von Roth. Der letzte Vogt war der geh. Legationsrath von Palm (seit 1751). Wenigstens seit dem 17. Jahrhundert war die Probstei (jetziges Dekanathaus) der Wohnsitz dieser Obervögte, deren Amt übrigens zeitweise mit der Obervogtei Sulz verbunden und mit dieser der Obervogtei Tübingen incorporirt war. Der andere, mit dem größern Theil der Geschäfte betraute fürstliche Beamte war der Schultheiß, seit dem 16. Jahrhundert auch Vogt, Untervogt, seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Oberamtmann genannt, mit dessen Amt in früherer Zeit auch zuweilen die Kellerei verbunden war.

Als angesehene Bürgerfamilien kommen vor im 13. und 14. Jahrhundert die Dietriche mit dem Beinamen Roth (s. Seite 130), die Liupe (mit den Taufnamen Heinrich, Dietrich, z. B. H. dictus Lupe Zeuge in einer Urkunde des Klosters Reuthin vom 8. Dec. 1278), die Viheli (Konrad V. 1399), die Eber, die Lutze, die| Murer, die Besserer (Heinrich B. 1299) u. a. (S. überhaupt Schmid 282, 289, 469–471.)

Von fremden Adelsfamilien wohnten hier z. B. im Anfang des 16. Jahrhunderts Herren von Hirnheim, Eberstein, Frauenberg, Hans Herter.

Das am 21. Nov. 1503 erneuerte Herrenberger Stadtrecht ist folgenden Inhalts: Titel 1) handelt vom Richtereid, in demselben sollen die Richter neben anderem auch schwören, daß sie das gesungene Amt und Meß Donnerstags und Samstags im Spital zu halten handhaben wollen; 2) der Stadtschreiber soll dem Amtmann und Gericht gehorsam und gewärtig sein, allen Rath verschweigen; 3) handelt von dem Eid des Büttels, welch’ letzteren Amtmann und Gericht nach Gutdüncken sollen entlassen dürfen; 4) enthält den Eid des Schloß-, Stadt-, Thorwächters, des Feld- und Holzschützen; 5) den des Spitalmeisters, welchen Vogt und Gericht, wann es ihnen gutdünke, entlassen dürfen; 6) alle Dörfer im Amte sollen ihr Recht in der Stadt suchen, insbesondere solle das bisherige Gericht in Gültstein dahin gewiesen sein; 7) Kläger und Beklagter müssen vor Eröffnung der Handlung jeder 2 Schilling hinterlegen, welche der Obsieger erhält; wenn einer einen großen Frevel verwirkt, gibt er noch überdieß dem Gericht 41/2 Schilling; 8) das Gericht soll nicht an die Räth gehen, noch getheilt werden, außer es betreffe Erb, Eigen, Ehr, Leib und Leben; doch soll der, welcher es theilen will, schwören, daß ihm viel daran gelegen und zu theilen noth sei; 9) was 10 Schillinge und weniger betrifft, soll der Büttel oder Amtmann entscheiden; was darüber, der Amtmann mit zwei Richtern; wer nicht erscheint, zahlt Strafe; Übelthäter soll man gebunden vor das Gericht bringen; in Appellationshändeln soll man von 5 bis 20 Pfund an das Obergericht, von 20, und darüber an das Hofgericht appelliren; 11) unnützigen Personen, welche das Bürgerrecht nachsuchen, können Amtmann und Gericht solches mit Fug abschlagen; 12) außer den Wirthen darf Niemand einen Fremden länger als über Nacht beherbergen bei 1 fl. Strafe; 13–16) handelt vom Verfangenschaftsrecht; wenn sich eine Wittwe von der fahrenden Habe nicht ernähren kann, so darf ihr das Gericht etwas von dem verfangenen Gut anweisen; 17) für Miethe, Liedlohn und verkaufte Waaren soll der Schuldner Faustpfänder geben, und diese sind 14 Tage nach Verkündigung des Verkaufs Eigenthum des Gläubigers, wegen anderer Schulden aber muß dieser sich ans Gericht wenden, das ihm ein Pfand anweist, den Schuldner aber, wenn er nicht zahlen will, einthürmt oder aus der Stadt verbannt; bei einem Gläubigerconcurs geschieht die Klage vor dem Amtmann und zwei Richtern, der Schuldner erhält 2 Monate Frist, dann verkauft man seine Habe, reicht sie nicht zu, so wird der Erlös pro rata vertheilt, den Vorzug haben Liedlohn, Hauszins und verbriefte Schulden; 19) verkauftes Gut gibt der Verkäufer dem Käufer vor Amtmann und Gericht mit Mund, Hand und Angelöbniß; 20) wer sein Gut andern als den natürlichen Erben vermachen und sich die Nutznießung vorbehalten will, muß dies vor Gericht thun; 21) enthält Bestimmungen über das Weinschenken; 22) Fremde dürfen nur an Wochen- und Jahrmärkten in der Stadt handeln; an Walpurgis sollen 2 Richter und 5 Untergänger die Marksteine untersuchen; 24) ein Müller darf nur 2 Kühe, 2–3 Hahnen und 30 Hennen halten, nicht aber Pfauen, Gänse, Enten, Tauben und anderes Geflügel; dieses dürfen ihm Vogt und Gericht wegnehmen und nach Belieben verzehren; Gabholz erhält er wie die andern Bürger.| 25–26) handeln vom Jahrmarkt und Standgeld, vom Eicherlohn und von der Trüb- und Hell.-Eich.

Die frühesten erhaltenen Spuren eines hiesigen Gotteshauses, um wie viel älter auch der Ursprung der Hauptpfarrkirche zur heiligen Maria sein mochte, gehen zurück zum Jahr 1283. Am 5. Jan. d. J. weihte für den Bischof Rudolf von Constanz dessen Weihbischof (Bonifacius dei gratia Bossoniensis ep. ord. fratum heremitarum s. Augustini) eine hiesige Capelle mit vier Altären und ertheilte Ablaß denjenigen, welche an bestimmten Tagen an diesen Altären beten würden; die Altäre waren gewidmet: der erste größere der heil. Maria, den heiligen Stephanus, Laurentius, Augustinus, der zweite den Aposteln Petrus und Paulus, der dritte den heiligen Johannes dem Täufer und dem Evangelisten, und dem h. Nicolaus, der vierte der h. Katharina, h. Margareth, h. Barbara und den 10.000 Jungfrauen (St.-A). Hiezu kam am 22. März 1284 noch 40tägiger Ablaß der päbstlichen Curie für den Besuch der hiesigen Marienkirche (ecclesia b. Marie virginis de H.) an Sonntagen und an Mariä Reinigung, Verkündigung und Himmelfahrt und für Beiträge zum Kirchengebäude, überhaupt zur Kirche (St.-A.). Ein weiterer Ablaß vom Jahr 1317 nahm Rücksicht auf den Weiterbau des damals noch zu vollendenden, der Unterstützung sehr bedürftigen Kirchenbaues (St.-A.).

Die Stiftung der Kirche selbst ging aller Wahrscheinlichkeit nach von den Pfalzgrafen von Tübingen aus; diese stunden ihr als weltliche Schirmer vor und hatten als Lehenherren den Pfarrsatz (Rudolfus c. d. T. dictus Schaerer patronus 1315 Spt. 26. Reg. Boic. 5, 317; vergl. ibid. 7, 149). Mit dem Kirchenlehen betraute Kirchherren waren theils Glieder des pfalzgräflichen Hauses selbst (Reg. Boic. 5, 317), theils Glieder angesehener hiesiger Familien, wie Heinrich Liup im Jahr 1292 und Syfrid Viheli, Letzterer Decan und Kirchherr, z. B. den 20. April 1381 (Schmid Urk. 192). Wirkliche Seelsorger waren den 9. Sept. 1280 Dietrich (sacerdos) Sindelfinger Stiftsherr[33], † 1294 (Chron. Sindelf. 10), im Jahr 1299 Volmar, dieser als Stellvertreter des Leutpriesters (viceplebanus)[34], in welch’ letzterer Eigenschaft Liup im Jahr 1317 erscheint[35]. Obiger Volmar war| Mitstifter des St. Annenaltars (Reg. Boic. 5, 317); zu den fünf Altären, welche im Jahr 1328 bestunden (Reg. Boic. 6, 262), kam bald ein Altar zum heiligen Martin und zum heiligen Georg hinzu, welchen der genannte Pfaffe Liup im Jahr 1336 bewidemte (Reg. Boic. 7, 149). Einverleibt wurde dieser Kirche die auf dem Gottesacker zu Mühlhausen (s. unten).

Den Geistlichen in Herrenberg, Gärtringen, Hildrizhausen und Kuppingen erlaubte Pfalzgraf Konrad von Tübingen im Jahr 1378 über ihre zeitlichen Güter testamentarisch zu verfügen.

In den 1430er Jahren beschlossen die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg die Errichtung eines Stifts in Herrenberg, weshalb Ludwig auf einem „freien lustigen Platz“ die Probstei (das jetzige Dekanathaus, s. oben) erbaute, und bewogen zu diesem Ende im Jahr 1439 sämmtliche Geistlichen, ihre Pfründen in die Hände des Diöcesanbischofs zu resigniren. Die Grafen selbst schenkten hiezu die Kirche zu Hildrizhausen, deren Canonicate sie hieher verpflanzten (s. Hildrizhausen), Besitzungen in Hochdorf (O.A. Freudenstadt) und die Einkünfte des abgegangenen Enzklosters.

Am 3. Juli 1439 ertheilte der Bischof Heinrich von Constanz die von beiden Grafen nachgesuchte Erlaubniß zu Verwandlung der Parochialkirche in eine Collegiatkirche mit einem Probst und acht Canonikern sammt den nöthigen Caplanen[36]. Graf

Ludwig gab dem Stift am 17. Dec. 1446 verschiedene Privilegien. Weder er und seine Nachkommen, noch auch Vogt, Schultheiß oder Amtmann in Herrenberg sollten „ein Gericht oder Gebot haben über das Stift, die Personen darin und ihre Güter, sie auch auf keine Weise mit Steuern, Wachen, Herbergen und andern Diensten beschweren dürfen.“ Wenn ein Bürger mit einem Stiftsherrn in Streit käme, sollte er beim Probst Recht suchen, ein Stiftsherr aber gegen einen Bürger beim Schultheißen. Die Stiftsherren dürften über ihre Verlassenschaft testamentarisch verfügen, wenn sie es nicht thäten, so gehörte ihre Hinterlassenschaft dem Stift (Sattler Grafen, 2. Beil. Nr. 73). Um dem Stift den Bau seiner Kirche zu erleichtern, verliehen am 18. Jan. 1453 etliche Cardinäle Ablaß Allen, welche es hierin unterstützen oder die Kirche zu bestimmten Zeiten besuchen würden (Besold. Virg. 544); der Graf Ludwig von Württemberg schenkte dahin zu wiederholten Malen, namentlich am 22. Dec. 1456, die Kirche und den| Kirchensatz in Gärtringen mit Zugehör, 50 Malter Dinkel vom Zehnten in Hildrizhausen, und 12 Pfund Heller, welche das Stift ihnen bisher jährlich als Steuer hatte geben müssen, doch sollte es die Kirche in Gärtringen mit einem tüchtigen Geistlichen versehen und demselben ein hinreichendes Einkommen geben (Sattler Grafen, 2. Beil. Nr. 105). Von denselben Grafen erhielt es wohl auch die am 15. Oct. 1457 einverleibte Kirche und den Kirchensatz in Hailfingen. Der erste Probst war Heinrich Menger, Dr. der geistlichen Rechte; auf ihn folgte 1445 Hans Spenlin, Medicinae sacraeque Theologiae doctor, bekannt durch seinen übel angebrachten Eifer wider den Genuß von Butter etc. zur Fastenzeit (Cleß, 2b, 592), nach dessen Abgang (1456) wegen des Ernennungsrechts zur Probstwürde ein hitziger Streit entstand, indem Pabst Nicolaus V. dieselbe an Burkhard von Constanz verleihen wollte, Graf Ludwig aber den Georg von Stein dazu präsentirte. Dieser trug endlich auch den Sieg davon, machte aber seinem Gönner, dem Grafen, keine große Ehre und Freude, weil er viel größere Lust zu weltlichen Beschäftigungen, als zum geistlichen Stand zeigte. Er zog auch später dem Krieg nach und einige Zeit lang wurde die Probstwürde durch einen Amtsverweser versehen, bis 1464 Graf Eberhard im Bart den M. Hans Wunderer von Calw zum Probst ernannte, da dieser aber sein Versprechen, die Probstei persönlich zu beziehen, nicht erfüllte, 1469 den Leonhard Nötlich an seine Stelle setzte. Nach Nötlichs Tode 1481 setzte Graf Eberhard im Bart, die Mängel der Chorherren erkennend, bei seinem Besserungseifer im Jahr 1481 an ihre Stelle „Brüder des gemeinen Lebens“ (durch ihren frisch religiösen Sinn bekannt, von ihrer nach Art der ganzen Kleidung grauen Kappe vom Volke Kappenherren geheißen), dergleichen er vom Mittelrhein und von den Niederlanden her nach Schwaben und namentlich nach Urach verpflanzte, und ernannte mit Genehmigung P. Sixtus IV. vom 17. März 1481, welcher am 7. Mai d. J. überhaupt die neue Einrichtung bestätigte, zu ihrem Vorstand den Niederländer Wenzel Melweis, früher Bruder in Urach. Die bisherigen Chorherren hatten sich selbst in Brüder umwandeln sollen, wollten aber lieber ihre Pfründen gegen ein Leibgeding abtreten, und zogen bis auf einen, welcher der neuen Ordnung folgte, mißvergnügt ab. Hierauf befreite Graf Eberhard den 3. Juni 1482 mit Zustimmung seines Vetters Eberhards des Jüngern das Stift für ewige Zeiten von allen Steuern, Beten und Schatzungen, von Landschaden, Reisen, Wachen, Wachgeld, Umgeld, Zöllen, Weggeld, Diensten und allen andern| Beschwerden und erneute die früheren Privilegien desselben, doch nur auf so lange, als die neue Einrichtung darin bestehen würde. Im nämlichen Jahre (1482) befahl auch Pabst Sixtus IV., daß dem Stift die, ihm von Laien entrissenen Güter, Einkünfte und Rechte mit Hilfe des weltlichen Arms wieder verschafft werden sollten.

Die Kappenherren vermochten aber nicht, sich den Beifall der Zeitgenossen zu erwerben; auf dem Landtag in Tübingen 1514 wurde sehr über sie geklagt und im Tübinger Abschied daher ihre Abschaffung versprochen. Dieses befahl auch Pabst Leo X. in seiner Bulle vom 19. April 1516 und setzte wieder weltliche Chorherren an ihre Stelle (Sattler Herz. 1. Beil. Nr. 93). Damals war Joh. Rebmann Probst; dieser starb 1517 und auf ihn folgte Bened. Farner, Chorherr in Stuttgart. Herzog Ulrich schloß mit dem Bischof Hugo von Constanz (bis 1529) wegen des Stiftes einen Vertrag, daß anstatt der ersten Früchte, der Investituren und anderer bischöflichen Gerechtigkeiten jährlich 10 fl. von dem Stift gegeben werden sollen, und daß er (der Herzog) die Stiftspröbste dem Bischof präsentire. Die Wiederherstellung der alten Einrichtungen vermochte indeß den Verfall des Stifts nicht zu hindern; dieses verarmte immer mehr und mußte 1519 den schwäbischen Bund bitten, er mochte es großer Armuth wegen mit Kriegssteuern verschonen.

Als im Jahr 1534 Herzog Ulrich sein Erbland wieder gewann, wurde noch in demselben Jahre das Stift aufgehoben und die Reformation eingeführt. Farner, der bei dem Herzog sehr in Gunst stand, legte seine Würde nieder und ging als Pfarrer nach Dornstetten. Ein Chorherr M. Johann Neuffer, durch die Lesung der Schriften der Reformatoren hiezu bewogen, trat zum evangelischen Glauben über, zog nach Pforzheim, verheirathete sich dort, kam 1535 ins Land zurück, erhielt ein Leibgeding und 1537 die Stiftsverwaltung in Herrenberg. Der Chorherr Heinrich Volz kam 1537 als Pfarrer nach Hailfingen, legte aber 1555 seine Stelle für ein Leibgeding nieder, und auch der Chorherr Lorenz Schumacher und der Vikar Sprenger erhielten im Jahr 1537 ein Leibgeding. Der erste, im Jahr 1534 angestellte lutherische Stadtpfarrer war Meister Caspar Gräter, welcher zuvor in Heidelberg das Evangelium gepredigt hatte (Sattler, Herzoge 3, 50).

Nach der Erscheinung des Restitutions-Edicts 1629 verlieh Kaiser Ferdinand II. dem Leonhard Popp die Probstwürde, und| König Ferdinand III. befahl am 23. Jan. 1637 kraft Vollmacht des oben genannten Kaisers seines Vaters die nicht zur Probstei gehörigen Canonicate, Beneficien und Fundationen den Jesuiten behufs der Errichtung eines Seminariums zu übergeben. Der westphälische Frieden jedoch, in welchem die ecclesia collegiata Herrenberg namentlich aufgeführt ist, brachte das Stift wieder in den Besitz Württembergs. (Die hiesige Stiftsverwaltung wurde im Jahr 1807 mit der Kellerei in ein Kameralamt der K. Oberfinanzkammer combinirt, in dessen Besitz 1814 die K. Hofdomänenkammer nachfolgte.) Auch ein Beguinenhaus bestand hier, genannt die Graue Sammlung, oder das Nonnenhaus. Am 6. August 1517 erlaubte Pabst Leo X. den hiesigen, von Händearbeit und Almosen gemeinsam lebenden Schwestern, welche ihr Aufnahms-Gelübde in die Hände des Rectors der hiesigen Pfarrkirche ablegten, den Orden der Franciskanerinnen dritter Regel anzunehmen; zugleich befahl dieser Pabst dem Franciskaner-Provinzial der Provinz Straßburg, sie in seinen Schutz zu nehmen und ihnen für einen nützlichen Beichtvater zu sorgen. Den 20. August 1526 bekannten Mutter und Schwestern der Sammlung zu Herrenberg, daß sie von ihrem neu erbauten Viehhaus Steuer, Schatzung, Hilfsgeld, Wachen, Frohnen, Reise und andere Beschwerden leisten müssen und ohne Erlaubniß der Stadtvorsteher kein liegendes Gut kaufen dürfen (St.-A.). Noch im Jahr 1565 waren hier 4 Beguinen, über welche der Decan in Herrenberg klagt, daß sie trotz aller Ermahnung das Abendmahl nicht auf lutherische Weise empfangen wollten. Am 17. Juni 1568 baten Burgermeister, Gericht und Rath den Herzog Christoph, er möchte das Beguinenhaus nebst Gütern (einem Gärtlein, 4 Jauchert Äcker, 5 Mannsmad Wiesen) ihrem Spital schenken, unter der Bedingung, daß dieser die vier Beguinen lebenslang unterhalte. Hierauf erfolgte am 22. Juni die herzogliche Resolution: der Spital solle die Güter (das Gärtlein und eine Mannsmad Wiesen als zu andern Zwecken bestimmt ausgenommen) erhalten, das Haus aber solle, da das Schulhaus „unbequem und ungelegen“ sei, zur lateinischen Schule eingerichtet werden; dafür müsse er den Beguinen ein besonderes Gemach einräumen und sie in gesunden und kranken Tagen verpflegen. Der Rath wollte zwar hierein nicht willigen, ließ es sich aber endlich doch, da indeß eine Beguine gestorben war, gefallen. Nun aber weigerten sich die drei noch lebenden Beguinen, ins Spital zu ziehen, sie wollten mit einem Leibgeding nach Oberndorf auswandern, und, als man dies| ihnen abschlug, blieben sie bis 1580, wo zwei starben, worauf die letzte ins Spital gebracht wurde[37].

Aus den hiesigen Schulalterthümern verdient Erwähnung, daß bereits im Jahr 1382 ein Schulmeister von Herrenberg vorkommt (Schmid 456). In den Jahren 1455 u. f. erscheint als Schulmeister und zugleich als Stadtschreiber der Cleriker Ulrich von Rankweil (Cleß, 2b, 558).

Der erste Physicus, welchen Herrenberg Stadt und Amt annahm, war Jerem. Konr. Cellarius im Jahr 1683.

Juden waren wenigstens im 14. Jahrhundert zeitweise hier angesiedelt; in dem Theilungsbrief über die Stadt vom 6. Febr. 1346 war im obern Theil der Stadt ihre Synagoge, welche laut genannten Briefs allen in beiden Stadtteilen gesessenen Juden gemein sein sollte. Die allgemeine Judenverfolgung im Jahr 1349 mag auch sie betroffen haben. In den Jahren 1450 und 1457 erfolgte eine abermalige Aufnahme etlicher Juden, gegen Erlegung eines Schutzgeldes an die Stadt, doch wurden solche im Jahr 1458 bereits wieder ausgetrieben.

Da die 1382 württembergisch gewordene Stadt die meisten Schicksale mit mehreren Oberamtsorten theilte, so wird in dieser Hinsicht auf den allgemeinen Theil verwiesen.

Brandunglück kam über die Stadt am 9. Juli 1466, wo wenigstens 93 Gebäude (etwa 3/4 der damaligen Stadt), dabei das Rathhaus, vom Feuer verzehrt wurden und auch das Stift großen Schaden erlitt. Die Erzherzogin Mechthild (Mutter Eberhards im Bart) stellte daher am 30. März 1467 (und später wiederholt) auf ihrem Wittwensitz in Rottenburg ein Patent aus, daß die Unterthanen in der Grafschaft Hohenberg Handreichung thun möchten der Stadt Herrenberg, welche nahe ausgebrannt sei, sonderlich der Heiliggeist-Spital, so daß dürftige Leute ihre Nahrung nicht mehr haben könnten.

Am 18/28. Juli 1635 Nachts 9 Uhr ist, zu den übrigen Drangsalen des 30jährigen Krieges hin, durch Verwahrlosung des Stalljungen eines Regimentsquartiermeisters Feuer ausgebrochen, welches 270 Firste in Asche legte und nur ein Paar Dutzend, dabei die Probstei, verschonte; die hier einquartierten Soldaten hinderten mehr beim Löschen, als daß sie halfen.

Pest suchte die Stadt heim in den Jahren 1530, 1542, in welch’ letzterem vom Tag Pelagii bis an den Christtag 206| Personen starben; ansteckende Krankheiten überhaupt herrschten von 1634-39. Große Hungersnot war im Jahr 1571. Eine verheerende Viehseuche brachte im Jahr 1745 der Stadt und dem Amte empfindlichen Schaden.

An einem so wichtigen Punkte wie Herrenberg und in so fruchtbarer Gegend waren schon frühe mehrere Klöster erwerblustig. Das Kloster Allerheiligen erhielt im Jahr 1265 von Konrad Herter ein Haus, ein solches besaß das Kloster Bebenhausen bis zum Jahr 1504 und veräußerte es dann an Hans von Gültlingen. Das Kloster Hirschau war wenigstens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Besitz zweier Häuser; wegen eines derselben verglich es sich am 26. Juni 1461 mit der Stadt dahin, daß es von solchem Hause und Hof nur ein Wachgeld und 15 kr. jährlich zahlen solle, wogegen es der Stadt seinen Wald zwischen Herrenberg und Nufringen, den sog. Abtswald einräumte. Das Kloster Reuthin hatte seit 1289 hiesige Weinberge, das Stift Sindelfingen Gülten seit 1326 (Reg. Boic. 6, 189).

Frühen Gütererwerbungen von Seiten mehrerer Klöster verdanken wir auch die frühesten Kenntnisse der abgegangenen Orte Mühlhausen und Reistodingen (später Reistingen). An beiden Orten (in pago Naglachgowe in villis Mulenhusen et Reistodingen) vergabte ein gewisser Wolfart an das Kloster Lorsch an der Bergstraße den 1. März 773 zwei Höfe, ein Gutsland, 6 Leibeigene, ein biblisches Lectionenbuch und eine Glocke, desgleichen am 31. Mai 775 all seinen hiesigen Besitz und 6 weitere Leibeigene. Mit der Kirche (basilica) zu Mühlhausen und seinem Besitz in Reistodingen (in Ambrachgowe) beschenkte ein gewisser Isenhart dasselbe Kloster am 9. Nov. 778 (Cod. Laur. Nr. 3532, 3533, 3638; vergl. sonst auch die etwas spätere Urkunde Nr. 3534). Ein Paar Jahrhunderte später erwarb das Kloster Ottobeuren Zinse in „Raistingen“ (Feyerabend, Ottobeurens Jahrbücher 2, 240). Im Anfang des zwölften Jahrhunderts erscheint das Kloster Hirschau in Mühlhausen begütert; auch hatte es einen Dienstmann Sigfried in „Reistingen“ (Cod. Hirsaug 59a). Im Jahr 1185 sicherte sich der Abt von Kreuzlingen den Besitz eines Guts in Mühlhausen (villa Mulhusin) gegenüber von dem Ritter Albert von Ehningen, welches er jedoch diesem gegen einen jährlichen Zins von 6 Schillingen Tübinger Gelds lebenslänglich überließ (Wirtemb. Urk.-Buch 2, 243); von derselben Kloster Kreuzlingen empfing den 26. Mai 1276 dessen hiesiges Gut der Herrenberger Bürger Friedrich genannt auf dem Markt als Erblehen (Schmid Urk. 38). In der Kirche zu Mühlhausen bewidemte| Priester Heinrich, genannt Hön von Herrenberg, den 26. März 1333 einen Altar mit Genehmigung der Tübinger Pfalzgrafen Rudolf und seiner Brüder als Patronen dieser Kirche mit Einkünften zu Mühlhausen und Reistingen. Am 23. Nov. 1334 stiftete Reinlint, Heinrichs des Hayden Tochter von Herrenberg, mit Gutheißen des Grafen Rudolfs des Scherers von Tübingen, Kastenvogts der Kirche zu Herrenberg, zur ewigen Messe zu Mülhusen einen Weingarten an der Kilchaldun, einen Acker bei Mülhusen und ein Roggengeld zu Kuppingen (Reg. Boic. 7, 93). Im Jahr 1363 lieh „Pfaff Hainrich Walthuser Capllan der Capellun zu Mulhusen“ an Herrenberger Bürger eine Wiese zu einem ewigen Lehen mit folgenden Lasten: die Lehensträger sollen jährlich auf St. Michelstag 30 Schilling guter Heller an das Licht der Capelle zu M. und ebensoviel dem jeweiligen Abte des Kl. Hirschau entrichten, der bis dahin so viel von dem Zoll zu Herrenberg bezogen hatte, was aber nun wegfallen solle (Schmid Urk. 168).

Von Mühlhausen schrieb sich auch ein Ministerialengeschlecht; Glieder desselben sind Adelbert und sein Bruder Walther im Anfang des 11. Jahrhunderts (Cod. Hirsaug. 59b.), Rüdiger von Mühlhausen, Dienstmann des Markgrafen Heinrich von Ronsberg um 1187 (Feyerabend, Ottobeurens Jahrbücher 2, 212), an welchen oder an dessen Familie ein solcher Dienstmann ohne Zweifel von den Pfalzgrafen von Tübingen gekommen war.



  1. Hülfsmittel. Gottl. Friedr. Heß (Rath, Hofgerichts-Assessor und Vogt seit 1755 mit dem Titel Oberamtmann, zu H., † 1761), Herrenbergische Chronik, handschriftlich in Herrenberg und auf der K. öffentl. Bibliothek in Stuttgart, auf letzterer mit den Amtsorten zusammen 6 Foliobände. C. Heideloff und Fr. Müller die Kunst des Mittelalters in Schwaben. Lief. 1. Stuttg. 1855 (hauptsächlich über die Stiftskirche). Ansicht der Stadt bei Merian Topographia Sueviae. Frankf. a. M. 1643 (hienach auch bei Heideloff a. a. O.).
  2. Im Jahr 1542 für das Hofgericht zu Tübingen, als im Jahr 1551 die Pest in Stuttgart wüthete, zog Herzog Christof mit Hofstaat und Kanzlei nach Herrenberg, 1594 wurde wegen der Pest die Universität theils nach Calw, theils nach Herrenberg verlegt, 1610 war aus der gleichen Ursache die juridische und medicinische Facultät in Herrenberg, ebenso in den Jahren 1634–1635 sogar bis 1641.
  3. An der nordwestlichen Ecke der Stadt stand der St. Gallen Thurm oder das Frauengefängniß.
  4. Auf dem 1752 abgebrochenen Gerberthor stand die Jahrszahl 1484.
  5. Die Schlußsteine der Gewölbe enthalten in der Richtung von Westen nach Osten folgende Darstellungen und zwar im Mittelschiff: 1) Ecce homo, 2–6) schön durchbrochene Rosetten, 7) das württemb. Wappen mit der Umschrift Attempto, 8) eine Rosette, 9) Agnus Dei, 10) ein Wappen mit 3 gelben Schildchen im blauen Felde, 11) Christus mit dem Kreuz, 12) eine Rosette, 13) ein Engel, 14) ist eine Öffnung angebracht, 15) ein Engel, 16) eine Rosette; in dem südlichen Seitenschiff: 1) Johannes, 2) Mathäus, 3) Marcus, 4) Lucas, 5–7) Rosetten, 8) ein Wappen mit weißem Schild und rothen Balken, 9) ein solches mit blauem Schild im weißen Feld, 10) der heil. Clemens, 11) eine Rosette, 12) der heil. Laurentius, 13) ein männliches Brustbild mit einem Kelch in der Rechten, 14) eine Rosette, 15) ein Meerfräulein, 16) eine Rosette, 17) ein Bischof und 18) eine Rosette; in dem nördlichen Seitenschiff: 1) im blauen Feld eine rothe Rose, 2) Ecce homo, 3) das Wappen der Stadt Herrenberg, 4) das württemb. Wappen, 5) Christus mit Fahne und Kreuz, 6) ein Rost (Attribut des heil. Laurentius), 7) ein Wappen, 8) eine Rosette, 9) ein Rebstock im weißen Feld, 10) ein Brustbild, 11) ein männliches Brustbild ein Kreuz haltend, 12) der heil. Michael, 13–16) Rosetten, 17) Christus mit dem Lamm und der Weltkugel und 18) eine Rosette (Heß, Chronik von Herrenberg. Th. II. S. 1570).
  6. Im Jahr 1587 wurde die Kirche von Maler Tobias von Stuttgart ausgemalt, wofür er ohne die Farben 115 fl. erhielt; im Jahr 1748 hat man die ganze Kirche durch Casimir Dottern, Ipser von Tübingen, ausweißnen, die Fenster einfassen und die Malerei zwischen den Gewölbschnecken renoviren lassen (Heß, Chronik von Herrenberg).
  7. Anno 1503–1504 ist der Predigtstuhl von Steinmetzen Hanselmann ausgeführt worden (Heß, Chronik von Herrenberg).
  8. Dieser Lettner wurde durch Stiftung des Ulrich Mezler im Jahr 1458 erbaut und in den Jahren 1739 und 1747 abgebrochen (Heß, Chronik v. H.).
  9. Heinrich Schickard von Nassau-Sigen war der Großvater des berühmten Baumeisters Heinrich Schickard (s. unten).
  10. An dem Altarwerk steht 1519 – R, was ohne Zweifel das Jahr der Verfertigung desselben und den Anfangsbuchstaben des Meisters bezeichnet. In einem Manuscript von Schickard wird angeführt, daß Brenner diese Altartafeln gestiftet habe (Heß, Chr. von H. Th. II. S. 1583).
  11. Über die Stiftskirche zu Herrenberg s. auch Heideloff, die Kunst des Mittelalters in Schwaben. Lieferung 1. S. 1 ff.
  12. Die Spitalkirche wurde bei dem Brande von 1635 mit Ausnahme der vier steinernen Wände ein Raub der Flammen, so daß ihr Wiederaufbau das Spital 1100 fl. kostete; die Einweihung der neuen Kirche geschah im Jahr 1656 am Trinitatisfeste. Um welche Zeit die Kirche das erstemal erbaut wurde, ist unbekannt, nur so viel ist gewiß, daß schon im Jahr 1412 Pfaff Hans Waltzinger, Kaplan zu Freyburg, ein ewig Licht dahin stiftete.
  13. In der Schuhstraße, unfern der Oberamtei, steht ein der Oberamtskorporation gehöriges Gebäude, in dessen oberem Stockwerke die Wohnung des Oberamtsdieners und die Oberamtsgefängnisse eingerichtet sind, in den unteren Gelassen hat die Gemeinde das Recht, ihre Feuerspritzen aufzubewahren und überdies noch im obern Stockwerk ein Zimmer für Krätzkranke etc. anzusprechen. Früher stand auf der Stelle des gegenwärtigen Gebäudes der Marstall, mit Heuhaus und Keller.
  14. Im Probsteigarten wurden schon im Jahr 1605 Maulbeerbäume gepflanzt und das Laub nach Stuttgart geschickt (Württ. Jahrb. 1831, II., 125).
  15. Stadt und Amt waren verbunden, auf diesem herzoglichen Schlosse den Bläser und drei Wächter „zu verhalten“ und zu der Tag- und Nachtwache Beholzung auf ihre Kosten zu geben (Landbuch von 1623.)
  16. Zu Lebzeiten des Hofgerichts-Assessor Heß († 1761) standen noch 2 Thürme und ein Wohngebäude, welche im Jahr 1807 größtentheils abgebrochen wurden.
  17. „Die vordere Burg“ in Urk. v. 6. Dez. 1379 bei Schmid Urk. 188. An Württemberg werden am 10. Febr. 1382 verkauft „beide Bürge zi Herrenberg.“ Eb. 193.
  18. Nach dem Landbuch von 1624 hielt „der Herrenberger See in seinem ganzen Begriff außerhalb des Seethamms 25 M. und 3 Vierth, an welchem Platz uff 2 Morg und 1 Vierth umbgeackert sind und 6 Morg zum Graßboden truckhen liegen, also daß er, so weit das Wasser aufschwölt, mehr nicht halt, als 171/2 Morg. würdt mit 1600 Kärpflein besetzt“. Er wurde von der Herrschaft an den „Seeadmodiator“ verpachtet, gleichwie die daran stoßenden Wiesen an einen Herrenberger Bürger, im Jahre 1749 aber an den Hofgerichtsassessor Heß für 4000 fl. verkauft, nemlich der ganze See und Wiesen (zusammen 27 Morgen), mit Steuer- und Zehntfreiheit, auch dem Bannrecht.
  19. Rösler sagt in seinen Beiträgen zur Naturgeschichte des Herzogthums Württemberg 1790. II. Theil. Seite 17. Im Jahr 1733 entstund in Herrenberg auf dem Markt eine Kluft, sehr tief und etliche Fuß im Durchschnitt. Zu eben der Zeit erweiterte sich auch der schon vorhandene Thurmriß und der Pulverthurm auf dem Schloß, sammt der Wohnung des Hochwächters saß von dortan wenigsten 11/2 Fuß weiter hinaus. Die große Gipsfelsklüften in den Kellern sprungen ebenfalls weiter auseinander, und noch gegenwärtig siehet man den Giebel mancher Häuser bergabwärts außer seiner natürlichen Lage. Im Jahr 1773 am 30. April, bei heiterer und warmer Witterung und Ostwind entstund Nachmittags 2 Uhr ein großes Getöse innerhalb der Erde, „unter dem alten Rain“, daß die Arbeiter auf dem Felde voll Schrecken zusammenliefen. Es waren viele und glaubwürdige Personen Zeugen diesem Zufalls. Sie verglichen das Getöse einem Donner, und es dauerte etwa 4 Minuten. An eben dem Tage, Morgens um 9 Uhr war nach den Zeitungen zu Komorn in Ungarn ein heftiges Erdbeben.
  20. Der größte Güterbesitzer zählt nur 60 Morgen Feld.
  21. Die Stadtmarkung grenzt nördlich an die Markungen Kuppingen, Affstätt, Nufringen und Hildrizhausen, östlich an Kayh, südlich an Haslach, Nebringen, Gültstein und Kayh, und westlich an Ober-Jettingen.
  22. In dem alten Rain stand ehemals eine Kelter. Weinberge in monte dicto Rutina (Reuthin gegen Mönchberg) juxta Herrenberg kommen im April 1289 vor im Besitz des Klosters Reuthin (Staatsarchiv). Weinberge „an Haußamer [Hildrizh.] Steig“ 1352 (Schmid 468).
  23. Dennoch bezog die Stadt vielen Wein von auswärts; altem Herkommen gemäß durfte von Martini an, wenn nur ein halber Herbst war, Niemand anders mehr als die vier Elsäßer Städte Wein einführen, was übrigens den 27. Mai 1600 aufgehoben wurde.
  24. Dem Spital überließ man eine Mannsmad von den Seewiesen, wofür er die Farrenhaltung übernehmen mußte.
  25. Im Jahr 1500 verlieh die Stadt den Tuchmachern die Walkmühle zwischen Gültstein und Altingen nebst dem Rechen im Zwinger für 10 Pfund Heller jährlich, sie sollten dieselbe auf eigene Kosten bauen, die Stadt aber das Holz dazu hergeben. Im Jahr 1616 ließ die Stadt diese Mühlen neu bauen und verkaufte sie 1632 den Tuchmachern und Weißgerbern.
  26. Am 21. Febr. 1541 erklärt Herzog Ulrich von Württemberg, was zum Hausverbrauch der Bürger in Herrenberg, zu Kirchweihen und Jahrmärkten eingeführt wird, als Metallwaaren, Wolle, Harz, Pech, Leinwand, Häringe, Rhein- und Stockfische, Öl, Victualien, Vieh, Häute, Waidasche, Rauhkarden, das Getreide und den Wein bei der Ausfuhr – das Tuch bei der Ein- und Ausfuhr für zollfrei und bewilligt den 17. April 1550 der Stadt einen Pfahl- und Brettermarkt.
  27. Den 24. Febr., 25. Mai, 9. Sept. und 30. Nov. im Jahr 1557 waren zwei Jahrmärkte auf Laurentii und Allerseelentag festgelegt worden, später war noch ein dritter, am Samstag nach Himmelfahrt, hinzugekommen.
  28. Der erste Präceptor nach der Reformation war Peter Krämer … der zweite Joh. Lehr (Löhm) von 1558–1566; der erste Collaborator Georg Singer von 1559–1560 (s. Binder, Kirchen- und Lehrämter Wirtembergs I. Th. II. Absch. S. 485). Schon 1382 kommt ein Schulmeister von Herrenberg vor (Steinh. II., 429), 1455–1461 war Schulmeister und Stadtschreiber in Herrenberg, Ulrich Rankweil, Cleriker (Cleß III. 558). In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts genoß diese Schule eines sehr guten Rufs, und auch Präceptor Vischer (1699–1737) wird als sehr geschickter Lehrer, welcher die Schule zu trefflichem Gedeihen brachte, gerühmt (Univers.-Programm 29. April 1755).
  29. Das Landbuch von 1623. führt an 6 Mahlmühlen, nach einander an der Ammer gelegen, der Herrschaft Württemberg Eigenthum, der Inhaber Erbgüter, in die Kellerei Herrenberg zinsend. In der Urkunde vom 23. Febr. 1334, worin die Grafen Rudolf und Conrad die Scheerer von Tübingen die Grafschaft theilen, kommen vor sechs Mühlen: Bitun Müli, des Lupen Müli, Schade Müli, Pfaffen Müli, Dorff Müli ze Gilstain. Rain Müli (Schmid Urk. 166), welche (mit Ausnahme der Dorfmühle in Gilstein) wohl alle hieher gehören, zuverlässig die Rain Müli, welche als molendinum dictum Reimül schon im Anfang des 12. Jahrhunderts genannt wird (Cod. Hirsaug. 59b.), und auf welche Graf Rudolf von Tübingen den 17. Juli 1268 dem Stift Sindelfingen ein jährliches Einkommen verschreibt (Schmid Urk. 31).
  30. In Heß Chronik von Herrenberg wird unter den steuerfreien Gütern angeführt: Ein Kirchlein, Garth und Weyherlein sammt einer Behausung, genannt Raistingen, so vor Jahren des Stiffts zu Herrenberg gewesen u. s. w.
  31. Anno 1601 ist zu dem Waldhaus im Spitalwald noch ein Viehhaus erbaut worden, so 235 Pfund gekostet; es ist aber nach dem Brand diß Hauß abgebrochen und alles in die Statt geführt worden (Heß, Chronik).
  32. Außer dem Nufringer Thor wird in diesem Theil auch das „Affsteter Tor“ genannt.
  33. Urk. bei Haug zu Chron. Sindelf. 36, vergl. eb. 37 und Schmid 289.
  34. Schmid Urk. 77; auch 1315, 26. Sept., Volmarus sacerdos incuratus. Reg. Boic.5, 217.
  35. Schmid 469; genannt im Jahr 1336, 20. Mai, Liupo decanus perpetuus vicarus in Herrenberg, Reg. Boic. 7, 149, 1336, 19. Jul., Pfaff Liup der Tiegan zu Herrenberg ibid. 155, vergl. ibid. 200.
  36. Am Ende bestunden am Stift prepositura ac undecim canonicatus et totidem prebendae nec non tres perpetuae capellaniae. Sattler Herzoge. 1. Beil. Nr. 93. S. 236.
  37. Es bestund auch hier eine Kapelle bei dem Siechenhaus; solche ist 1663 abgebrochen worden und an ihrer Stelle eine kleine Mauer hinten am genannten Haus herumgeführt worden. (Heß, Chronik.)


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