« Kapitel B 8 Beschreibung des Oberamts Heidenheim Kapitel B 10 »
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9. Gemeinde Giengen,

mit der Parzelle Schratenhof, zusammen mit 2067 Einwohnern. [1]

1) Giengen, ehemalige freie Reichsstadt mit 2059 Einwohnern (darunter 12 katholische Filialisten von Burgberg), liegt unter 48° 37’ 17" nördl. Breite und 27° 54’ 26" östl. Länge (Rathhaus), 21/4 geom. St. in gerader Richtung 31/4 nach der Straße, südöstl. von Heidenheim entfernt, und hat eine mittlere Erhebung, zwischen dem ehemaligen obern Thor und dem Wildbad, von 1427,8 par. Fuß über dem Mittelmeer. Die Stadt ist der Sitz eines Amtsnotars, eines Unteramtsarztes und des Försters für das Revier Herbrechtingen. [2]

Wo der zweite von den Kesseln des mittleren Brenzthales sich schließt und der dritte sich öffnet, liegt Giengen am Abhang eines gegen Süden abfallenden Hügels, eingeengt zwischen dem steilen und felsigen Bruckersberg südlich, und dem minder schroff ansteigenden Schießberg nördlich. An der Südseite fließt die Brenz in zwei Armen; ein dritter ist in einem gemauerten Kanal durch die untere | Stadt geleitet. Die beste Ansicht bietet die Stadt unstreitig gegen das Thal von Herbrechtingen her. Hier hat man die in der Mitte des Thales emporsteigende Felsmasse vor sich, welche mit der alterthümlichen wohlerhaltenen Stadtmauer gekrönt ist. Aber auch von der entgegengesetzten Seite, von Hohenmemmingen her, präsentirt sich die Stadt sehr vortheilhaft. Der Boden, auf welchem Giengen erbaut ist, neigt sich stark nach Süden und Osten; eben ist nur der untere Theil, der bisweilen sehr durch Überschwemmungen leidet. Die Stadt hat drei Thore und zwei Einlässe, aber nur noch einen Thorthurm, den Memminger. Das untere, Lauinger oder Spital-Thor, ist nur ein Staketenthor, und das obere (Heidenheimer, früher Altengienger) Thor ganz verschwunden. Die Stadtmauer ist nur so weit abgetragen, als die Anlage neuer Häuser gegen Heidenheim es nöthig machte. Sonst enthält sich die Stadt bis jetzt, die Wahrzeichen ihrer städtischen Eigenschaft muthwillig zu zerstören. Die Stadt ist nach ihrem Unglück im J. 1634 (s. unten) nicht sehr regelmäßig wieder aufgebaut worden; die Straßen sind, die Marktstraße ausgenommen, ziemlich eng; doch kann der Eindruck, welchen das Aussehen der Stadt im Ganzen macht, nicht unfreundlich genannt werden. Die frequente aber enge Poststraße vom obern bis zum Lauinger Thor ist chaussirt, die Markt- oder Hauptstraße leidlich gepflastert und reinlich. Der höchste Punkt der Stadt ist die sogenannte Burg, oder der von der Nordwestecke derselben in das Thal hereinziehende Felsrücken, der gegen Westen die Stadt begrenzt und senkrecht abstürzt. Der Theil der Stadtmauer, welcher über diesen Felsrücken sich hinzieht, führt vorzugsweise den Namen der Burg. Am südlichen Theil derselben sitzt uraltes, regelmäßig geschichtetes Possagen-Gemäuer dem Fels auf; die übrigen Theile sind aus Mauersteinen oder auch Backsteinen ebenfalls sehr fest aufgeführt, zeigen aber zum Theil neuere Entstehung. Von einem Innbau, wenn je einer vorhanden und das Ganze nicht eine bloße Befestigung war, wie die sogenannte Burg in Eßlingen, der Giegelberg in Biberach etc., ist nichts mehr zu sehen. Nur jenes alte Possagen-Gemäuer scheint von einer wirklichen, frühe zerstörten Burg ein Überbleibsel zu seyn.

Die Zahl sämmtlicher Gebäude belief sich, den Schratenhof mit eingeschlossen, im J. 1838 auf 545. Darunter waren Wohngebäude 376. Dem Staat gehört das Stadtpfarrhaus, die Försterswohnung und ein Fruchtmagazin.

Die Pfarrkirche (zur h. J. Maria) steht an der Nordseite der Stadt auf einem freien Platze, der bis 1560 zum Begräbnißplatz diente. Durch das Brandunglück von 1634 wurde auch die Pfarrkirche bis auf die Umfangsmauern zerstört und lag in Ruinen | bis 1654, wo die Stadt sich im Stande sah, mit Benutzung der alten Stockmauern die gegenwärtige Kirche aufzubauen. [3] Die Ulmer Werkmeister Leonhard Buchmüller und sein Sohn Martin waren die Architekten. Die Kirche ist groß, sehr geräumig, hell und hat durch ihre Renovation im J. 1821 so sehr gewonnen, daß hinsichtlich der Schönheit und würdigen Ausstattung des Innern nur sehr wenige evangelische Kirchen des Landes ihr an die Seite gesetzt werden können. Das Langhaus ohne den Chor hat 140’ Länge, 92’ Breite und eine verhältnißmäßige ansehnliche Höhe. Links und rechts an der Westseite erheben sich zwei Thürme, von welchen der eine, nördliche, der sogenannte Blaserthurm, als Hochwacht dient. Von gleicher Höhe mit diesem ist der Glockenthurm (145’ bis an den Stern), der ein schönes Geläute von 4 Glocken enthält, und mit einem kupfernen Kuppeldach gedeckt ist. Über das Alter der ursprünglichen, 1634 abgebrannten Kirche hat man keine nähere Nachricht. Der Blaserthurm trägt bis an seinen 1579 hinzugekommenen achteckigen Aufsatz den deutlich ausgesprochenen Charakter der vorgothischen Bauart. Dasselbe soll bei dem 1709-1714 gänzlich modernisirten Glockenthurm der Fall gewesen seyn, an welchem ähnliche groteske Figuren, wie an der Kirche in Brenz, angebracht waren, die bei dem Umbau zu Grunde giengen. An der Kirche selbst sind die Merkmale ihrer ursprünglichen Bauart schon vor dem Neubau von 1634 verwischt worden. Im Chor steht ein, gewöhnlich bei Festtags-Communionen gebrauchter schöner Hochaltar, das Geschenk eines Dr. Gockelius I. U. L. in Ulm, 1654. Vor der erwähnten Katastrophe des J. 1634 stand an der Stelle desselben ein Altar mit einem großen massiv silbernen Wallfahrtsbild der heil. Maria, das von den Spaniern geraubt wurde. Ein großes Ölgemälde in der Kirche, von Johannes Stölzlin, stellt die Einäscherung der Stadt und die Mordscenen vor, welche die spanischen Soldaten an den wehrlosen Einwohnern verübten. [4] Ganz in der Nähe der Pfarrkirche stand die 1466 erbaute und 1811 aus Veranlassung des Schulhausbaues abgebrochene Kapelle zur heil. Dreifaltigkeit, eine Stiftung Ulrichs von Rammingen. Das sehr schöne Grabmonument desselben, aus gesprenkeltem kastanienbraunem Marmor, ist aus dieser Kapelle 1811 in die Kirche gebracht worden. Die Kirche mit dem Glockenthurm ist Eigenthum der Stiftungspflege, | der Blaserthurm aber der Stadt; hiernach richtet sich auch die Baupflichtigkeit.

Die Kirche zum heil. Geist, oder Hospitalkirche, ist dem Hospital angebaut und steht am südlichen Ende der Stadt. Auch dieses kleine Kirchlein wurde 1634 ein Raub der Flammen, und erfuhr erst in den Jahren 1701 und 1751 seine gänzliche Herstellung; es ist im Innern freundlich und hat ein kleines Thürmchen mit einer Schlaguhr und 2 Glocken. Alle vier Wochen hat der zweite Geistliche hier eine Predigt zu halten. Die Baulast ruht auf der Stiftungspflege. – Von dem Hospital-Gebäude s. unten.

Das Rathhaus, das vornehmste Gebäude in der Hauptstraße, die hier zu einem kleinen Marktplatz sich erweitert; es ist ganz von Stein, mit einer Schlaguhr und Glockenthürmchen versehen, und wurde 1840 und 1841 sehr anständig und zweckmäßig erneuert. In dem feuerfesten Erdgeschoß befindet sich das städtische Archiv; das übrigens 1634 seinen wichtigsten Inhalt verloren hat. Es ist 1840 neu geordnet und zweckmäßig registrirt worden. Das Rathhaus wurde 1668 erbaut und 1738 erstmals renovirt. – Die Schulgebäude s. unten.

Die Stadtpfarrwohnung ist das hoch und frei gelegene ehemalige Oberamtei- und frühere Syndicats-Gebäude auf der Burg, und gehört dem Staat. Das alte Pfarrhaus, das 1634 abbrannte, stand westlich von der Pfarrkirche, und war ein Kl. Herbrechtingenscher Pfleghof, daher der Platz um dasselbe diesem Kloster und später Württemberg mit allen Hoheits- und Jurisdictionsrechten zustand. Erst 1814 wurde die Area vom Staat verkauft. Von 1635-1813 wohnten die Stadtpfarrer zur Miethe. – Die Predigerwohnung wurde 1812 erbaut und 1817 dem zweiten Geistlichen (Prediger) eingeräumt.

Einwohner. Es sind tüchtige, rüstige Leute, die sich aus den Zeiten ihres reichsstädtischen Bürgerthums manche rühmliche Eigenschaften, große Anhänglichkeit an Haus und Heimath, Pietät gegen das erprobte Alte, muntere und unbefangene Geselligkeit bewahrt haben, bei aller Ökonomie und Erwerbsthätigkeit den Ehrenpfennig nicht sparen und gegen Hülfsbedürftige sich freigebig beweisen. In Rücksicht auf die bürgerliche Ordnung sind sie ruhig und fügsam. Für ihre Schulanstalten zeigen sie großes Interesse. Auch physisch ist der Menschenschlag gesund, wenn auch weniger kräftig, als die umwohnenden Landleute; man kennt keine vorherrschenden Gebrechen.

Bevölkerungsverhältnisse. Die ortsangehörige Bevölkerung der Stadt betrug am 15. Dez. 1842 986 männliche, 1081 weibliche, zusammen 2067 Seelen. Am 15. Dez. 1840 betrug die Zahl der Ortsangehörigen 2068, die der Ortsanwesenden | 2317 und die der Familien 514. – Die Zahl der Ehen war im Jahr 1832 394; auf eine Ehe kamen also 4,8 Einwohner.

Geboren wurden nach dem Durchschnitt der Jahre 1832/42 103,7; es kommen hiernach auf 1000 Einwohner 52 Geburten (oder 1 Geburt auf 38,5 Einwohner); unter 100 Geburten befanden sich 11 uneheliche.

Gestorben sind, nach dem genannten Durchschnitt 95,8, oder von 1000 Personen jährlich 48 (1 Sterbefall auf 21 Einwohner); auf 100 Gestorbene kommen hier 108 Geborene.

Übersechzigjährige zählte man im J. 1832 214 oder auf 1000 Einwohner 113.

Während des zehnjährigen Zeitraums von 1832/42 hatte die Bevölkerung der Stadt um 172 Seelen zugenommen, und zwar um 93 männliche und um 79 weibliche.

Berühmte Männer aus Giengen. Keck, Joh., Prior in Kl. Tegernsee im 15. Jahrh., zum Basler Concil berufen, später von Papst Nicolaus V. nach Rom eingeladen, wo er starb (Oefele Script. 2, 76).

Herbrand, Jac., geb. den 12. Aug. 1521. Er stammte von einer Familie, welche aus dem Jülichschen eingewandert war. Sein Vater, ein Weber, welcher übrigens Kenntnisse im Lateinischen und in der Musik besaß, schickte den vielversprechenden Jüngling in die Schule nach Ulm und hierauf (1538) nach Wittenberg, wo er Luthern und Melanchthon als eifriger Anhänger ihrer Lehre hörte und wegen seines Fleißes von seinen Mitschülern die schwäbische Nachteule genannt wurde. Im J. 1544 ward er Diaconus zu Tübingen, als welchen ihn Herzog Ulrich gerne predigen hörte; er verlor jedoch, da er sich zur Annahme des Interims nicht verstehen wollte, dieses Amt wieder. Herzog Christoph setzte ihn durch Übertragung des Decanats Herrenberg im J. 1551 in neue Thätigkeit ein. Er erhielt nebst einigen andern württembergischen Theologen die ehrenvolle Sendung auf das Concilium nach Trident; im J. 1556 wurde er zur Reformation des Markgrafthums Baden abgeschickt, und verfaßte zu Pforzheim unter dem Markgrafen Carl von Baden eine Kirchenordnung. Von hier folgte er im J. 1557 dem Rufe zu einem theologischen Professorat in Tübingen, allwo er im J. 1561 zum Decan der Stiftskirche, Superattendenten des theologischen Stiftes, im J. 1590 zum herzoglichen Rathe, Probst der St. Georgenkirche und Canzler der Universität befördert wurde. Er starb 79jährig den 22. Mai 1600, nachdem er 2 Jahre früher seine Lehrstelle niedergelegt hatte, den Ruf eines sehr thätigen Glaubenseiferers hinterlassend, der zu dem damaligen glänzendsten Zustande des theologischen Studiums in Tübingen besonders beitrug. Unter | seinen zahlreichen theologischen (besonders polemischen) Schriften wurde besonders geschätzt sein (Compendium theologiae, das erste Mal im J. 1573 erschienen, später sehr häufig an den verschiedensten Orten aufgelegt, übersetzt von Mart. Crusius in’s Griechische. (Vergl. über ihn Spittler, Gesch. Wirt. S. 193. Schnurrer Orat. acad. delect. ed. Paulus S. 131.)

Nicht unbekannt ist auch sein Bruder Philipp, Prediger in Lauffen am Neckar, dann (1565) der erste lutherische Prediger in Hagenau, als welcher er den 4. Febr. 1575 starb.

Hitzler, Georg, geb. 1526. Er studirte in Straßburg und magistrirte in Wittenberg, worauf er zum Professor der Sprachen in Straßburg ernannt wurde. Von hier berief ihn im J. 1588 Herzog Christoph zum Professor der griechischen und lateinischen Sprache und der Beredtsamkeit nach Tübingen, in welchem Amte er sich sehr verdient machte. Er verschied den 22. April 1591.

Nahrungszustand. Die ökonomischen Verhältnisse der Bürger sind im Ganzen gut; es giebt neben einer ansehnlichen Zahl sehr vermöglicher Leute nur wenige Arme und keine eigentlichen Bettler. Der Verkehr in der Stadt, welche den Bewohnern der Umgegend, besonders des untern Brenzthales und der pfalzneuburgischen Ortschaften ihre Bedürfnisse liefert, und wiederum deren landwirthschaftliche Erzeugnisse empfängt, ist sehr lebhaft. Die Haupterwerbsquelle bilden die Handwerksgeschäfte, welche auch hier, wenn gleich nicht in dem Grade, wie in Heidenheim, den Feldbau überwiegen.

Gewerbe. Das bedeutendste ist das der Wollenarbeiter, darunter 24 Tuchmacher und Grautucher oder Flanellweber und 10 Zeugmacher sind, von welchen Tücher, Biber, Wollenzeuge und besonders Flanellwaaren in Menge verfertigt und größtentheils nach außen verkauft werden. Die früher sehr blühend gewesene Leinwandweberei beschäftigt zwar der Zahl nach noch immer die meisten Individuen (41 Meister, darunter 20 Lohnweber, 21 Kundenweber, 5 Weber auf den Verkauf), liegt aber in einer Weise darnieder, daß ihr Emporkommen wohl nie mehr zu erwarten ist. Gedeihlicher wird die Baumwollenweberei betrieben; das Geschäft von Andreas Schuhholz beschäftigt allein 40-60 Handwebstühle, größtentheils in den benachbarten Orten, und liefert baumwollene Sack- und Halstücher, Kleider und Bettzeuge (sog. Cotonnets), die im Innland und im benachbarten Bayern einen sehr guten Absatz finden. Eine Papierfabrik (von Carl Herb), die im Begriff ist, sich eine größere Ausdehnung zu geben, verfertigt vorzugsweise Druckpapier, das größtentheils in die Stuttgarter Officinen geliefert wird, außerdem auch Schreibpapier, Preßbogen, Pappendeckel. Ferner finden sich an Wasserwerken, die sämmtlich von der Brenz oder ihrem | Kanal in Bewegung gesetzt werden: eine Schleifmühle in der Stadt, eine Sägmühle außerhalb des Spitalthors, an welcher sich eine Stampfmühle für Rothgerber, eine Weißgerberwalk- und Ölmühle befinden. Letztere und eine zweite Ölmühle verfertigen sowohl Reps- als Leinöl. Eine Tuch- und eine Bleichwalke, eine Gypsmühle, eine Gerstenmühle und zwei bedeutende Mahlmühlen. Unterhalb der Stadt auf einer Insel der Brenz befindet sich eine ansehnliche Blaiche, und westlich, an der Straße nach Herbrechtingen, eine namhafte Ziegelhütte. Eine der Stadt zugehörig gewesene Pulvermühle ist eingegangen.

Apotheken sind zwei vorhanden.

Schildwirthschaften 14 und 5 andere Wirthschaftsgewerbe, Bierbrauereien 15.

Ein eigenthümliches Fabrikat ist das bekannte Giengener Wasser, ein spirituoses Medicament, das hier verfertigt und in kleinen Fläschchen versendet wird. Es ist ein Arcanum der Familie Martin, die 1746 ein kaiserliches Privilegium darauf erhielt. In neuern Zeiten hat jedoch der Glaube an dieses früher sehr beliebte Hausmittel sehr abgenommen.

Von den bedeutenderen Gewerben nennen wir noch das der Rothgerber, Färber, Säckler, Schreiner und Messerschmiede, unter welchen letzteren namentlich Georg Klöpfer, der sich in England ausgebildet hat, durch ausgezeichnete Arbeiten bekannt ist. Ein im J. 1842 errichteter Gewerbe-Verein beabsichtigt, die industriellen Interessen in jeder möglichen Hinsicht zu wahren und zu fördern.

Auf der neuesten Gewerbeliste erscheinen folgende selbständige Gewerbe:

14 Bäcker, 2 Barbierer, 1 Blättersezer, 1 Bleicher, 3 Bortenwirker, 17 Branntweinbrenner, 2 Buchbinder, 1 Bürstenbinder, 3 Dreher, 1 Essigsieder, 4 Färber, 4 Fischer, 2 Flaschner, 4 Frachtfuhrleute, 13 Gerber, 2 Glaser, 2 Gold- und Silberarbeiter, 6 Hafner, 1 Holzmesser, 2 Hutmacher, 1 Kaminfeger, 1 Kammmacher, 2 Kärner, 14 Kaufleute, 9 Kleinhändler, 1 Kleemeister, 1 Kürschner, 1 Kleinuhrmacher, 2 Kornmesser, 6 Küfer, 3 Kupferschmiede, 1 Leistschneider, 4 Maurer, 7 Messerschmiede, 14 Mezger, 3 Musiker, 6 Müller, 3 Nadler, 5 Nagelschmiede, 2 Pflästerer, 2 Pudermacher, 2 Rothgießer, 4 Säkler, 5 Sattler, 4 Seifensieder, 2 Seiler, 16 Schneider, 5 Schlosser, 11 Schreiner, 17 Schuhmacher, 3 Schuhflicker, 2 Siebmacher, 7 Schmiede, 4 Steinhauer, 5 Strumpfweber, 24 Tuchmacher, 2 Tuchscheerer, 4 Wagner, 1 Walker, 62 Weber, nämlich 33 Linn-, 7 Baumwollen- und 22 Lohnweber, 1 Wollenkämmer, 1 Ziegler, 3 Zimmerleute, 2 Zinngießer, 10 Zeugmacher, 4 Zuckerbäcker.

Unter den Hilfs- und Nebengewerben war sonst die Flachs- | und Wollenspinnerei das stärkste und einträglichste; die ungünstigen Verhältnisse der neuern Zeiten und die Concurrenz der Maschinen haben aber diesen Industriezweig zu gänzlichem Sinken gebracht, und der früher bedeutend gewesene Schnellermarkt, der jeden Samstag in der Herberge der Weberzunft gehalten wurde, besteht kaum noch. – Eine Nebenbeschäftigung einzelner Personen ist die Verfertigung von Strohgeflechten, Winterschuhen aus Tuchenden, Schuhlaisten, Stiefelhölzern etc. – Noch sind zwei Privat-Waschhäuser an der Brenz zu erwähnen, die sehr häufig benutzt werden, da in den Bürgerwohnungen gewöhnlich keine Waschhäuser eingerichtet sind. Activhandel findet mit Wollen-, Baumwollen- und Leinwandwaaren, mit Öl, Korn, Ziegler- und Töpfer-, Dreher-, Messer- und Nagelschmied-, auch mit Conditor- Waaren statt. Darunter geht Öl nach Heilbronn und ins Bayrische, Korn nach Ulm und Heidenheim. Die Arbeiten der Dreher und Messerschmiede werden meistens nach Augsburg und Nördlingen abgesetzt. Unter den Einfuhrgegenständen kann man besonders nennen: Schlachtvieh, Pferde, Geflügel, rohe Häute, Bauholz (zum Theil Schnittwaaren), Garten- und Wald-Sämereien etc.. Die bedeutendste Handlung ist das Detailgeschäft von L. F. Winter in Manufakturwaaren und Baumwollengarn, mit einem bedeutenden Absatz besonders ins Bayrische. Namhaft ist auch das oben erwähnte Geschäft von Schuhholz. Überhaupt finden sich hier Handlungen: mit Ellenwaaren zwei, mit kurzen Waaren zwei, mit Leinwand eine, Conditoreien (gewöhnlich mit Specerei verbunden) vier, Specerei eine, mit Glas- und lakirten Blechwaaren eine, mit Eisen eine, mit Wein eine, und einige ganz unbedeutende Kleinhandlungen. Spedition findet sich hier nicht. Die Durchfuhr nimmt zu, seitdem die Straßenverbindung mit Nattheim, Heidenheim und Hermaringen hergestellt ist. Nach geschichtlichen Nachrichten war sie ehemals, wie der Handel selbst, stärker, allein die Ungunst der Zeiten und der Nachbarn haben sie heruntergebracht.[5] Ehemals gab es Frachtfuhrleute nach Nürnberg, Nördlingen, Ulm, welche starke Geschäfte machten. Nun besteht nur ein wöchentliches Fuhrwerk nach Ulm, und ein anderes alle 14 Tage nach Stuttgart. – Hauptmärkte, welchen die Professionisten von Giengen nachziehen, sind Günzburg, Gundelfingen und Lauingen, im Inland Langenau und Ulm. Die Stadt selbst hat vier Krämer- und zwei Viehmärkte, die von der Nachbarschaft ziemlich zahlreich besucht werden. Auch ein Fruchtmarkt wird jeden Freitag gehalten; er ist jedoch von untergeordneter | Bedeutung. Den 22. Jan. 1818 wurde die eingegangen gewesene Kornschranne wieder eröffnet. Wenn gleich, wie gesagt, die Landökonomie dem Gewerbebetrieb im Ganzen nachsteht, so beschäftigen sich doch mit wenigen Ausnahmen alle Professionisten nebenbei auch mit Feldbau, oft nicht zum Vortheil ihrer Handthierung. – Die Markung enthält 57875/8 M., davon 321 M. der Stiftungspflege, und 25923/8 der Gemeinde gehören. Letztere Morgenzahl verringert sich aber gegenwärtig durch die Vertheilung von Waideland unter die Bürger. Der Grundbesitz ist sehr zersplittert und größere geschlossene Güter finden sich nicht. Als thätige und musterhafte Landwirthe nennt man die Bürger: Schnapper, Stadtrath; Mayer, Lammwirth; Hähnle, Kannenwirth; Süßmuth, Blaicher. Sorgfältige Benützung der Gülle ist seit einigen Jahren allgemein. Ackerbau wird auf 2740 M. betrieben, die fast durchaus flürlich gebaut werden. Die Felder liegen meistens auf und an Anhöhen (das fruchtbare Grubenfeld auf dem Bruckersberg, der Irpfel- oder Rechberg, der Leutenberg), nur das Längenfeld, nördlich von der Stadt, ist größtentheils Fläche. Der Boden des letzteren hat nur eine sehr seichte Krume und Kies zur Unterlage. Sonst ist der Hauptbestandtheil des Bodens Lehm, stark mit Sand gemischt, und Kalk. Das beste Feld liegt auf dem linken Ufer der Brenz am Abhang des Rechbergs hin. Die Brache wird zu 1/4 ihres Umfangs und zwar zu 2/3 mit dreiblättrigem Klee eingebaut. Roggen (zu 1/3) und Dinkel (zu 2/3) ist der Hauptanbau im Winterfeld, Sommergerste und Haber im Sommerfeld. Der Flachsbau nimmt sehr ab; Kartoffel, Erbsen und Wicken nehmen seine Stelle ein. Man rechnet als Mittelertrag vom Dinkel das 10-11. Korn, vom Roggen das 5te, vom Haber das 7te, von der Gerste das 6te. Preise des M. Ackers, geringste 40-60 fl., mittlere 250-300 fl., höchste 400-450 fl. – Der Gartenbau ist unerheblich, da von Gemüsen wenig, hauptsächlich nur Weißkohl konsumirt wird, den man zum größeren Theil aus der Nachbarschaft, namentlich von Bolheim, bezieht. Gärtner, die auf den Verkauf pflanzen, sind hier zwei. – Die Wiesenfläche betrug bisher 5171/8 M., wird aber bei der gegenwärtigen Verwandlung von Gemeindewaiden in Wiesen sich bedeutend ausdehnen. Sie liegen zum bei weitem größten Theil im Thalgrund und haben meistens moorigten Boden, weswegen sie viele Kultur erfordern. Mit Ausnahme von c. 80 Morgen sogenannter Stockmäder, die auf der Höhe liegen, sind sie zweimädig. [6] Wässerung | findet nicht statt. Man schätzt den Durchschnittsertrag eines M. an Heu und Öhmd auf 32 Centr. Bisher war der Ertrag für den starken Viehstand der Stadt nicht zureichend; die Einfuhr au Heu betrug jährl. 300-400 Centr. Preise eines zweimädigen M.: geringster 200 fl., mittlerer 400-460 fl., höchster 480-520 fl. – Die Obstkultur ist im Zunehmen; der Sinn dafür ist im J. 1603 durch den vormaligen Stadtschreiber Honold und den verstorbenen Stadtpfleger Oswald geweckt worden. Eine, übrigens nicht zureichende, Baumschule ist vorhanden. – Sämmtliche Waldungen (11927/8 M.) sind Laubwald und (mit Ausnahme von 561/8 M. Privatwald) Gemeinde-Eigenthum. – Die Allmandwaiden waren sehr ausgedehnt (940 M.). Seitdem aber die Stallfütterung zum großen Theil eingeführt ist, wurde ein Theil derselben als Wiesen verpachtet. Nach einem neuesten Beschluß werden nun alle Waiden, die zur Kultur taugen, unter die Bürger vertheilt, und nur die Stellen, welche keiner Kultur fähig sind, als Schafwaiden beibehalten. Die Schafwaiden haben die Bürger bisher gegen ein Pachtgeld von 30 kr. p. Kopf benützt. – Die Pferdezucht ist untergeordnet; die Fohlen werden größtentheils von außen eingekauft. Das Rindvieh wird gut gehalten, aber mit wenig Rücksicht auf Race gezüchtet. Die Stallfütterung ist seit 1812 allmälich und jetzt zum größten Theil eingeführt. Nach Vertheilung der Waiden wird sie vollständig werden. Mastung findet bei den Wirthen und Bierbrauern in ziemlicher Bedeutung statt. – Die Schafzucht ist seit einigen Jahren auffallend im Abnehmen. Sonst wurden über 2000 Stück in Giengen gewintert, und mehrere hundert Stück mußten auswärts auf die Sommerwaide gebracht werden. Jetzt zählt man in der Stadt c. 900 Stück, und auf die Waide werden 4-600 Stück fremde Schafe aufgenommen. Auf Veredlung wird wenig mehr gesehen. Schweinezucht und Mastung ist hier etwas bedeutender als in anderen Orten des Bezirks (Sontheim a. d. B. ausgenommen); viele Thiere werden auch aus Bayern eingeführt. Die Gemeindeverwaltung ist in gutem Stande, wie sich aus Tab. IV ergiebt. Die bürgerlichen Nutzungen bestehen in je 1/2 Klafter Holz und 25 Büscheln.

Die Vermögensverhältnisse der Stiftungspflege, s. unten, Hospital.

Das Wappen der Stadt ist ein rechts springendes goldenes Einhorn im blauen Felde.


Kirchliche und Schuleinrichtungen.
Der Pfarrgottesdienst wird in der oben beschriebenen Haupt- oder Marienkirche gehalten, und zwar stehen an dieser ein Stadtpfarrer und ein Prediger, welcher letzterer zugleich auch Hospital-Geistlicher | ist. Das Patronat beider Stellen ist landesherrlich; früher war die Stadtpfarrei dem Kl. Herbrechtingen incorporirt, s. unten. Filialien hat die Kirche außer dem der Stadt gehörigen Schratenhof keine. Eigenthümlich ist ein Bußtag, der alljährl. den 5. Septbr. zum Andenken an die Einäscherung der Stadt 1634, gehalten wird. – Altarpfründen oder Caplaneien waren vor der Reformation folgende vorhanden: 1) Unser l. Frau (1356 Chunrad Kirchherr zu Sezzingen stiftet die Frauen- und St. Nicolaipfründe. Urkunde im Stuttgarter Staats-Arch.). 2) St. Petri. 3) St. Johannis. 4) St. Bartholomäi. 5) St. Nicolai, s. oben. 6) St. Catharinä. 7) St. Ägidii. 8) St. Elisabethä. 9) St. Ottilien auf den Freithof, 10) St. Leonhard. 11) St. Sebastian. 12) St. Achaz. Eine Prädicatur in der Stadtkirche gründete im J. 1420 Magister Johannes von Riedlingen, Arzt in Nürnberg mit 500 fl. (Kuen Coll. 4, 225). Aus diesen sämmtlichen im J. 1537 vom Magistrat eingezogenen Pfründen wurde in der Folge der Fond der Kirchen-, Schul- und Almosenpflegen gegründet, und die Stelle eines zweiten Geistlichen (des Hospitalpredigers) dotirt.

Von Klosterstiftungen befanden sich hier: ein Benedictiner Frauenkloster, dessen Stiftung ins J. 1412 fällt (Magenau S. 69). Aus diesem Kloster ward in der Folge die Wohnung des Syndicus, die jetzige Stadtpfarrei, s. oben. Noch führt ein Brunnen hinter diesem Hause den Namen Nonnenbrunnen, und einige Gärten heißen „im Kloster.“ – St. Peter, ein Capucinerhospiz, wurde 1576 aufgehoben und ist jetzt (seit 1816) Privateigenthum. Es liegt 1/4 St. nördlich von der Stadt an der Straße nach Heidenheim. Bis zum J. 1554 war hier ein Begräbnißplatz. – Ein Convent der Clausnerinnen St. Augustiner-Ordens (Beguinen) zog 1463 von Hermaringen hieher, und bestand bis 1560. Pfleghöfe hatten hier die Klöster Herbrechtingen (s. oben) und Kaisersheim; der letztere kann nicht mehr nachgewiesen werden.

Unterrichtsanstalten [7] sind: eine lateinische Schule von zwei Klassen, eine Realschule (seit 1821) von einer Klasse, mit welcher seit 1827 eine Sonntagsgewerbeschule verbunden ist; eine Musikschule; eine Volksschule für Knaben, und eine solche für Mädchen je mit zwei Abtheilungen und zwei Lehrern; eine Turnanstalt; eine Industrieschule besteht bis jetzt noch nicht, soll aber errichtet werden. Der Schulunterricht ist für alle Bürgerkinder bis | zum 14ten Jahr frei und wird aus dem Schulfond und den Armenstiftungen bestritten. Ein beliebtes und auch aus der Nachbarschaft sehr besuchtes Schülerfest wird in der Regel am Pfingstdienstag mit Gottesdienst und Lustbarkeiten im Freien gefeiert. – Sämmtliche Knabenschulen mit vier Lehrerwohnungen befinden sich in einem sehr ansehnlichen, 1842 und 43 neu und massiv aufgeführten Gebäude, dem schönsten in der Stadt, an der Stelle des ehemaligen obern Thors. Der Bauanschlag war 21.600 fl. Die Kosten trug die Stiftungspflege. [8] Das Mädchenschulhaus neben der Pfarrkirche ist 1810 und 1811 erbaut worden; in demselben beabsichtigt man auch eine Klein-Kinderschule einzurichten.

Wohlthätigkeits-Anstalten und Stiftungen. Das Hospital zum heil. Geist. Die Zeit seiner Gründung, seine Stifter und ersten Wohlthäter lassen sich nicht mehr angeben. Außer älteren Stiftungsgütern besteht das Vermögen des Hospitals aus den 1537 eingezogenen zehn Altarpfründen, welche zur Hauptkirche gehört hatten und zahlreichen spätern Vermächtnissen und Schenkungen. Im J. 1814 wurde die Kirchen- und Schulpflege mit einem Fond von 69.800 fl. mit der Hospitalpflege combinirt, welche jetzt die vereinigte Stiftungspflege heißt, und einen bedeutenden Grundstock besitzt, welcher theils in Kapitalien, theils in liegenden Gütern (321 M. auf hiesiger Markung, dem St. Stephanshof etc.), theils in Gefällen und Zehentrechten besteht; und zwar beträgt der Anschlag

der Äcker und Wiesen 44.512 fl.
der Waldungen (mit der Stadt gemeinschaftlich) 3.907 fl.
Verzinsliche Kapitalien und Vorräthe 277.726 fl.
Gefälle an Geld und Naturalien nach Sportelpreisen, im zwanzigfachen Betrag       133.740 fl.
459.885 fl.
Hiervon gehen aber Passivkapitalien 20.650 fl.
Stiftungskapitalien   14.300 fl.
34.950 fl.
Rest Vermögen 424.935 fl.
Der Brandversicherungsanschlag der Gebäude beträgt 104.600 fl.
Nach dem Etat von 1843/44 berechnen sich die jährl. Einnahmen auf 19.700 fl.
und eben so hoch die Ausgaben.
Arme, alte, schwachsinnige bürgerliche Personen beiderlei Geschlechts werden in dem Hospital untergebracht, und mit allen | Bedürfnissen versorgt. Unter arme Familien werden nach Erkenntniß des Kirchenkonvents wöchentlich Almosen an Geld und Brod ausgetheilt, welche jährlich eine Summe von mehr als 2000 fl. ausmachen. Ferner werden arme Bürgerssöhne durch Beiträge zu ihrem Lehrgeld unterstützt und verwahrloste Kinder in Rettungsanstalten untergebracht. Die Gebäude bestehen aus dem Pfründehaus neben dem Spital oder Lauingerthor, der Kirche zum heil. Geist (s. oben) und dem 1812 neu erbauten ansehnlichen Wohnhaus des Stiftungspflegers.

Seit 1841 besteht die Wilhelmsstiftung mit einem Fond von 6000 fl., welchen Stiftungsrath und Bürgerausschuß zum Andenken an die Jubelfeier der 25jährigen Regierung Sr. Majestät des Königs Wilhelm zu Stipendien für solche Bürgersöhne ausgesetzt hat, welche Zöglinge irgend eines forst- und landwirthschaftlichen Instituts oder irgend einer Ackerbauschule des Königreichs, oder Schüler der polytechnischen Schule in Stuttgart, und der Kunstschule daselbst (oder wohin sonst solche Anstalten im Königreich verlegt werden sollten) sind, oder endlich akademischen Studien sich widmen und auf der Universität des Königreichs inscribirt haben. – Für Studierende der Theologie besteht die Kindvatersche und Roggenburgsche Stiftung von 600 fl.

Ein Armen- (ehemals Leprosen-) Haus, worin arme Wittwen unentgeldliche Unterkunft finden, auch erkrankte Handwerksbursche und sonst verlassene Personen verpflegt werden, befindet sich in einiger Entfernung von der Stadt an ihrer nördlichen Seite. Auch diese Anstalt wird von der Stiftungspflege unterhalten.

Von Vereinen bestehen hier: ein Gewerbeverein, ein Gesangverein und eine Schützengesellschaft. Auch hat Giengen eine Bürgergarde.


Sonstige Anstalten.
Bis zum J. 1811 war in Giengen eine Post, die sich von den ersten Zeiten der Einrichtung des Postinstituts in Deutschland unter Kaiser Maximilian I. herschrieb. In dem genannten Jahr wurde die Post nach Hermaringen an die Augsburger Landstraße verlegt. Hinsichtlich der Straßenverbindungen war Giengen bis in die neuesten Zeiten im Nachtheil, s. oben. Nunmehr aber ist die direkte Straße nach Heidenheim, und die Straße über Oggenhausen und Nattheim nach Nördlingen und Nürnberg, so wie die Straße nach Ulm, und die nach dem untern Brenzthal und Augsburg in guten Stand gestellt. Innerhalb Etters befinden sich für die Hauptpassage drei steinerne und zwei hölzerne Brücken, und zwei weitere hölzerne über den Brenzkanal. Außerhalb Etters auf den Straßen nach Ulm | und Heidenheim sind drei steinerne Brücken. Die Stadt erhebt ein Pflastergeld von 2 kr. für ein Pferd oder ein Paar Ochsen oder Kühe. Die Hauptfahrstraße durch die Stadt ist übrigens nicht gepflastert, s. oben.

Die Stadt hat drei fließende Brunnen, welche durch ein künstliches Wasserwerk vor dem Spitalthor aus der Brenz gespeist werden. Außerdem sind vier Brunnen mit Quellwasser vorhanden. In dem Wasserthurm, welcher das Wasser mittelst eines Druckwerkes in die Stadt liefert, befindet sich auch ein artesischer Brunnen, der vor einigen Jahren erbohrt wurde. Ein Brunnenhaus am obern Ende der Marktstraße, ein altes, unförmliches Gebäude, an welchem eine Schlaguhr mit dem Sonnen- und Mondlauf und neckischen Spielereien im Geschmack des 17ten Jahrhunderts angebracht war, ist überflüssig geworden, und zur Erweiterung des Marktplatzes auf den Abbruch verkauft.

Der Begräbnißplatz liegt nördlich von der Stadt vor dem obern Thor; er ist geräumig (31/2 M.) und wohl angelegt. Die Stadt erkaufte ihn 1560 von den Klausnerinnen Augustiner Ordens „um 200 fl. und anderes mehr.“

An angenehmen Spaziergängen und Belustigungsörtern in der nächsten Umgebung fehlt es nicht. Eine, vor einigen Jahren angelegte, sehr gefällige Allee führt außerhalb der Stadt von dem ehem. obern zum Memminger Thor. Nördlich über derselben erhebt sich der Schießberg, so genannt von der auf demselben befindlich gewesenen Schießstätte, die 1808 einging. Man findet auf dieser Höhe einen anmuthigen Platz, mit Linden bepflanzt, unter welchen die Schülerfeste gehalten werden, s. oben. Die Aussicht von hier und über die Stadt und Umgegend ist sehenswürdig. Dem Schießberg gegenüber auf der Südseite der Stadt erhebt sich über der Brenz der steile Felsberg Bruckersberg, an dessen Fuß ein Gesellschaftsgarten mit Anlagen zu finden ist. Nordöstlich von der Stadt, links von der Straße nach Hohen-Memmingen entstand in neuester Zeit ein ansehnlicher Bierkeller mit einem hübschen Gebäude, dem Hirschwirth gehörig. [9] – Eine nähere Erwähnung verdient


das Wildbad,
das 400 Schritte östlich von der Stadt in angenehmen Umgebungen von Wiesen und Gärten gelegen ist. Die Quelle, welche aus Jurakalk und zunächst aus einem torfartigen Grunde kommt, gilt für eine Heilquelle, die in früheren Zeiten, namentlich vor dem 30jähr. | Krieg sehr häufig von Fremden besucht, und äußerlich und innerlich gebraucht wurde. Merian und Bruschius sprechen von dem Wildbad als einem sehr berühmten und beliebten Kurort. Später kam es immer mehr in Vergessenheit, wiewohl die Ärzte in Giengen die öffentliche Aufmerksamkeit von Zeit zu Zeit durch Schriften darauf zu lenken bemüht waren. Im J. 1822 erkaufte die kombinirte Stiftungspflege das Bad, und errichtete 1825 und 26 ein neues Badgebäude, bei welchem die verbesserten Einrichtungen der neueren Zeit möglichst berücksichtigt wurden. Der Besuch aus der Stadt und der Umgegend ist lebhaft, indem die Badwirthschaft mit einem artigen Garten zugleich einen angenehmen Vergnügungsort gewährt. Die neueste Untersuchung der Quelle wurde 1828 von Dr. Salzer (jetzt in Ober-Sontheim) angestellt. [10] Man hält dieses Wasser für heilsam bei Lähmungen, Gicht und Rheumatismen, Hämorrhoidal- und Unterleibsbeschwerden, Bleichsucht, Griesschmerzen, Hautkrankheiten, offenen Schäden und beginnender Wassersucht. Getrunken soll es vorzugsweise urintreibend wirken. Jährlich werden c. 1500 Bäder abgegeben. – Die älteste Nachricht von diesem Bad hat man vom J. 1551, wo der Rath beschloß, ein Badgebäude auf Pfählen zu erbauen. Wirklich kam ein ansehnliches Badhaus zu Stande, das aber 1634 das Schicksal der Stadt theilte. Doch erstand es wieder aus der Asche und blieb bis 1803 Eigenthum der Stadt, die es sammt der Quelle verpachtete. Von 1803-1822 war das Bad | Privateigenthum, ist aber jetzt, wie oben gesagt, im Besitz der Stiftungspflege, die jedoch bisher noch keinen sonderlichen Gewinn daraus gezogen hat. – Literatur: Dr. Martin Ruhland: Badbüchlein, worin auch beschrieben, wozu das Wildbad gut und nützlich seye, 1567 (dem Rath zu Giengen dedicirt). – Dr. Eberhard Gockelius: Wildbadbüchlein oder Gallicinium hydromanticum Giengense, ums J. 1650. – Dr. Jägerschmied: Traktätlein über das Wildbad ums J. 1700. – Chr. Dav. Brotbeck: Kurze Anmerkungen von dem – gleich vor des Heil. Röm. Reichs Stadt Giengen gelegenen Wildbad, Ulm 1722. – Dr. G. Fr. Mohr: Kurzer Bericht von dem vortrefflichen Nutzen und Gebrauch des Wildbadwassers bei der Reichs-Stadt Giengen, 1760 4. – Dr. J. Dangelmaier: Beschreibung der Gesundbr. Württ. Thl. III, S. 18. – Dr. Vict. Ludw. Salzer (Prof. G. Schübler): Unters. über das Wildbad bei Giengen a. d. Brenz, Inaug. diss. Tüb. 1820. – Dr. Heyfelder: die Heilquellen u. s. w. des K. Württ. S. 47 ff.

2) Schratenhof, Hof mit 8 Weinw., eine kl. geom. St. nordnordöstlich von Giengen, am östl. Abhang des Kühlenberges zwischen Waldungen, unweit der bayr. Gränze, auf besonderer Markung, ein der Stadtgemeinde gehöriges und verpachtetes, geschlossenes Hofgut von 130 M. zehentfreien Gütern (Gärten, Äckern und Wiesen). Auf diesem Hof wohnt außer dem Pächter der städtische und hospitälische Holzwarth.

Ein abgegangenes Dort Alten-Giengen, das nordöstlich von der Stadt gelegen haben muß, wird unter andern erwähnt in der Stiftungs-Urkunde der St. Johannis-Meßpfründe v. J. 1534 (Gieng. Stadtarch.).


Geschichtliches.
Giengen wird zuerst [11] in der Chronik des Klosters Petershausen (bei Ussermann Prodr. 1, 337), welche im Anfang des 12. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde, erwähnt; es kommt hier ein Diepoldus marchio de Giengen vor, der im J. 1078 in der Schlacht von Melrichstadt fiel (Stälin, Wirt. Gesch. 1, 510, 570). Außer ihm erscheint noch ein Markgraf Berchtold von Giengen (Berchtoldus marchio Giengen) im Zwiefalter Nekrolog, wo er, ohne Jahresangabe, unter den 7. April eingezeichnet ist (Hess. Mon. Guelf. S. 240). Sonst treffen wir keine Markgrafen von Giengen. Diepold und Berchtold sind ohne Zweifel nachgeborne Sprößlinge einer Familie, | welche an den Gränzmarken des deutschen Reiches ursprünglich eine Markgrafschaft verwaltet, und das Gut Giengen, wahrscheinlich als Lehen des in diesen Gegenden reich begüterten Klosters Fulda erhalten hatte. Die genannten Herren mochten zum Hause der Markgrafen von Vohburg oder zu dem der Grafen von Berg und Markgrafen von Burgau gehören. [12]

Wahrscheinlich nicht als altes Kammergut, sondern erst von genanntem Diepold als fuldisches Lehen kam Giengen an das Haus Hohenstaufen, [13] in dessen Besitz es im J. 1188 zum ersten Male erscheint, als burgus Kinc. Es wird damals mit seinen Zugehörungen unter den hohenstaufischen Hausgütern angeführt, welche bei der Verlobung des Herzogs Conrad von Rotenburg (nachherigen Herzogs von Schwaben † 1196, Sohnes des Kaisers Friedrich I.) mit Beringaria von Castilien als Widerlage verschrieben wurden (Pertz Mon. 4, 566). Mehrere Male hielten hohenstaufische Könige hier Pfalz, namentlich K. Friedrich I. den 1. Mai 1171 (Stiftungsurkunde für Kl. Herbrechtingen) und den 19. April 1187 (Hormayr, Gesch. von Tirol. 1b 115), s. Sohn, K. Philipp den 11. Jun. 1206 (Urk. für Kl. Herbrechtingen). [14] Nach dem Fall der Hohenstaufen treffen wir den ersten Habsburger König Rudolf gleichfalls in Giengen, im J. 1274 (Besold 969) und 1287 (Oefele Scr. 2, 104). Die Burg, in welcher der königliche Hof weilte, ist in unbekannter Zeit zerstört worden, es wird jetzt nur noch ein Mauerrest davon gezeigt.

Nach und nach tauchen mehrere Familien des niedern Adels in Giengen auf, von denen einige ursprünglich königliche Lehensträger gewesen seyn mochten. Im J. 1258 erscheint Marquardus et Bertholdus de Giengen, und in freilich weit späterer Zeit befanden sich daselbst Herren von Syrgenstein, von Riedheim, von Wöllwarth, von Westerstetten, von Graveneck, von Rammingen (Magenau 3).

| Zur Verwaltung des Blutbannes und zur Beitreibung der Kammerbezüge setzten die Könige in Städte, wie Giengen, ihre Vögte; als solche sind genannt, z. B. im J. 1256 Heinricus minister de Giengen (Reg. Boic. 3, 91), im J. 1279 Waltherus dictus Leo, minister in Giengen, judices totaque universitas ejusdem civitatis (Herbrechtinger Urk.), im J. 1293 Albertus dictus Schop minister, et consules et scabini oppidi de Giengen (Kaisheimer Urk., worin Zeuge: Cunradus dictus Staeub, quondam minister in Giengen), im J. 1332 Heinrich der Vetzer, Vogt zu Giengen (Herbrecht. Urk.), im J. 1369 Ruff der Vetzer, Vogt zu Giengen (Reg. Boic. 9, 222), im J. 1372 Eberhard von Lamberg, Vogt zu Giengen (Ib. 9, 280).

Der Ort Altengiengen ist wohl bald mit Giengen überhaupt verschmolzen worden (S. 198 Magenau 6. 74).

Die günstigen Zeiten des Sinkens der Kaisermacht nach Abgang der Hohenstaufen benützend, erhob sich Giengen allmählig zur Reichsstadt, als welche es im J. 1307 unter K. Albrecht mit andern schwäbischen Reichsstädten den Landfrieden beschwor (Pertz Mon. 4, 488). Indeß erlitt der Ort noch manche Hemmnisse seines Emporstrebens. Im. J. 1332 verpfändete ihn Kaiser Ludwig der Bayer († 1347) seinen Söhnen um 10.000 Pfd. Heller (Magenau 18), im J. 1343 verwies derselbe die Grafen Ulrich den ältern († 1372) und Ulrich den jüngern († 1361) von Helfenstein für ihre geleisteten Dienste mit 3000 Pfd. Heller auf Burg und Stadt Giengen (Reg. Boic. 7, 385). Wie manche andere Stücke der hohenstaufischen Herrschaft, so hatte also auch diese Stadt genannter Kaiser mit seinem Reiche, ja mit seinem Hausbesitz zu vereinigen gewußt. Sie erscheint im J. 1349 bei der Theilung unter den Söhnen K. Ludwigs in dem Antheil Ludwigs Markgrafen zu Brandenburg (Oefele Script. 2, 176). Aber nur von kurzer Dauer war dieser bayrische Besitz. Bereits im J. 1351 den 21. Mai gab K. Karl IV. den beiden Grafen Ulrich von Helfenstein die Stadt, welche sie bereits pfandweise inne hatten, zu einem edeln Erblehen (die Huldigung Giengens, dem Grafen von Helfenstein im J. 1354 geleistet, ist abgedruckt bei Besold Thes. Practic. s. v. Reichsstadt), welches bei der helfensteinischen Theilung vom J. 1356 Ulrich dem jüngern zufiel („Giengen. Burg und Stadt,“ Kerler Urk. S. 13), und den 2. Jul. 1375 belehnte derselbe Kaiser Ulrichs d. ä. Sohn, Johann, mit Giengen und der dortigen Burg (Reg. Boic. 9, 332). Zwar stellte sie K. Karl IV. [15] den 31 Aug. 1378 dem Reiche wieder zurück, indem er | ihre Freiheiten erneute, und bestimmte, daß sie fürbas beim Reiche sein sollte, allein schon im J. 1379 verpfändete wieder K. Wenzel unsere Stadt nebst Augsburg und der ganzen Landvogtei in Ober- und Niederschwaben, an Herzog Leopold von Österreich und befahl ihr demselben zu gehorchen (Urk. in k. k. Hausarchiv, Lichnowsky, Habsburg 4, S. DCCVII). Dessenungeachtet findet sich Giengen, welches sich an die damaligen Städteeinigungen kräftig anschloß, bald wieder unter den Reichsstädten, jedoch schon im J. 1391 sprach ein landrichterlicher Spruch für den Grafen Johannes von Helfenstein demselben Giengen zu. Mit diesem Grafen kamen noch in demselben Jahre die Herzoge Stephan, Friedrich und Johann von Bayern wegen der Stadt überein (v. Prälat v. Schmid excerpirte Urk.); sie fiel dem erstgenannten Herzoge zu, welcher sie alsbald an Graf Eberhard von Württemberg verpfändete (Kerler, Grafen v. Helfenstein 95. Steinhofer 2, 544, 550).

Allein Giengen kam gleich darauf wiederum an das Reich, schon im J. 1398 begnadigt K. Wenzel die Stadt mit denselben Rechten, deren Ulm genoß, dasselbe that im J. 1401 K. Ruprecht (Lünig 13, 831. 832). Von K. Sigismund, im J. 1413, erhielt Giengen erneuerte Confirmation seiner Rechte, namentlich die feierliche Versicherung der Unveräußerlichkeit. Im J. 1438 ertheilte K. Albrecht der Stadt eine Bestätigung ihrer Freiheiten; auch war Giengen unter den mit Ulm in Einung stehenden 13 Städten begriffen, welchen im J. 1448 König Friedrich IV. die Privilegien bestätigte (Chmel Reg. S. 13). Derselbe als Kaiser gab der Stadt im J. 1481 das Recht, über Blut zu richten (Lünig 13, 837), welches K. Maximilian im Jahr 1494 bestätigte. Giengen spielte damals seine Rolle unter dem schwäbischen Bunde, der im J. 1488 zusammentrat, an welchen es sich alsbald anschloß und dessen Erneuerungen beitrat. K. Karl V. gab im J. 1521 der Stadt eine Bestätigung ihrer Freiheiten und im J. 1547 das Vorrecht, den Juden keine Hypothek auf unbewegliche Güter der Bürger zu gestatten, welches K. Ferdinand I. im J. 1559, K. Max II. im J. 1566, K. Rudolf II. im J. 1582 wiederholte. Auch ertheilte K. Max II. der Stadt das Privilegium, daß ein Bürgermeister das Amt wieder ein ganzes Jahr führen, und ebenso, daß in Schmähsachen vom Urtheil des Raths und Bürgermeisters nicht appellirt werden solle.

Als Reichsstadt war Giengen, welches nur wenige Reichstage mit eigenen Gesandten beschickte, und sich gewöhnlich durch Ulm oder Nördlingen vertreten ließ, [16] nur unbedeutend, indem es kein | eigenes Gebiet hatte; die Ansprüche seiner Rechtsnachbarn gingen bis vor seine Thore. Ein Vergleich mit Herzog Ludwig vom 30. Jul. 1589 bestimmte, daß der Stadt die hohe malefitzische und niedergerichtliche Obrigkeit innerhalb der äußern Stadtthore eingestanden wurde, dagegen in dem Platz der Blaichen, dem Blaich- und Wildbad-Haus derselben nur die gemeine bürgerliche Frevel gehören sollten (Sattler, Herzoge 5, 119). Im Orte selbst hatte Württemberg einen Platz, auf welchem vormals das Pfarrhaus stund, mit der Jurisdiction, wahrscheinlich vom Kl. Herbrechtingen her (Magenau 85). Auch besaß es als Rechtsnachfolger dieses Klosters lange Zeit den Zehenden und Pfarrsatz, welche nebst einigen anderen Rechten im J. 1617 der Stadt um 38.000 fl. pfandschillingsweise eingeräumt wurden (Magenau 33).

Die Regierungsform der Reichsstadt Giengen war ganz demokratisch. Ihre neue Rathsordnung war vom J. 1650 (s. Jäger, Jurist. Magaz. 5, 371. Magenau 88). Der Schwörtag, an dem die Bürgerschaft huldigte, wurde alle drei Jahre gehalten. Der letzte war im J. 1775. Späterhin mußte statt dessen jeder junge Bürger den Freitag nach seiner Hochzeit den Huldigungseid leisten. Der Rath bestand aus drei Bürgermeistern, welche im Amte umwechselten, und beständig blieben, einem rechtsgelehrten Syndicus und sieben Senatoren. Die zwei älteren Bürgermeister und der Syndicus waren Stadtrechner, ein Bürgermeister und einer des Raths waren Hospitalpfleger. Die Sontheimer Pflege, welche ein Haus in der Stadt besaß, wurde von zwei Rathmitgliedern, genannt die Sontheimer Pfleger, besorgt. Zwei des Raths waren Kirchenpfleger, zwei des Raths Reich-Almosenpfleger und zwei Arm-Almosenpfleger. Waisensachen besorgten die jedesmaligen zwei Einunger. Das Untergangsgericht bestund aus zweien des Raths und aus zwei Bürgern. Mit diesen sämmtlichen Ämtern war nur ein sehr kleines Einkommen verbunden. (Nach Magenau S. 86). Die Finanzverwaltung war gut, auswärtige Schulden wurden keine contrahirt.

Giengen hatte ein für das Privatrecht wichtiges Stadtrecht; Auszüge aus seinen Satzungen gibt Jäger a. a. O. 362.

Auf dem Reichstage hatte Giengen unter den Reichsstädten der schwäbischen Bank die 31ste und bei dem schwäbischen Kreise, auf der Städtebank die 23ste Stelle. Ihr Reichsmatricularanschlag belief sich auf 60 fl., ihr Beitrag zu einem Kammerziele 33 Rthlr. 75 Kr., der Kreisanschlag war 34 fl.

Aus den einzelnen Schicksalen der Stadt, besonders in Kriegszeiten heben wir folgende aus: Im J. 1378, als die Reichsstädter durch den Sieg, welchen sie bei Reutlingen erfochten, trotziger | geworden waren, nahm Graf Eberhard von Württemberg der Greiner sie ein, und ließ sie seine schwere Hand fühlen.

Im J. 1462, in dem Kriege des Herzogs Ludwig des Reichen von Bayern mit Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg stießen die feindlichen Schaaren bei dieser Stadt zusammen. Herzog Ludwig führte sein Heer selbst an; als man ihm rieth, sich nicht auszusetzen, gab er zur Antwort: todt oder lebendig – ich muß heute bei meinem Volke bleiben. Um 10 Uhr den 19. Jul. 1462 begann die Schlacht. Heilige Maria! war das Feldgeschrei der Bayern, ihre Fahne trug das Bild der heil. Jungfrau. Langsam rückte ihr Zug vorwärts, das Heer sang: „Wer heute nicht wohl schießen kann, ist unserm Herrn ein unnützer Mann.“ Gegenüber ermunterte der Markgraf Albrecht die Seinigen zur Tapferkeit; sein Feldzeichen war Birkenlaub, seine Hauptfahne der heil. Wilhelm, sein Feldgeschrei: „Römisch Reich.“ Er hatte sein Heer auf die Abhänge des Gienger Berges aufgestellt und mit einer Wagenburg umgeben. Den anrückenden Bayern schickte er einen Regen von Pfeilen entgegen, welche aber zu hoch gingen und keinen Mann verletzten. Dies machte den Markgrafen stutzig, indeß die Bayern gegen die Wagenburg anrannten und sie in wenigen Minuten sprengten. Nun machte zuerst das Kriegsvolk des jungen Grafen Ulrich von Württemberg mit dem Panier von Tübingen eine Wendung, die einer Flucht ähnlich sah. Dieses erblickend, verlor der Markgraf seinen gewohnten Muth, ritt im Galopp davon, indem er rief: Liebe Kinder, Giengen zu! Auch in Giengen hielt sich der Markgraf nicht; durch die Gassen der Stadt rennend, jagte er Albeck und Ulm zu, wenn gleich dem nachrückenden Feinde die Thore verschlossen und von Seiten Giengens die kräftigsten Zeichen von Anhänglichkeit an seine und des Reiches Sache gegeben wurden. Außerordentlich war der Verlust des Markgrafen in dieser Schlacht; das siegreiche, beutebeladene Heer der Bayern stellte sich nunmehr auf dem rechten Brenzufer auf, und daselbst „enhalb Gussenberg und des Wassers auf der Loe“ ward ein Ritterschlag gehalten (Oefele Script. 1, 398 und besonders Abh. der hist. Klasse der bayr. Akad. der Wiss. Bd. 3. Abth. 2. S. 80).

Das Jahr 1546 war für Giengen ein besonders denkwürdiges, da vor seinen Thoren mehrere Wochen lang das Lager des Kriegsvolks des schmalkaldischen Bundes unter Churfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen sich befand, und die Umgegend der Schauplatz lärmender Kriegsauftritte war. [17] | Übrigens hatte der Rath in Giengen für die Sicherheit der Stadtangehörigen in diesen bedenklichen Zeiten trefflich zu sorgen gewußt. Das 17. Jahrhundert brachte die Leiden des 30jährigen Krieges über Giengen. Schon im J. 1628 hatte die Stadt durch die Quartiere und Durchmärsche kaiserlicher Truppen, die Kriegssteuer und Verehrungen an Befehlshaber und Offiziere 34.029 fl. 42 kr. eingebüßt. Im J. 1631 lag hier Wallenstein zur größten Beschwerde für die Stadt, in der goldenen Gans war sein Quartier. Das zerstörendste Ungewitter brach aber nach der Nördlinger Schlacht vom 27. Aug. 1634 über Giengen los. Am 2. Sept. stand das ganze spanische Heer in und um die Stadt; sein Oberbefehlshaber, der Herzog von Parma, hatte drei Tage lang sein Hauptquartier in derselben. Am 5. Sept. wurde ganz Giengen, nur vier Häuser und eine Scheune ausgenommen, in Asche gelegt, die Einwohner von Croaten, Spaniern und Burgundern um die Wette aufs entsetzlichste gequält (s. das Umständliche bei Mag. S. 34). Noch im J. 1648, um die Zeit des Abschlusses des westphälischen Friedens, litt die Stadt aufs Neue durch ein Corps von 7000 Franzosen unter General | Turenne, welche 13 Tage lang hier einquartiert Erpressungen und Gewaltthaten verübten. Auch die 80ger Jahre desselben Jahrhunderts brachten neue Kriegsdrangsale durch die Franzosen, von denen im J. 1684 acht Regimenter hier lagen, die Einwohner aussaugend, und durch dieselben im J. 1688, als General Feuquiere wieder Contributionen eintrieb.

Im Juni 1704 hatte Marlborough sein Hauptquartier auf dem Rathhause zu Giengen, sein Heer stand auf dem Bruckersberg.

Auch in dem Kriegsjahre von 1796 und folgenden hatte die Stadt durch Einquartierungen ungemein zu leiden.

Aus den kirchlichen Alterthümern Giengens verdient Erwähnung, daß schon im J. 1216 ein plebanus de Giengen vorkommt (Urk. betreff. einen Streit zwischen Ellwangen und Kaisheim. Orig. in München) Der hiesige Kirchensatz gehörte ursprünglich den hohenstaufischen Königen. Von K. Konrad IV. ging er an Walther Schenk von Limpurg über, welcher ihn im J. 1274 mit dem Schloß Hohenstaufen für 450 Pfd. Heller an seinen Tochtermann Ulrich von Rechberg und dessen Brüder verpfändete (Urk. bei Magenau S. 140). Später fiel dieses Patronat wieder an das Reich; Kaiser Karl IV. schenkte es im J. 1348 an Kl. Herbrechtingen, welchem im J. 1349 Bischof Marquard von Augsburg die Kirche incorporirte (Reg. Boic. 8,165). – In die Rechte des Klosters trat späterhin Württemberg ein. – Indeß hatte die Stadt Giengen doch großen Einfluß auf die Besetzung der Stelle, und der Probst von Herbrechtingen hatte auf ihre Vorschläge sehr zu achten, was die Bulle des Basler Concils von 1437 (Orig. in Stuttg., Mag. S. 147) ausdrücklich verordnete.

Erst im J. 1748 machte Württemberg von seinem Recht der Pfarrbesetzung zum ersten Male Gebrauch. Übrigens übte der Magistrat die Episcopalrechte, und ließ den von Württemberg gesetzten Geistlichen durch irgend einen benachbarten Pfarrer investiren. Das Ernennungsrecht zur 2ten Stelle (Prädicatur) hatte bis zur Mediatisirung jederzeit die Stadt. Vom J. 1802-6 stund Giengen unter dem Decanat Aalen, und der General-Superintendenz Heilbronn, seit 1806 ist es dem Decanat Heidenheim zugetheilt, von letztgenanntem Jahre an stund es unter der Generalsuperintendenz Denkendorf, dann Ulm, seit 1823 Hall.

Von Klöstern waren hier begütert: Herbrechtingen (auch Großzehentherr), Kaisheim (1470 das Manghaus an Kl. Kaisheim verkauft. Orig. in Stuttg.), Neresheim. Herbrechtingen und Kaisheim (dieses seit 1293) hatten hier Bürgerrecht. Auch die Deutschherrn hatten in Giengen ein Haus. [18]

| Im J. 1528 wurde zum ersten Male nach der evangelischen Lehre durch Casp. Pfeifelmann in der Hospitalkirche gepredigt; im folgenden Jahre übergaben mehrere Bürger eine Bittschrift an den Rath, daß auf ihre Kosten ein Prediger der neuen Lehre angestellt werde. Als solcher wurde Mart. Rauber aus dem Ulmischen im J. 1531 berufen. Doch bestunden daneben noch mehrere Jahre die katholischen Geistlichen. Protestantischer Seits wurde im J. 1537 die württembergische Kirchenordnung als Richtschnur angenommen; in demselben Jahre ließ der Rath die Pfründhäuser verkaufen und den Erlös zur Verwendung ad pias causas anlegen. Die neue Lehre erlitt aber späterhin wieder zeitweise Anfechtungen und Unterdrückungen, wie durch das Interim. Im J. 1631 den 23. März ertheilte K. Ferdinand II. den Befehl, daß, weil in Giengen im J. 1553, also noch nach dem passauischen Vertrage, ein katholischer Pfarrer gewesen sei, die Pfarrei dem Kl. Herbrechtingen zurückgestellt und die unkatholischen Kirchenlehrer entfernt werden sollten (Braun, Gesch. der Bisch. von Augsb. 4, 156).

Giengen kam durch den Pariser Frieden vom 20. Mai 1802 und den Reichsdeputationsschluß vom 25. Febr. 1803 an die Krone Württemberg; das Besitzergreifungspatent ist vom 23. Novbr. 1802 (abgedr. bei Magenau S. 158). Die Stadt wurde Sitz eines Oberamts, welchem 1806-1809 die untern Brenzthalorte des Oberamts Heidenheim zugetheilt waren. Im letzteren Jahre aber wurde der Bezirk Giengen mit dem Oberamt Heidenheim vereinigt, und Giengen selbst der Sitz eines Unteramts, was es bis zur Aufhebung der Unterämter blieb.



  1. Historisch-topographische Beschreibung der Stadt Giengen an der Brenz. Ein Beitrag zur Kenntniß des Brenzthales, aus sichern Quellen zusammengetragen von M. R. F. H. Magenau. Stuttgart 1830. 8. Ganz besonders sind die Verdienste des Hrn. Stadtpfarrers Binder in Giengen um die Topographie von dieser Stadt und dem Brenzthal überhaupt, namentlich in landwirthschaftlicher Beziehung, zu rühmen. S. Landw. Corresp.-Bl., besonders 1825 S. 304 ff. Sehr schätzbare Beiträge enthält auch die unten beim Wildbad anzuführende Dissertation von Salzer.
  2. Das Großzehentrecht auf der städtischen Markung steht dem Staat als Successor der ehemaligen Probstei Herbrechtingen zu. Den kleinen Zehenten hat die Pfarrei. Das Jagd- und Fischrecht ist städtisch und verpachtet, letzteres für jährl. 60 fl. Daneben aber hat jeder Bürger das Recht, Samstags für seinen Bedarf zu fischen. — Abgelöst wurden in Folge des Ges. v. 1836 folgende jährliche Bezüge: des Hospitals, Gebäude-Abgaben 34 fl. 52 kr., der Stadtpflege 8 kr., der Mezgerzunft 14 kr., Gottfried Kistlers 41 kr., der Stiftungspflege Hürben 3 Pfd. Wachs oder 1 fl. 30 kr., Hohenmemmingen 1 Pfd. Wachs oder 30 kr., des Cameralamts von der Stadtpflege Hundsthaler und Pförchkäse 3 fl. 48 kr.
  3. Der eifrige Prediger Simon Böckh reiste zweimal durch Deutschland, um für den Kirchenbau zu collectiren, und brachte im Ganzen 4190 fl. zusammen. Die Stadt Hamburg allein steuerte 418 fl. bei.
  4. Der Vater des Malers, der Schul- und Rechenmeister David Stölzlin, ein 80jähriger Greis, wurde von einem Spanier durchbohrt.
  5. Wie bei der Straßenanlage im vorigen Jahrhundert die Stadt ihre Interessen wahrzunehmen versäumt hat, s. oben.
  6. Ein Übertriebsrecht der Gemeinde Herbrechtingen ist 1843 mit 100 fl. baar Geld, und ein solches der Gemeinde Oggenhausen mit 3350 fl. Geld und mit Grund und Boden im Werth von 500 fl. abgelöst worden.
  7. Aus den Alterthümern des Giengener Schulwesens ist zu erwähnen, daß schon den 17. März 1334 ein Chunrat Schlychingk Schulmaister ze Giengen vorkommt (Z. in d. U. Johan Lienungs von Albegg für Kl. Herbrechtingen. Orig. in Stuttg.).
  8. Bemerkung verdient die zweckmäßige Einrichtung, daß im Grunde dieses Gebäudes eine Eisgrube für medizinische Zwecke angebracht ist.
  9. Bis 1529 bestund ein „gemain Frauenhaus,“ das in dem genannten Jahre durch Rathsbeschluß aufgehoben wurde.
  10. Die Resultate dieser Untersuchung sind hauptsächlich folgende: Die mittlere Temperatur der Quellen ist + 6,81° R., das Wasser crystallhell, fast geruch- und geschmacklos, das spezifische Gewicht 1,000508. In 16 Unzen Wasser finden sich
     Kohlensaures Gas 2,68 Kub.-Z.
     Stickgas 0,32     "
     Sauerstoffgas 0,06     "
    3,08 Kub.-Z.
    Fixe Stoffe
     Kohlensaure Kalkerde 2,031 Gr.
     Kohlensaure Bittererde 0,166  "
     Kohlensaures Eisen-Oxydul 0,019  "
     Salzsaure Kalkerde 0,009  "
     Salzsaure Bittererde 0,049  "
     Salzsaures Natron 0,021  "
     Schwefelsaure Kalkerde 0,061  "
     Humussaure Thonerde 0,065  "
     Kieselerde 0,090  "
     Harziger Extractivstoff, eine Spur            
    2,511 Gr.
  11. Locus Ginga J. 915. Cod. Laur. Nr. 63 gehört nicht hieher (s. Stälin Wirt. gesch. 1, 345). Frühere Schriftsteller setzten den Ort Rhiusiava des Ptolemäus (Stälin 94}} an die Stelle des heutigen Giengen.
  12. Ersteres ist die Annahme von Moritz, Stammreihe und Geschichte der Grafen von Sulzbach 2, 77, auch in den Abh. der hist. Classe der bayr. Acad. Bd. I. Für die zweite Annahme ist anzuführen, daß die oben zuletzt genannte Familie im Zwiefalter Nekrolog eine große Rolle spielt; zu dem kommt, daß eine Urk. von 1301 einen Heinricus marchio de Burgowe als ehemaligen kl. fuldischen Lehenträger aufführt. Schannat Fuld. Lehenhof S. 197 Nr. 8. 9.
  13. Isti sunt principes, qui nostris temporibus beneficia videntur habere de hoc monasterio. Ipse imperator Fridericus, qui quondam dux, .... Diepoldi marchionis beneficium tenuit. Schannat.a. a. O. S. 197. Nr. 6.
  14. Sonst erscheint der Ort urkundlich auch im J. 1216 als villa Giengen. Reg. Boic. 2, 74.
  15. Von demselben Kaiser erhielt Giengen auch Mühlrecht den 2. Nov. 1378. Lünig Reichsarchiv 13, 831, wo die meisten oben benützten Urkunden.
  16. Pfeffinger Vitriar. illustr. 2, 772 führt an, welche Reichsabschiede Giengen mit unterschrieb.
  17. Das Lager Kaiser Carls des Fünften befand sich vom 13. Okt. bis 22. Nov. bei Sontheim an der Brenz. Die Protestanten kamen vom Ries her und bezogen ein festes Lager bei Giengen. Kleinere Gefechte erfüllten täglich die Anhöhen und die Wiesen an der Brenz mit Kriegsgeschrei, doch ohne Erfolg. Ein nächtlicher Angriff auf das Lager, welchen der Kaiser ausführen wollte, wurde wieder aufgegeben. Im kaiserlichen Lager bei Sontheim, dessen Boden von langem Regen ganz aufgelöst war, herrschten bösartige Seuchen. Gleichwohl verwarf der Kaiser die ihm gestellten Friedensanträge und unterzeichnete den 27. Okt. in seinem Lager die Absetzung Johann Friedrichs als Churfürst und die Übertragung dieser Würde an Herzog Moritz. Inzwischen hatten aber auch im Lager bei Giengen Nässe, Kälte, Krankheiten und völliger Geldmangel eine gänzliche Entmuthigung herbeigeführt und haufenweise lief das Kriegsvolk davon, so daß die Heerführer sich zur Aufhebung des Lagers entschließen mußten. Montag den 22. Nov. setzte sich das Lager in Bewegung, und Dienstag den 23. des Morgens war der Abzug vollzogen. Der Kaiser, der den Abziehenden nachzusetzen anfieng, erreichte sie nicht, vielleicht geflissentlich, weil er sich zu einem Treffen zu schwach fühlte, während die Protestanten sich verloren geglaubt hätten, wären sie Tags zuvor angegriffen worden. So sehr waren die Kräfte beider Theile, so lange sie unter den Widerwärtigkeiten dieser Lager verweilten, gesunken. Gleich nach dem Abzug des Feindes besetzte der Kaiser die Stadt Giengen, und wendete sich von da nach den übrigen schwäbischen Städten. Das Nähere über diese Kriegsauftritte und welche vortheilhafte Wendung die freiwillige Aufhebung des Lagers bei Giengen der Sache des Kaisers gegeben, s. in der interessanten Darstellung Leopold Ranke’s: deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation IV. S. 436 ff. Wenn früher der Landgraf mit Anspielung auf seinen Sieg über die Völker K. Ferdinands sich gerühmt hatte, er werde den Kaiser nach Laufen schicken, so sagte man jetzt, der Kaiser habe den Landgraf nach Giengen geschickt. Magenau S. 30.
  18. 1275. Henricus dictus de Hostetin fratribus domus teutonicae in Giengen curiam in Zoeschingen donat. Archiv. Urk. Commendator fratrum theutonicorum in Giengen, Z. i. J. 1286 in einer Urkunde der Grafen Ulrich des Älteren und des Jüngeren von Helfenstein für Kloster Medlingen. Orig. in München.
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