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Wißgoldingen, mit Ziegelhütte, Haus,
Gemeinde III. Klasse mit 633 katholischen Einwohnern. a) Wißgoldingen, Pfarrdorf, 604 Einw., b) Bödnis, Haus, 8 Einw., c) Frauenholz, Haus, 8 Einw., d) Kapellhaus, Haus, 7 Einw., d) Thalmühle, Haus, 6 Einw. – Kath. Pfarrei; die Evang. sind nach Degenfeld eingepfarrt. 21/4 Stunden südlich von Gmünd gelegen.


Auf dem flachen Rücken des sog. Rehgebirges zwischen dem Reichenbachthale und dem des Krehbaches, liegt am Rande des letzteren in großartiger Umgebung der nahen Albberge, im Süden des einsam aufsteigenden Stuifens, der freundliche, etwas in die Länge gezogene Ort mit zum Theil hübschen Bauernhäusern, die von üppigen Obstbäumen, namentlich großen Nußbäumen malerisch unterbrochen werden. Schöne Aussichten eröffnen sich besonders auf dem Stuifen.

Die Johannes dem Täufer geweihte Kirche steht in der Mitte des Orts, westlich an der Hauptstrasse mit auf 11 Stufen darüber erhöhtem Thurme, dessen unterstes tonnengewölbtes Geschoß den Chor bildete und jetzt als Sakristei dient; er stammt in seinen unteren Theilen noch aus der romanischen Periode, was auch die an ihm vorkommenden Rundbogenfensterchen nachweisen. Das Schiff wurde laut der außen an der Südseite angebrachten Tafel 1615 auf Kosten des Caspar Bernhard v. Rechberg erweitert und erneuert, im Jahre 1776 ward es abermals erweitert und erhielt in unschöner Weise zwei Reihen Fenster übereinander.

Das freundliche Innere zeigt gerade Decken mit Stichkappen und drei riesige Altäre im Rococostil, sodann hübsche Kirchenstühle und einige steinerne Epitaphien, eines mit dem Rechbergschen Wappen und der Inschrift: Herr. Caspar. Bernhard. frey. herr. von. und. auff. hohen. rech. berg. herr. zu. Aichaim 1616; dann das des Pfarrers Magisters Johannes Wylly, † 3. Februar 1693, und des Pfarrers Bahnholzer, † 3. November 1757. Der Thurm, vom dritten Geschoß an achteckig und im Zopfstile gehalten, hat ein ziemlich niederes Dach mit Laterne, worin ein Glöckchen hängt; von den drei Glocken hat die größte, mit schönem Spitzbogenfries verzierte, in gothischen Minuskeln die vier Evangelistennamen und die Jahreszahl 1479; die zweite, auch hübsch verzierte: Mich Hat Gegossen Gottlieb Korn in Ulm 1737; die dritte, ältere, von breiter Form zeigt in schönen lateinischen Majuskeln: bene. ave. maria. gracia. plena. dominus. tecum. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege.

Die Mauer des alten festen Kirchhofes geht zum Theile noch | um die Kirche; der neue Friedhof wurde 1845 außerhalb des Ortes angelegt.

Das hübsche ehemalige herrschaftliche Schlößchen mit einem Erker an der Nordostecke wurde, nachdem das Pfarrhaus 1612 abgebrannt, von Caspar Bernhard von Rechberg zur Pfarrwohnung überlassen; seit 1857 ging durch Vertrag seine Baulast auf die Pfarrstelle über. Gegen Süden erstreckt sich der 3/4 Morgen große Pfarrgarten, gegen Osten stehen stattliche Ökonomiegebäude.

Das 1833 erbaute Schul- und Rathhaus enthält neben den Gemeinderathsgelassen zwei Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.

Westlich, nahe beim Ort, steht die 1765 erbaute Marien-Kapelle.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 3 laufende, 3 Schöpf- und 9 Pumpbrunnen; eine große Wasserleitung in hölzernen Deucheln besteht; auch die Markung ist reich an guten Quellen, die bedeutendsten der Furchhaldenbrunnen, der Weidighaldenbrunnen, der Thalerbrunnen und der Oberbrunnen. Von Bächen, die zuweilen verheerend austreten, fließen darüber der Katzenbach, der Krehbach und der Reichenbach, auch Strietbach genannt. Zwei kleine Weiher, der eine innerhalb, der andere außerhalb des Orts, sind vorhanden.

Die Landstraße von Gmünd nach Süssen geht mitten durch den Ort; Stege, sämtlich von der Gemeinde zu unterhalten, bestehen vier auf der Markung.

Die Einwohner sind im allgemeinen körperlich gut gestaltet und gesund; von den gewöhnlichen Krankheiten kommen Brustentzündungen und Nervenfieber am häufigsten vor; gegenwärtig befinden sich 3 Personen im Ort, die über 80 Jahre zählen. Die Haupterwerbsquellen bilden Feldbau und Viehzucht; von Handwerkern sind die Schreiner am meisten vertreten und arbeiten auch nach außen. Zwei Schildwirthschaften, worunter eine Bierbrauerei, eine Ziegelei und vier Kramläden bestehen. Mit Holz wird ein kleiner Handel nach außen getrieben.

Die Vermögensverhältnisse gleichen denen der Nachbarorte, der begütertste Bürger besitzt 74 Morgen, darunter 14 Morgen Wald, der Mittelmann 35 und die ärmste Klasse 11/2 Morgen Feld. Der Freiherr vom Holtz besitzt auf hiesiger Markung 150 Morgen Wald, die theilweise aus neuerdings angekauften öden Flächen kultivirt wurden; sie werden von einem im Ort wohnenden, besonders aufgestellten Forstdiener bewirthschaftet. Auf angrenzenden Markungen, wie Rechberg, Winzingen, Waldstetten, haben hiesige Bürger etwa 70 Morgen Güter.

Die nicht große, meist unebene, zum Theil sehr bergige Markung hat im allgemeinen einen mittelfruchtbaren, nicht tiefgründigen Boden, | der aus den Zersetzungen des weißen und braunen Jura besteht und daher theils sandig, theils kalkhaltig ist; zuweilen tritt Lehm auf und an einzelnen Stellen ist der Boden mit zahllosen Trümmergesteinen gemengt. Am Stuifen gewinnt man weißen Jurakalk zu Straßenmaterial und westlich vom Ort wird der Sandstein des braunen Jura als brauchbarer Bau- und Werkstein abgebaut. Eine Lehmgrube für die Ziegelei besteht.

Das Klima ist eher rauh als mild zu nennen und feinere Gewächse wollen nicht gedeihen; auch schaden Frühlingsfröste häufig der Obstblüthe; wegen der hohen und freien Lage ist der Ort heftigen Winden sehr ausgesetzt. Hagelschlag kommt zuweilen vor.

Der Landwirthschaft, die so gut als es die natürlichen Verhältnisse erlauben betrieben wird, steht hauptsächlich die bergige Lage entgegen, indem bei starken Regengüssen nicht allein der Dünger, sondern auch ein großer Theil des Humus an den steilen Abhängen weggeschwemmt wird. Wegen des bergigen und zum Theil steinigen Terrains ist der deutsche Wendepflug immer noch der beliebteste, neben ihm sind auch Brabanterpflüge vorhanden; die eiserne Egge hat beinahe allgemein Eingang gefunden und die Düngerstätten sind zweckmäßig angelegt.

Zum Anbau kommen von den Getreidearten hauptsächlich Dinkel und Haber und von Brachgewächsen Kartoffeln, dreiblättriger Klee, Wicken, Angersen, Flachs und Hanf. Von den Felderzeugnissen können nur etwa 200 Scheffel Haber nach außen abgesetzt werden, während man noch ungefähr 100 Scheffel Dinkel von auswärts zukaufen muß.

Der Wiesenbau ist nicht sehr ausgedehnt und die 1–2mähdigen Wiesen, von denen etwa 30 Morgen bewässert werden können, ertragen theilweise saures Futter; Futter muß von außen noch zugekauft werden.

Nördlich vom Ort führt eine südlich geneigte Halde den Namen Weinberg; hier soll früher Wein gebaut worden sein.

Die Obstzucht ist im Zunehmen begriffen, liefert aber selten reichlichen Ertrag und erlaubt nur in sehr günstigen Jahrgängen einen kleinen Absatz nach außen.

Aus den vorhandenen 40 Morgen Gemeindewaldungen bezieht jeder der 75 realberechtigten Bürger alle 3 Jahre 1/4 Klafter und etwa 12 Stück Wellen.

Die Gemeindekasse bezieht aus der Weide am Stuifen nebst der Herbstweide jährlich 600 fl., aus der Pferchnutzung 250 fl. und aus den vorhandenen 10 Morgen Allmanden 61 fl.

Pferdezucht besteht nicht, dagegen wird die Rindviehzucht gut betrieben; man züchtet vorzugsweise die Simmenthaler und Leinthaler Race und hat den Sommer über 2, des Winters nur 1 Farren | aufgestellt. Der Handel mit Vieh ist nicht von Bedeutung, ebenso die Viehmastung.

Die Schafzucht treiben ein fremder Schäfer und ein Ortsbürger, die im Sommer 500, im Winter 400 Stück feine Bastardschafe auf der Markung laufen lassen.

Außer dem eigentlichen Stiftungsvermögen sind keine besonderen Stiftungen vorhanden.

Eine längst abgegangene Römerstraße führt unter dem Namen „Heerstraße“ von Rechberg her gegen das sog. Graneggle (s. bei Winzingen) und weiter über den Aalbuch nach Heidenheim (s. auch den allgemeinen Theil, Abschnitt „Römische Alterthümer“).

Der Holzbrockelergeist (offenbar aus alter, heidnischer Zeit stammend und spät erst mit dem Hauptmann v. Roth, S. 460, zusammengeworfen) zieht sich von der Markung Winzingen herüber auf die Markung Wißgoldingen und wird hier der Kaumann, vermuthlich Gehaumann, genannt; er läßt sich auch hier nach Art des wilden Jägers mit Sturmgebraus und Hundegebell hören.

Der Ort Wißgoldingen gehört wohl unter die Rechbergischen Stammbesitzungen, wie denn 1316 gelegentlich erwähnt wird, daß Johann und Conrad, Gebrüder von Rechberg (zu Rechberghausen) ihre Güter zu Eislingen, Wälden und Wißgoldingen theilten. Die Urkunden gedenken dieses Dorfes selten, nur erfahren wir gelegentlich, daß die Gmünder Nagel (Peter 1443, 1445, Ulrich 1489, 1495 Mitbesitzer von Zimmerbach-Spreitbach) längere Zeit „zu Wißgoldingen“ saßen. Grundherrn blieben jedoch die Rechberg und zwar kam Wißgoldingen an die Scharfenberg-Ravensteiner Linie, von welcher Erkinger denen von Wißgoldingen (Donzdorf und Steinenkirch) 1525 das Zeugniß ausstellte, daß sie sich des Aufruhrs nicht theilhaftig gemacht. Georg v. Rechberg-Ravenstein vertauschte seine Pfarrei Winzingen an die v. Rechberg-Staufeneck gegen ihre Pfarrei Wißgoldingen. Von der Ravensteiner Linie fiel Winzingen an die Illeraichener Hauptlinie und zwar an Kaspar Bernhard v. Rechberg zu Donzdorf und seine Nachkommen, war jedoch eine Zeit lang um 20.000 fl. verpfändet an Daniel Küchels Wittwe in Ulm.

Der Rechberg-Donzdorfer Zweig erlosch 1732 im Mannsstamm mit Graf Alois, dessen Schwestern, an einen Grafen v. Reichenstein und an einen Freiherrn v. Paumgarten vermählt, sofort Erbansprüche machten und 1/2 Donzdorf nebst Wißgoldingen in Besitz nahmen, jedoch 1735 um 125.000 fl. an Württemberg verkauften, das im August sich huldigen ließ. Gegen diese Veräußerung agitirten die Herren v. Rechberg und klagte der Ritterkanton Kocher beim Reichshofrath, welcher auf Auslösung erkannte, damit das Gut bei der Ritterschaft verbleibe, nach deren Privilegium über das jus retractus. Wißgoldingen allein wurde damals angeschlagen auf 1899 fl. jährlichen | Ertrag, neben 70 fl. Ausgaben. Der Kanton überließ das gelöste Gut 1742 an den Herren Ritterhauptmann vom Holz auf Alfdorf (s. Oberamt Welzheim), bei dessen Familie dasselbe seitdem geblieben ist.

Zum Rittergut Wisgoldingen, mit dem Blutbann als Reichslehen, gehörten die Aushöfe: Ilgenhof, Hasenhof und die 2 Staudenhöfe, Gem. Reichenbach; Kratzerhöfle und Bärenhöfle, Gem. Rechberg; Thannhof, Gem. Waldstetten.

Einen Kirchherrn zu Wißgoldingen fanden wir z. B. 1397 genannt, Walther der Senge; die Vertauschung der Pfarreien Wißgoldingen und Winzingen 1536 wurde oben erwähnt. Der Pfarrer zu Winzingen hatte übrigens für einen bezogenen Zehnten in der Kapelle zu Wißgoldingen eine wöchentliche Messe zu lesen. Als er das mit bischöflicher Genehmigung auf 4 jährliche Messen reduciren wollte, sequestrirte der Rechbergische Beamte den Zehnten 1709, wurde jedoch dafür in den Bann gethan.

Von den zur Gemeinde gehörigen, einzeln stehenden Häusern nennen wir:

Das Kapellhaus, welches 1/8 Stunde westlich vom Ort bei der Marienkapelle steht und

die Thalmühle, östlich vom Ort am Krehbach gelegen.


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