« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Ellwangen Kapitel A 4 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Einwohner.


A. Bevölkerungsstatistik [1].
1. Stand und Bewegung der Bevölkerung im Allgemeinen.

Der Bezirk zählt nach der neuesten Zählung vom 1. Dezember 1880 im Ganzen 31.994 Einwohner, worunter 15.552 männl., 16.442 weibl. Hienach macht die Bevölkerung von der des Königreichs den 61,6ten Theil aus oder genauer 1,6%. Unter den Oberämtern nimmt der Bezirk der Bevölkerung nach den 17. Platz ein, zwischen Öhringen mit 32.264 und Freudenstadt mit 31.677 Einwohnern.

Dem Areal nach ist Ellwangen das 2. Oberamt mit 54.771,3 ha, nur übertroffen von Münsingen mit 55.423,6 ha und fast erreicht von Freudenstadt mit 53.408,1 ha.

Wegen der Vertheilung der Gesammtbevölkerung auf die einzelnen Gemeinden s. Tab. Seite 88 f.

Bei Vergleichung des frühern Stands der Bevölkerung mit den neuern und neuesten Zählungen sind – von den veränderten Zählmethoden ganz abgesehen – nachstehende Veränderungen im Bestand der Ortschaften zu beachten:

Das westliche Gebiet des jetzigen Oberamtsbezirks einschließlich der Ortsmarkungen Wörth, Pfahlheim, Lippach, Westhausen gehörte beinahe vollständig zur früheren gefürsteten Propstei Ellwangen mit der gleichnamigen Hauptstadt und fiel an Württemberg im Jahr 1803.

Das nordöstliche und südöstliche Gebiet gehörte zum größeren Theil zur Grafschaft Oettingen-Wallerstein, zum kleineren Theil dem Deutschorden und der Krone Bayern und fiel an Württemberg in den Jahren 1806–10.

Der Bezirk besteht somit aus neuwürttb. Gebietstheilen und weist im Jahre 1812 im wesentlichen d. h. abgesehen von den durch die Parzellen Jagsthausen und Herzert eingetretenen Veränderungen den jetzigen Bestand an Ortschaften auf, wie die Darstellung der Veränderungen in der politischen Eintheilung des Bezirks im Ganzen S. 90 ergibt.

|
Übersicht über den Stand der Bevölkerung in den 27 Gemeinden des Oberamtsbezirks Ellwangen
und zwar in den Jahren
Num-
mer
im
Staats-
hand-
buch
Gemeinden 1812
am 1. November
1834 1846 1852 1855
Orts-
ange-
hörige
Orts-
anwe-
sende
Orts-
angehörige
nach der
Zählung am
15. Dezbr.
Orts-
anwesende
nach der Zoll-
vereins-Zählung
a. 15. Dezbr.
Ortsanwesende
nach den
Zollvereins-
zählungen
am 3. Dezember
1 Ellwangen 2421 2436 2949 3429 4045 3959 3622
2 Benzenzimmern 308 293 303 266 286 267 246
3 Bühlerthann 1322 1359 1467 1420 1671 1782 1564
4 Bühlerzell 933 946 1059 1077 1199 1183 1198
5 Dalkingen 385 407 414 440 440 450 455
6 Ellenberg 776 772 842 838 984 966 960
7 Geislingen 365 353 374 400 389 397 371
8 Jagstzell 1011 1027 1147 1071 1288 1347 1333
9 Lauchheim 1018 1003 1098 1106 1184 1186 1169
10 Lippach 459 460 444 409 453 478 458
11 Neuler 1218 1318 1229 1319 1478 1499 1476
12 Nordhausen 286 287 286 324 289 265 279
13 Pfahlheim 949 958 995 1001 1102 1146 1154
14 Rindelbach 654 659 844 894 996 974 954
15 Röhlingen 1364 1450 1476 1588 1805 1779 1761
16 Rosenberg 1435 1437 1783 1633 1945 1857 1834
17 Schrezheim 881 872 1109 1071 1250 1242 1298
18 Schwabsberg 526 553 637 655 726 747 755
19 Stödtlen 1161 1160 1245 1278 1430 1448 1455
20 Thannhausen 1281 1297 1392 1319 1402 1366 1320
21 Unter-Schneidheim 1044 1037 1214 1051 1102 1035 999
22 Unter-Wilflingen 351 354 416 364 394 373 367
23 Walxheim 246 259 209 195 258 236 231
24 Westhausen 1144 1152 1388 1352 1386 1425 1392
25 Wörth 885 829 926 880 933 944 965
26 Zipplingen 708 722 744 706 729 760 742
27 Zöbingen 773 743 817 795 841 777 789
Summe des
     ganzen Bezirks
23.904 24.143 26.807 26.881 30.005 29.888 29.147
| [Teil II]
Gemeinde 1871 1875 1880 Zugangs-
und
Abgangs-
Ziffern für
die Periode
1812/80
%
Flächen-
maß der
Markungen
in ha
Ortsanwesende
nach den Zählungen
des Deutschen Reichs
am 1. Dezember
Ellwangen 4145 4451 4697 + 92,82 1074,36
Benzenzimmern 227 212 228 − 22,18 388,34
Bühlerthann 1527 1520 1509 + 11,04 2201,59
Bühlerzell 1316 1295 1286 + 35,94 3705,59
Dalkingen 536 533 575 + 41,28 1106,66
Ellenberg 1051 1088 1109 + 43,65 3012,09
Geislingen 357 357 375 + 06,23 769,98
Jagstzell 1448 1421 1552 + 51,12 3786,04
Lauchheim 1226 1180 1213 + 20,94 1913,32
Lippach 466 460 474 + 03,04 761,59
Neuler 1494 1492 1510 + 14,57 3296,26
Nordhausen 307 324 338 + 17,77 721,45
Pfahlheim 1101 1109 1233 + 28,71 2446,59
Rindelbach 1160 1212 1192 + 80,88 3167,90
Röhlingen 1658 1699 1827 + 26,00 4345,35
Rosenberg 2009 2033 2071 + 44,12 4050,75
Schrezheim 1492 1501 1597 + 83,14 1712,16
Schwabsberg 869 864 869 + 57,14 1776,77
Stödtlen 1453 1433 1484 + 27,93 3125,08
Thannhausen 1293 1247 1271 02,00 1776,14
Unter-Schneidheim 945 932 964 07,04 1348,79
Unter-Wilflingen 353 353 398 + 12,43 613,93
Walxheim 235 230 223 − 13,90 625,19
Westhausen 1518 1517 1506 + 30,73 2691,48
Wörth 934 919 977 + 17,85 1809,97
Zipplingen 752 718 765 + 05,96 1224,34
Zöbingen 794 767 751 + 01,08 1319,59
Summe des
     ganzen Bezirks
30.666 30.867 31.994 + 32,52 54.771,30
|
(Fortsetzung von S. 87.)
  1. Zur Summe vom ganzen Bezirk:
a) Zur Summe der Ortsangehörigen von 1834, kamen durch Berichtigung lt. Bevölkerungslisten von 1835 bei Gemeinde
Ellwangen   11
und gehen ab bei Jagstzell 6  
und bei Thannhausen 3
9
Zus. Zuwachs       2
b) Zu Gemeinde Nr. 4 Bühlerzell: Die Parzelle Herzert ist laut Anmerkung in der Liste der 12jährigen Zählung vom 3. Dezbr. 1846 als Parzelle zu Adelmannsfelden OA. Aalen gekommen und wurde daher von 1812 an abgezogen.
c) Zu Gemeinde Nr. 24 Westhausen: Jagsthausen mit den Parzellen Baiershofen, Wagenhofen, Frankenreute, Immenhofen und Reichenbach, früher als selbständige Gemeinde zum OA.-Bezirk Aalen gehörig, ist lt. Staatshdb. v. 1843 S. 311 und Neueste Veränderungen hiezu S. XV. schon von 1812 an hier beigezählt worden.

Übersicht über die Änderungen zu 1:

Die ursprüngliche Bevölkerungszahl nach den Zählungslisten beträgt in den Jahren:

1812 1834 1846 1852
Orts-
angehörige
Orts-
anwesende
Orts-
angehörige
Orts-
anwesende
Ortsanwesende
23.655 23.894 26.497 26.586 30.012 29.896
hiezu kam lt. Berichtigung
s. 1. a.
00 00 2 00 00 00
Durch den Anfall v. Jagsthausen
und Parzellen s. 1. c.
257 257 314 301 00 00
zus. 23.912 24.151 26.813 26.887 30.012 29.896
ab Herzert s. 1. b. 8 8 6 6 7 8
somit wie in der Übersicht
über den Stand der
Bevölkerung S. 88
23.904 24.143 26.807 26.881 030.005 029.888

Bedeutender sind die Veränderungen in der Zutheilung der Parzellen zu den einzelnen Gemeinden; diese gingen hauptsächlich im ersten Jahrzent der Periode 1812–1880 also 1812–21 vor sich.

Als Grundlage der Vergleichung des Standes zwischen 1812 und 1880 wurde daher für die Übersicht über den Stand | der Bevölkerung auf S. 88 f. die Eintheilung bei der Zählung pro 1. November 1821 (s. Staatshdb. von 1823 S. 571 Note 71 B. 2) schon für den Stand von 1812 gewählt.

2. Änderungen in der Eintheilung der Gemeinden in der Periode 1812–1821;

a) Zu Gemeinde Nr. 2: Benzenzimmern gehörte 1812 noch zu der Gemeinde Zipplingen.

b) Zu Gemeinde Nr. 12: Nordhausen mit Parz. Harthausen war 1812 noch Parzelle von Gemeinde Geislingen.

c) Zu Gemeinde Nr. 13 Pfahlheim: die Parzellen Hardt und Hirlbach gehörten 1812 noch zu Gemeinde Ellenberg.

d) Zu Gemeinde Nr. 15 Röhlingen: die Parzellen Dettenroden, Killingen und Haisterhofen waren 1812 der Gemeinde Lippach zugetheilt, Parzelle Erpfenthal der Gemeinde Pfahlheim.

e) Zu Gemeinde Nr. 19 Stödtlen: Parzelle Birkenzell ist 1812 bei Gemeinde Ellenberg aufgeführt.

f) Zu Gemeinde Nr. 20 Thannhausen: Parzelle Riepach ist 1812 der Gemeinde Pfahlheim noch zugetheilt.

g) Zu Gemeinde Nr. 22: Unterwilflingen mit Parzelle Oberwilflingen gehörte zu der Gemeinde Geislingen.

h) Zu Gemeinde Nr. 23: Walxheim mit Hundslohe sind als Parzellen bei Gemeinde Zöbingen aufgeführt gewesen.

3. Zu erläutern bleiben übrig die Änderungen in der Bevölkerungszahl bei den einzelnen Gemeinden in der Periode vom 1. November 1821 bis 1. Dezember 1880.

Die Änderungen in der Eintheilung der Gemeinden während der Periode 1821–1880 sind folgende:

a) Zu Gemeinde Nr. 1 Ellwangen. Die Parzellen Pfeffermühle, Spitalhof und Steingrubmühle sind im Stshdb. v. 1831 noch bei Rindelbach aufgeführt, in der Bevölkerungsliste von 1834 nicht mehr.

b) Zu Gemeinde Nr. 4 Bühlerzell: die Parzelle Grunbach ist im Stshdb. v. 1854 noch bei Rosenberg aufgeführt.

4. Der Stand der ortsanwesenden Bevölkerung des Oberamtsbezirks Ellwangen ist in der Übersicht S. 88 f. am 1. November 1812 mit 24.143 Personen verzeichnet; die Zahl stieg bis 15. Dezember 1834 um 2738 Seelen, bis 1846 um weitere 3124 Seelen und für die Periode von 34 Jahren bis 3. Dezember 1846 um 24,28 oder 0,71% per Jahr; in dem Zeitraum 1846 bis 1855 trat ein Rückgang der Bevölkerung | ein und zwar um 2,86% des Standes von 1846 oder um 0,32% per Jahr, eine Folge des für die wirthschaftlichen Zustände Württembergs so verhängnisvollen Zeitraums zu Anfang der 50er Jahre.

Diese Krisis machte sich bei den Oberamtsbezirken der östlichen Landeshälfte, zu welchen Ellwangen nach seiner Lage zu zählen ist, in Folge der weniger vorgeschrittenen Bodenzerstücklung und dünneren Bevölkerung in kleinerem Maße fühlbar; daher blieb der Bevölkerungsverlust des Bezirks auf diese verhältnismäßig geringe Abnahmeziffer beschränkt.

Die Abnahme von 1855 gegenüber 1852 beträgt blos 2,48 % [2].

Auch der Abgang durch Auswanderung war ein geringer in der Periode 1842–52, mit 1 Auswanderer auf 435 Einwohner (O.Z. 44). Dagegen ist Ellwangen einer der wenigen Bezirke der östlichen Landeshälfte, in welchen die Mittelzahl der Gante 1850–53, wenn auch nur wenig, überschritten wird; hiezu mag die ziemlich starke gewerbliche Bevölkerung beigetragen haben; bei der Zählung von 1852 machte die Oberamtsstadt mit 13 mittelgroßen Gemeinden von 1000–2000 Einwohnern bereits 74% der Gesammtbevölkerung des Bezirks aus.

Die Zahl von 29.147 Einwohnern im Jahr 1855 ist bis 1880 um 2847 Personen gestiegen

und zwar bis 1871 um 5,21 %
0 1875 00 0,690
0 1880 00 3,870
zus. um 9,77 %

des Standes von 1855.

Einiges Interesse dürfte bieten die Vergleichung der 22jährigen Periode 1812–1834 mit der 9jährigen Periode 1871–80. Der Aufschwung nach den Kriegszeiten drückt sich durch annähernde gleiche Prozentsätze per Jahr aus

und zwar 1812 bis 1834: 0,515 %
1871 001880: 0,481 %
| Wenn in ersterer Periode die Zunahme dem Aufschwung der Landwirthschaft [3], so wird in der zweiten Periode der Aufhebung der die Heirathen und Niederlassungsrechte einschränkenden Gesetze etc., manches zu verdanken sein.

Die Darstellung der Bewegung der Bevölkerung von den einzelnen Bezirken in der Periode 1812–1866 in den Württemb. Jahrbüchern von 1874 ergibt für Ellwangen bei niederer Geburtenzahl, mittlerer Kindersterblichkeit und niederer Sterblichkeit überhaupt einen unter dem Landesmittel stehenden Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen (O.Z. 53).

Die ganze Zunahme in den 68 Jahren von 1812 bis 1880 betrug 7851 Personen = 32,52% im Ganzen oder 0,48% per Jahr. Eine Vermehrung nach diesem Prozentsatz als dauernd angenommen, würde sich die Bevölkerung in 145 Jahren verdoppeln; nach dem Zunahmeprozent für die Periode 1813 bis 1867 berechnete sich die Verdoppelungsperiode auf 176 Jahre.

Die eine Zunahme der Bevölkerung begründenden Verhältnisse haben sich somit neuerdings für den Bezirk Ellwangen gebessert.

Die Zunahme der Oberamtsstadt in der Periode 1812 bis 1880 betrug 92,82 oder per Jahr 1,37%, die Zunahme der übrigen Gemeinden ist im Ganzen geringer, nemlich 25,75 oder 0,38% per Jahr.

Wenn man von den Zunahmeziffern der Gemeinden Ellwangen, Bühlerzell, Rindelbach und Rosenberg deshalb absieht, weil sie theilweise in der Veränderung der Gemeindebezirkseintheilung ihren Grund haben, so ergeben sich bei folgenden 6 Gemeinden bedeutendere Zunahmeziffern von 30% und mehr:

1. Schrezheim von 83,14,
2. Schwabsberg von 57,14,
3. Jagstzell von 51,12,
4. Ellenberg von 43,65,
5. Dalkingen von 41,28,
6. Westhausen von 30,73.

Bei weiteren 13 Gemeinden bewegte sich die Zunahmeziffer zwischen 1,08 (Zöbingen) und 28,71 (Pfahlheim).

Eine Abnahme trat blos bei 4 Gemeinden ein und zwar bei Benzenzimmern mit 22,18, Walxheim 13,90, Unterschneidheim 7,04, Thannhausen 2,00 %.

Die Klassifizirung der 27 Gemeinden des Bezirks ergibt folgendes Resultat nach der jüngsten Volkszählung vom 1. Dezember 1880:

|
1. Die Oberamtsstadt Ellwangen
mit 4697 Einw.
und die Gemeinde Rosenberg
mit 2071 Einw.
     2 Gem. über 2000 Einw. 6768 Einw. = 21,16 %
2. die weiteren 13 Gemeinden
über 1000 Einwohner,
worunter die Stadt
Lauchheim begriffen ist
18.289 Eiw. = 57,16 „
3. die 6 Gemeinden von 500
bis 1000 Einwohner
4901 Eiw. = 15,32 „
4. die 6 Gemeinden unter 500
Einwohner
2036 Eiw. = 06,36 „
Gesammt-Einwohnerzahl 31.994 Eiw. 0 0100 %

Hienach machen die 2 größeren Gemeinden mit je über 2000 Einwohnern und die 13 mittleren Gemeinden mit je über 1000 Einwohnern 78,32% oder über 3/4 der Bevölkerungszahl des Bezirks, die 12 Gemeinden mit je unter 1000 Einwohnern 21,68 % oder nicht ganz 1/4 der Gesammtziffer aus.

Im Nachbarbezirk Crailsheim überwiegen die größeren und mittleren Gemeinden ebenfalls und zwar mit 60,03, während im Bezirk Neresheim die Volkszahl der kleineren Gemeinden mit 77,39% die Mehrzahl bildet.

Die auf 1 Gemeinde kommende Parzellenzahl übertrifft in diesem Bezirk den Landesdurchschnitt von 4,30 mehr als in dem Nachbarbezirk Crailsheim, während Neresheim auch dem Landesmittel zurücksteht: es kommen nemlich auf 1 Gemeinde

im Bezirk Ellwangen       10,30 Parzellen
m Be Crailsheim       07,00       „
m Be Neresheim       03,29       „
Der Bezirk Ellwangen stellt sich in die Reihe der Bezirke mit Gemeinden, welche eine größere Parzellenzahl (O.Z. 9) aufweisen; die Zahl der Wohnplätze ist daher entsprechend höher als in den ebengenannten Bezirken. Nach dem Staatshandbuch von 1881 zählt Ellwangen 283 Weiler, Höfe und einzelne Wohnsitze, Crailsheim 157, Neresheim 84. Was die Bevölkerungsdichtigkeit anbelangt, so stehen diese 3 in der östlichen Landeshälfte gelegenen Bezirke unter dem Landesmittel. Nach dem Staatshandbuch von 1881 und dem Jahrgang 1881 | der Württemb. Jahrbücher S. 546, kommen nemlich nach der Zählung vom 1. Dezember 1880
pro
Quadrat-
meile
pro
Quadrat-
kilometer
in Württemberg 5564 101 Einwohner
im Bezirk Ellwangen 3216 058
m Beirk Crailsheim 4414 080
m Beirk Neresheim 2824 051

Ellwangen steht somit seinem Nachbarbezirk Crailsheim hierin nach, weist aber eine etwas dichtere Bevölkerung auf als Neresheim.


2. Unterschied nach Geschlecht, Alter und Familienstand.
a) Geschlecht.
Vergl. Tabelle S. 97.

Die Zahl weiblicher Personen war im Jahr 1880 um 890 größer als die der männlichen.

Es kommen somit auf 1000 männliche 1057 weibliche Personen oder unter je 10.000 Einwohnern sind 4862 männliche 5138 weibliche, eine Differenz von 278, günstiger als der Landesdurchschnitt mit 344.

Mit Ausnahme von 5 haben sämmtliche Gemeinden eine weibliche Überzahl; die männliche Bevölkerung überwiegt nur in Röhlingen um 65, Westhausen um 44, Walxheim um 9, Lippach 8 und Unterwilflingen um 4; in der Stadt Ellwangen dagegen macht die weibliche Bevölkerung 53,7, die männliche 46,3% aus, denn es kommen hier auf 100 männliche 116 weibliche Einwohner; noch stärker ist das schöne Geschlecht vertreten in Lauchheim mit 117,4, Thannhausen mit 117,3 und noch sehr stark in Zipplingen mit 111,9 weiblichen auf 100 männliche Einwohner. Beinahe gleich stark vertreten sind beide Geschlechter in Bühlerzell, Schrezheim und Rindelbach.


b) Der Altersaufbau der Bevölkerung.
Vergl. Tabelle S. 98 ff.,

wo die Ergebnisse der letzten Zählung vom 1. Dez. 1880 zusammengefaßt sind.

| In der sich anschließenden kleineren Tabelle S. 102 sind die Ergebnisse der vorstehenden größern durch Zusammenfassen der Altersklassen in 5jährigen Perioden und durch Reduktion der absoluten Zahlen auf 10.000 und ihre Theile zur Anschauung und Vergleichung gebracht. In der kleineren Tabelle sind auch die Resultate der Zählungen von 1861, 1871 und 1875 beigezogen.

Die 1–5jährigen stehen hienach bei allen 4 Zählungen unter dem Landesmittel.

Die 6–10jährigen übertreffen 1861 und 1880 das Landesmittel, bleiben aber 1871 und 1875, bei letzterer Zählung ganz unbedeutend, hinter demselben zurück.

Die 11–15jährigen bleiben bei den ersten 2 Zählungen hinter dem Landesmittel, bei den 2 neueren Zählungen sind sie demselben überlegen.

Die 16–20jährigen stellen sich 1871 und 1875 über das Landesmittel, 1861 unter dasselbe, ebenso 1880, aber ganz unbedeutend.

Die 21–25jährigen stehen bei sämmtlichen 4 Zählungen hinter dem Landesmittel zurück.

Die 26–30jährigen sowie die 31–40jährigen sind bei der Zählung von 1861 vollzähliger als im Landesmittel, stehen aber bei den nächsten Zählungen unter demselben.

Günstiger besetzt sind die Altersklassen vom 41–80. Lebensjahr, welche das Landesmittel durchweg übertreffen, abgesehen von der geringen Abweichung der 61–70jährigen bei der Zählung von 1861.

Die an sich unbedeutende Altersklasse der 81–90jährigen ist 1871 und 1875 besser besetzt als im Landesmittel, 1861 und 1880 dagegen geringer.

Hienach sind gerade die im kräftigeren Alter stehenden Klassen dem Landesmittel gegenüber ziemlich gelichtet, aber selbstverständlich weniger durch Tod als durch Umzug und Auswanderung.

Theilt man die Bevölkerung auf Grund der Altersjahre nach der wirklichen und wahrscheinlichen Leistungsfähigkeit in eine produktive und eine unproduktive Hälfte und zählt

(Fortsetzung S. 103.)
|
Übersicht über die Bevölkerung nach Geschlecht und Religionsbekenntnis in den einzelnen Gemeinden
nach der Volkszählung von 1880.


Gemeinden Geschlecht Auf
100
männl.
kommen
weibl.
Personen
Religionsbekenntnis
Männl. Weibl. zus. Evan-
geli-
sche
Katho-
liken
Von and.
christl.
Bekennt-
nissen
Isra-
eliten
Von
andern
Reli-
gionen
01. Ellwangen 2175 2522 4697 116,0 736 3875 1 85
02. Benzenzimmern 112 116 228 103,6 227 1
03. Bühlerthann 730 779 1509 106,7 141 1368
04. Bühlerzell 640 646 1286 100,9 201 1085
05. Dalkingen 277 298 575 107,6 5 570
06. Ellenberg 536 573 1109 106,9 32 1077
07. Geislingen 183 192 375 104,9 375
08. Jagstzell 760 792 1552 104,2 90 1461 1
09. Lauchheim 558 655 1213 117,4 47 1034 132
10. Lippach 241 233 474 96,7 4 470
11. Neuler 740 770 1510 104,1 110 1400
12. Nordhausen 166 172 338 103,6 6 332
13. Pfahlheim 603 630 1233 104,5 8 1223 2
14. Rindelbach 592 600 1192 101,4 10 1182
15. Röhlingen 946 881 1827 93,1 5 1819 3
16. Rosenberg 1016 1055 2071 103,8 483 1588
17. Schrezheim 797 800 1597 100,4 27 1570
18. Schwabsberg 417 452 869 108,4 14 855
19. Stödtlen 723 761 1484 105,3 488 996
20. Thannhausen 585 686 1271 117,3 1271
21. Unter-Schneidheim 460 504 964 109,6 1 963
22. Unter-Wilflingen 201 197 398 98,0 398
23. Walxheim 116 107 223 92,2 210 13
24. Westhausen 775 731 1506 94,3 34 1472
25. Wörth 479 498 977 104,0 332 645
26. Zipplingen 361 404 765 111,9 1 764
27. Zöbingen 363 388 751 106,9 6 745
Summe des
ganzen Bezirks
15.552 16.442 31.994 105,7 3218 28.552 1 223
|
Die Bevölkerung nach Geschlecht, Alter und Familienstand.
Ange-
tretenes
Lebens-
jahr
Geburts-
jahr
Unverheiratete Verheiratete Verwitwete Geschiedene Im Ganzen
männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zusammen
1 1880 429 431 860 429 431 860
2 1879 455 405 860 455 405 860
3 1878 428 439 867 428 439 867
4 1877 417 425 842 417 425 842
5 1876 422 438 860 422 438 860
6 1875 375 422 797 375 422 797
7 1874 390 428 818 390 428 818
8 1873 399 390 789 399 390 789
9 1872 354 381 735 354 381 735
10 1871 334 368 702 334 368 702
1–10 4003 4127 8130 4003 4127 8130
11 1870 373 380 753 373 380 753
12 1869 401 347 748 401 347 748
13 1868 316 350 666 316 350 666
14 1867 334 320 654 334 320 654
15 1866 319 315 634 319 315 634
16 1865 264 270 534 264 270 534
17 1864 285 282 567 4 4 285 286 571
18 1863 310 279 589 3 3 310 282 592
19 1862 288 275 563 1 1 288 276 564
20 1861 241 228 469 6 6 241 234 475
11–20 3131 3046 6177 14 14 3131 3060 6191
21 1860 198 240 438 18 18 198 258 456
22 1859 179 226 405 4 29 33 1 1 183 256 439
23 1858 163 198 361 2 40 42 165 238 403
24 1857 192 181 373 11 48 59 1 1 203 230 433
25 1856 197 172 369 8 64 72 1 1 205 237 442
26 1855 153 126 279 25 64 89 178 190 368
27 1854 150 134 284 51 94 145 1 1 201 229 430
28 1853 161 110 271 55 114 169 216 224 440
29 1852 97 88 185 65 107 172 1 3 4 163 198 361
30 1851 102 106 208 82 115 197 1 1 185 221 406
21–30 1592 1581 3173 303 693 996 2 6 8 1 1 1897 2281 1178
31 1850 110 74 184 98 157 255 3 3 1 1 208 235 443
32 1849 85 72 157 93 182 275 3 3 178 257 435
33 1848 67 62 129 101 146 247 1 1 2 1 1 169 210 379
34 1847 60 56 116 128 135 263 3 5 8 191 196 387
35 1846 54 53 107 124 132 256 2 6 8 1 1 180 192 372
36 1845 55 59 114 154 150 304 1 5 6 1 1 211 214 425
37 1844 46 46 92 156 164 320 4 6 10 206 216 422
38 1843 49 39 88 160 145 305 4 6 10 1 1 213 191 404
39 1842 42 52 91 159 202 361 4 8 12 1 1 2 206 263 469
40 1841 37 28 65 135 141 276 5 5 172 174 346
31–40 605 541 1146 1308 1554 2862 19 48 67 2 5 7 1934 2148 4082
41 1840 35 57 92 161 138 299 2 4 6 2 2 4 200 201 401
42 1839 32 50 82 147 175 322 6 10 16 185 235 420
43 1838 26 34 60 156 152 308 3 11 14 1 1 2 186 198 384
44 1837 32 39 71 145 130 275 7 13 20 2 2 184 184 368
45 1836 27 35 62 132 146 278 3 7 10 1 1 163 188 351
46 1835 29 33 62 164 123 287 5 14 19 198 170 368
47 1834 18 37 55 143 129 272 9 10 19 1 1 170 177 347
48 1833 20 28 48 137 120 257 9 19 28 1 2 3 167 169 336
49 1832 21 23 44 131 117 248 2 20 22 1 1 154 161 315
50 1831 17 35 52 117 86 203 10 13 23 144 134 278
41–50 257 371 628 1433 1316 2749 56 121 177 5 9 14 1751 1817 3568
| |
Ange-
tretenes
Lebens-
jahr
Geburts-
jahr
Unverheiratete Verheiratete Verwitwete Geschiedene Im Ganzen
männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
51. 1830 27 26 53 124 84 208 9 25 34 160 135 295
52. 1829 15 27 42 121 109 230 4 25 29 140 161 301
53. 1828 12 24 36 105 111 216 17 24 41 134 159 293
54. 1827 19 36 55 124 102 226 9 24 33 1 1 153 162 315
55. 1826 19 22 41 102 92 194 11 26 37 2 2 132 142 274
56. 1825 9 34 43 116 93 209 16 21 37 141 148 289
57. 1824 17 34 51 97 82 179 19 26 45 133 142 275
58. 1823 15 26 41 96 72 168 11 29 40 1 1 122 128 250
59. 1822 12 24 36 82 72 154 17 39 56 1 1 111 136 247
60. 1821 13 33 46 99 80 179 12 41 53 124 154 278
51.–60. 158 286 444 1066 897 1963 125 280 405 1 4 5 1350 1467 2817
61. 1820 18 36 54 100 64 164 17 41 58 135 141 276
62. 1819 21 30 51 94 61 155 20 49 69 1 1 2 136 141 277
63. 1818 15 14 29 76 49 125 24 35 59 1 1 116 98 214
64. 1817 13 18 31 67 32 99 22 33 55 102 83 185
65. 1816 17 23 40 79 49 128 25 36 61 1 2 3 122 110 232
66. 1815 14 27 41 45 33 78 26 34 60 1 1 86 94 180
67. 1814 11 25 36 53 31 84 23 43 66 87 99 186
68. 1813 13 18 31 46 22 68 17 36 53 76 76 152
69. 1812 11 21 32 40 18 58 26 37 63 77 76 153
70. 1811 11 22 33 42 20 62 15 43 58 1 1 69 85 154
61.–70. 114 234 378 642 379 1021 215 387 602 5 3 8 1006 1003 2009
71. 1810 4 20 24 36 21 57 22 44 66 1 1 62 86 148
72. 1809 15 22 37 30 17 47 27 41 68 72 80 152
73. 1808 7 9 16 21 12 33 25 31 56 53 52 105
74. 1807 7 7 14 19 6 25 24 33 57 50 46 96
75. 1806 3 12 15 20 10 30 13 32 45 36 54 90
76. 1805 6 4 10 18 6 24 20 27 47 44 37 81
77. 1804 3 7 10 14 2 16 14 33 47 31 42 73
78. 1803 6 7 13 13 3 16 20 23 43 39 33 72
79. 1802 1 10 11 8 2 10 8 18 26 17 30 47
80. 1801 1 6 7 6 2 8 9 16 25 16 24 40
71.–80. 53 104 157 185 81 266 182 298 480 1 1 420 484 904
81. 1800 2 4 6 4 2 6 14 12 26 20 18 38
82. 1799 1 2 3 3 1 4 12 6 18 16 9 25
83. 1798 1 3 4 1 1 2 3 2 5 5 6 11
84. 1797 1 1 2 2 9 11 3 10 13
85. 1796 1 1 3 2 5 4 2 6
86. 1795 1 1 1 3 4 1 4 5
87. 1794 1 1 2 2 4 3 2 5
88. 1793 4 2 6 4 2 6
89. 1792 1 1 1 1 1 1 2 2 2 4
90. 1791 2 2 2 2
81.–90. 5 12 17 11 4 15 44 39 83 60 55 115
91. 1790
92. 1789
93. 1788
94. 1787
95. 1786
96. 1785
97. 1781
98. 1783
99. 1782
100. 1781
91.–100.
über 100 1780 und früher
Summe 9948 10.302 20.250 4948 4938 9886 643 1179 1822 13 23 36 15.552 16.442 31.994
| |
Auf je 10.000 Einwohner entfallen nach den Zählungen vom
3. Dezember 1861 1. Dezember 1871 1. Dezember 1875 1. Dezember 1880
Personen im
Ober-
amt
Ell-
wangen
in
Würt-
tem-
berg
Personen im
Ober-
amt
Ell-
wangen
in
Würt-
tem-
berg
Personen im
Ober-
amt
Ell-
wangen
in
Würt-
tem-
berg
Personen im
Ober-
amt
Ell-
wangen
in
Würt-
tem-
berg
im
Alter
von
Jahren
geboren
in den
Jahren
geboren
in den
Jahren
geboren
in den
Jahren
geboren
in den
Jahren
1–05 1861–57 1157 1261 1871–67 1246 1259 1875–71 1322 1334 1880–76 1341 1358
6–10 " 56–52 965 939 " 66–62 1035 1088 " 70–66 1144 1145 " 75–71 1200 1186
11–15 " 51–47 1009 1028 " 61–57 924 962 " 65–61 986 982 " 70–66 1080 1067
1–15  
 
3131 3228 3205 3309 3452 3461 3621 3611
16–20 1846–42 1067 1090 1856–52 861 807 1860–56 875 856 1865–61 855 857
21–25 " 41–37 856 910 " 51–47 758 849 " 55–51 661 721 " 60–56 679 741
26–30 " 36–32 763 718 " 46–42 799 818 " 50–46 691 752 " 55–51 627 637
31–40 " 31–22 1274 1244 " 41–32 1356 1359 " 45–36 1368 1426 " 50–41 1276 1363
16–40  
 
3960 3962 3774 3833 3595 3755 3437 3598
41–50 1821–12 1137 1100 1831–22 1079 1055 1835–26 1069 1031 1840–31 1115 1090
51–60 " 11–02 981 944 " 21–12 951 889 " 25–16 922 864 " 30–21 880 826
61–70 01–1792 534 535 " 11–02 699 643 " 15–06 635 600 " 20–11 628 572
71–80 1791–82 229 199 01–1792 250 233 05–1796 283 252 1810–01 283 264
81–90 " 81–72 28 31 1791–82 42 37 1795–86 42 36 1800–1791 36 38
über 90 71 u. früher 1 81 u. früher 1 85 u. früher 2 1 90 u. früher 1
40–100 2909 2810 3021 2858 2953 2784 2942 2791
10.000 10.000 10.000 10.000 10.000 10.000 10.000 10.000
|
(Fortsetzung von S. 96.)

ersterer die 21–60jährigen, zur letzteren die Personen bis zum 20. Jahre und die über 60 Jahre alten, so sind

im OA. Ellw. in Württemberg
Pro-
duktive
Unpro-
duktive
Pro-
duktive
Unpro-
duktive
nach der Zählung von 1875      4711 5289 4794 5206
nah dr Zählng v 1880 4577[4] 5423 4657 5343
in Prozenten ausgedrückt
nah dr Zählng v 1861 50,1 49,9 49,2 50,8
nah dr Zählng v 1871 49,0 51,0 50,0 50,0
nah dr Zählng v 1875 47,0 53,0 48,0 52,0
nah dr Zählng v 1880 46,0 54,0 47,0 53,0

Bei der Zählung von 1861 stellt sich nach S. 102 der Bezirk etwas über das Landesmittel, bei den übrigen 3 Zählungen stellt er sich um je 1 % unter das Landesmittel. Hiebei wäre auch das Verhältnis der Geschlechter in Betracht zu ziehen; nach dem Durchschnitt der 7 Zählungen 1855 bis 1875 beträgt der Überschuß der weiblichen Bevölkerung über die männliche: 108 gegen 100, gegenüber dem Landesdurchschnitt mit 107 gegen 100; nach der jüngsten Zählung von 1880 ist eine Besserung dieses Verhältnisses eingetreten, durch Verminderung des Überschusses der weiblichen Bevölkerung auf 106 gegenüber dem Landesmittel, welches mit 107 unverändert geblieben ist.


c) Der Familienstand.
Die Haushaltungen und ihre Zusammensetzung.

Die Aufnahme der Bevölkerung nach der Art des Zusammenlebens, welche mit der Volkszählung vom 1. Dezember 1871 verbunden wurde, hat folgende Ergebnisse geliefert.

Es beträgt die absolute Zahl der Haushaltungen mit

1 Pers. 2–5 Pers. 6 u. mehr
Pers.
Zus.
im Oberamt Ellwangen      433 3665 2226 6324
Oberamt Crailsheim 307 3249 1702 5258
Oberamt Neresheim 405 3193 1399 4997
in Württemberg 29.78300 248.40000 119.45300 397.63600
| und unter 100 Haushaltungen sind solche mit
1 Pers. 2–5 Pers. 6 u. mehr
Pers.
im Oberamt Ellwangen      6,85 57,95 35,20
Oberamt Crailsheim 5,84 61,79 32,37
Oberamt Neresheim 8,10 63,90 28,00
in Württemberg 7,49 62,47 30,04

Die Zusammensetzung obiger Haushaltungen ist in absoluten Zahlen folgende:

in
Württem-
berg
im
Oberamt
Ell-
wangen
im
Oberamt
Crails-
heim
im
Oberamt
Neres-
heim
1. Vorstände und zwar
     a) Eheleute 589.851 9157 8272 7270
     b) sonstige Haushaltungsvorstände 099.374 1678 1046 1269
2. Kinder unter 14 J. 725.552 10.926.0 8765 8483
3. Dienstboten 112.393 3023 2167 1772
4. Gehilfen, Lehrlinge 102.075 3010 1800 1132
5. Verwandte, Gäste und
     sonstige Hausgenossen
169.399 2657 2444 1744
Gesammtzahl 1.798.644,0 30.451.0 24.494.0 21.670.0

und unter 100 Haushaltungen sind

in
Württem-
berg
im
Oberamt
Ell-
wangen
im
Oberamt
Crails-
heim
im
Oberamt
Neres-
heim
1. Vorstände und zwar
     a) Eheleute 148,340 147,800 157,320 145,490
     b) sonstige Haushaltungsvorstände 24,99 26,53 19,89 25,40
2. Kinder (unter 14 J.) 182,470 172,770 166,700 169,760
3. Dienstboten 28,27 47,80 41,21 35,46
4. Gehilfen, Lehrlinge 25,67 47,60 34,24 22,65
5. Verwandte, Gäste und
     sonstige Hausgenossen
42,60 42,01 46,48 34,90
6. Personen im Ganzen 452,340 481,510 465,840 433,660
Der Bezirk Ellwangen steht somit, wie sein Nachbarbezirk Crailsheim, bezüglich der Haushaltungen von 1 und 2–5 Personen hinter dem Landesmittel zurück, übertrifft aber dasselbe | in der Zahl der Haushaltungen von 6 und mehr Personen, wie auch der Bezirk Crailsheim. Dagegen stellt sich der Bezirk Neresheim in der Klasse von Haushaltungen von 1 und 2–5 Personen über das Landesmittel, bei den Haushaltungen mit zahlreicherem Personal unter dasselbe. Die Zahl der Dienstboten ist, wie in den Nachbarbezirken, höher als das Landesmittel, diejenige der Gehilfen und Lehrlinge auch bei Ellwangen und Crailsheim. Die Ziffer der Verwandten, Gäste und sonstigen Hausgenossen, welche sich bei Crailsheim auch über das Landesmittel erhebt, steht bei Ellwangen und Neresheim hinter demselben zurück.

Die Zahl der Kinder – 10.951 wurden bei der Zählung im Jahr 1880 gezählt, welche im Alter von 1–14 J. standen, darunter 5427 m., 5524 w. – bleibt, wie bei Crailsheim und Neresheim hinter dem Landesmittel zurück. (Die Zahl der erwachsenen Hausgenossen, besonders der Dienstboten pflegt in Gegenden, wo größere Bauerngüter sind, größer zu sein).

In der Darstellung der Zählungsergebnisse über die Ortsanwesenden von 1864 nach Familienangehörigkeit etc. [5] sind von den 27 Oberamtsbezirken der östlichen Landeshälfte 20 mit besonders starker Besetzung der Haushaltungen hervorgehoben, und lassen sich hieraus folgende Ziffern entnehmen:

Auf 100 Haushaltungen kamen 1864

im Oberamt Personen
überhaupt
O.Z. Erwachsene
Hausgenossen
über 14 Jahre
O.Z.
Ellwangen   498 12 185 12
Crailsheim 490 22 167 24


3. Konfession.

Nach dem Religionsbekenntnis ist die Bevölkerung der einzelnen Gemeinden in der Tabelle oben S. 97 dargestellt.

Weitere Zusammenstellungen bei älteren und neueren Zählungen haben folgende Resultate geliefert.

| Es wurden gezählt:
im Jahr Evange-
lische
Katho-
liken
von anderen
christlichen
Konfessionen
Israeliten im Ganzen
Ortsangehörige
1812 1798 22.006 100 23.904
1846 2903 26.617 146 29.666
Ortsanwesende
1858 2888 26.367 5 178 29.438
1871 3333 27.133 2 198 30.666
1875 3149 27.506 212 30.867
1880 3218 28.552 1 223 31.994

Wenn die Gesammtbevölkerung zu 100 angenommen wird, so berechnet sich das Verhältnis der Konfessionen zu einander nach der Zählung vom 1. Dezember 1880 in folgender Weise:

im Oberamt von anderen
Religionen
Ellwangen 10,06 89,24 0,70
Crailsheim 85,29 13,44 0,04 1,23
Neresheim 21,84 75,92 0,06 2,18
in Württemberg 69,07 29,94 0,30 0,68 0,01

Das katholische Glaubensbekenntnis ist in diesem Bezirk stark vorherrschend; das evangelische Bekenntnis wiegt bloß in den 2 kleinsten Gemeinden des Bezirks, Benzenzimmern und Walxheim vor; im Übrigen ist es noch etwas verbreitet neben der Oberamtsstadt auch in den Gemeinden Rosenberg, Stödtlen und Wörth.

Die israelitische Bevölkerung [6] ist mit 0,70 % (O.Z. 20) ziemlich stark vertreten, noch stärker jedoch in den Nachbarbezirken Crailsheim und Neresheim; sie ist hauptsächlich in der Oberamtsstadt und der zweiten Stadt des Bezirks, Lauchheim, ansässig.


4. Trauungen.

Nach der Tab. oben S. 98 ff. vertheilt sich die Bevölkerung des Oberamts mit zus. 31.994 nach dem Familienstand folgendermaßen:

 Zahl der Unverheirateten  20.250
 Zhl d0 Verheirateten 0 9886
 Zhl d0 Verwitweten 0 1822
 Zhl d0 Geschiedenen .00036
|
Von der Zahl der Unverheirateten
mit zus. 20.250, neml. 9948 m. u. 10.302 w.
ist aber abzuziehen die Zahl der wegen Jugendlichkeit nicht heiratsfähigen, d. h. die Jünglinge bis zum 20., die Mädchen bis zum 16. Lebensjahr,
deren sind es 13.243, neml. 7134 m. u. 0.6109 w.
bleiben Ledige 0.7007, neml. 2816 m. u. 0.4193 w.
Die Zahl der Trauungen betrug
im Jahr 1879 207
 „Ja.001880 210
 „Ja.001881 204
 „Ja.001882 175
 „Ja.001883 183
1879/8300im Durchschnitt  196.

In dem die 20 Jahre 1838/57 umfassenden Zeitraum betrug die Zahl der im Bezirk getrauten Paare: 3699, durchschnittlich 185, worunter

246 Paare dem evangelischen
3432 Pare dm katholischen
0021 Pare dm israelitischen Glaubensbekenntnis angehörten.

Gemischte Ehen wurden gezählt

0027 unter den Evangelischen
0032 uner dm Katholiken
0000 uner dm Israeliten.

Bei diesen Mischehen waren 29 Bräutigame evangelischen, 30 katholischen Bekenntnisses.

Nach dem früheren Familienstand der Getrauten ergeben sich

Trauungen von a) mit
Jungfrauen
b) mit
Witwen
c) mit
geschied.
Frauen
Zusammen
1. Junggesellen 2819 226 3045
2. Witwern 0599 055 0654
3. geschiedenen Männern
3418 281 3699
| Über das Alter der Getrauten gibt nachstehende Tabelle Auskunft.
Die Prozentzahl der Getrauten, bei welchen
a) der Bräutigam alt war:
berechnet sich weniger
als volle
25 Jahre
25 bis
mit 30
Jahre
30 bis
mit 40
Jahre
über
40 Jahre
im Oberamt Ellwangen auf 4,73 31,98 43,93 19,36
 „ Oberamt Crailsheim 0 5,13 39,33 37,87 17,67
 „ Oberamt Neresheim 0 4,54 35,66 41,77 18,04
in Württemberg .resheim 8,39 44,04 33,24 14,33

b) die Braut alt war:
berechnet sich weniger als volle 20 Jahre 20 bis
mit 25
Jahre
25 bis
mit 30
Jahre
über 30
Jahre
im Oberamt Ellwangen auf 3,33 26,52 29,28 40,87
 „ Oberamt Crailsheim 0 4,50 29,17 31,05 35,28
 „ Oberamt Neresheim 0 2,88 23,54 33,53 40,04
in Württemberg .resheim 5,06 33,37 31,57 30,00

Das Alter der Bräutigame von unter 30 Jahren bleibt somit sowohl beim Bezirk Ellwangen als seinen 2 Nachbarbezirken hinter dem Landesmittel zurück, am meisten bei Ellwangen; die Zahl der Bräutigame im Alter von über 30 Jahren übertrifft somit das Landesmittel in diesen 3 Bezirken, voran im Bezirk Ellwangen.

Ähnlich ist das Verhältnis hinsichtlich des Alters der Bräute; nur nimmt hierin der Bezirk Neresheim den ungünstigsten Stand unter den 3 Bezirken ein. Das Heiraten in späterem Alter hängt im Wesentlichen mit dem ziemlich ausgebreiteten Großgrundbesitz in diesen Bezirken zusammen [7].

Das Verhältnis der Trauungen zur Einwohnerzahl blieb nach der folgenden Übersicht S. 109 im Bezirk Ellwangen in der ganzen Periode 1838–57 und den 3 einzelnen Zeitabschnitten unter dem Landesmittel, es verringerte sich, wie in den Nachbarbezirken und im Lande überhaupt, gegenüber der Periode 1838 bis 1845 in den Jahren 1846–55 und 1856–57, eine Folge der Theuerung und der wirthschaftlichen Krisis in dieser Periode.

(Fortsetzung S. 110.)
|
Frequenz der Heiraten im Oberamt Ellwangen von 1838/57.


Es beträgt I. in der 8jährigen
Periode von 1838/45
die durchschnittliche
Zahl der
II. in der 10jährigen
Periode von 1846/55
die durchschnittliche
Zahl der
III. in den 2 Jahren
1856 und 1857
die durchschnittliche
Zahl der
IV. in der 20jährigen
Periode 1838/57
die durchschnittliche
Zahl der
Trau-
ungen
orts-
anwe-
senden
Ein-
wohner
Trau-
ungen
auf je
1000
Ein-
wohner
Trau-
ungen
orts-
anwe-
senden
Ein-
wohner
Trau-
ungen
auf je
1000
Ein-
wohner
Trau-
ungen
orts-
anwe-
senden
Ein-
wohner
Trau-
ungen
auf je
1000
Ein-
wohner
Trau-
ungen
orts-
anwe-
senden
Ein-
wohner
Trau-
ungen
auf je
1000
Ein-
wohner
im Oberamt Ellwangen 200 28.582 7,00 179 29.801 6,01 157 29.293 5,36 185 29.120 6,35
 „ Oberamt Crailsheim 189 23.299 8,11 156 24.089 6,48 143 23.641 6,05 168 23.603 7,12
 „ Oberamt Neresheim 172 22.881 7,52 152 22.935 6,63 148 22.426 6,60 160 22.828 7,01
in Württemberg 12.737 1.663.026 7,66 10.436 1.961.849 6,17 10.267 1.676.780 6,12 11.339 1.647.956 6,88
|
(Fortsetzung von S. 108.)

In den Nachbarbezirken war das Verhältnis etwas günstiger, indem Crailsheim 1838–45 und 1846–55, Neresheim 1846 bis 1855 und 1856–57 und beide Bezirke im Durchschnitt der ganzen Periode über dem Landesmittel sich erhielten.

Für die Jahre 1857 bis 1870 sind keine speziellen trauungsstatistischen Aufnahmen gemacht worden; jedoch geben die Volkszählungen des Zollvereins und des Deutschen Reichs von 1861, 1867, 1871, 1875 und 1880, womit eine Aufnahme des Alters und Familienstands verbunden wurde, einen Einblick in diese Verhältnisse.

Es berechnet sich nemlich:

für das Oberamt
Ellwangen
für Würt-
temberg
1. das Lebensalter der mittleren
Verheiratungs-Wahrscheinlichkeit
bei den
männl. weibl. männl. weibl.
Personen Personen
a) nach der Zählung von 1861 auf Jahre 33 31 31 29
b) nah dr Zähung vn 1867 af Ja 33 30 30 29
c) nah dr Zähung vn 1871 af Ja 32 30 30 28
d) nah dr Zähung vn 1875 af Ja 29 28 28 26
e) nah dr Zähung vn 1880 af Ja 30 28 29 27
2. die Zahl der Verheirateten und der verheiratet Gewesenen unter je 1000 Einw.
a) nach der Zählung von 1861 auf Personen 335,0 375,0
b) nah dr Zähung vn 1867 af Pers 356,0 384,0
c) nah dr Zähung vn 1871 af Pers 367,0 396,0
d) nah dr Zähung vn 1875 af Pers 375,9 406,5
e) nah dr Zähung vn 1880 af Pers 367,1 396,3
3. die Zahl der verheirateten männlichen und weiblichen Personen unter je 100 Einwohnern von 25–30 Jahren
a) nach der Zählung von 1861 auf Jahre 16,0 37,0 31,3 44,7
b) nah dr Zähung vn 1867 af Ja 24,0 36,0 33,5 46,7
c) nah dr Zähung vn 1871 af Ja 24,0 42,0 39,5 52,0
d) nah dr Zähung vn 1875 af Ja 28,6 49,0 44,3 58,5
e) nah dr Zähung vn 1880 af Ja 29,5 46,5 42,0 58,5
4. die Zahl der unverheirateten männlichen und weiblichen Personen unter je 100 Einwohnern von 40–45 Jahren
a) nach der Zählung von 1861 auf Jahre 22,0 27,0 12,2 17,4
b) nah dr Zähung vn 1867 af Ja 21,0 25,0 15,9 21,1
c) nah dr Zähung vn 1871 af Ja 19,0 24,0 13,6 20,6
d) nah dr Zähung vn 1875 af Ja 14,6 21,9 11,1 17,6
e) nah dr Zähung vn 1880 af Ja 16,6 21,4 10,9 16,0
| Hienach waren, wie im Durchschnitt des Landes, so auch im Bezirk Ellwangen die Verehlichten bei den Zählungen 1871, 1875 und 1880 durchschnittlich jünger als 1861 und 1867, die Zahl der Verheirateten unter je 1000 Einwohnern zeigt sich bei den neueren Zählungen höher. Die Vermehrung der Zahl der Verheirateten im Alter von 25–30 Jahren und die Verringerung der Zahl der Ledigen im Alter von 40–45 Jahren weisen auf den Aufschwung der Industrie in Verbindung mit der Freizügigkeit und der gesetzlichen Erleichterung der Heiratsbedingungen hin.

Nach den neueren statistischen Erhebungen über die Bewegung der Bevölkerung, welche vom Bundesrath im Deutschen Reich veranlaßt wurden, kommen im Dezennium 1871–80 auf je 1000 Einwohner Trauungen:

in Württemberg 8,49
im Oberamt Ellwangen   7,94
 „ Obe Crailsheim 9,51
 „ Obe Neresheim 8,38
Unter je 100 Trauungen
sind solche, bei welchen
der Bräutigam die Braut
alt war
unter
30 Jahren
30 und
mehr
Jahre
unter
25 Jahre
25 und
mehr
Jahre
in Württemberg 56,40 43,60 38,87 61,13
im OA. Ellwangen 41,39 58,61 32,90 67,10
im OA. Crailsheim 50,22 49,78 34,48 65,52
im OA. Neresheim 45,61 54,39 34,53 65,47

Auch hieraus ist die Zunahme der Heiraten im Bezirk Ellwangen und seinen Nachbarbezirken, wie überhaupt im Lande gegenüber der Periode 1838/57 zu konstatiren. Ellwangen bleibt zwar, wie auch Neresheim hinter dem Landesmittel zurück, während Crailsheim denselben, wie in der früheren Periode übertrifft. Die Zahl der Bräutigame von weniger als 30 Jahren bleibt bei den 3 Bezirken und zwar am meisten bei Ellwangen hinter dem Landesmittel zurück; für die Bräute der jüngeren Klasse ist das Verhältnis ähnlich.

|
Nach der Jahreszeit
fanden Trauungen statt
in 1871–1880
April
bis
Juni
Juli
bis
September
Oktober
bis
Dezember
Januar
bis
März
in Württemberg 49.416 35.892 40.891 34.329
im Oberamt Ellwangen 00.747 00.588 00.561 00.578
somit in Prozenten
in Württemberg 30,78 22,36 25,47 21,39
im Bezirk Ellwangen 30,19 23,77 22,68 23,36

Wie im ganzen Lande, so wurden im Bezirk Ellwangen im Frühjahrsquartal die meisten Ehen geschlossen. Die Reihenfolge der 4 Monate mit den höchsten Ziffern ist im Lande: November, Mai, Februar, Oktober; in Ellwangen: Februar, Mai, November, Oktober.


5. Geburten.

Die Gruppirung der einfachen Summen der Geborenen nach Jahrzehnten bietet an sich schon ein Bild der Bevölkerungsbewegung, welches durch die nachfolgende Vergleichung mit der Volkszahl etc. eingehender dargestellt wird.

Die Zahl der Geborenen beträgt nach den einzelnen Jahrgängen und Jahrzehnten in der Zeit von 1813–1883.

Jahr Geborene Jahr Geborene Jahr Geborene
1813 803 1823 853 1833 893
14 749 24 868 34 1076
15 788 25 849 35 1036
16 824 26 820 36 987
17 719 27 850 37 1051
18 615 28 845 38 1022
19 886 29 807 39 1087
20 900 30 853 40 1052
21 902 31 898 41 1081
22 892 32 885 42 1146
Summe 1813/22: 8078 1823/32: 8528 1833/42: 10.431
|
Jahr Geborene Jahr Geborene Jahr Geborene
1843 1082 1853 989 1863 1151
44 1035 54 936 64 1140
45 1077 55 878 65 1135
46 1066 56 1019 66 1248
47 1047 57 1029 67 1284
48 989 58 1002 68 1180
49 1114 59 1051 69 1250
50 1098 60 1098 70 1246
51 1129 61 1022 71 1222
52 955 62 1095 72 1270
Summe 1843/52: 10.592 1853/62: 10.119 1863/72: 12.126

1873 1382 77 1306 81 1250
74 1361 78 1283 82 1301
75 1309 79 1340
76 1351 80 1233
Summe 1873/82: 13.066


Die Jahresdurchschnitte der 7 Jahrzehnte stellten sich folgendermaßen dar:

1813/22 808
1823/32 853
1833/42 1043
1843/52 1059
1853/62 1012
1863/72 1213
1873/82 1307

Eine kräftige Zunahme im ersten Jahrzehnt hemmte die Theuerung im Jahr 1817; im nächsten Jahrzehnt war die Zunahme erheblicher, ganz bedeutend aber in der darauf folgenden Periode 1833/42. Nicht ebenso stark nahm sie im 4. Jahrzehnt zu. Der Beginn der wirthschaftlichen Krisis zu Ende desselben und ihr Einfluß während des nächsten Jahrzehnts, besonders 1853/55, übte einen starken Rückschlag in der Zahl der Geborenen aus.

Die rasche Zunahme im Jahrzehnt 1863/72 hielt auch im nächsten Jahrzehnt bis 1877 an, von da bis 1882 allmähliche Abnahme der einzelnen Jahrgänge.

Wenn der Jahrgang 1883 mit 1168 Geborenen zur Berechnung des Jahresdurchschnitts des jüngst verflossenen Jahrzehnts 1874/83 beigezogen wird, so stellt sich die Zunahme dieses | Jahresdurchschnitts mit 1290 etwas niedriger, als die Zunahme pro 1873 bis 1882 mit 1307.

In den 71 Jahren 1813/83 sind im Bezirk Ellwangen 74.108 Kinder geboren, somit im Jahresdurchschnitt – 1044, was dem Jahresdurchschnitt 1833/42 ziemlich genau entspricht; im ganzen Lande ähnlich nach dem 5jährigen Durchschnitt 1833/37. Die Zunahme der Zahl der Geborenen des jüngsten Jahrzehnts 1873/82 gegenüber dem erstangeführten 1813/22 beträgt 62 % (für 1874/83 nur 60 %), die der Einwohnerzahl 33 %; im ganzen Land beträgt 1813 bis 1880 die Zunahme der Geborenen 63 %, der Einwohnerzahl 43 %.

Das Verhältnis der Geborenen, einschließlich Todtgeborenen zur Bevölkerung berechnet sich:

in der Periode in Württemberg im Oberamtsbezirk
Ellwangen Crailsheim Neresheim
1812/66 1:25,18 = 3,97 % 1:28,57 = 3,50 % 1:27,63 = 3,62 % 1:25,39 = 3,94 %
1867/70 4,35 % 4,08 % 4,52 % 4,46 %
1871/80 4,47 % 4,17 % 4,68 % 4,59 %

Die Zahl der Geburten ist im Bezirk Ellwangen somit auch im letzten Jahrzehnt wieder gestiegen, wie auch im Landesdurchschnitt, bleibt aber hinter diesem, wie früher, zurück, während die Nachbarbezirke in den 2 neueren Perioden denselben überschritten.

Für die einzelnen Abschnitte der Periode 1812/66 erhält man beim Bezirk Ellwangen folgende Verhältniszahlen der Geborenen [8] und zwar

für die
Periode
Ordnungsziffer 1 Geborenen
auf Einwohner
Prozente
1812/22 57 29,80 3,36
1822/32 59 30,40 3,29
1832/42 56 26,40 3,79
1842/52 56 28,01 3,57
1812/52 58 28,65 3,49
1846/56 56 29,75 3,36
1858/66 54 26,70 3,75
| Die Prozentzahl der Geburten, welche 1832/42 auf 3,79 gestiegen war, gieng im nächsten Jahrzehnt schon um 0,22 % herab, und betrug der Durchschnitt in der längeren Periode 1812/52:

3,49; bis 1866 näherte sie sich der Ziffer von 1832/42 und erfuhr eine ziemliche Steigerung 1867/70 und 1871/80.

Das Verhältnis der unehelich Geborenen zur Gesamtgeburtenzahl war im Zeitraum 1812/52

 in Württemberg 11,70 %      O.Z.
 im Oberamt Ellwangen 12,95 „ 19
  OberaamtCrailsheim  18,52 „ 02
  OberaamtNeresheim 13,66 „ 12

Ellwangen stellt sich zwar über das Landesmittel, steht aber seinen 2 Nachbarbezirken, unter welchen besonders Crailsheim mit O.Z. 2 hervortritt, nach.

Im nächsten Jahrzehnt besserte sich das Verhältnis etwas bei Crailsheim, es bewegte sich bis O.Z. 7 und darüber und wieder zurück zu O.Z. 2; die Bewegung bei Ellwangen und Neresheim war auch in dieser Zeit nicht extrem.

In dem Jahrzehnt 1871/80 kommen auf 100 Geborene unehelich Geborene

 in Württemberg 08,97 %
 im Bezirk Ellwangen 08,42 „
 iBmzrk Crailsheim  13,08 „
 iBmzrk Neresheim 11,11 „

Hienach zeigt sich neuerdings das Verhältnis der Unehelichen zu der Gesamtzahl der Geborenen erheblich günstiger.

Wie im Landesdurchschnitt ist in den 3 Bezirken die Prozentzahl der unehelich Geborenen eine niedrigere geworden, besonders im Bezirk Ellwangen, welches nun unter den Landesdurchschnitt sich stellt.

Nach dem Geschlecht der Geborenen kommen auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene in der Periode 1879/83 111,78, ferner

in der Periode in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen O.Z. Crailsheim O.Z. Neresheim O.Z.
1842/52 106,28 107,91 50 107,31 21 101,89 64
1846/56 100,31 104,03 55 105,55 42 103,42 59
1871/80 105,17 109,25 109,20 108,70
| Im Gegensatz zum Landesdurchschnitt, welcher in der jüngsten Periode einen kleinen Rückgang des Knabenüberschusses zeigt, haben Ellwangen und seine Nachbarbezirke eine bemerkenswerthe Zunahme desselben aufzuweisen und stellen sich die 3 Bezirke über das Landesmittel. Die neuesten absoluten Zahlen hiefür sind:
Geborene männlich weiblich zusammen
im Jahr 1879 757 583 1340
 „Ja00.1880 652 581 1233
 „Ja00.1881 631 619 1250
 „Ja00.1882 695 606 1301
 „Ja00.1883 587 581 1168
Durchschnitt 1879/83 664 594 1258

Der Knabenüberschuß bei den ehelich und unehelich Geborenen ist aus folgender Übersicht 1 und 2 ersichtlich.

1. Auf 100 ehelich weibl. Geborene kommen ehelich männl. Geborene.
in der
Periode
in
Württem-
berg
im
Oberamt
Ellwangen
O.Z. im
Oberamt
Crailsheim
O.Z. im
Oberamt
Neresheim
O.Z.
1842/52 106,51 104,37 52 107,08 29 102,92 61
1871/80 105,34 109,20 110,32 110,04
2. Auf 100 unehel. weibl. Geborene kommen unehel. männl. Geborene.
in der
Periode
in
Württem-
berg
im
Oberamt
Ellwangen
O.Z. im
Oberamt
Crailsheim
O.Z. im
Oberamt
Neresheim
O.Z.
1842/52 104,57 108,85 16 108,33 20 095,75 58
1871/80 103,46 109,77 102,04 101,46
Beim Oberamt Ellwangen hat somit der Knabenüberschuß bei den ehelichen und unehelichen zugenommen, beim Bezirk Crailsheim hat er bei den ehelichen zugenommen, bei den unehelichen hat er sich vermindert; bei Neresheim erhöhte er sich in beiden Fällen; dem Landesmittel gegenüber ist die Zunahme | bei den ehelichen in sämmtlichen 3 Bezirken hervorzuheben, bei den unehelichen stellt sich bloß Ellwangen über denselben.

Hier wird eine Übersicht über das Verhältnis der Geborenen zu der Zahl der über 14 Jahre alten weiblichen Personen angeschlossen.

Verhältnis in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen O.Z. Crailsheim O.Z. Neresheim O.Z.
a) für die Periode 1846/56 wie 1:9,39 1:10,95 57 1:10,16 47 1:8,95 22
b) für die Periode 1871/80 wie 1:7,85 1:8,45 1:7,57 1:7,69

Im letzteren Jahrzehnt zeigt sich die Fruchtbarkeit sowohl im Landesdurchschnitt als innerhalb der 3 Bezirke gegenüber der früheren Periode ziemlich größer. Ellwangen steht aber noch dem Landesdurchschnitt nach, während nunmehr Crailsheim und wie schon früher Neresheim über denselben sich erheben.

Im Anschluß hieran folgt eine Übersicht über das Verhältnis der Mehrgeburten bezw. der Mehrgeborenen und Todtgeborenen zur Gesammtzahl der Geborenen.

Es berechnete sich in
Württem-
berg
im Oberamtsbezirk
Ellwangen Crailsheim Neresheim
1. die Zahl der Mehrgeborenen und Mehrgeburten wie folgt:
im Durchschnitt der Jahre 1871/80 waren unter 100 Geborenen Mehrgeborene
2,67 2,94 3,10 2,72
in der Periode 1846/56 waren unter 100 Geburten Mehrlingsgeburten 1,29 1,15 1,57 1,42
2. die Zahl d. Todtgeborenen:
in den Jahren 1871/80 waren von je 100 Geborenen
3,76
 
2,41
(O.Z. 7)
4,06
(O.Z. 36)
2,41
(O.Z. 6)
in der Periode 1846/56 4,07
 
2,43
(O.Z. 5)
3,98
(O.Z. 27)
3,52
(O.Z. 19)
Die Zahl der Mehrgeborenen übertrifft in der neuen Periode in den 3 Bezirken das Landesmittel; in der früheren | Periode steht bloß Ellwangen etwas hinter dem Landesmittel zurück.

Die Zahl der Todtgeborenen hat sich, wie im Landesdurchschnitt, bei den 2 Bezirken Ellwangen und Neresheim, der früheren Periode gegenüber, verringert; sie stellt sich nur bei Crailsheim über das Landesmittel. Mit den übrigen Bezirken des Landes verglichen zeigen Ellwangen und Neresheim wie früher ganz günstige Ordnungsziffern.

Nach der Jahreszeit vertheilen sich die Geborenen (incl. Todtgeb.) 1871/80 April
bis
Juni
Juli
bis
September
Oktober
bis
Dezember
Januar
bis
März
in Württemberg 210.103 211.149 208.139 215.594
im Oberamt Ellwangen 21.3349 21.3167 21.3223 21.3268
somit in Prozenten
in Württemberg 24,87 24,99 24,63 25,51
im Oberamt Ellwangen 25,75 24,35 24,78 25,12

Während im ganzen Lande die günstigste Ziffer auf die Wintermonate Januar bis März kommt, fällt sie beim Bezirk Ellwangen auf die Frühjahrsmonate April bis Juni, wie auch beim oberen Kocher-, Jagst- und Remsgebiet, zu welchem es mit Aalen, Gmünd und Gaildorf gezählt werden kann.


6. Todesfälle.

Es starben einschließlich der Todtgeborenen

in den Jahren männlich weiblich zusammen Überschuß der Geborenen
1879 525 463 988 352
1880 503 434 937 296
1881 477 478 955 295
1882 523 463 986 315
1883 415 416 831 337
Durchschnitt 1879/83 488 451 939 319
| Die Darstellung des Verhältnisses der Gestorbenen zur Bevölkerung erstreckt sich in nachstehender Tabelle auf mehrere Perioden.
1 Sterbfall
kommt auf .. Lebende
in Württemberg in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
für die Periode 1812/66 1:31,52
= 3,17 %
1:34,17
= 2,93 %
1:33,75
= 2,96 %
1:30,49
= 3,28 %
für die 4 Jahre 1867/70 3,33 % 3,21 % 3,63 % 3,53 %
für die 10jährige Periode 1871/80 auf 3,25 % 3,12 % 3,25 % 3,60 %

Die Sterblichkeit des Oberamtsbezirks Ellwangen zeigt sich hienach in einem ganz günstigen Lichte, indem er in sämmtlichen 3 Perioden sowohl unter seine Nachbarbezirke als unter das Landesmittel sich stellt, während Crailsheim 1867/70 und Neresheim in den 3 Perioden dasselbe übersteigt.

Für die einzelnen Jahrzehnte der 40jährigen Periode 1812/52 ergeben sich folgende Prozentsätze

1812/22: 3,10
1822/32: 2,70
1832/42: 3,11
1842/52: 2,82.

Mit der größten Sterblichkeit im Jahrzehnt 1832/42 ist die größte Geburtenzahl verbunden (s. S. 113 oben), was bei den meisten Oberamtsbezirken des Landes für diese Periode zutrifft.

Ferner berechnet sich die Sterblichkeit des Bezirks für die Periode

1846/56 auf 2,80 % und
1858/66 auf 3,13 %

in letzterer Periode somit höher in Übereinstimmung mit der höheren Geburtsziffer.

Das Geschlecht der Gestorbenen kann aus der Tabelle S. 120 ersehen werden.

Das männliche Geschlecht ist somit entsprechend der höheren Geburtsziffer in neuerer Zeit stärker vertreten und nähert sich nunmehr dem Landesmittel; Crailsheim stellt sich, wie in den | früheren Perioden auch neuerdings nahe dem Landesmittel, während Neresheim hinter demselben noch ziemlich entfernt sich hält.
Auf 100 weibliche
Gestorbene kommen
männliche Gestorbene
in Württemberg in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
in der Periode 1842/52 104,66 101,40 104,62 100,54
n dr Peride 1846/56 103,08 098,38 103,10 098,59
n dr Peride 1871/80 107,85 106,96 107,26 102,68

Die Sterblichkeit nach der Jahreszeit ist in folgender Übersicht dargestellt.

Von 100 Gestorbenen incl. Todtgeborenen
entfallen auf die Monate
April
bis
Juni
Juli
bis
September
Oktober
bis
Dezember
Januar
bis
März
 in Württemberg
a) für die Periode 1846/56 23,63 24,16 24,76 27,45
b)  „n dr Perode 1871/80 24,35 26,17 24,08 25,40
im Oberamt Ellwangen
a) für die Periode 1846/56 25,10 22,99 23,52 28,39
b)  „n dr Perode 1871/80 24,30 24,14 25,02 26,54


Im Bezirk Ellwangen äußerte sich die Sterblichkeit am stärksten in den Wintermonaten (Januar bis März) in beiden Perioden, diesen folgen in der Periode 1846/56 die Frühjahrsmonate (April bis Juni), in der neueren Periode die Herbstmonate (Oktober bis Dezember).

Im ganzen Land zeigte sich die Sterblichkeit 1846/56 Januar bis März, sodann Oktober bis Dezember am höchsten, in der neueren Periode fällt diese größte Sterblichkeit in die Sommermonate Juli bis September, sodann folgen die Wintermonate Januar bis März.

Weiterhin ist aus den Übersichten über die Periode 1846/56 folgendes erwähnenswerth:

| Es kommen ferner
auf 100 Gestorbene
ausschl. Todtgeborene
in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
Verunglückte 0,85 1,05 0,67 1,01
Selbstmörder 0,36 0,21 0,31 0,23
     also kam
1 Unglücksfall auf Einwohner 3872 3514 5353 3069
1 Selbstmord auf Einwohner 9270 17.529 11.471 13.541


Nach den Medizinalberichten von 1873/78

kommen auf 100.000
Einwohner
in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
im Jahr 1873 Selbstmordsfälle 16 05
Unglücksfälle 25 20 12 29
Ja hr 1874 Selbstmordsfälle 16 12
Unglücksfälle 28 13 04 71
Ja hr 1875 Selbstmordsfälle 18 07 12 05
Unglücksfälle 27 10 16 29
Ja hr 1876 Selbstmordsfälle 18 10 15 09
Unglücksfälle 26 03 19 33
Ja hr 1877 Selbstmordsfälle 17 06 04 10
Unglücksfälle 29 26 12 05
Ja hr 1878 Selbstmordsfälle 23 07 12 10
Unglücksfälle 27 17 16 33


Alter der Gestorbenen.

Die jungen Altersklassen bis zum 14. Lebensjahr stehen nach der Tabelle S. 122 beim Bezirk Ellwangen unter dem Landesmittel, dagegen zeigt sich die Sterblichkeit größer bei sämmtlichen älteren Altersklassen.

| Unter 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen standen im Durchschnitt der 10 Jahre
1846 - 56 im
1.
im
2-7.
im
8-14.
im
15-20.
im
21-45.
im
46-70.
über
70.
Lebensjahre
in Württem-
     berg
42,18 O.Z.
9,99 O.Z.
2,39 O.Z.
1,91 O.Z.
10,83 O.Z.
20,69 O.Z.
12,01 O.Z.
im Oberamt
Ellwangen
37,59 2 8,73 2 1,94 2 2,06 2 11,35 3 22,91 2 15,42 3
im Oberamt
Crailsheim
37,48 1 9,23 3 1,95 3 2,30 3 10,70 2 23,82 3 14,52 2
im Oberamt
Neresheim
47,44 3 7,77 1 1,60 1 1,01 1 9,37 1 19,20 1 13,61 1


Gegenüber den Nachbarbezirken nimmt E. eine mittlere Stellung bei den 1–20jährigen und den 46–70jährigen ein, dagegen bei der Altersklasse der 21–45jährigen und den über 70jährigen die ungünstigste.

Der Nachbarbezirk Neresheim nimmt eine besonders günstige Stellung in der Sterblichkeit dieser Periode ein, so daß Crailsheim und Ellwangen blos bezüglich der jüngsten Altersklasse ihm gegenüber im Vortheil sind.

Die Prozentzahl der im 1. Lebensjahr Gestorbenen berechnet sich auf 100 Lebendgeborene überhaupt:

für die Periode in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
1812–66 auf 33,99 32,34 31,51 38,95
1871–80 auf 31,56 29,59 28,94 36,13
Bei den Lebendgeborenen betrug die Prozentzahl der im 2. bis 5. Lebensjahr Gestorbenen 6,84 6,22 6,89 5,67
der im 6.–15. Lebensjahr Gestorbenen 2,60 3,11 2,83 3,12
(Fortsetzung S. 126.)
|
Übersicht über die Bewegung der Bevölkerung in den 27 Gemeinden des Oberamts Ellwangen.
nach der Aufnahme von den Jahren 1871–80.
Num-
mer
im
Staats-
hand-
buch
Namen

der

Gemeinden
Höhe
über
dem
Meere
O.Z. Durch-
schnitt-
liche
Einwoh-
nerzahl
Es beträgt die durchschnittliche Anzahl der
Trau-
un-
gen
Gebo-
renen
inkl.
Todtge-
borenen
Gestor-
benen
inkl.
Todtge-
borenen
Gestor-
benen
exkl.
Todtge-
borenen
Todt-
gebo
renen
Lebend-
gebo-
renen
im 1.
Lebens-
jahr
gestor-
benen
Lebend-
gebo-
renen
im 2.–5.
Lebens-
jahr
Gestor-
benen
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
1 Ellwangen 439 22 4431,0 47,6 133,5 126,0 124,3 1,7 131,8 34,9 8,8
2 Benzenzimmern 454 18 222,3 2,1 9,1 7,0 7,0 9,1 2,8 0,4
3 Bühlerthann 376 27 1518,7 14,5 63,2 51,2 49,0 2,2 61,0 19,2 4,6
4 Bühlerzell 392 26 1299,0 7,6 52,1 39,8 38,4 1,4 50,7 14,7 3,4
5 Dalkingen 449 20 548,0 3,8 26,4 17,8 16,6 1,2 25,2 6,5 2,5
6 Ellenberg 573 1 1082,7 10,0 51,9 38,1 36,2 1,9 50,0 16,6 2,9
7 Geislingen 479 13 363,0 3,8 17,8 13,2 12,2 1,0 16,8 4,2 0,9
8 Jagstzell 423 25 1473,7 13,3 71,7 47,6 45,6 2,0 69,7 20,7 4,4
9 Lauchheim 491 11 1206,3 12,4 51,3 37,3 35,7 1,6 49,7 15,6 2,7
10 Lippach 497 8 466,7 3,6 26,0 16,9 15,9 1,0 25,0 6,8 1,9
11 Neuler 503 5 1498,7 11,2 63,5 49,1 47,4 1,7 61,8 19,3 4,4
12 Nordhausen 494 9 323,0 1,6 13,6 9,6 9,5 0,1 13,5 3,9 0,6
13 Pfahlheim 492 10 1147,7 10,5 53,9 39,2 37,5 1,7 52,2 17,2 2,2
14 Rindelbach 430 24 1188,0 4,3 56,9 40,6 39,5 1,1 55,8 18,9 3,9
15 Röhlingen 477 14 1728,0 12,5 61,2 44,3 43,5 0,8 60,4 16,0 2,5
16 Rosenberg 502 6 2037,7 16,9 94,7 57,5 55,2 2,3 92,4 21,5 5,7
17 Schrezheim 435 23 1530,0 6,1 78,7 54,2 52,3 1,9 76,8 25,3 4,3
18 Schwabsberg 462 17 867,3 4,4 36,7 25,6 24,8 0,8 35,9 9,8 2,8
19 Stödtlen 469 16 1456,7 5,7 58,8 42,0 40,8 1,2 57,6 16,7 3,8
20 Thannhausen 512 4 1270,3 12,7 53,1 42,5 41,0 1,5 51,6 16,4 2,6
21 U.-Schneidheim 479 12 947,0 9,9 39,9 35,7 35,1 0,6 39,3 14,1 2,3
22 U.-Wilflingen 448 21 368,0 2,4 17,6 13,3 12,4 0,9 16,7 4,9 0,6
23 Walxheim 526 2 229,3 2,9 8,2 6,1 6,0 0,1 8,1 1,8 0,9
24 Westhausen 473 15 1513,7 9,0 52,5 37,5 36,3 1,2 51,3 12,1 3,5
25 Wörth 451 19 943,3 7,6 45,8 32,2 31,3 0,9 44,9 14,6 2,6
26 Zipplingen 516 3 745,0 5,1 30,5 21,8 21,6 0,2 30,3 9,0 1,8
27 Zöbingen 502 7 770,7 5,9 32,1 26,2 25,9 0,3 31,8 12,1 2,0
OA. Ellwangen 31.175,7 247,4 1300,7 972,3 941,0 31,3 1269,4 375,6 79,0
|
Übersicht über die Bewegung der Bevölkerung in den 27 Gemeinden des Oberamts Ellwangen
nach den Aufnahmen von den Jahren 1871–80.

[Teil II]

Num-
mer
im
Staats-
hand-
buch
Namen

der

Gemeinden
Es kommen auf 100 Einwohner Es kommen a. 100
Geborene inkl. Todtgeb.
Gebo-
rene
inkl.
Todtge-
borene
O.Z. Gestor-
bene
inkl.
Todtge-
borene
O.Z. mehr
Gebo-
rene
als
Gestor-
bene
O.Z. Todtge-
borene
O.Z. Lebend-
gebo-
rene
Todtge-
borene
O.Z.
13. 14. 15. 16. 17. 18.
1 Ellwangen 3,01 27 2,84 5 0,17 27 0,04 4 98,73 1,27 6
2 Benzenzimmern 4,09 20 3,15 12 0,94 21 1 100,00 1
3 Bühlerthann 4,16 19 3,37 17 0,79 24 0,14 20 96,52 3,48 22
4 Bühlerzell 4,01 23 3,06 10 0,95 20 0,11 14 97,31 2,69 17
5 Dalkingen 4,82 6 3,25 14 1,57 5 0,22 25 95,45 4,55 25
6 Ellenberg 4,79 7 3,52 22 1,27 10 0,18 23 96,34 3,66 23
7 Geislingen 4,90 3 3,64 26 1,26 11 0,28 27 94,38 5,62 27
8 Jagstzell 4,87 4 3,23 13 1,64 3 0,14 21 97,21 2,79 18
9 Lauchheim 4,25 12 3,09 11 1,16 14 0,13 19 96,88 3,12 20
10 Lippach 5,57 1 3,62 25 1,95 1 0,21 24 96,15 3,85 24
11 Neuler 4,24 13 3,28 15 0,96 19 0,11 15 97,32 2,68 16
12 Nordhausen 4,21 15 2,97 9 1,24 12 0,03 2 99,26 0,74 3
13 Pfahlheim 4,70 10 3,42 20 1,28 8 0,15 22 96,85 3,15 21
14 Rindelbach 4.79 8 3,42 21 1,37 7 0,09 11 98,07 1,93 9
15 Röhlingen 3,54 25 2,56 2 0,98 18 0,05 7 98,69 1,31 7
16 Rosenberg 4,65 11 2,82 4 1,83 2 0,11 16 97,57 2,43 15
17 Schrezheim 5,14 2 3,54 23 1,60 4 0,12 17 97,59 2,41 14
18 Schwabsberg 4,23 14 2,95 8 1,28 9 0,09 12 97,82 2,18 12
19 Stödtlen 4,04 22 2,88 6 1,16 15 0,08 9 97,96 2,04 11
20 Thannhausen 4,18 17 3,35 16 0,83 23 0,12 18 97,18 2,82 19
21 U.-Schneidheim 4,21 16 3,77 27 0,44 26 0,06 8 98,50 1,50 8
22 U.-Wilflingen 4,78 9 3,61 24 1,17 13 0,24 26 94,89 5,11 26
23 Walxheim 3,58 24 2,66 3 0,92 22 0,04 5 98,78 1,22 5
24 Westhausen 3,47 26 2,48 1 0,99 17 0,08 10 97,71 2,29 13
25 Wörth 4,86 5 3,41 19 1,45 6 0,10 13 98,03 1,97 10
26 Zipplingen 4,09 21 2,93 7 1,16 16 0,03 3 99,34 0,66 2
27 Zöbingen 4,17 18 3,40 18 0,77 25 0,04 6 99,07 0,93 4
OA. Ellwangen 4,17 3,12 1,05 0,10 97,59 2,41
|
Übersicht über die Bewegung der Bevölkerung in den 27 Gemeinden des Oberamts Ellwangen
nach den Aufnahmen von den Jahren 1871–80.

[Teil III]

Namen

der

Gemeinden
Es kommen im Auf 100 Lebend-
geborene kommen
Von 100 im 1. Lebens-
jahre Gestorbenen (Lebend-
geborene) sind
1ten 2–5ten
Lebensjahr Gestorbene
auf 100
Lebend-
geborene
O.Z. auf 100
Gestor-
bene
exkl.
Todtge-
borene
O.Z. auf 100
Lebend-
geborene
O.Z. auf 100
Gestor-
bene
exkl.
Todt-
gebore
O.Z. Ehe-
liche
Unehe-
liche
O.Z. Ehe-
lich
Gebo-
rene
Unehe-
lich
Gebo-
rene
O.Z.
19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
Ellwangen 26,48 6 28,08 1 6,68 18 7,08 8 94,99 5,01 3 90,83 9,17 15
Benzenzimmern 30,77 16 40,00 12 4,40 4 5,71 2 89,01 10,99 23 85,71 14,29 25
Bühlerthann 31,48 19 39,18 9 7,54 23 9,39 19 84,26 15,74 27 81,25 18,75 27
Bühlerzell 28,99 11 38,28 6 6,71 19 8,85 16 88,36 11,64 25 87,76 12,24 21
Dalkingen 25,79 5 39,16 8 9,92 26 15,06 27 93,25 6,75 10 96,92 3,08 2
Ellenberg 33,20 24 45,86 22 5,80 11 8,01 12 86,80 13,20 26 84,34 15,66 26
Geislingen 25,00 4 34,43 4 5,36 7 7,38 9 96,43 3,57 1 95,24 4,76 4
Jagstzell 29,70 14 45,39 21 6,31 16 9,65 21 90,96 9,04 17 90,82 9,18 16
Lauchheim 31,39 18 43,70 20 5,43 8 7,56 10 91,75 8,25 13 94,87 5,13 6
Lippach 27,20 8 42,77 19 7,60 24 11,95 25 91,20 8,80 15 91,18 8,82 14
Neuler 31,23 17 40,72 15 7,12 22 9,28 17 91,91 8,09 12 87,05 12,95 24
Nordhausen 28,89 10 41,05 17 4,44 5 6,32 5 91,11 8,89 16 89,74 10,26 18
Pfahlheim 32,95 23 45,87 23 4,21 3 5,87 4 94,64 5,36 5 91,77 5,23 7
Rindelbach 33,87 25 47,85 26 6,99 21 9,87 22 94,62 5,38 6 92,59 7,41 12
Röhlingen 26,49 7 36,78 5 4,14 2 5,75 3 94,04 5,96 7 94,38 5,62 8
Rosenberg 23,27 2 38,95 7 6,17 14 10,33 23 90,04 9,96 21 87,44 12,56 23
Schrezheim 32,94 22 48,37 27 5,60 9 8,22 13 90,63 9,37 19 90,12 9,88 17
Schwabsberg 27,30 9 39,52 10 7,80 25 11,29 24 94,71 5,29 4 94,90 5,10 5
Stödtlen 28,99 12 40,93 16 6,60 17 9,31 18 90,80 9,20 18 94,01 5,99 9
Thannhausen 31,78 20 40,00 13 5,04 6 6,34 6 93,41 6,59 9 93,29 6,71 11
U.-Schneidheim 35,88 26 40,17 14 5,85 12 6,55 7 91,60 8,40 14 88,65 11,35 20
U.-Wilflingen 29,34 13 39,52 11 3,59 1 4,84 1 92,81 7,19 11 91,84 8,16 13
Walxheim 22,22 1 30,00 2 11,11 27 15,00 26 95,06 4,94 2 100,00 0,00 1
Westhausen 23,59 3 33,33 3 6,83 20 9,64 20 88,69 11,31 24 89,26 10,74 19
Wörth 32,52 21 46,65 24 5,79 10 8,31 14 90,42 9,58 20 87,67 12,33 22
Zipplingen 29,70 15 41,67 18 5,94 13 8,83 15 93,73 6,27 8 95,56 4,44 3
Zöbingen 38,05 27 46,72 25 6,29 15 7,72 11 89,62 10,38 22 93,39 6,61 10
OA. Ellwangen 29,59 39,91 6,22 8,40 91,54 8,46 90,55 9,45
|
(Fortsetzung von S. 122.)

Dem Landesmittel gegenüber steht somit Ellwangen und Crailsheim in Betreff der Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr zurück, wogegen Neresheim in beiden Perioden sowohl den 2 Nachbarbezirken als dem Landesmittel in ziemlich ungünstigem Verhältnis voransteht.

Die im 2–5. Lebensjahr Gestorbenen sind bei Crailsheim am zahlreichsten und stellen sich über das Landesmittel, während Ellwangen und Neresheim zurückstehen.

Die im 6.–15. Lebensjahr Gestorbenen sind bei sämmtlichen 3 Bezirken zahlreicher als im Landesmittel.

Über die Kindersterblichkeit in den einzelnen Gemeinden gibt die Übersicht über die Bewegung der Bevölkerung in den 27 Gemeinden des Bezirks in der Periode 1871–80 S. 123 ff. Auskunft.

Die Kindersterblichkeit im 1. Lebensjahr steigt von 22,22% der Lebendgeborenen bei Walxheim bis 38,05% bei Zöbingen; über das Landesmittel von 31,56% erheben sich die 8 Gemeinden nach der aufsteigenden Ordnungsziffer Thannhausen, Wörth, Schrezheim, Pfahlheim, Ellenberg, Rindelbach, Unterschneidheim und Zöbingen. Über das Bezirksmittel von 29,59% auf 100 Lebendgeborene erheben sich außer den eben angeführten noch weitere 6 Gemeinden mit Ziffer 29,70 bis 31,48 %: Jagstzell, Zipplingen, Benzenzimmern, Neuler, Lauchheim und Bühlerthann, somit im Ganzen 14 Gemeinden mit einer Sterblichkeit von 29,70 bis 38,05 % der Lebendgeborenen.

Welchen Einfluß die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr bei diesem Bezirk auf die Sterblichkeitsziffer überhaupt ausübt, ergibt sich daraus, daß unter diesen 14 Gemeinden 13 mit einem das Bezirksmittel von 39,91 % überschreitenden Prozentsatz der Gestorbenen von 40,00 bis 48,37 aufweisen und 12 Gemeinden eine das Bezirksmittel von 3,12 % übersteigende Mortalitätsziffer (s. Spalte 14) von 3,15 bis 3,77 auf 100 Einwohner zeigen.

Mit der größeren Sterblichkeitsziffer der bis 1 Jahr alten Kinder bei jenen 14 Gemeinden ist auch die gewöhnlich in Zusammenhang damit stehende Geburtenziffer in Betracht zu ziehen und ist hiebei für 10 Gemeinden eine das Bezirksmittel von 4,17 % übersteigende Ziffer auf 100 Einwohner von 4,18 bis 5,14 % Geborener zu konstatiren, bei einer elften

Gemeinde ist das Bezirksmittel mit 4,17 erreicht, eine weitere | Gemeinde kommt mit 4,16 demselben sehr nahe. Ein Geburtenüberschuß, welcher das Bezirksmittel von 1,05 noch übertrifft, stellt sich bei 8 Gemeinden von jenen 14 heraus mit 1,16 bis 1,64 Prozent.

Die Sterblichkeit bei der Altersklasse der 2–5 Jahre alten Kinder ist bei den 14 Gemeinden mit höherer Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahre als mäßige zu bezeichnen, indem blos 5 Gemeinden eine das Bezirksmittel mit 6,22 % überschreitende Ziffer von 6,29 bis 7,54 % zeigen.

In Betreff des Verhältnisses der Lebend- und Todtgeborenen gehört dieser Bezirk zu den günstigsten im Lande (O.Z. 7). Dies scheint auch bei diesen 14 Gemeinden sich zu äußern, indem blos 7 den Bezirksdurchschnitt von 2,41 % mit 2,68 bis 3,66 übertreffen und ein weitere demselben gleichkommt.

Das Verhältnis der ehelich Lebendgeborenen zu den unehelichen ist bei den 14 Gemeinden nicht ungünstig zu nennen, indem nur die Hälfte dieser Gemeinden eine das Bezirksmittel von 8,46 % überschreitende Ziffer 9,04 bis 15,74 % (O.Z. 17–27) aufweisen.

Wenn die Höhe über dem Meere auf die Kindersterblichkeit von Einfluß ist (?), so möge hier nicht unerwähnt bleiben, daß 8 Gemeinden von jenen 14 Gemeinden mit höherer Kindersterblichkeit eine höhere Lage gegenüber den übrigen Gemeinden im Bezirk aufweisen.


7. Der natürliche Zuwachs durch den Überschuß der Geborenen
über die Gestorbenen und die wirkliche Zunahme.

Der natürliche Zuwachs berechnet sich:

in der Periode in Württemberg für die Oberamtsbezirke
Ellwangen Crailsheim Neresheim
% % % %
1812/66 auf 0,81 0,57 0,66 0,66
in den 4 Jahren 1867 bis 70 auf 1,02 0,87 0,89 0,93
in den 10 Jahren 1871 bis 80 auf 1,22 1,05 1,43 0,99
| Im Durchschnitt der 68 Jahre 1812/80 macht der natürliche Zuwachs durch den Überschuß der Geburten über die Todesfälle im Oberamtsbezirk Ellwangen 0,66% pro Jahr aus, während die wirkliche Vermehrung nach dem Durchschnitt der Jahre 1812/80 jährlich 0,48% beträgt; somit fehlen am Bestand der Bevölkerung, welcher nach dem Geburtenüberschuß zu erwarten gewesen wäre, 18%; von je 10.000 Einwohnern sind daher alljährlich 18 in andere Oberamtsbezirke, in das übrige Deutsche Reich oder in das Ausland weggezogen. In dem Jahrzehnt 1842/52 hat Ellwangen die günstige Ordnungsziffer 44, indem erst auf 435 Einwohner 1 Auswanderer kam. Die Bezirksgruppe des oberen Kocher-, Jagst- und Remsgebiets, zu welcher es mit Aalen, Gmünd und Gaildorf gezählt werden kann, weist sogar blos 1 Auswanderer auf 747 Einwohner auf. Auch im nächsten Jahrzehnt scheint Ellwangen blos mäßige Auswanderung gehabt zu haben; nach den Württ. Jahrb. 1858 hatte es in diesem Jahre die wenigsten männlichen Auswanderer 1:1558.


B. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.[9]

Die nördliche Grenze des Oberamtsbezirks Ellwangen gegen das Oberamt Crailsheim und gegen Dinkelsbühl bildet zugleich eine ziemlich scharfe Grenzlinie zwischen schwäbischem und fränkischem Volksstamm. Diese Grenze entspricht dem waldigen Höhenzug, der vom „Mainhardter“ und „Welzheimer Wald“ her, von den engen Thälern des Kochers und der Jagst durchbrochen, ins bayrische Franken hinüber sich erstreckt – dürftiger Sandboden, der weiße Keupersandstein, das Gebiet der Fichte, des Heidekrauts und der Heidelbeere. Als der schwäbisch-alemannische Stamm nach den Kämpfen am Ende des 5. Jahrhunderts einen Theil seiner bisherigen Wohnsitze verlassen und vor den eindringenden Franken südwärts zurückweichen mußte, da mochte wohl der finstere Fichtenwald mit den unwegsamen Schluchten und dem mageren den Anbau wenig lohnenden Boden weiterem Vordringen der Eroberer ein Ziel setzen. Den alten Stammesunterschied hat die konfessionelle Trennung befestigt: hier die katholische geistliche Herrschaft, dort die Reformation (Ansbach, Hohenlohe, Hall). Mischung durch Heiraten herüber und hinüber war damit ausgeschlossen.

| In der Mundart (s. u.) gibt auf ganz kurze Entfernungen die andere Stammesart sich kund. Ganz anders lauten die Worte aus dem Munde der Gemeindeangehörigen von Jagstzell oder Rindelbach diesseits, Honhardt oder Jagstheim jenseits. Doch lassen einige Ortschaften Übergänge wahrnehmen, so Hummelsweiler, evangelisch, zur politischen Gemeinde Rosenberg aber zur Pfarrgemeinde Honhardt gehörig, von der andern Seite der katholische einst ellwangische Ort Stimpfach. Fränkische Anklänge findet man auch im Bühlerthal, hauptsächlich aber in den an den Zuflüssen der fränkischen Wörnitz gelegenen Theilen der Gemeinden Wörth und Stödtlen, auch am Ostrand des Oberamtsbezirks – Geislingen, Zipplingen, Wilflingen, Benzenzimmern.

Auch Bauart und Farben der Häuser zeigen den Wohnsitz eines anderen Stammes. Sofern man auf Grund der Mundart, die auch innerhalb des schwäbischen Gebiets oft auf kleine Entfernungen von Landschaft zu Landschaft, oft von Ortschaft zu Ortschaft ihre Besonderheiten wahrnehmen läßt, und auf Grund sonstiger Landesart und Volksart unterscheidet zwischen Süd- und Nord-, Ober- und Unterschwaben oder Oberland und Unterland, so nimmt der Oberamtsbezirk Ellwangen zwischen beiden eine Mittel- oder Übergangsstellung ein. Durch das kühlere Klima und entsprechend die Art des Bodenanbaus ist dieser zum größeren Theil dem Neckargebiet angehörende Landestheil dem Oberland zugewiesen.

H. v. Hölder bezeichnet in seiner „Zusammenstellung der in Württemberg vorkommenden Schädelformen“ – Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 1876 – auf Taf. V. die Bewohner des größeren Theils des Oberamtsbezirks Ellwangen – östlich der Jagst – als vorherrschend brachycephal, somit als nicht germanisch.

Bei Gelegenheit der Impfungen im Jahr 1884 wurde von den zur öffentlichen Impfung gebrachten Kindern – die meisten im Alter von 1/2 bis 11/2 Jahre, wenige um 1, auch 2 Jahre älter – die Farbe der Augen und der Haare aufgezeichnet. Das Ergebnis ist in der Übersicht S. 130 enthalten.

Ein anderer Jahrgang würde wohl etwas andere Zahlenverhältnisse geben, im Ganzen aber doch ein gleiches oder ähnliches Farbenbild zeigen. Da ist nun zu beachten: Von den blauen Kinderaugen wird die Mehrzahl mit der Zeit grau, |
Gemeinden Augen Haare Zahl
der
Kinder
blau,
hell
blaugrau
gelbgrau,
dunkelgrau
hell-
braun
dunkel-
braun
weißblond,
aschblond
hell
gelbblond
rothblond,
roth
hell-
braun
dunkel-
braun
Bühlerthann 16 5 3 7 5 15 2 9 31
Bühlerzell 1 1 1[10]
Rosenberg 29 9 1 9 15 16 14 3 48
Neuler 22 9 7 6 11 15 2 15 1 44
Jagstzell 7 7 1 3 3 4 8 3 18[11]
Rindelbach 16 8 3 11 9 9 2 10 8 38
Ellwangen 26 9 5 9 10 16 2 15 6 49[11]
Schrezheim 24 12 4 7 9 11 3 21 3 47
Schwabsberg 9 3 2 6 5 5 1 9 20
Dalkingen 12 4 1 3 2 10 1 6 1 20
Westhausen 15 8 1 8 11 10 1 9 1 32
Lauchheim 10 8 3 4 2 9 2 9 3 25
Lippach 9 2 8 5 7 6 1 19
Röhlingen 27 9 6 16 7 18 6 25 2 58
Pfahlheim 15 5 5 10 10 14 2 8 1 35
Ellenberg 16 3 2 7 7 8 5 8 28
Wörth 14 9 2 3 10 8 2 6 2 28
Stödtlen 25 6 6 5 8 20 2 8 4 42
Thannhausen 16 8 2 10 6 11 6 10 3 36
Unter-Schneidheim 12 3 4 9 6 9 1 10 2 28
Walxheim 7 2 5 3 1 9
Zöbingen 14 5 4 6 7 10 9 3 29
Nordhausen 9 2 2 5 5 3 13
Zipplingen 9 6 5 5 6 9 2 7 1 25
Geislingen 7 1 2 3 4 2 1 10
Unter-Wilflingen 8 2 4 4 4 2 4 14
Benzenzimmern 3 1 2 2 3 1 6
Summe 377 144 69 163 173 253 46 232 49 753
 
in Prozenten 50,1 19,1 9,2 21,6 23,0 33,6 6,1 30,9 6,4


einige werden hellbraun. Die gelbgrauen und dunkelgrauen Augen – vergl. das „Königreich Württemberg“ Bd. II. 1. S. 19. 20 – gehen meist in hellbraun oder auch dunkelbraun | über, oft ist es schwer zu sagen, je nach dem Lichtreflexe, ob ein solches Auge als grau oder braun zu bezeichnen sei. Die weißblonden oder aschblonden Haare werden später hellbraun oder dunkelbraun, die gelbblonden dunkelblond oder braun, die hellbraunen dunkler. Unter den rothen Haaren sind zu unterscheiden die gelbrothen, die meist dunkelblond oder hellbraun werden, und die sattrothen oder braunrothen, die auch bei der semitischen Rasse nicht ganz selten sind, diese werden meist dunkelbraun. Ähnlich wie bei den Impflingen hat die Farbe der Augen und Haare bei den Schulkindern sich verhalten (s. das K. Württemberg Bd. II. 1. S. 22), in jedem einzelnen Falle aber wäre das Lebensalter mit in Betracht zu ziehen.

Unter den Erwachsenen des mittleren Lebensalters sind heller oder dunkler braune Haare vorherrschend, weniger häufig blonde oder braunschwarze (pechschwarze); blauschwarze (rabenschwarze) Haare werden kaum vorkommen.

Die Farbe der Augen und Haare als Merkmal der Abstammung zeigt eine gemischte Bevölkerung, zusammengewachsen aus germanischem Stamm und dunkelaugigen, dunkelhaarigen Rassen – alter römischer, d. h. aus Provinzen des weiten Römerreiches hergekommener Ansiedlung, wohl auch Resten vorgermanischer Landesbewohner, endlich späterer Einwanderung. Dieser Mischung entspricht auch die Mannigfaltigkeit der Gesichtszüge und des Wuchses. Mitunter sieht man auch Gesichter und Gestalten, die recht gut an den mongolischen Typus erinnern.

Wer bei den Impfungen diese Kinder gesehen hat, die meisten so rund und dick, so gesund kräftig und blühend aussehend, der könnte erwarten, bei der Rekrutenmusterung eine Musterauslese angehender Vaterlandsvertheidiger zu finden. Da zeigt sich aber ein etwas anderes Bild.

Die Ergebnisse der Aushebungen in den 5 Jahren 1879 bis 1884 sind folgende [12]:

Von der militärdienstpflichtigen im Oberamtsbezirk Ellwangen zur Musterung gestellten Mannschaft sind:

|
ausge-
hoben
freiwillig
einge-
treten
zur Ersatz-
reserve I
über-
nommen
zur Ersatz-
reserve II
über-
nommen
zurück-
gestellt
ausge-
mustert
überzählig
geblieben
Summa
I. 20jährige [13]  
1879 61 1 9 5 109 55 7 247
1880 64 9 7 165 29 274
1881 78 3 14 1 108 32 1 237
1882 81 1 11 2 144 29 268
1883 80 4 19 5 129 50 287
1884 67 1 8 4 125 34 7 246
Summa 431 10 70 24 780 229 15 1559
II. 21jährige  
1879 14 2 1 2 70 13 15 117
1880 21 1 5 1 90 9 127
1881 35 1 11 5 104 10 166
1882 14 3 5 1 84 1 1 109
1883 30 1 10 1 93 14 149
1884 24 1 3 1 87 4 120
Summa 138 9 35 11 528 51 16 788
III. 22jährige  
1879 10 1 5 30 1 17 64
1880 19 40 9 2 7 77
1881 17 2 54 4 4 8 89
1882 25 3 50 2 3 16 99
1883 20 27 14 6 11 78
1884 9 3 33 19 2 19 85
Summa 100 9 209 78 18 78 692
IV. Ältere  
1879 1 3 2 6
1880 1 2 3
1881 1 1
1882 3 1 4
1883 1 5 6
1884 2 2
Summa 2 3 1 14 2 22
|
Die Musterungen der Jahre 1859 bis 1864 ergaben
für Württemberg
%
für OA. Ellwangen
%
Tüchtige 47,235 52,510
Unterm Maß 03,215 03,780
Untüchtige 48,235 42,823

Die Grenze des militärtüchtigen Wuchses war 157,5 cm (seit 1875 157,0 cm). Die Aushebung fand damals in dem Kalenderjahr statt, welches auf das zurückgelegte 20. Lebensjahr folgt. Die mittlere Körpergröße der Gemusterten ist nach den Ergebnissen der Jahre 1876, 1877, 1878 (Aushebung um ein Lebensjahr früher) berechnet für Württemberg 165,1 cm, für das OA. Ellwangen 165,0 cm (Med. Korresp.-Blatt 1865. Königr. Württ. Bd. II. 1. S. 36–45). Demnach nimmt der Oberamtsbezirk Ellwangen nach der Körperbeschaffenheit der militärpflichtigen Mannschaft eine mittlere Stellung ein.

Bei der Musterung des Jahres 1884 war besonders zweierlei in die Augen fallend: die unfertige zurückgebliebene Entwicklung der Mehrzahl der Zwanzigjährigen und auch vieler von der älteren Mannschaft. Die Hauptursache wird man in der überwiegenden Pflanzennahrung, der durch ungeschickte Zubereitung oft schwer verdaulichen Mehlnahrung, dem Mangel an Fleischnahrung zu suchen haben. Eine etwas kräftigere Jugend mag durchschnittlich auf den fruchtbaren Böden des schwarzen und braunen Jura wachsen, als auf dem mageren Keupersandboden, erheblich ist der Unterschied nicht. Neben schwach entwickelter Brust, mageren Schultern und Armen macht sich aber besonders bemerklich der mangelhafte Zustand der unteren Gliedmaßen. Zwar ausgebildeter Plattfuß mit Einwärtsabweichung der Knöchel ist nicht auffallend häufig, aber flaches, halb eingesunkenes Fußgewölbe, der „Flachfuß“ ist vielfach zu sehen, meist in Verbindung mit verschobenen, verkrümmten, zusammengepreßten, besonders auch rückwärts und aufwärts geschobenen und krallenförmig gekrümmten Zehen, dabei häufig einwärts, seltener auswärts gekrümmte Kniee („Xbeine“ „Säbel“- oder „Obeine“) und schlechte Waden.

Tragen zu schwerer Lasten auf den zu schwachen jungen Beinen mag manchmal den Anlaß geben. Die Hauptursache aber ist doch nicht weit zu suchen. Der Fuß des Menschen ist durch seinen inneren Bau und seine besondere äußere Form dazu eingerichtet, daß der Mensch auf zwei Füßen aufrecht steht und geht. Die herkömmliche und von der Mode vorgeschriebene Fußbekleidung, Stiefel oder Schuh, entspricht aber keineswegs | dem Fuß des Menschen, wie er von Natur gewachsen ist, sondern vielmehr den Fortbewegungsorganen von Thieren, die auf 4 Füßen laufen, oder mit 4 „Greifhänden“ auf den Bäumen herumklettern. Der Menschenfuß wird von hinten nach vorn, von der Ferse bis zur Spitze der kleinen Zehe breiter, hat seine größte Länge an der innern Seite und wird von da von Zehe zu Zehe kürzer; am Thierfuß ist die mittlere Zehe die längste und der Fuß wird symmetrisch nach beiden Seiten kürzer, der Fuß wird gegen die Spitze zu schmäler.

Eingepreßt in ein ganz oder nahezu symmetrisches, d. h. beiderseits von der Mittellinie gleich zugeschnittenes, keilförmig von beiden Seiten nach vorn schmäler zulaufendes, vorn zugespitztes oder quer abgestutztes, der natürlichen Form eines Menschenfußes ganz ungleiches Futteral sind die Zehen bewegungsunfähig gemacht, die Entwicklung ihrer Muskeln und Sehnen ist gehemmt, damit die Kraft gelähmt, welche dem Fuß und besonders dem Fußgewölbe Festigkeit geben soll, und nicht nur die Zehen sind außer Thätigkeit gesetzt, auch das Knöchelgelenk kommt im Gang nicht recht zur Verwendung, die Fortbewegung geschieht mit Hüft- und Kniegelenk. Daher der eigenthümlich schwerfällige Gang und die mangelhaft entwickelten Waden. Kommen irgendwelche weitere Umstände dazu, so entstehen Ausweichungen der Knochen, denen der Halt durch kräftige Muskeln fehlt. Von den Zehen leidet am meisten die längste, stärkste, für den Gang des Menschen wichtigste, die Daumenzehe. Man kann sie zuweilen fast rechtwinklig nach außen abgebogen finden.

Die ärgsten Mißgestalten der Füße macht aber noch nicht der elegante, schmale, spitze, in seiner Form dem Fuß (der Hinterhand) eines Pavians entsprechende Modeschuh, sondern der plumpe zu kurze einem Bärenfuß ähnliche Bauernschuh. Oft ist auch dem wachsenden Fuß des Kindes der Schuh zu kurz geworden, aber er muß so lang getragen werden, bis man ihn gar nicht mehr zusammenflicken kann.

Während sonst nur die kleinen Kinder noch die naturgemäße Form des Menschenfußes zeigen, kann man doch hier, wo der vorherrschende Sandboden das Barfußgehen begünstigt, mitunter auch größere Kinder mit ziemlich geraden Zehen sehen. Im übrigen ist die künstliche Zehenverkrümmung bekanntlich keine Besonderheit dieser Gegend, sondern eine Errungenschaft der heutigen „civilisirten“ Menschheit.


Die Hauptbeschäftigung der Mehrzahl der Bevölkerung ist der Feldbau. Die größte Stadt des ausgedehnten Bezirks hat noch nicht 5000 Einwohner, die zweitgrößte Ortschaft („Stadt“) wenig über 1000, dann kommen Ortschaften mit weniger als 1000, Weiler und Höfe, im Ganzen 315 Wohnplätze. Die vielen kleinen Wasserkräfte sind von den Mahl- und Sägmühlen in Besitz genommen und sonstige fabrikartige Industrie gibt es nicht. Somit fehlt auch die Bevölkerungsklasse der Fabrikarbeiter, und mit den kleinstädtischen und ländlichen Gewerbebetrieben ist meist mehr oder weniger Feldbau verbunden. Einen nicht unbedeutenden Theil der Arbeitskräfte nehmen auch | die Waldarbeiten in Anspruch, die zum Theil nicht wenig Kraftanstrengung erfordern. Die Feldarbeiten verlangen weniger große Kraft als zähe Ausdauer und an dieser fehlt es nicht.

Große oder stämmige und kleine oder schmächtige, starke und schwächere Leute gibt es hier wie überall, der Durchschnitt ist die mittlere Statur. Wer eine Rekrutenmusterung gesehen hat, der wird kaum mehr bestreiten, daß auch der ländlichen Jugend zweckmäßige Turnübungen ganz zuträglich sein müßten.

Übergehend zur Ernährung werden wir erwarten dürfen, daß in der einstigen Hauptstadt eines geistlichen Fürstenthums, in der Stadt Ellwangen, man nicht schlecht ißt und trinkt. Der erste Gruß gebührt dem trefflichen Roggenbrot, das auch in weiteren Entfernungen bekannt und begehrt, mit regelmäßigen Sendungen seinen Weg dahin gefunden hat. Und sonst noch hat der Brotesser reiche Auswahl. Da gibt es zuerst zum Frühstück Milchbrot, Bretzeln, Hörnlein und Zöpfe, dann Tafellaibe, Kapitelbrot, Studentenküchlein, weiße gerissene und rothe Wecken, Kernkipf, weiße und schwarze Kipf, Kümmicher, Laugenbretzeln, Laugenwecken, auch Seelen und Schneckennudeln u. s. w. Und gar an der Kirchweih, da ißt alle Welt Kirbekuchen und Krapfen, so viel der Magen fassen kann, und dann gibt es sonst gar kein anderes Gebäck.

Auch draußen in den Dörfern liefern die Bäcker meist recht gutes Brot. Der sonderbare altwürttembergische Brauch, das Brot ungesalzen zu backen und zu essen, ist hier unbekannt.

Auch die Ellwanger Würste erfreuen sich weithin wohlverdienter Anerkennung. Aber die besten Mastochsen, die der rinderreiche Bezirk erzeugt und ernährt, wandern in die Ferne, und den Werth gemästeten Hammelfleisches weiß der Pariser besser zu schätzen und zu bezahlen; der Heimat, wo man die Heerden weiden sah, verbleiben die abgängigen Schafe und Hämmel.

Bei der Landbevölkerung ist die vegetarianische Lebensweise vorherrschend, nicht einer Theorie zulieb, sondern nach der Regel: man nehme, so man hat. Das hausgebackene Brot, meist mit Sauerteig bereitet aus Roggen, manchmal mit Zusatz von Gerste oder Kernen, auch Kartoffeln, in runde Laibe geformt, ist kräftig aber schwer verdaulich. Ein runder Laib mit 40 cm Durchmesser und 5–6 kg Gewicht kann kaum ganz und gleich durchgebacken sein. Zweck des Brotbackens ist, wie alles Backens und Kochens, der Magenverdauung vorzuarbeiten, darum wird | vom Brot die Rinde am besten verdaut. Nützlicher wäre es, kleine oder lange schmale Laibe zu backen, man bekäme mehr Rinde und besser durchgebackenes, besser zu verdauendes Brot.

Außer dem Brot sind eine Hauptnahrung die aus weißerem Mehl auf dem Herd oder im Stubenofen für den jedesmaligen Gebrauch gebackenen „Nudeln“. Die vor Zeiten üblichen Habersuppen des Frühstücks sind verschwunden, seit der Haber als Pferdenahrung im Preis gestiegen ist, jetzt meist ersetzt durch Mehl- oder Brotsuppen. Aber auch der „Kaffee“ findet mehr und mehr Eingang, doch der Stoff zu dieser Brühe ist zum größten Theil auf deutschem Boden gewachsen und von deutscher Industrie der Menschheit zum Genuß dargeboten. Zum Mittagessen, hauptsächlich Mehlspeisen, dienen als Zugabe im Winter Sauerkraut, im Sommer Salat, auch sonstige Gemüse, hie und da auch gedörrte Zwetschgen.

Eine wichtige Rolle spielt Milch, süß und sauer, und die Kartoffel. Bemerkenswerth ist die Art ihrer Verspeisung. Die Kartoffel als Zugabe zu andern Gerichten zu verwenden, wozu sie so gut sich eignet, das ist nicht der Brauch, das käme den Leuten sonderbar vor. Manchmal werden aus den Kartoffeln mit Milch gebackene Nudeln bereitet, oder kommt zum Nachtessen zu den gesottenen Kartoffeln Milch oder eine Suppe, gewöhnlich wird eine Schüssel voll gesottener Kartoffeln geschält, und damit wird dann der Magen voll gestopft. Da von aller stärkmehlhaltigen Nahrung (auch Getreidemehl) in der Regel ein Theil des Stärkmehls unverdaut abgeht, so kann es nicht fehlen, daß von der so genossenen Kartoffelmasse nur ein Theil wirklich als Nahrung dient. Ob von dem mit der Steuer von vierhundert Prozent des natürlichen Werthes belasteten Kochsalz der richtige Zusatz den Kartoffeln gewöhnlich beigegeben wird, muß bezweifelt werden. Sieden der Kartoffeln in Salzwasser kennt man nicht. Reissuppe wird für Kranke und sonst bei besonderen Anlässen gekocht, Kochgerste und Gerstensuppe kennen die Wenigsten. Wenn man für einen Kranken Gerstensuppe anräth, so wundern sich die Leute, wie man das angreife, aus Gerste eine Suppe zu machen.

Aber mit ausschließlicher Pflanzenkost geht es doch nicht. Rindfleisch oder Kalbsbraten wird bei besonderen Anlässen, Hochzeiten und dergleichen, genossen, und dann recht massenhaft. Fleischnahrung ist aber dem Ackerbauer nicht die wichtigste, er bedarf des Fettzusatzes, besonders zur Arbeit im Freien, in | der Kälte. Butter und Eier wären ganz erwünscht, werden aber größtentheils zum Verkauf bestimmt. Genügend ausgiebige Ölpflanzen, den Ölbaum, besitzt Deutschland nicht. Darum ist als Gegenstand der Volksernährung das Schwein unter den Thieren das vornehmste, von den Ohren und dem Rüssel bis zu den Knöcheln, in Stadt und Land, und nicht umsonst spielen die „Metzelsuppen“ eine große Rolle. So klein und armselig ist auf dem Lande selten eine Haushaltung, daß es nicht zum Schlachten eines Schweines und damit zum nothwendigen Vorrath von Rauchfleisch und Speck reichen würde.

Auch Geflügel und namentlich die Gans darf nicht vergessen werden; hauptsächlich im Ries mit seinen weiten Ackerfluren und vielen kleinen Gewässern wachsen alljährlich ihrer viele Tausende. Zwar die meisten werden fort verkauft, aber manche erreicht doch innerhalb des Bezirks das Ziel ihres Daseins. Gewaltsames Stopfen kommt nicht vor, die Hauptmästung der Gänse ist nach der Ernte, wo sie die ausgefallenen Körner auflesen. Wo kürzlich die ährenschweren Halme wogten, da sieht man nun die jugendlichen Schaaren im weißen Flügelkleide über das Stoppelfeld schwärmen – ein reizend appetitlicher Anblick.

Hier ist eine althergebrachte Rohheit zu erwähnen, die an die Entenfüße der Chinesen erinnert, jedoch neuerdings, so viel bekannt, im Ellwanger Bezirk nicht mehr oder nur in vereinzelten Fällen vorkommt; in Nördlingen und Umgegend soll sie noch üblich sein. Ein besonderer Leckerbissen der Rieser war oder ist noch das „Gansgrät“. Das wird so gemacht: Der zum Verspeisen bestimmten Gans wird der Hals über einen Rührlöffel oder dgl. gehalten und dann mit beiden Füßen darauf getreten, endlich werden durch Zug am Kopf und den Füßen die Halswirbel mit einem Ruck auseinander gerissen. In dem gequetschten Hals ist eine Blutunterlaufung entstanden. Der todten Gans wird dann der Hals unterbunden und abgehackt. Der so zugerichtete Hals, das „Gansgrät“, eine Art Blutwurst, gilt als Leckerbissen. Es wird aber behauptet, dieses Gänsewürgen sei weniger Thierquälerei als das Abstechen. Nach amtlichen Erhebungen geschieht jetzt im hiesigen Bezirk das Tödten der Gänse meist durch Kopfabhauen.

Die Ausbeute an Fischen aus den kleinen Gewässern und den aus alter Zeit noch vorhandenen Weihern gibt Erträge von namhaftem Werth, kann aber für die Ernährung im ganzen nicht erheblich in Betracht kommen. Dasselbe gilt von dem Ertrag der Jagd, den Froschschenkeln und ähnlichen Genüssen.

Die Anpflanzung von Obstbäumen hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ausgebreitet und liefert bei richtiger | Auswahl des Standorts, der Sorten und guter Behandlung namhafte Erträge. Der Obstbau hat neben natürlichen Schwierigkeiten auch mit dieser zu kämpfen, daß manche Leute, nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, der Meinung sind, auf Obst, insgemein Gripse genannt, finde das siebente Gebot keine Anwendung; mancher Besitzer wartet die Vollreife nicht ab, um seinen Ertrag in Sicherheit zu bringen, damit er nicht eines Morgens den Baum leer finde. Der Obstbau ist besonders dadurch wichtig, daß er in dem kräftigen, durstlöschenden, haltbaren Most dem Feldarbeiter ein Getränk liefert, das dem bisher üblichen Bier weit vorzuziehen ist. Der Obstmost hat seit einiger Zeit angefangen, mit mehr und mehr Erfolg dem Bier die Alleinherrschaft streitig zu machen.

Das Hauptgetränk ist das Bier. Für den Hausgebrauch pflegt der Bauer sein Weißbier selbst zu brauen. Mehr und mehr aber nimmt der Geschmack an Braunbier überhand. Der Schoppen (Halbliter) soll aber nicht mehr als 10 Pfennig kosten; das Getränk ist manchmal darnach. In der Stadt Ellwangen sind im Jahr 1. April 1883/31. März 1884 eingeführt worden 2500 Hektoliter, gebraut 17.308, ausgeführt 4500, somit getrunken 15.308 Hektoliter. Bei einer Einwohnerzahl von 4700 (Staatshandbuch 1881: 4697) kämen auf den Kopf 325 Liter. Als Mitarbeiter an der Biervertilgung sind aber auch zu zählen die Leute aus den umliegenden nach Ellwangen eingepfarrten Orten mit ungefähr 1900 Einwohnern und die Fremden, welche durch Markt-, Schrannen- und sonstigen Geschäftsverkehr oder durch Bezirksbehörden, Landgericht, Schwurgericht und sonstige Anlässe hieher geführt werden.

Wein wird auf dem Land wenig und nur bei besonderen Anlässen getrunken. Man findet da und dort immer noch reine und gute Landweine, mitunter aber Getränke von zweifelhaftem Ursprung. In der Stadt Ellwangen sind die Weintrinker besser daran.

Branntwein wird im Ganzen nicht viel, selten im Übermaß getrunken, manchmal zum Bier als Magenstärkung. Habituelle Schnapstrinker mag es da und dort geben, sicher sind ihrer nicht viele. Fatal ist nur das, daß der Kornbranntwein und die Schnäpse von Steinobst und Heidelbeeren immer mehr von dem billigen Kartoffelsprit verdrängt werden.

In den 21 Jahren von 1859 bis 1879 sind aus den 14 Oberämtern des Jagstkreises bei der Kreisregierung 894 | Selbstmordsfälle zur Anzeige gekommen, davon aus dem Oberamt Ellwangen 30. Unter den Umständen, welche im ganzen Kreis zum Selbstmord geführt haben, sind angegeben: Säufer, Trinker, Schnapstrinker, Asot 136mal, Säuferin 2mal. Aus dem Oberamt Ellwangen kommt 1 solcher Fall vor, er betrifft aber keinen Bezirksangehörigen.

Unser Bezirk gehört unter diejenigen des Landes, welche mehr Nahrungsmittel erzeugen, als verbrauchen. Demnach ist zu erwarten, daß eine in der Menge ungenügende Ernährung hier nicht wohl vorkomme. Zu wünschen wäre weniger überwiegende Stärkmehlnahrung (Getreide und Kartoffeln), mehr Eiweißkörper und Fett, d. h. Milch und ihre Zubereitungen, Fleisch und Speck, auch ausgedehntere Verwendung von Obst und Obstmost, richtigere Eintheilung der Nahrungsmittel, mehr Kochkunst.

Die kleinen Kinder werden laut Ausweis der Hebammentagebücher neuerdings meist an der Mutterbrust ernährt. Diese Ernährung ist aber oft ungenügend, bald dauert sie überhaupt nicht lang genug, bald fließt die Nahrungsquelle zu schwach. Die Hauptursachen sind unkräftige Nahrung, zu bald nach der Entbindung wieder angefangene und angestrengte Arbeit, zu schnell auf einander folgende viele Geburten. Hier ist aber noch ein Umstand zu erwähnen. Die schönere Hälfte des Landvolks, Mädchen und Frauen, trägt kein geschnürtes Panzerkorsett, aber auch kein Leibchen, das die Rundung des Busens trägt und erhält; die Brüste werden von dem Kleiderleib herunter gedrückt, auf die Rippen aufgepreßt und platt gedrückt. Solche Behandlung muß, abgesehen von andern Nachtheilen, auf die Leistung der Milchquelle schädlich einwirken.

Der dicke Mehlbrei kommt als Kinderfutter nach und nach in Abgang. Zur Ergänzung und zum Ersatz der Muttermilch dient die Kuhmilch. Sie wird gewöhnlich mit Wasser oder Thee verdünnt. Das richtige Mittel, um die von der Natur für ein Kalb und nicht für ein Menschenkind bestimmte Kuhmilch für den Kindermagen zurecht zu machen, Gerstenschleim oder Haberschleim, war hier bisher unbekannt.

Die seit etlichen Jahren entstandenen Käsereien haben, während solche anderwärts durch Entziehung der Milch der Kinderernährung geschadet haben, hier ähnliche Folgen bis jetzt nicht gehabt.

Eine große Rolle in der Aufzucht der Kinder spielt der Schlotzer oder Schnuller, hier Zapfen genannt. Der altherkömmliche | Zapfen hat etwa die Größe eines mittelgroßen Apfels, der Leinwandfleck ist meist mit weichem Weißbrot gefüllt, oft mit Zuckerzusatz, wird dann in Wasser oder Zuckerwasser angenetzt, manchmal auch zwischen den Zähnen gequetscht und eingespeichelt; dann wird daran ein Zipfel herausgezogen und dem Kind in den Mund gesteckt, wenn dieser leer gesaugt ist, wieder ein anderer Zipfel und so fort, bis der ganze Inhalt verschwunden ist. Mit eifrigem Saugen kann ein Kind einen halben Tag an einem Stück haben. Neuerdings werden diese großen Urzapfen seltener und durch kleinere ersetzt, so daß das Kind den ganzen Zapfen zwischen die Lippen nehmen kann. Da und dort wird jetzt auch der schwarze Gummi-Schnuller gebraucht. Bis dieser Unfug verschwunden ist, wird noch eine Reihe von Jahren dahingehen.

1

Die Kleidung des Landvolks wird mehr und mehr der gewöhnlichen städtischen gleich. Der altehrwürdige Dreispitz ist verschwunden, ebenso der bis zwischen die Schultern herauf gespaltene Rock mit den langen Flügeln und die Kniehosen mit Strümpfen und Schuhen. Die allgemein übliche Kopfbedeckung ist jetzt der schwarze runde Filzhut, die Pelzkappe oder andere Arten von Kappen, im Sommer auch Strohhüte. Als gewöhnliche Arbeitskleidung wird ein langer schwarzer grobhänfener Rock von der Form eines Überziehers viel getragen, als bessere Kleidung ein solcher dunkelfarbiger Tuchrock. Im Sommer wird die blaue Bluse viel gesehen. Schwarze Lederhosen sieht man noch da und dort, namentlich im Ries. Die langen über den Hosen getragenen Stiefel sind gewöhnliche Tracht geworden. Wollene Hemden und Unterjacken finden mehr und mehr Eingang. Frauen und erwachsene Mädchen tragen zum Staat noch ihre schwarzen Bändelhauben, sonst wird der Kopf meist blos getragen, gegen Sonnenbrand oder Kälte durch umgebundene Tücher geschützt. Die Kinder läßt man meist mit bloßem Kopfe laufen, und auch die Köpfe der kleinen Kinder sind oft schutzlos den Sonnenstrahlen preisgegeben, gewiß nicht allemal ohne Schaden. Strohhüte tragen die Mädchen zum Staat. Der Frauenrock mit Jacke ist gewöhnlich schwarz, der Rock zuweilen, nach altem Brauch, grün. Vielerlei Roth, Scharlach, Rosenroth und Hochroth konnte man an Schurz, Rock und Halstuch beisammen sehen, in neuerer Zeit selten mehr. Dem ärztlichen Rath, Hosen anzuziehen, wird von Frauen und Mädchen meist hartnäckiger Widerstand entgegengesetzt. Sie sind′s eben | nicht gewohnt. Viele Kinder, mitunter auch Erwachsene, gehen im Sommer barfuß (vergl. oben S. 134).

Die Wohnungen sind auf dem Land meist hinreichend geräumig, Scheuern und Ställe auf größeren Höfen oft vom Wohngebäude getrennt, sonst meist unter demselben Dach, doch so, daß über den Ställen keine Wohngelasse angebracht sind.

Das gewöhnliche Brennmaterial ist Fichtenholz, übermäßiges Heizen mag vorkommen, ist aber doch nicht allgemein üblich. Auch gewöhnen sich die Leute nach und nach daran, in ihre Stuben frische Luft hereinzulassen. In der Stadt werden neuerdings viele Steinkohlen gebrannt. Die alten Kachelöfen sind mehr und mehr von eisernen verdrängt.

Zum Baden giebt es außer der Stadt Ellwangen wenig Gelegenheit, sie wird auch nicht vermißt.

Wasser giebt es überall genug, es ist meist von Natur ganz gut, wird aber auf dem Land mehr durch Pumpbrunnen als durch Quellwasserleitungen gewonnen, und erstere sind nicht selten durch unsaubere Zuflüsse verunreinigt.

Die Stadt Ellwangen ist mit gutem Quellwasser und laufenden Brunnen reichlich versehen. Die von Apotheker Franz Rathgeb im Jahr 1873 und seither wiederholt ausgeführten chemischen Untersuchungen haben ergeben, daß diese Wasser frei sind von salpetriger Säure, Ammoniak und Schwefelsäure (Gips), ferner von organischer Substanz kaum Spuren, Kochsalz in mäßiger Menge enthalten. Die von der linken Seite der Jagst herübergeleiteten Brunnen haben wenig Kalk, wenig Kohlensäure, sind weich, aber matt, zu Koch-, Wasch- und sonstigem Wasser gut, zu Trinkwasser weniger geeignet.

Dagegen die am Schloßberg und Buchenberg entspringenden Quellen haben den für ein Trinkwasser wünschenswerten Gehalt an kohlensaurem Kalk und Kohlensäure. Namentlich der „Badbrunnen“ und besonders der unmittelbar am Fuß des Schloßbergs entspringende „Waschhausbrunnen“ sind mit Recht als Trinkwasser allgemein beliebt. Einrichtung einer Wasserleitung mit direkter Versorgung der Wohnungen ist bis jetzt nicht vorhanden. Auch Pumpbrunnen bestehen in nicht geringer Anzahl, ihr Wasser wird mehr zum Gewerbe, zum Viehtränken u. s. w. benützt.

Zu Flußbädern giebt die Jagst, obgleich im Sommer oft wasserarm, genügende Gelegenheit, auch für Schwimmer bei | bescheidenen Ansprüchen. Das Gymnasium hat eine Badanstalt mit Schwimmunterricht eingerichtet. Eine Anstalt zu warmen Bädern besteht seit längerer Zeit an der Jagst, neuerdings auch in der Stadt mit Quellwasser; auch die Bäder in Schrezheim werden von Ellwangen aus viel besucht. Die Fischteiche östlich der Stadt, besonders der unterste Weiher, – der Mühlweiher der Schloßmühle, haben, obwohl von Quellwasser gespeist, vormals Sumpfmiasmen ausgeströmt; durch Reinigung des untersten Weihers aber und durch regelmäßige Auffüllung der Ufer desselben ist dieser Mißstand verschwunden.

Obgleich die Jagst, durch ein Mühlwehr aufgeschwellt, unterhalb der Stadt einen trägen Lauf hat, so haben sich daraus doch keine gesundheitsschädlichen Einwirkungen ergeben. Ihr Wiesenthal ist auch den ganzen Sommer über frisch grün, weil auch bei anhaltend regenloser Witterung durch das Grundwasser Austrocknung verhütet wird; dazu ringsum die nahen Gehölze und Wälder, meist Nadelwald mit eingesprengtem Laubholz, mäßig ansteigendes Hügelland, durchschnitten von schmalen Wiesenthälern, und rasch abtrocknende Sandwege. Wer Bewegung in frischer Luft sucht, dem ist hiezu in der Umgebung Ellwangens mit großer Abwechslung reiche Gelegenheit geboten.

Die Abtritteinrichtungen der Stadt Ellwangen zeigen zum Teil noch die Übelstände, wie sie auch in vielen andern alten Städten noch vorkommen, deren Häuser ehemals durch Ringmauern eingeengt und nah aufeinander gedrängt wurden.

Auf dem Land wird man wasserdichte, gehörig bedeckte, zweckentsprechende geräumige Gruben oder Behälter selten finden, solche Anlage wäre auch den meisten Hausbesitzern zu kostspielig; es sind gewöhnlich flache Gruben, die von Zeit zu Zeit überlaufen. Hier, wo fast neben jedem Haus ein Garten ist und zum Auswechseln und Ausleeren immer Hände genug da sind, wäre der richtige Platz für einfache und wohlfeile Anwendung von Erdölfässern oder ähnlichen Wechseltonnen.

Verunreinigung der Pumpbrunnen durch Einsickerung von Dunglegen oder Abtritten her wird oft nicht beachtet, wenn nur das Wasser frisch und kalt und nicht auffallend getrübt oder gefärbt ist.

Das Klima (s. o.) ist im ganzen der Gesundheit zuträglich. Frische Winde bringen innerhalb der Ortschaften beständige Erneuerung und Reinigung der Luft. Folgen schwüler Sommerhitze | treten kaum auf, da Nachts immer zeitig Abkühlung erfolgt. Überschwemmungen der Thäler sind häufig, aber schnell wieder abgelaufen. Sumpfmiasma findet sich nicht. Kaltes Fieber soll vor Zeiten häufig gewesen sein. Jetzt kommt es kaum mehr vor.

Die vorherrschenden Krankheitsformen sind: akute und chronische katarrhalische Entzündungen der Athmungsorgane, Rheumatismen, nicht selten Herzfehler, akute und chronische Magenkatarrhe. In den Thälern hat man sich Sommers vor der Abendkühle zu hüten. Nach den anstrengenden Hauptgeschäften des Sommers, der Heu- oder Getreideernte, melden sich immer viele Fälle von Husten und von verdorbenem Magen, die einem kalten Trunk zugeschrieben werden. Habituelle Verstopfung ist eine häufige Beschwerde.

Typhus hat schon strichweis namhafte Verheerungen angerichtet und kommt sporadisch hie und da zum Vorschein. Diphtheritis (ansteckende Halsbräune) ist vor 18 Jahren eingewandert und hat theils in Verbindung mit Scharlachfieber, theils ohne dieses wiederholt stark gehaust. Die Lokalbehandlung ist durch die Entfernung der zerstreuten Wohnplätze erschwert.

Ein Beispiel, wie Leute, sonst gar nicht weichlich gewöhnt, erkrankt wehleidig werden: Ein junger Mann und ein Mädchen, beide etwa 20 Jahre alt, bis dahin kerngesund und kräftig, erkrankten an Halsbräune. Der Hals wurde mit einer reinigenden, weder giftigen noch scharfen Lösung ausgepinselt, aber nur einmal. Sie erklärten: lieber sterben, als das noch einmal aushalten. Sie sind auch richtig gestorben. Die Anwendung dieser Lösung ist so wenig schmerzhaft, daß ganz kleine Kinder dabei gewöhnlich gar nicht weinen.

Cretinismus ist nicht einheimisch. Kropf findet sich in den Thälern nicht selten. Skrofelkrankheit ist nicht besonders häufig, Rhachitis selten. Syphilitische und ähnliche Erkrankungen findet man nur hie und da eingeschleppt, ebenso Krätze. Geisteskrankheiten sind nicht auffallend häufig. Die Zahl der auf öffentliche Kosten derzeit in Heil- und Pfleganstalten untergebrachten Geisteskranken beträgt 21, davon in Winnenthal 3, Schussenried 4, Göppingen 2, Pfullingen 6, Zwiefalten 6.

Die Zahl der vorgekommenen Selbstmorde ist verhältnismäßig viel kleiner, als die der Durchschnittszahl des Jagstkreises entsprechen würde – s. oben S. 139.

Zu den schweren Körperverletzungen geben Unglücksfälle bei Waldarbeiten einen Beitrag. Gewaltsame schwere Körperverletzungen, | welche die Kriminaljustiz beschäftigen, sind verhältnismäßig nicht häufig. Namentlich das Messerstechen bei Raufhändeln ist nicht Landesbrauch. Aber das kommt manchmal vor, daß ihrer drei oder vier und mehr Helden ausziehen, um über Einen herzufallen und ihn zu verhauen. Die Mehrzahl der Landbevölkerung ist ruhiger, friedsamer, manchmal auch etwas schwerfälliger Art. Es kann sich treffen, daß man versucht wäre, im Ansehen und Anhören einer Biertischunterhaltung anders zu urtheilen. Es sind Meinungsverschiedenheiten entstanden, Jeder spricht so, als ob alle Andern im höchsten Grad schwerhörig wären, und Alle sprechen gleichzeitig. Zoologische Schmeichelwörter fliegen hinüber und herüber. Ein Unerfahrener könnte glauben, im nächsten Augenblick werden Biergläser an die Köpfe fliegen, Stuhlfüße und Schädel krachen. Da macht Einer einen guten oder schlechten Witz, Alle lachen – Anstoßen – Umtrunk – und die Unterhaltung geht gemüthlich weiter.

Auf der Straße pflegen die Leute den Begegnenden höflich zu grüßen. Wenn der Bauer zurückhaltend, auch mißtrauisch ist, seine wirkliche Meinung nicht gleich gerad heraussagt, wenn er im Vieh- oder Roßhandel ohne den Juden nichts kaufen oder verkaufen kann, so sind das keine Besonderheiten dieser Gegend, und den bekannten „zufriedenen Landmann“ zu finden wird hier ebenso schwierig sein wie anderwärts.

Aber eine Merkwürdigkeit, die man anderswo schwerlich finden wird, zeigt der Ellwanger Viehmarkt; da wird bis auf den heutigen Tag das Paar Ochsen nach Karolin verkauft, dazu ein Kronenthaler und ein Gulden Trinkgeld.

Die Sterblichkeit der kleinen Kinder, verglichen mit den anderen Landestheilen ist eine mittlere: im ersten Lebensjahr sind gestorben von 100 Lebendgeborenen 1877 und 1878 im OA. Ellwangen 28,75, in Württemberg 29,4.

Bemerkenswerth ist eine Zusammenstellung der Sterblichkeit der israelitischen Kinder in Lauchheim [14]. In den 20 Jahren 1864 bis 1883 sind geboren 123 Kinder, davon gestorben in den Lebensmonaten

1–3: 18, 4–12: 16, zusammen 34 oder
% 14,63 13,00 27,63,

davon ernährt von der Mutter 2, mit Kuhmilch 32.

Damit sind zu vergleichen die Ergebnisse der Aufzeichnungen | des Oberamtsarztes Krauß in Mergentheim, der in einer Reihe von Jahren aus den Leichenregistern die Todesfälle der israelitischen Bevölkerung seines Bezirks zusammengestellt hat. Nach den vorgefundenen Listen sind in der Zeit 1. Juli 1858/30. Juni 1861, 1. Juli 1862/31. Dez. 1865 und 1. Januar/31. Dezbr. 1866 im Oberamtsbezirk Mergentheim (nach Abzug der Todtgeborenen)
 gestorben überhaupt 4671
 davon im 1. Lebensjahr 1438
 darunter Israeliten überhaupt 0124
 davon im 1. Lebensjahr 0026 = 20,9%
 also Andere überhaupt 4548
 also Anere im 1. Lebensjahr 1332 = 29,1 %.

Nach 6jährigem Durchschnitt, Juli 1857/Juni 1863, betrug in demselben Oberamtsbezirk die Sterblichkeit in der Gesammtbevölkerung 2,8%, unter den Israeliten 1,6%. Wenn man annimmt, daß allezeit und allerwärts ähnliche Verhältnisse stattfinden und stattfinden werden, dazu die bekannte Fruchtbarkeit der Ehen und die seltene Ehelosigkeit unter den Israeliten in Anschlag bringt, so ergibt eine einfache Rechnung, daß für künftige Jahrhunderte eine ganz andere Mischung der Bevölkerungselemente Deutschlands in Aussicht stehen muß, als jetzt vorhanden ist.

Die häusliche Krankenpflege ist allmählich besser geworden, übermäßige Heizung, ängstliche Abhaltung frischer Luft ist nicht mehr so allgemein, auch die herkömmliche Scheu vor Wasser, gar vor kaltem Wasser, hat abgenommen, obgleich man noch oft hören kann: „Ich bin so flüssig“, d. h. ich kann die Berührung von Wasser nicht ertragen. Auch kann es vorkommen, daß ein Kind, das im Fieberdurst daliegt und Bierle verlangt, immerfort sein Bier zu trinken bekommt, „Es hat so ang’halten.“ In schweren Fällen kommt auch aufs Land hinaus die zuverlässige Hilfe der barmherzigen Schwestern aus Ellwangen. Das im J. 1867 gebaute seither erweiterte Bezirkskrankenhaus hat, obgleich die großen Entfernungen seine Benützung erschweren, doch seinen Nutzen auch für entferntere Orte bewährt.

Ärztliche Berathung wird nicht oft rechtzeitig und nachhaltig verlangt und vielfach soll auf mündliche Berichte hin kurirt werden. Dabei ist es gewöhnlich nicht ganz leicht, einen Thatbestand herauszubringen. Denn berichtet wird nicht sowohl über wirkliche Wahrnehmungen, als vielmehr über die Vorstellungen von der Krankheit, welche der Kranke und seine Umgebung sich | zurecht gemacht haben. Diese Vorstellungen drehen sich hauptsächlich um die Worte „Hitz“, „Wind’“, „Krämpf’“. Von „Frost“ ist hier wenig die Rede. „Hitz“ bedeutet heiße Haut, heißen Kopf, Hitzegefühl, Durst, Schlaflosigkeit, sonstige Aufregung, brennenden oder stechenden Schmerz, Verstopfung u. s. w.

Ein Bote bringt den gelegentlich mitgegebenen Auftrag, der Dokter soll etwas verschreiben für die Hitz; weiter weiß er weder von der Krankheit, noch von der Person des Kranken anzugeben.

„Wind“ gibt es allerlei, „Magenwind“, „Harnwind“ u. s. w. Sie sind bei den vielen verdorbenen Mägen und Verstopfungen ein wichtiges Element. „Krampf“ bedeutet gewöhnlich einen drückenden Schmerz, auch Asthma u. s. w.

In schwereren Krankheitsfällen wird ein Bittgang auf den Schönenberg selten versäumt. Mehr Vorsicht wäre manchmal anzurathen, wenn der Kranke selbst mühsam den steilen Berg sich hinaufschleppt und dann oben gleich dem scharfen kalten Wind ausgesetzt ist.

Die Benützung des ärztlichen Beistands ist in folgender Übersicht dargestellt.

Von 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen
haben in
Württem-
berg
in den Oberamtsbezirken
Ellwangen Crailsheim Neresheim
1. ärztl. Hilfe genossen
a) in der Periode 1846/56 45,36 45,39 37,77 38,60
b) nach den Medizinalberichten von 1876/78 im jährl. Durchschnitt 51,67 49,67 46,67 42,33
2. keine solche genossen
a) von 1846/56 54,64 54,61 62,23 61,40
b) von 1876/78 48,33 50,33 53,33 57,67
Das Oberamt Ellwangen nimmt somit hierin eine Stelle nahe beim Landesdurchschnitt ein, während die Nachbarbezirke Crailsheim und Neresheim hierin ziemlich zurückstehen. Auch gegenüber den übrigen Oberämtern der Bezirksgruppe des oberen Kocher-, Jagst- und Remsgebiets (Gmünd, Aalen, Gaildorf), | zu welchen es nach seiner geographischen Lage gezählt werden kann, nimmt es eine günstigere Stellung ein. S. Jahrg. 1874 der Württ. Jahrbücher S. 157 Tabelle.

Als Anhang wird hier eine Übersicht über die Geisteskranken, Taubstummen und Blinden nach den Aufnahmen von 1853 [15] und 1875 [16] beigefügt.

Es kam im
Oberamt
Ellwangen
im
Jagst-
kreis
in
Württem-
berg
auf je Einwohner
1. nach der Zählung von 1853 O.Z.
 1 Irre 1528 61 1030 943
 1 Kretine 1528 64 0353 484
 somit 1 Geisteskranker 0764 64 0263 320
2. nach der Zählung von 1875
 1 Irre 0692 60 0489 0465
 1 Idiot 1050 59 0407 0482
 somit 1 Geisteskranker 0414 61 0222 0237
3. nach der Zählung von 1853
 1 Taubstummer 1609 47 0824 0962
 1 Blinder 1798 57 1218 1194

Die für die Zwecke der Reichsmedizinalstatistik gemachten Erhebungen mögen hier auch über einige weitere Punkte Licht verschaffen.

Nach dem Stand
vom 1. April 1876
(vgl. Württ. Jahrb. 1876 S. 139)
kommen
auf je 10.000 Einwohner
in
Württem-
berg
im
Jagst-
kreis
im
Oberamt
Ellwangen
Apotheken incl. Filialen 01,36 01,28 00,65
Approbirte Ärzte 02,80 01,95 01,30
Frei praktizirende Ärzte 02,44 01,89 01,30
Hebammen 14,80 13,94 12,01
| Die Gesundheitsfürsorge der vormaligen ellwangischen Regierung zeigt sich in der Apothekerordnung. Propst Wolfgang von Hausen – regierte 1584 bis 1602 – ließ im Jahr 1599 am 1. April mit Einwilligung eines hochwürdigen Kapitels die gnädigste Verfügung treffen, „eine Appodeckerordnung zu verfassen und sodann auch eine Appodecken zu errichten“ Die Ausführung geschah durch seinen Nachfolger. Die „Apotegkher-Ordnung bey Regierung Probsts Johann Christoff von Westerstetten“ – 1602 bis 1612 – enthält unter anderem folgendes:

„Wür Johann Christoff probst und herr, wie auch die Ehrwürdigen Edlen und Geystlichen Herren deß Capituls und Räth diser hochwürdigen, hochlöblichen und weytberymten probstei und stiffts zu Ellwangen haben zu wollfart, hayl und beförderung gemaines nutzes und zu Abstellung allerlei uhnordtnungen und müßbreüch, so bey verkauff und gebruch der Artzneyen ein Zeyt her allhie einreyßen wellen, Nachfollgende Apotegkher Ordnung, uß sonderen bewegenden Ursachen ehntwerfen verbessern und vermehren lassen.

Und erstlich, waß die Materialia medica belanget, will Ir fürstlichen Gnaden auch Ehrwürdig Capitull und Räth, daß der apotegkher in diser probsti und stiffts seßhaft by seinem Eyd uferleget haben, fleißig fürsehung zu thain, damit sein officin mit gerechten, Guoten Materialien nach notturfft besetzt seye, und darin alle Ding uhngefelscht, kräfftig und zu rechter Zyt eingebracht, bequemlich erhalten, secundum artem componieret und dann just und guot, in Rechtem gewicht und wert hingegeben werden.

Derwegen Ehr by seinen pflichten nichts uhntuglichs unkräfftiges, verlegenes nichtsollenes, für guot und frisch verkauffen, noch iemandt betrüegen, vervorthayllen oder ybernemen, auch den uhnwissenden nicht ains für daß ander geben, sondern das uhntüchtig selbst hinweg thain soll, damit allso mit kräftigen guoten wharen, dem armen alß dem reichen, zu seiner notturfft, umb sein gelt, getrewlich und nutzlich gedienet werde, und der gemeine man in der probsti, stiffts, und dieser Landes art seßhafft, sich nicht zu beklagen, sondern zu getrösten habe, da die Artzneyen, als Gottes gaben, nicht uf den gewin allain, sonder füllmehre uf die Liebe Gottes und des Nechsten Gesundtheit gerichtet werden.“




„Nachdem auch das thuon und ambt der apotegkerey nicht allain ainen Redlichen erfarnen und geschickten Man erforderet, sondern auch daß der selbig ohnverdroßen sy, so soll der apotegkher sich befleißen, damit ehr täglich in seiner handtierung geschickter und geyebter werde und deßihienigen, so im zu wißen gebüret, mehrern bericht erholen: solle derwegen in bewerten Artzney biecheren fleißig nachschlagen, wie alle Artzneyen zu erkennen, zu colligieren, reponieren, conservieren, praeparieren und componieren seyen. In solchen biechern sein yberige Zeyt vertreyben füll lieber zubringen, dan mit trünkh, spillen, kurzwil, unnötigen gastereyen und gesellschaft by zu wohnen, so würdt ehr lichtlich sein Narung und Vermögen teglich verbesseren.“

| Sodann heißt es am Schluß:

„NB. Wan der apotegkher seiner apotegkhen nicht fleißiger als wie bishero geschehen ußwarten will, so soll ehr ein erfarnen gsellen in die apotegkhen stellen, und nicht seine sachen uf ain sollichen uhnerfarnen jungen der eß nicht gelernet oder gestudiert hatt verlassen, damit niemandes kain schadt begegne oder ain verletzung widerfare. .....

Daß sein Töchteren und andere weiber und jungkhfrowen, uß der apotegkhen an markht und anderen Tagen abgeschafft werden, damit nicht der schnader und genß markht alda in der apotegkhen gehalten werdt, auch kain error von dem apotegkher begangen, und niemandes von irem ringfügigen schnaderen verletzt werdt.“

Ein „Underthänigst unmaßgebliches Votum, praes. in cons. aul. 25. Oct. 1747“ lautet also:

„Das besagter Apodekher morgens vor halber 9 Uhr fast niemahlen in die uff dem markhtplatz situirte offizin gekommen, worin er dann bis 11 uhr und nachmittags von halber 2 Uhr bis 5 oder halber 6 uhr verbliben, zu übrige Zeith aber die obsorge seinen gesellen überlassen, wo alsdann Studenten, Soldathen, Diener, handwerkhspursch und allerhand gathungen menschen den freyen zulauff und einkher in dieser offizin gehabt, folglich mehreren theils ein weith größeren tumult als in öffentlichen wirthshäusern gewesen, und dahero, wo es etwa in der Thatt auch nicht geschehen wäre, doch leichtlich geschehen können, das bei solchm villen geschnader und getös in verfertigung und zubereithung der Medikamenten große Fehler mit unterloffen wären.“


C. Sagen und Legenden.

Der große Grenzwall, den die Römer in Alemannien von der Donau bei Kelheim durch das jetzige Württemberg hindurch bis an den Rhein bei Andernach fortführten, um sich gegen das freie Deutschland zu schützen, soll eigentlich ein Werk des Teufels gewesen sein. Dieser bat sich einst von Gott ein Stück Land aus, so groß, als er in einer Nacht mit einer Mauer oder einem Graben umgeben könne. Die Bitte wurde ihm gewährt, worauf er in der Gestalt eines Schweines den Erdwall aufzuwühlen und aufzuwerfen begann, daher derselbe auch Schweinsgraben heißt. Weil der Teufel es aber auf ein gar zu großes Stück abgesehen hatte, überraschte ihn der Tag noch vor der Vollendung, weshalb er im Ärger das ganze Werk im Nu wieder zerstörte.

Zwischen Dinkelsbühl und dem Hahnenkamm liegt der Hesselberg, über den man nicht leicht zu Fuß oder zu Wagen kommen kann, weil er sehr hoch ist. Unten am Fuß des Berges liegt das Dorf Aufkirchen. Will man nun von einem Orte zum andern reisen, so muß man um diesen Berg herumgehen; und daher kommt das Sprichwort, das man zu einem seltsamen Menschen sagt: „Ich mein’, es irre dich der Hesselberg.“ – Auf diesem Berg stund ehemals ein Schloß, das entweder von den Hunnen oder von den Reichsstädtern zerstört worden ist. In dem Schlosse lebte eine Jungfrau, von der sagt man, daß sie mit den Mauern zu Grunde gegangen und umgekommen sei, zuvor aber mit ihrem Vater in seinem Witwenstande den Haushalt geführt | und die Schlüssel zu allen Gemächern gehabt habe. Nach diesem kam ein Geschrei aus: ihre Seele schwebe um die Schloßmauer herum und lasse sich alle Quartal, am Sonntag, Nachts mit einem Schlüsselbund am Halse in jungfräulichem Anzuge sehen. Dagegen sagen alte Bauern aus der Gegend, sie hätten von ihren Vätern gehört, daß diese Jungfrau eines heidnischen Mannes Tochter gewesen und in eine große erschreckliche Schlange mit jungfräulichem Haupt und Brust verwandelt worden sei, und gewöhnlich an den vier Quartalen des Jahres in dieser Gestalt mit einem Schlüsselbund am Halse sich habe sehen lassen. (Crusius, Schwäb. Chron. Deutsche Ausg. v. Moser, II. 441).

Aus der Stadt Ellwangen. Zur Zeit als Pipin und Karl der Große nach einander in Gallien regierten, hielten sich an ihrem Hofe Hariolf und Cadolf, Prinzen aus königlichem Geblüte, als Laien auf. Beide trafen einst auf einer Jagd im Virngrunde einen Hirsch, oder, wie geschrieben ist, einen Hirschbock, sonst auf griechisch Elva, auf lateinisch tragelaphus genannt, von welchem Thier das Stift bis auf den heutigen Tag den Namen hat, setzten ihm mit einigen Dienern nach bis in die Gegend, welche vorhin eine lautere Wildnis war, und erlegten ihn hier. Aus Dank gegen den Allmächtigen machte Hariold das Gelübde, an dem Orte, wo das Thier erlegt worden, Gott zu Ehren ein Benediktinerkloster zu erbauen.

Das Weitere siehe unten bei Ellwangen in der Ortsbeschreibung.

Hier ist anzureihen, was Ermanricus oder Ermenoldus, Schüler Rudolfs von Fulda († 865) und nachmaliger Abt (845–862) zu Ellwangen, der als Schriftsteller und Gelehrter glänzte, über die Gründung Ellwangens und über den Gründer Hariolf uns in lateinischer Sprache in Form eines Gespräches hinterlassen hat; wir geben es in der Übersetzung Vogelmanns (Aus Ellwangens Vergangenheit von Dr. Alb. Vogelmann, Ellw. 1883, S. 6 ff).

Von Jugend auf lebte Hariolf mit einem Manne aus sehr edlem Geschlechte, Namens Kadoloh. Es begab sich, daß sie eines Tages der Jagd oblagen und in dem Virngrunde hier einen Tragelaphus verfolgten. Am späten Abend erlegten sie das Thier an dem Orte, der von jener Jagd den Namen Elchenfanc bekommen hat. Als der heilige Mann an diesem Orte die Nacht zubrachte, hörte er im Schlafe den Schall von Glocken, und zwar wurde, wie er selbst erzählt hat, der Hall der Glocken in dem Thale vernommen, wo anfangs das Kloster, jetzt aber die Kirche erbaut ist. Er erwachte, bezeichnete sich mit dem Zeichen des hl. Kreuzes und schlief wieder ein. Da hatte er wieder das gleiche Gefühl. Als er aber das Zeichen zum drittenmale hörte, weckte er einen von seinem Gefolge und sprach zu ihm: „Hast du nichts gehört?“ – „Einen Klang, war die Antwort, wie das letzte Aushallen von Glocken höre ich. Warum hast du mich nicht früher geweckt?“ Doch Hariolf sprach; „Schweig’, ich bitte dich, und bezeichne dich mit dem Kreuze; denn oft nimmt man in Einöden Ungewohntes wahr.“ Von dieser Zeit an entsagte Hariolf den Freuden der Welt und suchte ein Streiter Christi zu werden. Deswegen begab er sich zu seinem Bruder, dem Bischof Erlolf, und vertauschte das weltliche Kleid mit dem Ordensgewande.

Er rief seinen Bruder, den Bischof Erlolf, aus Frankreich in diese Provinz, um unter seinem einsichtsvollen Rate den Platz für | dieses Kloster recht passend auszuwählen. Nachdem sie die ganze Sumpfgegend durchforscht, gelangten sie unter Führung Gottes an den Ort, wo nachher das Oratorium des Erzmärtyrers Stephanus erbaut wurde, jetzt aber der Altar des hl. Benediktus steht, und indem sie im Wechselgesang die Psalmen Davids beteten, flehten sie zu Gott, er möge seinen Dienern eine passende Wohnung zeigen. In diesem Gebet kamen sie bis zum 131. Psalm, der beginnt: „Gedenke Davids, o Herr!“

Und während der selige Hariolf eben den 14. Vers aussprach: „Hier ist meine Ruhe in Ewigkeit; hier will ich wohnen weil ich sie erwählt habe“, stieß er mit dem Fuße an eine Wurzel, stürzte plötzlich nieder und blieb lange wie betäubt an der Erde liegen. Als sein Bruder dies sah, erstaunte er anfangs, dann trat er näher und ermahnte ihn aufzustehen und zu erzählen, was ihm begegnet sei. Indem Hariolf ohne Säumen aufstand, that er nichts anderes, also daß er den nämlichen Vers, den er bis zu seinem Fall auf die Erde sang, mit feuchtem Antlitz öfters wiederholte. Und sogleich hieb er mit der Hacke, die er in der Hand trug, Waldbäume um, bezeichnete den Bauplatz für das Kloster und begann so die Gründung desselben. Darauf strömten bald viele zusammen und brachten ihm und Gott sich und das Ihrige dar.

Hariolf, ein ausgezeichneter und hervorragender Streiter Christi, war in jeglicher Tugend stark. Ein wahrer Auserwählter Gottes, wandte er sich von allem Bösen ab, und that nur Gutes; denn mehr war er allezeit bemüht, geliebt als gefürchtet zu werden. Gebete für sich allein, d. h. in der Abgeschiedenheit, liebte er so sehr, daß er, wenn ihn nicht etwa die Natur daran hinderte, die ganze Nacht in Psalmen- und Hymnengesang durchwachte. Gänzlich zu Gott hingewandt wirkte er folgendes ausgezeichnete Wunder.

Während er einmal nachts in der Süßigkeit seines Gebetes wachte und im Oratorium des hl. Stephanus besonders inbrünstig zu Gott flehte, sah einer der Seinigen, Namens Grimoald, wie ein Feuerstrahl von seinem Munde aus bis an den Himmel sich erstreckte und so lange funkelte, als man ihn in diesem Gebete verharren sah. Erwäge nun, was für ein Mann das gewesen sein muß, der durch diese wunderbare Erscheinung verherrlicht worden ist.

Zu Grimoald also, von dem ich soeben gesprochen, hatte er eine besondere Zuneigung, unterhielt sich gerne mit ihm und pflegte auch geheime Zwiegespräche öfters mit demselben. Aber da Gott das Verdienst des guten Lehrers dem frommen Schüler enthüllen wollte, wurde es gleich einem Feuer, das von seinem Herzen ausströmte, wie ich vorhin erzählt habe. Da jedoch Gott auch das Verdienst des Schülers dem frommen Lehrer offenbaren wollte, damit sie gegenseitig wüßten, welches Verdienst jeder von ihnen vor Gott habe, so geschah es zur Winterszeit, als die ganze Erde vor Frost starrte, daß Grimoald zur Kasteiung in einer nahen Quelle sich untertauchte und längere Zeit zu Gott aufathmend darin blieb. Herr Hariolf, der unterdessen an der Quelle wo er zu beten pflegte, verborgen war, sah über dem Bruder ein göttliches Licht schimmern, glänzender als die Sonne. Er erstaunte über die Helle des Lichtes; nachdem er sich wieder gefaßt, dankte er Gott. Als hierauf der Streiter Christi aus dem eiskalten Wasser herausstieg, verschwand das himmlische Licht allmählich. Am andern Morgen, da die Brüder bei der Lesung saßen, machte ihnen Hariolf das Verdienst | dieses Mannes mit den Worten kund: „Danket Gott, denn ich habe in der vergangenen Nacht über einem der Eurigen eine himmlische Sonne schimmern sehen.“

Grimoald war, wie ich aus seinem eigenen Munde weiß, am Hofe des Königs Pippin in der Nähe des Bodensees. In einer Nacht war er draußen auf dem Felde, um gemeinsam mit einer Schar von Wächtern die Rosse zu hüten. Als er nun nach Ablauf der Zeit seines Wachdienstes plötzlich eingeschlafen war, hörte er den Klang von Glocken. Wie er umblickte, ob einer seiner Kameraden in der Nähe sei, gewahrte er einen jungen Mann in reichster Kleidung. Diesen genauer anschauend sprach er: „Wo, mein Herr, ist jenes so liebliche Glockengeläute, das ich höre?“ – „Zu Elwangin“, erwiderte jener. Jetzt erst erwachte Grimoald und begann ängstlich darüber nachzudenken, wo und in welcher Gegend der Ort sein möge, der so heiße. Ebendort war nun ein leiblicher Bruder des Hariolf und Erlolf, mit Namen Franko. Als dieser bemerkte, wie Grimoald von Tag zu Tag sich zusehends veränderte, redete er ihn also an: „Was ist’s, ich bitte dich, Grimoald, daß du so plötzlich verändert erscheinst? Willst du in ein Kloster gehen?“ – „Oh, hätt’ ich nur schon einen passenden Ort hiezu gefunden!“ entgegnete Grimoald. Da gab ihm der andere die Auskunft: „Der Ort liegt auf der Grenzscheide zwischen Franken und Rätien. Kürzlich wurde er von meinem Bruder Hariolf angelegt und Helchenfanc genannt.“ Da seufzte Grimoald tief auf, wanderte dann hierher, traf Herrn Hariolf auf dem Landgute Rehilingen (Röhlingen) und eröffnete ihm sein Anliegen, Dieser gab ihm voll brüderlichen Mitleidens zur Antwort, er sei zur Erfüllung seines Wunsches bereit, aber es fehle ihm gänzlich an (Ordens-) Kleidern für ihn. Vernimm nun das fünfte Wunder des Herrn Hariolf, das ich dir vorhin zu verkünden versprochen habe. Während beide voll Betrübnis über den Mangel an Kleidern dastanden, kam eine bisher völlig unbekannte Frau daher und brachte ein Stück Tuch zum Zwecke der Einkleidung. Dafür priesen beide die göttliche Güte. Am folgenden Tage wurde Grimoald Mönch.

Am Vorabend des Weihnachtsfestes sah Grimoald die Kirche von himmlischem Lichte erfüllt; nachdem er lange seine Augen auf den Boden geheftet hatte, richtete er sich auf und betrachtete die hl. Maria, die in höchster Schönheit über dem Altare saß und den Erlöser der Welt als kleines Kind in ihrem Schoße hatte. Da lernte er zum erstenmal nach einer Melodie der Engel die Antiphone: „Wen habt ihr Hirten gesehen? Sprechet“ u. s. w., jenen Gesang, den er später oft anstimmte.

Zu erwähnen sind auch die Sagen von Ritter Wilhelm Adelmann dem Wilden auf Rechenberg (vergl. OA.Beschr. Crailsheim S. 118 f. Württ. Franken, Neue Folge I, 40 und Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben 1, 31 und 169). Am Osterfest fuhr er zur Kirche in Stimpfach OA. Crailsheim, der damaligen Pfarrkirche von Rechenberg, kam aber zu spät. Da entbrannte sein Zorn über den Kutscher und er erstach ihn auf der Stelle. In bitterer Reue vermachte er die Burg und all sein Hab und Gut dem Kloster Ellwangen und soll später selbst von seinem Stallknecht erstochen worden sein. Lang stand noch in Stimpfach ein Sühnekreuz, wo Wilhelm den Knecht niedergestochen. | – Wirklich hatte ein Adelmann, aber nicht Wilhelm, um 1510 einen Knecht in Stimpfach erschlagen. – Nach der Burg zu Rechenberg ritt Wilhelm der Wilde oft spät in der Nacht von Hall heim, nachdem er lange beim Wein gezecht hatte. Einmal fuhr das Muotesheer hinter ihm her. Den Schluß bildete ein schwarzer Reiter in grünem Kleid mit zwei Pferden, von denen er eines ritt, das andere mitführte, Wilhelm fragte, wem das Roß gehöre? Einem gewissen Wilhelm von Rechenberg, dem Wilden, der wird eben auf diesem Roß über ein Jahr in der nämlichen Stunde in den Höllenabgrund fahren. Wilhelm erschrack, ritt schnurstracks nach Ellwangen, klagte dem Abte die Sache, vermachte all sein Hab und Gut dem Kloster um seines Seelenheils willen und wurde des Klosters Marschalk. Es war der letzte Rechenberger – Diese Sage, mit dem altgermanischen Götterglauben sich berührend, spiegelt zugleich die schweren Konflikte Wilhelm Adelmanns auf Rechenberg um 1490 mit dem Propst zu Ellwangen wieder.

Das Mē- oder Nēbach-, auch Ebach-Weible. Die alte Jagstbeckin soll sich zur Zeit der Erbauung des hiesigen Jesuitenkollegiums mit den Patres verfeindet und ihnen auch nicht auf dem Todtenbette verziehen haben. Ihr Geist, der nach ihrem Tod im Haus rumorte, soll in den Mebacher Wald getragen worden sein. Wenn den über den Mebach führenden Steg (auf dem Fußweg nach Pfalheim) ein Betrunkener überschreiten wollte, zog ihn jene Nixe in das Wasser hinunter. Man soll oft gehört haben, wie sie im Bache plätscherte. Auch sollen Leute, welche nach dem Abendläuten durch den Wald gingen, irre geleitet worden sein. (Vergl. damit Birl. Volksth. I, 66 f.)

Geistergeschichte. In der Behausung des Statthalters in der Spitalstraße, jetzt Heinle’sche Bierbrauerei, soll im obern Stock Nachts nach der 12. Stunde alles beleuchtet gewesen sein. Auf der Straße soll man gehört haben, daß es da oben sehr lebhaft zugehe und doch war bekannt, daß der Hausbewohner verreist und in demselben sich niemand befand. Der Nachtwächter, der einige Zeit die Sache beobachtete und dem sich noch mehrere Personen zugesellten, welche ebenfalls wußten, daß in dem Hause z. Z. niemand wohnte, machte die Anzeige davon bei dem Kapitel-Amtmann. Dieser habe sich bewaffnet, sei mit dem Nachtwächter und einem Schlosser, der die Thüre öffnete, in das Haus und in den oberen Stock. Als eben der Schlosser die Thüre aus den Angeln gehoben und geöffnet, habe man ein Geräusch gehört, wie wenn man Lichter ausblase. Auch soll ein Qualm aus der Thüre gedrungen, sonst aber nichts mehr gehört und gesehen worden sein.

Ehe Jemand stirbt, erhalten die Angehörigen, auch wenn sie entfernt sind, ein Vorzeichen oder einen Vorboten des Todes. Sie hören z. B. ein dreimaliges Klopfen, ein dreimaliges Schellen am Haus, ohne daß jemand zu sehen ist, hören dreimal ihren Namen rufen, oder sehen bei Nacht einen Lichtschein durchs Zimmer fahren. Andere Zeichen sind, wenn der Fußboden, Tische oder Schränke krachen (knällen), wenn ein Glas von selbst verspringt, ein Bild von der Wand fällt und dergl. Man nennt dies das „Verzeigen“. – In Tübingen, Unterkochen, Ellwangen und sonst hört man eine Sackuhr in der Wand gehen, wenn ein Angehöriges sterben wird. Das ist das „Todtenührle“. Auch sagt man in der Gegend von Ellwangen „das Erdschmidle | klopft“. (Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, S. 488.)

Eine viel verbreitete Sage läßt bei Nacht Kirchen hell leuchten, wie wenn Tausende und Tausende von Kerzen drinnen brenneten. Bei diesen Lichtern sollen geisterhafte Prozessionen, Hochämter etc. gehalten werden. So heißt’s von der Ellwanger Stiftskirche im Advent, daß es drinnen wie ein Feuermeer leuchte. Eine Prozession in langsamem Schritte könne man durch das Schlüsselloch sehen; mache man schnell auf, so sei alles verschwunden. (Birl. Volksth. I, 300.)

Wenn man in der heiligen Nacht in der zwölften Stunde auf eine Kreuzstraße steht, in Stadt und Dorf, so sieht man einen Sarg vor diesem und jenem Haus stehen, und aus den betreffenden Häusern gehen das künftige Jahr Leichen. (Birl. Volksth. I, 468.)

Als der schwarze Tod hauste, kam einmal nach Ellwangen ein Vögelchen geflogen und brachte Würzelchen im Schnabel und pfiff dazu: Esset Knobl und Bibernelle, So werdet ihr nicht sterben älle.

Im Schlosse zu Ellwangen rumort von Zeit zu Zeit der Klopfer bald in diesem, bald in jenem Zimmer. Gesehen hat ihn noch niemand, aber seine Ankunft meldet er durch starkes Klopfen. (Birl., Aus Schwaben 1, 342.)

Eine Viertelstunde von Ellwangen ist der Galgenberg, eine waldige Anhöhe. Oben ist das alte Gemäuer, über dem einst der Galgen sich erhob. In der Fastenzeit ists da nicht geheuer. Vom Galgen bis zum nahen Schindanger gehen Flämmlein herüber und hinüber. Dieses sind die Seelen von Schindersknechten, die mal einen Unschuldigen hingerichtet, in Nacht und Nebel auf dem Schindanger verscharrt haben. Dafür haben ihre Seelen keine Ruhe. Wenn sich’s jährt, daß sie die That vollbrachten, kommen sie, heulen, jammern und wehklagen. (Birl. Volksth. 1, 288)

Es diente einmal ein Mädchen in Ellwangen und hätte gern schöne Kleider gehabt. Da gieng sie oft auf den Schönenberg und betete inbrünstig, sogar oft noch am Fuße des Berges, unten, die Mutter Gottes möchte ihre Bitten erhören. Da kam einmal Abends beim Melken ein steinuralt Weiblein mit einer Kienz in den Stall und sagte: „Ich hab dir auch was mitgebracht,“ und gab ihr zwei Kronenthaler. Alt Weiblein sagte weiter: „hier hast du’s, aber gescheidter wäre es, du würdest nicht um solches beten“, gab dem Mädchen eine tüchtige Ohrfeige und verschwand. Das Mädchen betete nie mehr um Geld. (Birl. Volksth. 1, 254 f.)

Auf dem Hexenwasen im Stadtwald Goldrain seien die Hexen verbrannt worden. In der Schloßvorstadt ist das Freigäßle, hier sei ein Asyl für Verbrecher gewesen. Bei einem Feldkreuz, des Kaisers Kreuz, südlich der Stadt auf der Höhe an der Straße nach Dalkingen soll ein schwedisches Lager unter General Wrangel gestanden haben. Eine Kanonenkugel, welche heute noch als Wahrzeichen in dem Haus Nr. 98 in der Spitalstraße steckt, soll von diesem Lager aus geschossen worden sein.

Aus den Zeiten des dreißigjährigen Kriegs geht noch heute die Sage, daß ein ruchloser schwedischer Soldat das in der Kapelle des Schlosses befindliche geschnitzte Mariabild unmenschlich gelästert, daß er dem Bilde Jesu die linke Hand sowie den großen Zehen des rechten | Fußes abgehauen habe, und daß er für diese gottlose Missethat mit einer faulenden Krankheit bestraft worden sei, durch welche er unter unerhörten Schmerzen sein Leben armselig habe beschließen müssen. Gewiß ist, daß der gegen die Stadt ragende Thurm des Schlosses der Schwedenthurm genannt wird; von ihm geht gleichfalls die Sage, daß ein Schwede in dem unterirdischen Verließe für ein schweres Verbrechen habe büßen müssen (Seckler, Ellwangen S. 38).

Kurzer Bericht, wie die Stadt Ellwangen von unseren Vorfahren mit der Stadt Rom und der Stadt Jerusalem verglichen worden; ex Domini Georgii Simon concionatoris manuscriptis Anno 1618. (Hiller’sche Chr. B. I. Vergl. auch Württ. Vierteljahrsh. VII, 126).

„Dem Heylthum nach hat man vor Jahren Ellwang vor ein halbes Rom gehalten, nit der Ursach, als seien soviel Heiligthum darinnen, wie zu Rom, sondern 1. weilen der halbe Theil der allhier ruhenden Heiligen von Rom herkommen. 2. weilen dieses fürstliche Stift dermalen von Ursprung – exempt, befreyt und gewürdiget, daß es keinem, unmittel dem römischen Stuhl unterworfen. 3. wie zu Rom S. Petri Glaub von ihm Petro bishero unverändert geblieben, also allhier S. Petri römischer heil. Glaub von Anfang der Stiftung, ehe das ganze Teutschland war christlich, da es noch z. Th. heydnisch war, und bisher durch allerley seltsame Casus erhalten worden.

Den situm loci betreffend, so haben die Alten Ellwangen für ein halbes Jerusalem gehalten und sich vorgebildet in Ansehung des Münsters oder Stiftskirchen den ersten Jerusalemitanischen Tempel, zum oberen Thor hinaus am Schloßberg den Berg Sion, darunter ein Brunnen, der der Rennbrunnen genannt, den Teich Siloe, hinüber den Hof Gethsemani, hernach den Ölberg, bis in das Thal zur Eich hinab das Thal Josaphat, und gleichwie in Thal Josaphat, die Begräbnis der seligsten Jungfrau Maria, also ist allda die fürtreffliche Gedächtnis unser lieben Frauen zur Eich genannt, welche fast den gleichen Ursprung hat, wie unser lieb Frau Eich zu Orschat in Niderland, wie noch beweislich, daß vor Luthers Zeiten allda ein Eichbaum, darinn ein Vesperbild, wie man ausgeben, von Hirten herkommen, gefunden worden, davor fromme andächtige Christen, jung und alt, alle Samstag abends ihren Rosenkranz gebetet, aus welcher Andacht verursacht worden, daß anstatt der Eich eine Kapelle, die Eich genannt, aufkommen. Kommt man im Thal herauf anderwegs auf Hohenberg zu, hat man den Berg Thabor, in Betracht vor der Stadt bedeutet S. Nikolai Kapell Bethanien, darbey das arme Hauß das Hauß Simonis leprosi, des aussäzigen, endlich durch das steinerne Thor (Steinthor) bis zum Schecherberg (über St. Wolfgang) die Ausführung Christi u. s. w.“

In der Wallfahrtskapelle zur Eich war hinter dem Choraltar in der Mauer ein aus Masseleisen gegossenes Götzenbild zu sehen, etwa 1 Schuh hoch, eine nackte männliche Figur vorstellend, welches glaublich bei Ausgrabung des Fundaments in der Erde gefunden und als eine Urkunde des abgöttischen Heidenthums allda aufbewahrt worden. Nachher aber bei Renovirung der Kapelle ist solches Bild unter dem Schutt aus der Kirche geworfen worden und einige Jahre wieder in der Erde vergraben geblieben, bis es ein daran angrenzender Bauer in seinem Acker wieder unvermuthet ausgrub. Dieser hat endlich aus Unverstand diese Urkunde heidnischer Abgötterei auf einer Eisenschmiede | zu Grund richten lassen beiläufig um das Jahr 1787. (Hiller’sche Chr. I.)

Gründung der heil. Kreuzkapelle bei Wilburgstetten. Im Jahr 1696 entfernte man aus der Stadtpfarrkirche zu Ellwangen ein altes, in Mannsgröße aus Holz geschnitztes Cruzifixbild. Joh. Georg Götzinger, Petschierstecher zu Wilburgstetten, erwarb dieses Bild, trug es in seinen Heimatsort W. und stellte es im Freien auf. Allmälig bildet sich zu dieser Stätte Andachts halber ein großer Zufluß von Katholiken der Nachbarschaft. Um das Bild gegen die Einflüsse der Witterung zu schützen, errichtete man bald ein Bretterdach über dasselbe, stellte später einen kleinen Bau von Pfählen und Brettern um dasselbe her, und erweiterte diesen endlich zu einer förmlichen Kapelle, welche jedoch immer noch nur aus Brettern mit Mörtelanwurf gebildet war. – Im Jahr 1745 baute man aus Opfergeldern und freiwilligen Gaben aus Stein das schöne Kirchlein, welches gegenwärtig noch vor Augen steht. – Das große Bild des gekreuzigten Christus auf dem Hochaltare ist würdig gehalten mit strengen Gesichtszügen, und mag aus dem Übergange vom 15. in das 16. Jahrhundert stammen. (Steichele, Das Bisthum Augsburg III. Band, S. 429 f.)

In Kißlegg hing eine große Glocke, die allemal läutete:

Hier will ich nicht hangen,
Ich g’hör nach Ellwangen.
 (Birl. Volksth. 1, 146.)

In Eigenzell bei Ellwangen ist ein großer, mit Eisen stark beschlagener Sarg, der Schwedensarg genannt. Es sollen in Schwedenzeiten allemal drei Personen zumal in den Friedhof geführt und der Sarg wieder heimgenommen worden sein. (Birl. Volksth. 1, 165.)

Bühlerthann. Im Schloß Tannenburg bei B. geht ein weißes Fräulein um, die ein groß Gebund Schlüssel am Arm trägt, daher man sie Schlüsseljungfer oder auch Schließerin nennt. Außerhalb des Schlosses zeigt sie sich immer nur auf dem Fußwege, der von Tannenburg herabführt und von dem Wege nach Halden durchschnitten wird. Sie geht schnell an den Leuten vorüber, hat aber noch niemals den Dambach überschritten. Sie ist als Braut gekleidet, hat einen Kranz oder Band um den Kopf und wird Kränzlesjungfer, Brautjungfer, Hochzeitsmädle oder auch wohl das Fräulein von Tannenburg genannt. Sie soll eine Liebschaft mit zwei Männern gehabt haben; die bekamen ihretwegen Streit und der eine erstach den andern. Wegen dieser Schuld muß sie umgehen und treibt allerlei Spuk. So hatten sich einmal mehrere Knaben unter einer großen Eiche bei Tannenburg versammelt und wollten probiren, wie es einem sei, der erhängt würde. Nachdem es mehrere Knaben an sich hatten versuchen lassen, hing eben wieder einer, als plötzlich ein dreibeiniger Hase dahergelaufen kam. Darüber erschracken die Kinder dergestalt, daß sie alle davon liefen und ihren Kameraden hängen ließen. Seitdem hieß diese Eiche die „Bubeneiche“. Jetzt ist sie umgehauen. Jener dreibeinige Hase aber war niemand anders, als die Hochzeitjungfer. Einige glauben, diese Hochzeitjungfer sei eigentlich verschieden von der Schlüsseljungfer. (Meier S. 42 f.)

In Bühlerthann, Sontheim und der ganzen Umgegend sowie in Schwäbisch Hall scheucht man weinende und unartige Kinder damit, | daß man ihnen sagt: „Sei still, oder die Brechhöldere kommt und nimmt Dich mit!“ Man gebraucht diesen Namen auch sonst wohl für ein altes wüstes Weib. In B. kennt man neben Brechhöldere auch die Form Brechhölzere, und versteht darunter dasselbe furchtbare Weib, das die ungezogenen Kinder holt. (Meier, S. 45.)

Bei B. hielt sich ehedem ein Geist auf, den man Huonzel oder Kuonzel, den Konradle, nannte; derselbe spukte besonders im Hirtengarten, – Da hatten sich einmal mehrere Burschen in einem Gartenhause zusammengesetzt und spielten Karten; einer aber, der ein muthwilliger Knabe war, spielte nicht mit und ging indeß hinaus und befestigte eine Nadel an einem Stecken, öffnete dann die Gartenthür ein wenig und stach mit der Nadel die Spieler, indem er jedesmal sagte: „das hat Huonzel gethan.“ – Nachher begab er sich zu seinen Kameraden. Als diese ausgespielt hatten, gingen sie unangefochten zur Thür hinaus; jener Stupser aber war zufällig der letzte. Wie der heraustrat, packte ihn mit einem Male Huonzel, zog ihm im Nu die Haut über die Ohren, daß er mausetodt war, und breitete sie über das Dach des Gartenhauses aus. Dann schrieb er mit einem seiner Finger auf die Haut: „dies hat Huonzel gethan“. (Meier, S. 87 f. Seinen eigentlichen Sitz hat der Kuonzle auf dem Einkorn bei Hall s. Meier, S. 147 f. und OA.Beschr. Hall, S. 256 f.)

Bühlerzell. Zwischen hier und Kottspiel sei vor etwa 20 Jahren ein Geist, Rechberger genannt (s. S. 152) erschienen und habe die Leute Nachts irre geführt. Auf dem Roßberg will ein Schäfer nächtlicher Weile wandelnde Lichter gesehen haben.

Durchs Bühlerthal zog das Muotisheer ehemals sehr oft, voraus ein Engel, der schrie immer:

Aus’m Weg, aus’m Weg.
Daß Niemand beschädigt werd.
 (vergl. Birl. Volksth. 1, 36.)

Jagstzell. Eine unverbürgte Sage geht, daß ein altes Kloster im Walde Steinhaupt, nordöstlich vom Ort, gestanden habe, welches durch einen unterirdischen Gang mit der Kirche in Verbindung gewesen sei. In der Nähe von Steinhaupt ist in den Jagstwiesen ein Gumpen (kleiner See) von dem heißt es, daß ein Heuwagen mit Roß und Mann der am Kilianstag (früher Feiertag in der Heuernte) Heu eingeführt habe, versunken sei. Der Gumpen ist sehr tief, hat grünes fauliges Wasser, die Größe und Form eines Wagens mit Bespann. (vergl. auch OA.Beschr. Crailsheim, S. 116.)

Keuerstadt. Das wilde Heer fuhr einmal über Keuerstadt hin am Hofe des Brandjokele, des fürstlich Ellwangischen Jägers, vorbei, der im Walde Hinterbrand einen solchen bewohnte. Stimmen aus dem fahrenden wilden Heer riefen den Jäger mit Namen, der Antwort gab. Kaum that er das Maul zu, schon hing ein halber Menschenleib an seiner Thüre, wo er aus und eingehen mußte. Konnte also lediglich nicht hinaus; ein glostender Kohlenhaufen ging darüber zu Grunde. Der fette halbe Menschenleib blieb an seiner Thüre hängen, bis Morgens von der benachbarten Kapelle das Ave ertönte; da war alles weg. (Birl. Volksth. 1, 31 f.)

| Im Walde Hinterbrand bei Keuerstadt geht der Geist „Brandjockele“ um als Jäger. Bei Lebzeiten war er fürstlich Ellwangischer Jäger, führte ein ausgelassenes böses Leben, schoß das Wild, wann’s ihm einfiel, wohnte in einem der beiden Ellwangischen Höfe im Walde. Seine Dienstleute plagte er bis aufs Blut; ließ sie um 12 Uhr erst ins Bett gehen, um halb 1 Uhr schürte er grünes Holz, daß es gewaltig rauchte und stank, damit die Ehalten aufwachten. Nach seinem Tode wurde wegen dieses Bösewichts der Hof dem Erdboden gleich gemacht. Er selber aber geht, zur Plage seiner Seele und Angst anderer Leute, um als Jäger. (Birl. Volksth. 1, 17.)

In Keuerstadt war ein Bauer, der verstand sich gut aufs Festmachen und die Zauberei. Er konnte die Hirsche zahm machen; fieng sie, lüpfte sie von vornen, welcher der schwerste sei. Wenn man’s haben wollte, so stach er geschwind den fettesten. Konnte sich schuß- und feuerfest machen; keine Kugel that ihm was, Niemand vermochte ihm etwas anzuhaben, der Jäger schon gar nicht. Hie und da machte der Bauer sich zum Holzbock, worauf sich der Jäger setzte und sein Pfeiflein stoppte. Mal am Frohnleichnamstage brannte er Kohlen und glaubte sich ganz sicher. Der Jäger kam auch wieder hinter dem Kohlhaufen und hinter dem Bauer her, dachte, heute könnte er sich doch am Ende nicht fest gemacht haben, schoß ihn in den Rücken und der Bauer blieb auf der Stelle todt. Beim Herzbrückle in Keuerstadt steht ein Bildstock, welcher von dieser Sache Meldung thut. (Birl. Volksth. 1, 331 f.)

Lauchheim. Es mag um die Mitte des 15. Jahrhunderts gewesen sein, als die Herren von Gromberg ihre ganze Herrschaft in Silber umgesetzt hatten. Die männlichen Sprossen waren theils ausgestorben, theils als Hagestolze, theils im geistlichen Stand ohne Nachkommenschaft abgeschieden. Es blieben nur noch drei Fräulein übrig, wovon eines blind war. In den Tagen ihrer seligen Mutter nahm diese sich der blinden Tochter sorgsamst an. Als sie aber starb, kam es zum Theilen unter den drei Töchtern. Ihr vieles Geld maßen sie in Simri. Treu und redlich wollen wir theilen, sagte die älteste zur blinden, ja noch mehr; damit du erkennest, wie gut wir es mit Dir meinen, so wollen wir Deinen Antheil Dir „aufgehäufelt“ geben, während wir zwei das Simri nur gestrichen ausmessen. Der Blinden stellten sie ihr Simri aber verkehrt hin und gaben ihr so ihren Antheil „aufgehäufelt“, welch letzteres sie selbst mit ihren Händen fühlen konnte. Die gutmüthige Blinde war zufrieden und ahnte nichts Böses, hatte sie ja noch nie ein Simri gesehen. Die treulose trügerische Theilung trug aber ihre Früchte: die blinde vermachte das Wenige, das sie hinterlassen konnte, an die Armen und zu einem Seelgeräthe. Die beiden andern vererbten einander; die letzte sollte auch um ein Seelgeräth für beide Sorge tragen. Doch die letzte, es war die älteste, die der Geiz nicht sterben lassen wollte, war stets voll Angst wegen ihres Geldes. Da vergrub sie den größten Theil desselben. Und als sie starb, gingen die Armen leer aus, leer auch die beiden vorher gestorbenen Schwestern; noch heute haben sie kein kirchliches Jahrgedächtnis. – Aber auf der Gromburg mußte sie wandern. Es verstrichen zwei Jahrhunderte und sie saß in lautlosem Schmerz, unter furchtbarer Angst bei einem schwarzen Hund mit feurigen Augen und feurigem Rachen, der ihr | Geld bewachte. Nur einmal des Jahres darf sie acht Tage lang heraus auf die Oberwelt und kann einen Erlöser annehmen. Und in dieser Zeit haben sie gar oft die Grasmägde gesehen, es ist in der Frohnleichnamsoktav. Da hat der Hund keine Gewalt über sie. – Es kam wieder einmal diese Zeit; viele Leute waren draußen auf dem Felde. Da sahen sie eine Schaar Jesuiten von Ellwangen herkommen. Sie gingen paarweise, waren ernst und beteten laut mit einander. Der Zug ging hinauf auf den Gromberg. Hier verweilten sie mehrere Stunden. Niemand wußte was vorging. Als sie aber herab kamen, waren sie ganz heiter, beteten nicht mehr, waren auch nicht mehr in geordnetem Zuge: dagegen vernahm man ein ungeheures Gerassel in der Luft, wie wenn einige schwere Fuhrwerke dahin fahren, und diese Wagen fuhren sämmtlich Ellwangen zu. So haben die Jesuiten den Höllenhund überwunden und genöthigt, ihnen all’ dies Geld auf den Schönenberg zu führen. Damit bauten sie die Schönenbergkirche. Das Fräulein aber wird jetzt erlöst sein. Doch sollen es in neuester Zeit wieder einige gesehen haben. (Birl., Aus Schwaben 1, 249 ff.)

Neuler. In der Nähe des Schloßbucks, nordwestlich von Ramsenstrut am Roththal, sollen zwei weiße Fräulein mit kläglichen Lauten umherschweben, besonders zur Herbst- und Frühlingszeit. Unweit, östlich von Neuler bei den drei Kreuzen, soll eine unstet umher irrende Mannsgestalt zu sehen sein. Daselbst sind drei Steinkreuze, angeblich für drei Metzger, welche sich im Streit gegenseitig getödtet haben sollen.

Zwischen Bronnen und Abtsgmünd sind die Heften. Dort haust das Heftenmändle im Wald und ist der größte Schrecken für Holzdiebe. Es hängt sich nämlich ihnen so an den beladenen Wagen, daß er vor Schwere nicht mehr einen Schritt weiter geht, bis man den Diebstahl abladet, dann kommt man wieder weiter. (Birl. Volksth. 1, 56 f.)

Zwischen Ellwangen und Hüttlingen ist der Gilzenberg. Dort geht das Gilzenweiblein um; führt die Leute gerne irre, kommt bald als Flämmchen, bald als größeres Feuer. Gilzenweible treibt neben dem fahrenden Jäger „Hosenflecker“ in der Gegend sein Unwesen. (Birl. Volksth. 1, 64.)

Röhlingen. In Elberschwenden übernachtete ehemals eine Bettlerin aus Baldern, der in der Nacht der Geist des verst. Baders erschien. Als man sie andern Tages fortschaffen wollte, waren vier Pferde nicht im Stande, sie aus dem Hofe hinaus zu ziehen, der Schweiß stand auf allen vieren. – Eine kleine Viertelstunde von dem Filialort Röthlen ist im dortigen Wald Mönbach das Mönbachweibchen, welches bisweilen bis nach Röhlingen kommt und die Leute irreführt. (s. o.) Im alten Mühlgraben zu Röhlingen haben schon Leute das Mühlgrabentierchen unter verschiedenen Gestalten gesehen. Es erscheint meistens in Gestalt eines Fohlen – hie und da auch als großer Hund. Leute in der Nachbarschaft dieses Mühlgrabens (alter Hohlweg) wollen vom Fenster aus dieses Fohlen schon in Mistjauchen sich baden gesehen haben; auch soll es gern in die Stallungen „hineingucken“. Ein Bauernhof am Ende des Mühlgrabens ist in früherer Zeit abgebrannt. Man sagt allgemein, der Brand sei damals dadurch entstanden, daß das Mühlgrabentierle nachts – während die Familie des Bauern (mit Hausnamen Schnepfle) beisammen saß – als Fohlen zum Fenster hereingeguckt | habe. Die Leute bekamen Furcht und Schrecken, gingen in’s Bett und ließen das Licht auf dem Tisch brennen.

Um Mitternacht kommt in R. zu gewissen Zeiten ein Weiblein ganz klein mit gewaltigen Holzschuhen, mit denen es poltert und schlurft, daß mans im Orte deutlich hören mag. Geht an den Brunnen, fängt an Wasser zu pumpen, schlägt die Ärmel wohl auf und hat blos ein Unterröcklein an. Dann geht’s an ein Waschen über Hals und Kopf. Jetzt ist Wäschweiblein schon lang nicht mehr gekommen. (Birl. Volksth. 1, 67).

Auf Röhl. Markung stieß mal der Regenbogen auf eine Wiese auf. Eine alte Gänsehirtin sah’s, lief was sie konnte; bis sie hinkam, war der Regenbogen schon weit fort im Ellwanger Feld drinnen. Sie fand aber ein goldenes Regenbogenschüsselein mit einer Vertiefung von der Größe eines kleinen Fingers. Man wollt’s ihr oft und theuer abkaufen, bot ihr sogar eine Karolin, weil man fest glaubte, in einem solchen Schüsselchen stecke Glück genug. (Birl. Volksth. 1, 197.) Ein schwarzer Hund wird an der Rothbrücke oft gesehen.

In Erpfenthal hörte einmal eine Frau das „wilde Heer“ mit großem Geschrei über das Dorf hinsausen und rief: Gebt mir auch etwas ab von eurer Jagd!“ Darauf wurde ihr ein Gaisfuß ins Zimmer geworfen, worüber sie nicht wenig erschrack. (Meier, S. 139.)

Killingen. In der Nähe des Hornbergs, im jetzigen Wald Sauhagen, geht der „grüne Jäger“. Man sieht ihn gar oft; er gräbt immer mit Schaufel und Haue, aber bringt kein Stäubchen Erde weg. Er scheint übrigens nicht allein zu sein, sondern zum wilden Heer zu gehören. Wenn die Schuß- und Jagdzeit eintritt, so reviert er mit seinen Gesellen und Hunden, daß es ein Graus ist und alles ihm ausweicht. Aber nicht blos im Walde ist er; er kommt auch heraus und jagt durch die Luft. Da fürchtet ihn niemand; an sein Erscheinen gewöhnt man sich. Ein freches Bäuerlein erlaubte sich einstmals einen Scherz mit ihm. Als er Nachts beim Mondschein durch die Luft jagend am Hofe vorbeizog, machte das Bäuerlein das Fenster auf und rief ihm zu: Du jagst immer, hast nicht auch einen Hasenfuß für mich? Sieh! auf einmal fühlte das Bäuerlein was an der Hand. Seine Tochter zündete schnell ein Licht an auf dem Tische. Die Tischlade stand aber noch offen. Als er’s beim Licht betrachtete, war es wirklich ein Hasenziemer. Vor Schrecken ließ er selben in die Tischlade fallen. Und seitdem bringt man mit keiner Gewalt diesen Hasenziemer mehr heraus. – Nicht weit vom Walde liegen zwei alte Höfe, Forst und Vogel. Da erscheint er öfter, geht, ohne daß sich Jemand an ihn kehrt, an den Herd, nimmt einen Span, zündet sein Pfeiflein an und geht ruhig seinen Weg bei der Thür hinaus. Dann schreit er wieder aneinander: Ho, ho! Ho, ho! Ho, ho! bin auch schon wieder do! Manchmal sieht man ihn ohne Kopf; ein ander mal erscheint er als Gaul. (Nach Birl., Aus Schwaben 1, 329 ff.)

Rosenberg. Wenn zu Jakobi das Fest des Schutzheiligen der Kirche auf dem Hohenberg gefeiert wird, so sieht man genau zu, wie hoch das Wasser in dem an der Kirchhofsmauer befindlichen tiefen Brunnen steht. Ist es sehr tief drunten, so kommt ein theures Jahr; ist es aber hoch und der Brunnen voll, so daß man fast mit der Hand schöpfen kann, so gibts eine gute Ernte und alles wird wohlfeil. Man | sagt dann: „Jetzt können die Bäcker Wein trinken, das Brot wird billig.“ – Ferner sieht man es gern, wenn nicht alles bei dem Feste ausgestellte Brot verkauft wird, sondern noch etwas übrig bleibt. Man schließt daraus ebenfalls auf ein wohlfeiles Jahr. (Meier S. 433 f.)

In dem „finstern Hölzle,“ einem Wald zwischen Lindenhof und Hohenberg ging der Kobold Wenzel. Dieser ziemlich harmlose Kobold neckte die Leute damit, daß er ihnen bald vorausging, bald hinterdrein nachkam, sich bald groß, bald klein machte und zuweilen mit seinen feurigen Augen durch das Dickicht hervorguckte, aber eigentlich sonst Niemand was zu Leide that.

Das Lokalgespenst von Hummelsweiler ist das Gaisklingenthierle, das im Walde Gaisklinge haust und in Bocksgestalt bald neckend, bald brüllend sich den Ortschaften nähert und späte Wanderer schreckt, besonders in den zwölf Nächten. Bei der Schimmelsägmühle hört man Nachts ein Geroll wie von Baumstämmen; einer will einen Mann mit feurigen Augen gesehen haben. Auf dem „Wolfsbuck“ stand einmal ein altes Schloß; es treibt sich daselbst das Schloßmändle herum. Im „Rappen“ reitet Einer auf einem schwarzen Pferd. Im „Buchgehren“ ist ein Steinkreuz, dort wurde einem der Kopf mit einem Pfluge abgeschnitten zur Strafe dafür, daß er sein Weib durch das absichtlich verdeckte Balkenloch hinabstürzen ließ.

Schrezheim. Die Sage vom Hosenflecker. In den Wäldern, die sich von den Haiden an dem Ende der Markung Hüttlingen bis gegen Saverwang und Schrezheim hinziehen, da wo die Teufelsmauer jetzt noch kenntlich ist, hauset seit unvordenklichen Zeiten ein Geist, der Hosenflecker. Die Sage berichtet: in diesen Wäldern habe vor alten Zeiten ein Jäger gewohnt, ein wüster, gottloser, frecher Geselle, der den friedlichen Wanderern allen Schabernack und Schimpf angethan habe. Zur Strafe sei er verurtheilt, nach seinem Tode ohne Rast und Ruhe zu geisten. Er hat seine Freude, die Leute irre zu führen, und gelingt es ihm, einen verspäteten Wanderer die halbe Nacht in den Wäldern durch die Kreuz und Quere zu führen, dann schlägt er ein wüstes heiseres Gelächter auf. Bisweilen erscheint er auch in der Tracht als Waidmann, eine lange Hahnenfeder auf dem Hut. Am meisten wird sein Zorn erregt, wenn man ihn mit seinem Spottnamen Hosenflecker citirt. Das thut man aber nur, wenn man einmal die kleine Johanneskapelle erreicht hat außerhalb des Waldes. Denn da scheint sein Reich aus zu sein, und er macht seinem Zorn nur durch gewaltiges Rauschen und Schütteln der Bäume mehr Luft. Einstmals wandelte einen Burschen die Lust an, den Geist mit seinem Spottnamen herauszufordern, ehe er die Kapelle ganz erreicht hatte; aber der Geist bannte ihn bis frühe Morgens auf eine Stange, über die er eben schreiten wollte. Ein andermal citirte ein Bursche in verwegener Künheit den Geist, als er vergebens Feuer für seine Pfeife schlagen wollte. Augenblicklich war der erzürnte Geist mit einem brennenden Scheite zur Hand, das er ihm vor die Nase hielt. Der Mensch kam fast todt nach Hause vor Schrecken. Eine besondere Freude macht es ihm, verliebte Paare zu schrecken, die sich bei ihrem Heimweg verspätet haben. Einmal äußerte ein solches Paar den Wunsch: in einer Kutsche nach Hause zu fahren. Augenblicklich war eine Chaise mit Pferd und Bedienung da; ehe das Paar von seiner Überraschung | sich erholen konnte, wurde es in den Wagen genöthigt, und nun ging es die ganze Nacht über Stock und Stein, bis beim ersten Hahnenruf Roß und Kutsche bei dem Braunenbäumchen über Aalen stille hielt. Viel zu kämpfen mit dem Geiste hatte ein kühner Bursche, der in seiner Jugend in einem Dörflein wandelte, wobei er das Bereich des Geistes passieren mußte. Einmal forderte er von dem Herrn des Waldes, seinen Durst zu stillen, und hatte die Unvorsichtigkeit ihn bei seinem Spottnamen zu citiren. Da erschien der Jäger im höchsten Zorn mit einem Fäßlein, aus dessen Spunten ein feuriges Naß sich ergoß, und warf dann den muthwilligen Jungen mit solcher Gewalt in den Graben, daß er in der Frühe elend zugerichtet nach Hause wankte (vergl. Birl. Volksth. 1, 12 ff.).

Schwabsberg. Im Staatswald Hexenbuck bei Goldshöfe soll es geisten.

Stödtlen. Der Bauer auf dem Freihof mußte jährlich ein Ei ins Kloster (Ellwangen) vierspännig liefern, es war an einer Kette befestigt in einem Säcklein. Die Kette war in der Mitte quer übergezogen. Einsmal lieferte der Freihofbauer das Ei nicht mehr. Ein Krieg zwischen Oettingen und Ellwangen erhob sich; der Bauer wurde gefangen und fast sein Lebtag in Speier festgehalten. (Birl., Volksth. 2, 185.)

Unter-Schneidheim. Zwischen Ober- und Unter-Schneidheim soll ein Bär umgegangen sein. Im Riedholz, bis gegen den Walxheimer Burstel zu, soll es geisten.

Wörth. Auf der sog. Brandmauer im Dinkelsbühler Spitalwald Brand sitzt ein Geist, der Schellenbogenschnitzler, und schnitzt Schellenbögen für die Leithämmel. Der Geist ist übrigens nicht ganz harmlos, er soll schon manchen, der vorbeiging, im Wald irr geführt haben, auch wurde er schon öfter ein Schrecken der Holz- und Waldfrevler, indem er dieselben beohrfeigte, und ihnen das Waidvieh nach allen Richtungen trieb.

Westhausen. In der Umgegend von Westhausen und Lauchheim ist das Hojemändle bekannt. Wenn’s eine Steig hinaufgeht und die Zugthiere, besonders Ochsen und Kühe, hart thun, kommt hie und da das Hojemändle und bietet mitleidig sein gutes Vorspann an und hilft dann glücklich hinauf. Es ist ein ganz kleines untersetztes Männlein in gewöhnlicher Kleidung. Für seinen Dienst läßt es sich aber nachher gut bezahlen. Dem Bauer wird sein Vieh schrecklich geplagt und schauerlich zugerichtet, und zuletzt fällt es im Stall nur um und ist todt. Darum hat man das Hojemändle nicht gern, und Leute, die ihm schon gerufen, mußten ihren Muthwillen theuer büßen. Um sich aber vor ihm zu verwahren, soll man, so oft das Vieh ausgetrieben oder angespannt wird, sagen: Hoi, hoi, in Gottesnamen! Dann kann das Hojemändle nichts mehr anhaben, und darum sagt man dieses bei dem Landvolke immer. (Birl. Volksth. 1, 56.)

Zu Westhausen lebte vor Zeiten, es mag am Ende des 14. Jahrhunderts gewesen sein, ein Kaplan, und diesem sein Name war Michel. Sein Geschlecht zählte unter die Patrizier und war reich. Darum lag ihm auch nicht so viel an der Kaplanei. Sein Bruder war Wirth in Westhausen und bei diesem saß er öfter als im Beichtstuhle und las fleißiger in der Flasche als im Brevier. Hatte im Übrigen ein gutes | Herz, war freigebig, aber des Sparens unkundig. Die Seinigen liebte er und konnte er ihnen etwas zuschanzen, so war er nicht müßig. Sein Kaplaneihölzchen wurde von den armen Leuten gar arg ausgeholzt. Kamen auch die schönsten Eichen und Tannen über Nacht hinweg, so lachte er dazu. – Auf dem Schauplatz seines Vergehens muß er wandern ob seiner Frevel am Kirchengut. Nahe am Holz fließt ein Bächlein, rein und silberhell und seine Wellen kehren nicht mehr zurück. So lange aber muß das Kaplaneimännlein wandern, bis die Wellen rein und klar wieder zurück fließen. Über dieses Bächlein führt ein Steg und der Fußweg nach Ellwangen. An diesem Stege stellt er sich nun auf. Keiner kann ihm mehr ausweichen oder er zwingt ihn unwillkürlich hinüberzugehen. Kommt nun Eines und hat seine Hände nicht gewaschen, so ruft er ihm ins Ohr: „wasch deine Hände“ und stürzt ihn hinab über den Steg. – Von ihm wird auch erzählt, daß er den Leuten Dienste erweist, wofür man dann aber beim Tisch auch ein Gedeck für ihn herrichten und zu ihm sagen muß: Kaplaneimann iß mit! Unterläßt man das, so wirft er die Gedecke alle unter den Tisch. – Wird gebacken, so muß man dem ersten Bettler einen ganzen Leib Brot geben, sonst verschwindet das übrige Brot und die Küche geräth in Unordnung. Im Walde oberhalb Reichenbach zeigt sich der Kaplaneimann gar oft. (Nach Birl., Aus Schwaben 1, 327 ff.) Er soll auch schon den Holzmachern und Hirtenbuben Feuer angezündet haben; daher auch ein bekannter Ruf:

„Kaplaneimâ, Kaplaneimâ,
Komm’ und zünd mei’ Pfeif â.“

Zöbingen. Jener römische Hauptmann Longinus, welcher dem Herrn am Kreuze die Seite durchstochen, sei in Zöbingen zu Hause gewesen. Dieser habe aus Jerusalem seinen Leuten heimgeschrieben, wie es ihm gehe, und habe als Neuigkeit angefügt, daß kürzlich zu Jerusalem ein merkwürdiger Mann sei gekreuzigt worden, dabei er auch habe sein müssen. Dieser Mann habe viel Wunderbares gethan, alle mögliche Kranke blos mit seinem Worte geheilt und Todte wieder lebendig gemacht; aber mit den vornehmen Juden sei er nicht gut gestanden, die hätten ihn nicht leiden können, auch nicht Ruhe gegeben, bis sie ihn aus der Welt geschafft. Den Brief haben die in Zöbingen richtig erhalten, es haben auch des Longinus Leute Antwort zurückgegeben und gesagt: sie könnten ihm auch etwas zu wissen thun, daß nemlich, seit er von ihnen fort, der große See abgelaufen und das Ries ein Erdboden geworden sei. (Steichele, Bisthum Augsburg III, S. 549.) Über die Auffindung des Todtenbaums etc. s. unten bei der Ortsbeschreibung von Zöbingen.


D. Sitten und Gebräuche [17].
Der größte Theil der Bevölkerung ist katholischer Konfession (von 31.994 Einwohnern sind 3218 evangelisch und 28.552 katholisch, 223 Israeliten und 1 eigener Confession) und ist namentlich die | Landbevölkerung streng katholisch, weshalb die Sonn- und Feiertage sehr pünktlich eingehalten werden, was auch der fleißige Kirchenbesuch an diesen Tagen bekundet. Die Neugeborenen werden, wenn die Wöchnerin gesund ist, womöglich in den ersten drei Tagen getauft und wird der Name des Täuflings von dem Pathen bestimmt. Gebräuchlich ist dann, wenn es vermöglichere Leute sind, daß ein Taufschmaus gehalten wird, woran Verwandte und Freunde Antheil nehmen. Die Gevatterleute auf dem Lande, in der Stadt Pathen genannt, geben dem Täufling ein Angebinde von Geld und der Wöchnerin Zucker, Kaffee, Eiernudeln, Bisquit u. a. m. Bei katholischen Familien ist es Sitte, bevor die Wöchnerin wieder ausgeht, daß sie von einem Geistlichen ausgesegnet wird. Die Kinder der Stadtbewohner werden gewöhnlich, wenn die Eltern Vermögen haben, in höhere Lehranstalten geschickt, was auf dem Lande seltener vorkommt, denn dort wird der Stammhalter meistens Hofbauer. Auch ist es selten, daß ein Bauernsohn ein Handwerk erlernt. Diejenigen, die zum Militärdienst herbeigezogen werden, bekommen häufig andere Gesinnung und entziehen sich hierauf dem Bauernstand.

Bis der Bauer zur Eheschließung kommt, steht es oft mehrere Jahre an, bis er eine passende Frau gefunden hat, die für geeignet erscheint und natürlich hinlänglich Vermögen besitzen muß. Dieser Grundsatz dient zwar auch in der Stadt einigermaßen zur Richtschnur, doch wird dort zugleich mehr auf Stand, Bildung, gute Sitten etc. Bedacht genommen.

Kommt es dann auf dem Lande bei einem Sohne zur Heirat, so übergibt der Vater beziehungsweise die Eltern demselben das Gut um eine gewisse Kaufsumme und Ausgeding, bestehend in Kartoffeln, Kraut, Fleisch, Früchte etc. Die Braut bringt dann gewöhnlich baares Geld und die Einrichtung, was man Hausrat nennt, mit. Dieser Hausrat kommt meistens Samstag vor der Hochzeit auf einem gezierten Wagen an. Den Pferden sind im Schweif rothe Bänder eingeflochten, der Roßknecht ist in bäuerlichem Schmuck und hat an seinen Hut ein farbiges grelles Taschentuch gebunden, ja selbst seine Peitsche ist mit einem farbigen Band geziert. Die Braut wird von dem Bräutigam in einer bekränzten Chaise abgeholt und im Dorfe mit Pistolenschüssen empfangen. Abends wird dann gezecht und Freunde und Verwandte eingeladen, das heißt man die „Tischrucke“. Am Tage vor der Hochzeit kommt der Geistliche und segnet den ganzen Hausrat und die Kleider der Braut ein. An der Hochzeit wird nach der Trauung ein großes Mahl in einem Wirthshaus abgehalten. Der Zug zur und von der Kirche ist immer ein feierlicher. Die Brautleute werden von den Brautführern mit gezogenen Degen, welche mit Rosmarin und Bändern geziert sind, begleitet, worauf sich die Brautjungfern, Verwandte, Bekannte und die Eltern anschließen. Wenn sich der Zug dem Wirthshaus nähert, so wird die Hochzeitshymne geblasen. Im Wirthshaussaale angekommen, tanzen die Brautleute die 3 ersten Tänze (Ehestandswalzer) allein. Hierauf beginnt das Hochzeitsmahl. Während des Essens wird von der Musik gespielt. Nach dem Mahl wird getanzt und erscheinen nach und nach die Eingeladenen, welche den Brautleuten ihre Glückwünsche und Geschenke, bestehend in Geld oder auch in Haus- und Küchengeräthschaften etc. machen. Die mit den | Brautleuten näher Verwandten schenken denselben Federkissen, die mit farbigen Bändern geziert sind und bei Tag auf den Fenstern des Tanzlokals gegen die Straße zum Sehen ausgehängt werden. Nach dem Abendessen macht der Hochzeitlader einen „Spruch“ in Reimen, welcher mit Bezahlung der Zeche und eines Trinkgeldes endigt. Nunmehr wird oft bis nach Mitternacht getanzt.

Das Haushaltungswesen auf dem Lande ist sehr einfach. Der Bauer besorgt die Feldarbeiten mit seinen Knechten, die Bäuerin das Hauswesen mit den Mägden, welche auch die Gärten bepflanzen und pflegen. Es gibt im Oberamtsbezirk Bauern, die über 100 Morgen Güter und Wald haben. Die Rindviehzucht wird insbesondere sehr stark betrieben, manche haben öfters über 40 Stück. Seit mehreren Jahren wird der Pferdezucht auch wieder mehr Aufmerksamkelt zugewendet. In neuerer Zeit fährt der Bauer mit seiner Bäuerin in einem flotten Bernerwagen, die Pferde mit einem besseren Lederwerk geziert, in die Stadt, was früher nur selten der Fall war. Auch hat sich hinsichtlich der Kleidung in 30 Jahren viel geändert. Damals trug der Bauer im Ellwanger Bezirk, mit Ausnahme des Schultheißen, einen langen Zwilchrock, kurze Lederhosen, rothe Tuchwesten mit blanken und, wenn er vermöglich war, mit Silberknöpfen, lange Stiefel und einen Dreispitz, den sog. Wolkenschieber. Jetzt ist es anders. Näheres s. unten bei der Volkstracht.

Anklopfet. An den drei letzten Donnerstagen vor Weihnachten ist die sog. „Anklopfet“, welche aber in der Stadt ganz aufgehört hat und nur noch theilweise auf dem Lande spielt. Es sind dies Kinder, die von Haus zu Haus ziehen und Sprüche hersagen, wie z. B. „Klopf an, klopf an, daß Kora gut gerothet“ etc., wofür sie mit Eßwaaren beschenkt werden.

In Ellwangen ist die Fastnacht besonders zu erwähnen, die in früheren Zeiten oft recht großartig gehalten wurde. In neuerer Zeit wurden einigemal am Tage gediegene Sachen zur Ausführung gebracht. U. a. Dr. Brehms Einzug in Sibirien, dann Internationales Sängerfest, Turnfest etc. Dabei werden allerlei Anspielungen laut; es ist Nichts so fein gesponnen, an der Fastnacht kommt’s an die Sonnen.

Palmsonntag. An demselben kommen die Landbewohner mit Hunderten prächtig gezierter Palmen (in Ermangelung ächter Palmzweige die Zweige der Weide mit ihren im Frühling zeitig hervordringenden Kätzchen) in die Stiftskirche, welche dort zum Segen der Wohnungen, wo sie aufbewahrt werden, ihre Weihe empfangen. Wer am Palmsonntag zuletzt in einem Hause aufsteht, bleibt das ganze Jahr hindurch der „Palmesel“.

An Ostern spielt das Osterei in allen Farben, sowie das Backwerk, Osterfladen genannt, für die Jugend eine große Rolle. Am Ostermorgen werden in der Kirche Speisen geweiht, in der Regel gesottene Eier, Salz, Meerrettich, Fladen und Fleisch, das „Geweihte“ wird nach dem Morgengottesdienst nach Hause gebracht und hierauf von der Familie verzehrt. Das geweihte Salz wird oft das ganze Jahr hindurch aufgehoben und als Heilmittel betrachtet, namentlich bei Krankheiten des Viehes.

Maibäume werden in vielen Ortschaften noch errichtet und ist mit der Errichtung immer eine Tanzbelustigung verbunden. Die | Bäume sind immer sehr groß und bestehen aus 2 Stämmen. Der obere Theil (Gipfel) wird durch Ringe mit dem unteren verbunden und ist derselbe mit bunten Bändern verziert.

Pfingsten. Am Pfingstmontag fand am Nachmittag in vielen Ortschaften von den jungen mit Sträußen gezierten Bauernburschen, den sog. Pfingstlümmeln, ein Umritt statt, was aber so ziemlich aufgehört hat.

Kirchweihe wird allgemein am dritten Sonntag im Oktober gehalten und viele Kuchen und Krapfen gebacken, die an Verwandte und Bekannte verschenkt werden. Auf dem Lande wird aber seit geraumer Zeit wieder die alte Kirchweihe „zur Erinnerung an das alte Kirchweihfest“ in den Wirthschaften abgehalten, und immer hiemit ein Tanz, wobei viel gezecht wird, verbunden.

Das alle 5–6 Jahre in Ellwangen stattfindende Landwirthschaftliche Fest gestaltet sich zu einem großartigen Volksfest, an dem die ganze Umgegend Theil nimmt.

Johannisfeuer werden in hiesiger Gegend wenig oder gar nicht mehr abgebrannt.

Barbarazweig. Am Barbaratag (4. Dez.) wird auf dem Lande in der Regel ein gesunder Kirschbaumast in ein Wassergefäß gestellt. Dieser Ast wird mit Marzipan verziert. Derselbe schlägt allmählig aus und wenn er zwischen Weihnachten und den heil. 3 Königen blüht, so soll es ein gutes Jahr geben.

Bittgänge und Prozessionen finden in der Woche vor Christi Himmelfahrt statt, einmal am Montag auf den Schönenberg und einmal am Dienstag nach St. Wolfgang und am Mittwoch wallfahren die Pfarrkinder von Schönenberg zur Marienkirche nach Ellwangen; am Pfingstdienstag wallfahren die Ellwanger zum hl. Blut nach Schwenningen. Weiter findet ein Bittgang seit 1707 am St. Annatag auf den Schönenberg statt, welcher eine geschichtliche Bedeutung hat (vergl. Beschreibung des Schönenbergs von Hofbuchdr. Wagner S. 129 u. 130). An Mariä Heimsuchung, 2. Juli, findet seit neuerer Zeit ein weiterer Bittgang auf den Schönenberg statt.

Frohnleichnamstag. Eine besonders große öffentliche Prozession findet am Frohnleichnamsfest statt, die sich durch Glanz und große Feierlichkeit auszeichnet. Die Straßen und Häuser, welche der Zug passiert, sind immer aufs Schönste dekorirt. Auch sind an diesem Tag die Kaufläden aller Konfessionen geschlossen. Es sei hiebei bemerkt, daß in Ellwangen die Katholiken auch am Karfreitag ihre Läden schließen, was auf gegenseitig kirchlichem Sinne beruht.

Eine weitere Prozession findet jährlich an Allerheiligen (1. Nov.) nach der Stiftsvesper auf den Friedhof (St. Wolfgang) statt. An diesem Tage sind die Gräber mit Kränzen und Blumen etc. geschmückt.

Zur Vervollständigung fügen wir die Schilderung der Sitten und Gebräuche in Röhlingen und seinen Filialorten bei, die wir Herrn Oberamtspfleger Steinhardt in Ellwangen, früher Schultheiß in Röhlingen, verdanken.

Familienfeste. Taufe. („Kēndstôf, auch Täufet“). Die Taufen finden in der Kirche statt; gewöhnlich schon am nächsten Tage nach der Geburt des Kindes.

| Der Täufling wird von der Hebamme und einem Pathen (Dôt oder Dôte) in die Kirche getragen. Beim Eintritt in dieselbe bleibt der Zug unter der Empore stehen bis der Geistliche erscheint. Dieser geht dem Täufling entgegen, spricht einige Gebete (durch welche er den jungen Heiden zum Vortritt in die Kirche legitimirt) und alsdann erst geht der Zug vor zum Taufstein, woselbst die Taufhandlung vollzogen wird.

Der Pathe schenkt dem Kind etwas in das Kissen und bezahlt auch die Gebühren des Geistlichen und Meßners. Der Taufschmaus (Kēndbetthof genannt) wird im Hauptort Röhlingen meistens im Hause der Eltern abgehalten. Bei den Filialisten kommen Kind, Pathe, Hebamme, Vater und auch nächste Verwandte ins Wirthshaus angefahren. Von dorts gehts zur Kirche und nachher in den Gasthof zurück, um den Kindbetthof mit Essen und Trinken abzuhalten.

Das Neugeborene ist an diesem Tag erstmaliger Wirthshausgast; es bleibt während des mehrstündigen Trinkgelages stets in der Wirthsstube, in Obhut der Hebamme, (die nebenbei bemerkt nicht selten bei dieser Gelegenheit sich ein kleines Weindusele antrinkt). Nachher fährt die Festgesellschaft im Wägele (gewöhnlich in den bekannten offenen Charabanken mit und ohne Federn) nach Haus. Dies ist Sommers und zur Winterzeit gleich. Der Täufling muß sich daher bald an Temperaturwechsel gewöhnen (aus der heißen Wirthsstube in die kalte Luft). Während des Zugs zur und von der Kirche stellen sich in der Nähe junge Bursche auf, welche Pistolen abfeuern. Je mehr es knallt, desto größer der Stolz der Festgesellschaft. Die Schützen werden nachher mit Bier und Cigarren regalirt. An Ostern beschenken die Dôten ihre Dötle mit gefärbten Eiern und Fladen; am Martins- oder Niclaustag mit Äpfeln, Nüssen und Marzipanen; am Neujahr mit gebackenem Kranz und Geld. Die Taufpathen sind gewöhnlich die nächsten Verwandten der Dötlen, letztere betiteln sie aber nicht etwa mit Vetter, Baase etc. sondern mit Dôte (Dôt.) und zwar zeitlebens. Am Kommuniontag und auch bei den Hochzeiten erhalten die Pathenkinder von den Dôten Geschenke. Bei Leichenbegängnissen kommen die Pathen unmittelbar nach den Eltern, wie auch bei Beerdigungen von Pathen die Pathenkinder mit den hinterlassenen Kindern als die nächsten Leidtragenden hinter dem Sarg gehen.

Hochzeiten. (Hoâchzet). Einige Wochen (gewöhnl. 3) vor der Hochzeit wird der sog. Heiratstag (Eheverlöbnis) gehalten. Meistens wird an diesem Tag Vormittags dem Bräutigam oder der Braut (wie die Verhältnisse eben es in jedem Fall geben) das elterliche Anwesen auf dem Rathhaus zugeschrieben und dabei der Ausgeding der Übergeber festgestellt. Nachmittags erfolgt das Eheversprechen vor dem Ortsgeistlichen und Standesbeamten. Nachher gehts ins Wirthshaus, wo auf Kosten der Brautleute ein Essen gehalten wird, wozu die Verwandten, Pathen, Freunde und Bekannten eingeladen werden. Die Theilnehmer verbinden sich damit, daß sie auch die Hochzeitfeier ganz mitmachen; dort auf ihre Kosten am Mahle theilnehmen, und bei der darauffolgenden Hochzeitschenke ein größeres Geldgeschenk (Hoachzetschenke von mindestens 5 Mark) in den aufgestellten Teller werfen. Acht Tage vor der Hochzeit kommen die Brautleute in das betreffende Wirthshaus in welchem sie die Hoachzet halten wollen, und dingen solche an (sog. Hoachzetandingen auch „anfremmen“). Es wird hiebei der Preis | pro Kouvert, Musik etc. festgestellt. Zwischen dem Heiratstag und der Hoachzet geht der Hoachzeiter und ein Brautführer (Hoachzetläder) im Wohnort der Brautleute und in den benachbarten Orten, wo Verwandte wohnen, zum Hochzeitladen herum. Der Brautführer führt dabei das Wort. Er hat die Aufgabe, den Einladungsspruch zu sagen, Witze zu reißen etc. Je besser dessen Mundstück, desto größer der Stolz des anwesenden Bräutigams und die Freude der Eingeladenen. Die Einladung lautet in der Regel: „An schöana Gruaß vom gegenwärtiga Hoachzeiter, und von seiner Braut und Ihr seiet zu ihrer Hoachzetschenke am . . . (Tag) im . . . (Wirthshaus) freundlich einglada; es werd se reacht freua, wenn man d’Ehr gäbe etc.“

Einzug (Tischrucke). Kommt der Bräutigam oder die Braut von auswärts, so findet am Abend vor der Hochzeit der Einzug statt. Die Ausstattung „Hausroath“ wird auf einem geschmückten Wagen geführt; oben auf stehen die schön überzogenen „aufgerichteten“ Bettladen des Brautpaars. Sind die Brautleute vermöglich, und ist der Hausrat dementsprechend groß, so ist der Wagen mit 4 Pferden bespannt. Dieselben sind mit farbigen Bändern verziert. Auch der Fuhrmann und der den Wagen begleitende Schreiner wie seine Gehilfen tragen farbige Bänder und ein „Tüchle“ auf dem Hut. Diese „Tüchle“ sind Geschenke der Brautleute. Braut und Bräutigam folgen in schön bekränztem Gefährt dem Brautwagen.

Am Abend desselben Tags wird im Hause der Brautleute gezecht, gesungen und gescherzt. Dazu werden Nachbarsleute, gute Bekannte und Verwandte eingeladen. Diese Feier wird „Tischrucke“ genannt. Die Hochzeiten werden an den Wochentagen Montag, Dienstag und Donnerstag gehalten. Brautleute, Verwandte und Gäste versammeln sich vor dem Abgang zur Kirche im Wirthshaus. Braut, Bräutigam und Zeugen gehen alsdann zum Standesbeamten aufs Rathhaus, woselbst die Civiltrauung stattfindet; nachher zurück ins Wirthshaus und dann Zug in die Kirche. Während sich der Zug ordnet und in Bewegung setzt, spielt die Musik im Hofe der Wirthschaft. Der Zug ist in folgender Weise geordnet: Zuerst der Bräutigam, begleitet von den sog. Kirchenmännern, dann die Männer und hierauf die ledigen Mannsleute; Braut mit Brautführern und Brautjungfern, (früher auch Hoachzetmagd genannt) Frauen und Jungfrauen. Bis vor kurzer Zeit hielten die Brautführer, die links und rechts an der Seite der Braut giengen gezogene Degen im Arm. Dieser Brauch kommt in Abgang. Nach der kirchlichen Trauung kehrt der Zug in gleicher Ordnung in die Wirthschaft zurück. Gratulation von den Eltern, Dôten, Brautführern, Brautjungfern und Gästen. Bald beginnt dann die Mahlzeit, welche ca. 3 Stunden dauert. Auf 1 Gast werden 7 Pfund Fleisch gerechnet, außerdem 1 Blut- 1 Leber- und 1 Bratwurst, 1 Sulz, 1 St. Torte. Was an Fleisch etc. nicht gegessen wird, nehmen die Gäste mit nach Haus. Abends findet noch einmal ein Essen statt, wobei das sog. Süßbrühfleisch – Rindfleisch mit Lebkuchen und Rosinen aufgekocht – eine Rolle spielt. Die Hochzeitschenke beginnt nach dem Mittagsmahl und wird eröffnet von den sog. Kissenweibern. Es sind dies zur Hochzeit geladene Verwandte, Basen; voran die Taufdôte. Jede derselben schenkt ein sauber weiß überzogenes mit Spitzeneinsätzen versehenes Kissen (Kissig). Eine davon hat ein Tragkissen. Diese Kissenweiber (Kissigweiber) ziehen | mit Musik in das Haus der Brautleute und holen die dort aufbewahrten Kissen und Haipfel, ziehen (jede mit einem Kissen unter dem Arm) mit Musik und unter dem Jauchzen der sie begleitenden Brautführer in die Wirthschaft zurück, und schenken die Kissen dem Brautpaare. Sämtliche Kissen werden dann unter einem offenen Fenster so aufgeschichtet, daß sie vom unten gehenden und stehenden Publikum gesehen werden können. Nach der Zahl und Beschaffenheit dieser Kissen läßt sich Stand, Vermögen und Ansehen der Brautleute schätzen. Die Brautleute bleiben vom Beginn der Schenke an am (Hochzeits) Ehrentisch. Vor ihnen ist eine große Porzellanschüssel aufgestellt; diese ist bedeckt mit einem Teller, auf welchen die Geldgeschenke von 1–5 M. gelegt werden. Diese Geldschenke wird von den Hochzeitsgästen, welche beim Mahl schon anwesend waren, eröffnet. Diese schenken mindestens 5 M. Nachher kommen die eigentlichen Schenkgäste angefahren und gelaufen, und das Jungvolk, welch’ letzteres nach der Schenke auf den anstoßenden Tanzboden geht und tanzt. Die Musik theilt sich. Die einen spielen zum Tanz auf, die andern gehen von Tisch zu Tisch und blasen Volksweisen. Dieß heißt man: „Eineblosa“. Jede Tischgesellschaft singt nämlich den herantretenden Musikern irgend ein Lied, hauptsächlich Schnadahüpferl, vor. Die Musik fällt hierauf ein, und wiederholt das vorgesungene Lied. Währenddem werfen die Umsitzenden in den von den Musikanten aufgestellten Teller Geldstücke als Belohnung der Musiker. Braut und Bräutigam haben Freitänze d. h. wenn sie tanzen, müssen die andern Tanzenden „aushalten“. Fällt die Braut beim Tanz, so bedeutet dieß für ihre Zukunft Unglück.

Leichenfeier. Stirbt ein Erwachsener im Ort, so kommen – so lange die Leiche im Haus liegt – Abends die Nachbarsleute und Verwandten um beim Todten zu wachen und zu beten. Nebenbei wird Bier getrunken, auch gegessen und in den Pausen von allerlei geschwätzt, so daß es oft derart zugeht, daß man nicht von einer Sitte, sondern mehr von einer Unsitte berichten muß.

Nach der Beerdigung wird mit den auswärtigen Verwandten ein Leichentrunk gehalten, gewöhnlich im Wirthshaus. Für die erwachsenen Verstorbenen wird gewöhnlich ein Jahrtag oder auch ein sog. „Dreißiger“ gestiftet. (30 h. Messen). Während der kurz nach der Beerdigung statthabenden 3 Trauergottesdienste wird von sämtlichen Kirchenbesuchern durch Umgang um den Hochaltar geopfert (je 1 oder 2 Pf.) Über dieses Opfer verfügt der Pfarrer.

Außer den Familienfesten wären zu erwähnen:

Neujahr. In der Silvesternacht sind die Wirthschaften stärker und bis nach Mitternacht frequentirt. Die jungen Bursche schießen ihren Schätzlein das Neujahr an. Fastnacht. Es kommen bisweilen öffentl. Faschingsscherze vor. Die jungen Bauernbursche von Röhlingen haben sich schon öfters zu Wagen und zu Pferd an den großen öffentlichen kostümirten Fastnachtsaufzügen von Ellwangen zahlreich betheiligt. Maienfeste. Hin und wieder wird im einen oder andern Ort der Schultheißereigemeinde ein sog. Maibaum errichtet. Dabei wird getrunken und getanzt. Dieser Maibaum gilt als äußeres Zeichen von der Einigkeit die im Ort herrscht. Kappelkirchweih (Kappelkirbe) findet Anfangs August jeden Jahres statt. Über den Ursprung dieses Festes, welches sehr alt ist und immer an einem Sonntag | gehalten wird, konnte ich nichts bestimmtes erfahren. Zweifellos rührt es von der Errichtung und Einweihung der Röhlinger (sog. Dietersbacher) Kapelle her. An diesem Festtag wird sehr üppig gelebt, und ausnahmsweise in jeder Haushaltung viel Fleisch verzehrt. Es ist Sitte, daß an diesem Tag die Ellwanger Geschäftswelt nach Röhlingen kommt, und die dortigen – theilweise sehr bedeutenden und guten Wirthschaften – besucht. In letzteren werden an diesem Tag ca. 40 Gänse, 4 Ctr. Rindfleisch, 2 Ctr. Kalbfleisch und 11 Ctr. Schweinefleisch von Röhlinger und Ellwanger Festgenossen in Eintracht verzehrt. Noch stärkerer Appetit wird von den Röhlingern entwickelt an der eigentlichen Kirchweihe (Kirbe) im Oktober. Es werden da alle Jahre in den beiden großen Brauereien allein ausgehauen und theils im Haus, theils außer Wirthshaus verzehrt: 10 Ctr. Rindfleisch, 10 Ctr. Schweinefleisch (ohne eine Unzahl Würste etc.) Die Champignyfeier wird alle Jahre vom Krieger- und Veteranenverein mit Kirchgang und Musik, Todtenamt, Festmahl und Bankett gefeiert, Reden und Toaste gehalten. Allgemeine Tanzunterhaltungen (außer Hochzeitschenken) werden äußerst selten oder eigentlich gar nicht abgehalten. Bleiben bei solchen Gelegenheiten junge Bauernmädchen ohne Schutz und Aufsicht der Eltern oder eines Bruders bis in die tiefe Nacht hinein auf dem Tanzplatz, so kommt es vor, daß die jungen Bursche als Zeichen der Verachtung Strohschäube in den Tanzsaal werfen. Damit wollen sie das betreffende Mädchen fragen, ob sie im Tanzsaal übernachten wolle. Zur Winterszeit kommen oft Zusammenkünfte junger Leute in Bauernhäusern vor. Es sind dies gegenseitige Besuche, bei denen man scherzt, Bier trinkt, Mund- oder Ziehharmonika spielt, auch tanzt und singt. Dieß heißt man zum oder in „Hoirles“ gehen. Ist’s lustig und fidel zugegangen, dann sagen die Theilnehmer „heut war’s aber recht hoinlig“ (heimlich.) Im allgemeinen muß gesagt werden, daß die Röhlinger Bauern sehr auf Zucht und Ordnung sehen, daß die Männer an Werktagen nicht ins Wirthshaus gehen; man trifft dort blos Knechte. Um 9–10 Uhr sind die Wirthschaften (mit Ausnahme der Knechtskneipen) geschlossen. Die Röhlinger sind solid, sparsam und fleißig, daher auch ihre allgemeine Wohlhabenheit. Die Erziehung der Kinder ist gut. Die erwachsenen Töchter stehen unter strenger Zucht und Aufsicht. Uneheliche Geburten sind sehr selten.

1

Metzelsuppen. Das Eigenthümliche bei unsern Bauern ist das, daß sie im Sommer, während sie angestrengt thätig sein müssen, höchst einfach, dagegen im Winter, der Zeit der Ruhe, gut leben. Die großen Bauern schlachten in der Zeit vom Herbst bis Frühjahr jeden Jahres 4–6 Schweine; die mittleren Bauern 2–3; und selbst die Geringsten (Inhaber von etlichen Morgen Güter) schlachten 1 Schwein im Winter. Im Sommer ist die Kost einfach, weil sich der Bauer kaum zum Essen Zeit nimmt. Morgens: Suppe (Milchsuppe, Schwarzbrodsuppe). Mittags: desgl., Knöpfe und Salat oder Ofennudeln und Salat. Abends wieder Suppe. Auf’s Feld nimmt der Bauer Weißbier, Schnaps und Brot. Dieses Weißbier siedet er selbst. Die Vermöglichen haben eigenen Brauzeug. Viele aber benützen die Waschapparate (Kessel und Waschschaffe.) Zu jedem Sud werden 30–50 Pfund Malz verwendet. Alle 4 Wochen etwa wird gesotten. Die Bauern ziehen ihr eigenes Gebräu dem Weißbier der Wirthschaften vor. Obstmost wird zur Herbstzeit zwar bereitet, aber in geringer Menge, so daß er bis | Frühjahr gewöhnlich weggetrunken ist. Röhlingen hat zwei gute und große Brauereien. Die Mayersche Brauerei ist die größte im ganzen Oberamtsbezirk.

Volksaberglauben. Die Bauersleute glauben, in jedem Haus sei eine Otter, die Hausotter. Hört man dieselbe in den Wandungen oder unter den Böden „pfeifen“, so sagt man, die Hausotter pfeife solange fort, bis aus der Familie eines gestorben sei. Dies soll immer zutreffen. Es kommt vor, daß den Pferden zur Nachtzeit die Schwänze und Mähnen geflochten werden. Dies hat natürlich jedesmal die Hexe – gewöhnlich in Gestalt einer Katze gethan. Man paßt daher die folgende Nacht auf. Kommt nun eine Katze in den Stall, hui mit Prügel, Besen und Mistgabel auf sie und gehauen und gestochen! Am andern Tag hält man möglichst geheim Umschau im Ort. Kann ein altes Weib (das vielleicht vorher schon verdächtig schien) zufällig nicht ausgehen, oder hat sie einen verbundenen Kopf oder Fuß etc., so war sie – die Hexenkatze vom Abend.


Weitere landwirtschaftliche u. a. Gebräuche im Ellwangischen [18].

Das Sommergetreide wird schon längst mit dem Haberrechen gemäht.

Das Wintergetreide wird erst seit den sechziger Jahren nicht mehr mit der Sichel geschnitten, sondern gleichfalls gemäht.

Beim Mähen soll der Wind auf die Sense fallen, oder: „Der Wind soll dem Mähder in den Anken (Nacken) gehen.“

Die Gerste wird am liebsten im zunehmenden Mond gesäet.

Der Flachs wird gerne in der elften Stunde (zwischen 11 und 12 Uhr Mittags) gesäet. Man meint, er fange in derselben Stunde an zu blühen, in welcher er gesäet worden.

Wer ein Hemd anzieht, dazu das Garn von einem siebenjährigen Mädchen gesponnen worden, macht als Viehhändler gute Käufe oder zieht als Rekrut das höchste Loos, daß er frei wird.

An den drei Fastnachtstagen Samstag, Montag, Dienstag werden in drei mit Erde gefüllte Gefässe je einige Kerne Leinsamen gestupft, um zu erfahren, ob die frühere mittlere oder späte Saat des Leines am besten geräth. Wenn z. B. der am Dienstag gesäete Same zuerst aufgeht, so wird der Lein spät gesäet.

Gegen Maulwürfe muß man am Karfreitag Morgens vor Sonnenaufgang und unbeschrieen Erde von einem Maulwurfshaufen nehmen und auf einem fremden Acker umherstreuen, dann verlassen die Maulwürfe das eigene Feld und wandern in das fremde. – Auch das Zutreten der Löcher zu obiger Zeit soll helfen.

Beim Ausdreschen wird aus dem letzten Gebund Stroh ein Bockel (Bock) gemacht. Vier Stecken bilden die Füße und zwei die Hörner; es wird ihm eine mit Stroh ausgestopfte Zipfelkappe untergebunden. wer beim Dreschen den letzten Streich gethan, muß den Bockel forttragen und einem Bauern, der noch drischt, in die Scheuer zu werfen suchen, darf sich aber nicht erwischen lassen, sonst binden ihm die so | beschimpften Drescher den Bockel auf den Rücken und schicken ihn damit wieder heim.

An wen beim Abschneiden die letzten Halme zu schneiden kommen, oder wer beim Ausdreschen den letzten Streich thut, der bekommt „den Alten“, wer den Alten bekommen hat, darf an der Sichelhenke oder Flegelhenke von allen Speisen doppelt nehmen, einen Theil für sich und einen für den Alten.

In den Zeiten strenger Arbeit gibt es Mittags Knöpf und Nudeln, nach der Sichelhenke nur noch einerlei Mehlspeisen.

Der Tag, an dem die Öschprozession gehalten wird, heißt Kornfeiertag. Er wird wie ein gebotener Feiertag gefeiert, alle Feld- und schwere häusliche Arbeit wird unterlassen und die Dienstboten haben frei. Am Nachmittage wird der Maien mit Tüchern und Bändern behangen, aufgerichtet und es findet eine Tanzbelustigung statt. Von den vielen Filialen hat jedes seinen eigenen Flurgang, der immer an einem Werktage gehalten wird.

Der Name „Ösch“ ist übrigens hier unbekannt, es gibt nur Felder: ein Winterfeld, Sommerfeld, Brachfeld und statt „Öschprozession“ heißt es: „Man geht ums Korn oder man geht ums Feld.“

Wenn es an Alexis (17. Juli) regnet, so wird das Korn theuer.

Wo man Erde vom Grab des hl. Ulrich hat, dahin gehen die Ratten und Mäuse nicht. Hält man St. Ulrichstag nicht als Festtag, so kommen die Ratten ins Haus und die Mäuse ins Feld. Den „Rattenfeiertag“ muß man heiligen. (Birl. Volksth. 1, 120.)

Um zu erfahren, in welchem Vierteljahr die Frucht am theuersten wird, macht man in der Christnacht vier gleich große Häufchen Korn auf den Tisch, ein erstes, zweites, drittes und viertes. Am Morgen kann man dann finden, daß sie nicht mehr gleich sind. Das wievielte Häufchen am kleinsten ist, in dem sovielten Quartal ist die Frucht am theuersten.

Die langen Wolkenstreifen heißen hier Wetterfahnen.

Der Wirbelwind heißt Windsbraut.

Ein Weibsbild, das auf dem Felde gearbeitet, soll die Windsbraut angerufen haben:

„Windsbraut, kehr mir den Rock aus!“ worauf der Wind die Person in die Höhe gezogen; dieselbe habe bald nachher sterben müssen.

Bei einem heftigen Sturm streute man früher eine Handvoll Mehl zum Fenster hinaus, um den Sturm oder das Gewitter zu besänftigen.

Kommen unerfahrene Personen zum Ausdreschen, so schickt man sie fort, „den Balkenstieber“ (zum Abstäuben) zu holen; beim Schlachten läßt man den „Säumagenleisten“ holen; beim Ausnehmen der Bienen den „Immenstriegel“; beim Bändermachen die „Bänderscheere“.

Wenn es schneit, so schlagen einander die „Bäckenbuben.“

Früher wurde das Johannisfeuer angezündet, damit der Flachs gerathe.

Wer in der Christnacht dreierlei Frucht in der Tasche mit in die Kirche nimmt, dem soll in demselben Jahre der Sperber keine Tauben rauben.

Um den Fuchs vom Hühnerstehlen abzuhalten, kann man die geweihten Palmen um den Hof herumschleifen; in diesen Kreis herein kann der Fuchs nicht.

| Den Fuchs kann man auch abhalten, wenn man von jeder Speise, die an der Fastnacht auf den Tisch kommt, etwas in ein Schüsselein thut, dieses Abends in eine Hecke stellt und spricht: „Da Fuchs, hast du auch etwas, aber laß mir meine Hühner in Ruhe!“

Am 2., 3. und 4. Donnerstag im Advent gehen die Kinder und die Bettler aus der Gegend im Dorfe herum und „klopfen an“.

Dabei singen sie:

„Guts Jahr, guts Jahr!
Daß’s Koara gut groth!
Gut Heil, gut Heil!
Mir auch meinen Theil!
Ich klopf an, ich klopf an,
Der Bäuerin an Hutzelsack ’nan.
Er ist nicht im Kasten, er ist nicht im Schrein,
Wo mag denn beim Schinder der Hutzelsack sein?“
Hutzel, Nuß, Nuß, Nuß!“

     In Röhlingen singt man:

„Drei Rosa, drei Rosa,
Die wachset uf ’ma Stengel,
Der Herr ist schöa, der Herr ist schöa,
Die Frau ist wie ’a Engel.“

Die Kinder aus dem Dorfe, reich wie arm, gehen herum und bekommen dann Äpfel, Nüsse, Hutzeln und von reichen Leuten Marzipan.

Am letzten Anklopfdonnerstag kommt die Berch mit Krone, einem Wisch Werg und einem Kochlöffel. Eine Person ihrer Begleitung stellt eine Gans mit langem Kragen vor.

Am unschuldigen Kindertag gehen in vielen Gegenden die Buben in den Häusern herum und bestreichen mit Rütlein Jeden, den sie treffen, besonders aber die Weiber. In der Ellwanger Gegend rufen sie: „Zelten räß, Zelten räß!“ worauf sie Zelten bekommen. (Birl., Volksth. 2, 12.)

In einzelnen Ortschaften bei Ellwangen setzt sich der Lehrer am lumpigen Donnerstag auf den Stuhl, und die faulsten Schüler müssen auf allen Vieren unten durchpassiren, wobei jeder mit einem Prügelchen bestrichen wird. (Birl., Volksth. 2, 22.)

Am Georgitag, 23. April, ziehen die Knaben in der Umgegend von Ellwangen mit Peitschen in den Dörfern herum und knallen. Einer, der einen Korb trägt, sammelt Eier, Mehl, Schmalz, Geld und dgl. ein (Meier, S. 395).

Eine Art Haberfeldtreiben heißt im Ellwangischen „den Hennen reiten“. Vor dem Hause, worin sich gerade eine Person aufhält, an der man sich z. B. wegen Verweigerung eines Wichses im Wirthshause oder einer andern Ursache rächen will, machen die ledigen Bursche des Nachts einen Lärmen mit Peitschenknallen, Ketten und andern rasselnden Gegenständen. Mit diesem Spotte wollen sie den Verfolgten aus dem Hause locken; kommt er, dann gehen die Händel an, die fast immer mit Thätlichkeiten endigen. Das Hennenreiten ist nur links der Jagst und um Ellwangen herum bekannt, dem Ries zu nicht; schon in Zöbingen nicht mehr.

| Am Heiratstag, wo die Brautleute in den Pfarrhof gehen, um ihre Absicht, einander zu heiraten, vor dem Geistlichen zu erklären und Abends ein Fest im Wirthshaus ist, werden demjenigen ledigen Buschen oder Mädchen, von dem man weiß, daß es das eine oder andere der Brautleute auch gerne gehabt hätte, in der Nacht Spreuer gestreut von seinem Hause bis zum Hause der andern Person, oft von einem Orte in den andern, auch in der Stadt Ellwangen.

Wenn ein fremder Bursche nach einem Mädchen ins Dorf kommt, muß er den ledigen Burschen dieses Orts im Wirthshause eine ansehnliche Zeche zahlen, oder er wird unbarmherzig zum Dorf hinausgeprügelt, oft trotz der Zeche. Derartige Prügeleien wurden schon häufig bei Gericht verhandelt.

Hier heißt der erste Fastensonntag, Sonntag nach Fastnacht, der „weiße Sonntag“.

An diesem wandern die Knechte, während das Ziel für die Mägde von jeher Lichtmeß war.

Am Montag nach dem weißen Sonntag (1. Fastensonntag) ist in Ellwangen Jahrmarkt, welcher der Knechtsmarkt hieß, weil diesen die wandernden und bleibenden Knechte besuchten. Tags zuvor nahmen sie ihren Jahrlohn ein und die Handelsleute hatten an diesem Markte immer eine schöne Einnahme. Welcher Knecht an diesem Tage noch keinen Platz hatte, steckte einen grünen Tannenzweig an die Kappe und trug eine Geißel in der Hand. Vielen gelang es, an diesem Markte einen Herrn zu finden und sich zu verdingen.

Vor etwa 10 Jahren verordnete das Oberamt, daß die Knechte auch an Lichtmeß zu wandern haben wie die Mägde. Beim Wandern singen die Dienstboten:

1. Heut ist mein Wandertag,
     Morgen mein Ziel,
     Schickt mich mein Bauer fort,
     Gibt mir nicht viel.

2. Gibt sie (die Bäuerin) mir einen Groschen,
     Schlag ich ihr ihn um d’Goschen,
     Gibt sie mir ein Stück Brot,
     Schlag ich sie todt.

3. Bäuerin, hol den Geldbeutel herein,
     Bauer, zahl mich aus,
     Bäuerin mach die Stubenthür auf,
     Bauer, jag mich hinaus.

Die Weidenrindenröhrchen, durch welche die Knaben im Frühjahre blasen, heißen „Habenen“ (anderwärts Hupen).

Wenn sie einen machen, singen sie dabei:

„Habene, Habene gräth,“
(Auch „Pfeif, Pfeif gräth“)
„Pfotze, Pfotze gräth“)
Ich geb dir Bier und Brot
Und ein Gläslein Branntewein,
Ich schlag dich recht in Anken (Nacken) nein“,

|

 oder:
„Habene, Habene, gang ra,
Oder ich schmeiß dich in Brunnen na,
Da fressen dich die Kroten und Frösch,
Älles, was im Brunnen drunten esch.“

Von Raubvögeln werden nur Hennensperber und Taubensperber genannt, „Habicht“ ist nicht bekannt.

Wenn die Kinder einen solchen sehen, singen sie:

„Hennensperber, Schura,
Dein Häuslein brennt schon lang a,
’s sind sieben junge Täublein drin,
Hend alle rothe Käpplein auf.“

 oder:

„Hennensperber rother (großer) Dieb,
Wären dir meine Gänslein lieb,
Die jungen wie die alten,
Morgen wollen wir dich spalten.“

Die Wachtel schnarrt:

„Sechs Paar Weck, sechs Paar Weck, sechs Paar Weck.“

Der Fink pfeift:

„Schütt, schütt, schütt!“

Der Emmerling:

„Bäuerle, Bäuerle, laß mich auf dein Mist!

An einem kalten Apriltage singt die Drossel:

„Es schneit, es schneit!“

Der Staar antwortet:

„Das glaub ich, das glaub ich.“

Von Spottgedichten sind folgende sehr gebräuchlich:

Dort unten in dem Gmünder Land,
Da geht der Schneck auf Stelzen,
Die Spatzen hend Pantöffeln an,
Man sieht sie wunderselten.

Der Einsiedler von Gmünd
Hat’s Beten nit kennt,
Hats’s Påter (den Rosenkranz) wegg’schmissen,
Ist den Mädle nochg’rennt.

Bei den Gmünder
Ist nicht viel dahinter.

Päule Päule,
Pupp, pupp, pupp,
Was hast gessen?
Wassersupp.

| Geschäfte halber gehen die Leute aus den Orten um Ellwangen außer in die Stadt Ellwangen gerne nach Aalen, Bopfingen, Nördlingen und Dinkelsbühl, auch auf den Viehmarkt nach Wasseralfingen, aber nicht nach Crailsheim, dahin ist nicht eine Spur von Verkehr und von 100 Bauern haben diese Stadt noch keine 5 gesehen. Diese Erfahrung läßt sich durchaus nicht aus dem Unterschied in der Konfession erklären; denn es gehen sogar viele Leute, welche von Aalen aus gerechnet über Ellwangen hinausliegen, mit Umgehung von Ellwangen nach Aalen oder Bopfingen.


Seltene Ausdrücke, Sprichwörter.
„Röhren“ für weinen (aber flennen nicht bekannt); einen utzen und markiren (aber foppen nicht gebräuchlich); spinnen, der Spinner, ein überspannter Mensch. Das Kind ist an dem und dem Tag „geworden“ statt geboren. Beim Dreschen umkehren heißt „kuonzen“. Für schlingen hört man nur die alte Form „schlinden“. Die Pferde kirren. Die Sau nimmt vom Eber auf: sie rumpst. Diese Leute sind verschenkisch, es sind verschenkische Leute, d. h. sie schenken gerne her. Ein Paar Ochsen anfeilen d. i. feil machen durch Bieten. Ochsen gleichen, zu einem Paar zusammenstellen und zusammengewöhnen. Der Raule d. i. Kater. Der Ganter oder Faßständer, worauf man die Bierfäßchen legt. Der Dexel, ein Zimmerbeil mit krummgebogener Schneide zum Aushauen einer Rinne. Ein Schlåh Heu, ein Schlåh Leute. Wenn das Heu auf der Wiese dürr ist, wird es in eine lange Zeile, in einen Schlåh zusammengerecht, daß es gut aufladen ist. Keiten oder Krautsetzlinge, „Sankt Veit (15. Juni) setzt die erste Keit.“ Die Urwahl, Überbleibsel beim Essen. Man hat dich nicht zum Gassaten spielen: der Aussonderer, der Sonderling. Einen überzähligen nicht für zum Voraus bestimmte Geschäfte angestellten Knecht heißt man einen Schrollen. Ein Dienstbote hat eine gute Grinne, z. B. ein Bräuer, der das Geld für Hefe für sich behalten darf. Flurnamen in Röhlingen: Ronefeld, Vormittagsheu, Nachmittagsheu, hier: beim todten Manne, Osterfeld, Auchtwiesen, in Neunstatt: Thorhäule vielleicht Hain des Thor? Gerenäcker, an einem Ende spitz zulaufende Äcker. Lautversetzung: Urle für Ulrich, der Kräben für Korb, Anken für Nacken, es duret für donnert, „se“ regnet für „es“ regnet, in „Spälter“ für „Splitter“ ist das „l“ an seiner ursprünglichen Stelle stehen geblieben. Übergang der Schmelzlaute in einander: „Du daulst mich“ für „Du dauerst“, der „Ähle“ für „Ähne“. Kofler für Schinder. Statt Flochberger ist noch der alte Name „Kofler“ gebräuchlich. Die Esseln für Nesseln. Ausdrücke aus dem Lateinischen und Romanischen, welche im südlicheren Theil von Schwaben gäng und gäbe, sind beinahe ganz unbekannt geblieben, z. B. wenn die Kinder in die Schule kommen, wissen sie nichts von Obst (opsonum), dafür Kribse, von Axt (acies) dafür Holzbeil, Öhre, Hausöhrn (area) dafür Hausgang, der Eber (aper) dafür Häckel, für Kosel hört man die Tausch, die Laus (fast zweisilbig La-us) oder die Suckel. Der Boden ist eben, schneefrei (apricus a, um) nicht bekannt. Ein klarer Same, klare Frucht allgemein für fein, nicht grob, rauh. (Keines meiner Wörterbücher | hat diese Bedeutung). Der Name „Dienstag“ ist nicht gebräuchlich, allgemein heißt es Aftermontag. Hier gilt der Donnerstag für einen weniger glücklichen Wochentag. Die Dienstboten stehen am Donnerstag nicht gern an, wohl aber am Freitag besonders die Mägde.

Wer die Hennen hat wegen dem Gacken,
Die Mädchen wegen dem Lachen,
Die Sau wegen dem Mist,
Der hat noch nie was Rechts erwischt.

Wer hat Immen und Schaf,
Der lege sich nieder und schlaf,
Doch schlaf er nicht zu lang,
Sonst kommt er um Immen und Lamm.

Wenn die Maus voll ist, ists Mehl bitter. „Was mein Vater veracht’t (heruntersetzt) das will er haben,“ sagte der Judenbub zum Bauern. „Gleich und gleich gesellt sich gern,“ sagte der Teufel zum Kohlenbrenner. „Ja, aber ich kann mich waschen,“ sagte dieser. Wenn die Kinder unartig sind, heißt es häufig: „Siehst den Herrn Jörg“ und hält ihnen den Stecken hin (Bauernjörg?). „Das geht aus wie der Hällische Bauernkrieg“ für wie das Hornberger Freischießen.


Besondere Gebräuche in einzelnen Ortschaften.

Ellwangen Stadt. Am St. Nikolausabend gehen zwei Bursche mit einander fort; der eine kleidet sich abscheulich nachlässig, lumpig und hat eine Ruthe. Der andere ist ganz vornehm gekleidet mit schönem Bart und ehrwürdigem Aussehen und soll in Kleidung und Haltung den Bischof St. Nikolaus vorstellen. „Niklos“ ist sein Name. Der andere mit seiner Ruthe ist „Berch oder Bercht“ früher genannt worden. Können die Kinder nicht beten, so schlägt sie der Bercht auf die Finger; beten sie gut, so gibt ihnen der „Klos“ mit seinem schönen Bart Nüsse, Äpfel und wetzsteinförmige Brote. So war es früher. (Birl., Volksth. 1, 2 f.)

Man ißt am Neujahr „süßes Kraut“ und im ganzen Jahr geht einem das Geld im Geldbeutel nicht aus. (Birl., Volksth. 1, 469.)

Wenn der Braut bei der Hochzeit der Kranz gestohlen wird, so müssen die Brautführerinnen zwei Maß Wein zum Besten geben. (Meier, S. 483.)

An den Vorabenden der Feste der Stiftsheiligen, denen jetzt noch bestehende Märkte, der kalte Markt im Januar und die am 23. Mai, 15. Juni und 3. Oktober ihren Ursprung verdanken, wurde Mittags 12 Uhr, sowie an den Tagen selbst Morgens 71/2 Uhr nach uraltem Brauch eine Viertelstunde lang die größte Glocke geläutet und dazwischen hinein eine ebenfalls große Glocke so angeschlagen, wie es in vielen Gegenden als Feuerzeichen geschieht. Zur Erinnerung an jenen Glockenklang, den Hariolf im Schlafe nach jener Elchjagd im Virngrund, wo jetzt Ellwangen steht, dreimal hinter einander hörte und der in ihm den Gedanken erweckte, hier zur Ehre Gottes das Kloster zu gründen.

Jeden Donnerstag Abend nach dem Gebetläuten wird zur Erinnerung an die Angst Jesu am Ölberg die große Susannaglocke geläutet. | Es ist dies seit 1630 auf Veranlassung der Jesuiten eingeführt worden. Diese durch ihren prachtvollen Ton ausgezeichnete Glocke wird auch an hohen Festtagen geläutet.

Ellwanger Sprichwörter. Nach und von Ellwangen geht Niemand gern. – Unter dem Krummstab ist gut wohnen. – Der hat einen Schädel wie der Propst von Ellwangen. – Wenn’s wehren nichts mehr hilft, dann frißt man mit wie’s Fuggers Hund. (Derselbe soll dressirt gewesen sein und habe das Fleisch allein in der Hofmetzig geholt. Nachdem er aber einmal von anderen Hunden angefallen und die Beute ihm aus dem Korbe entrissen worden, habe er auch mitgefressen.)

Hausnamen von Ellwangen, die eigen waren und noch da sind: Bartelweber, Koblenzerschlosser, Hellerschlosser, Eicheleskrämer, Stoffeleskrämer, Franzosenkrämer, Safferkrämer, Blaufußbeck, Eggelesbeck, Beckabäbele, Beckanaze; Metzger, als: Zinkenhans, Zinkentone, Pariserschneider, Lissabonerschuster, Welschenbaltle etc. Ebenso waren die Bediensteten vom Kapitel betitelt: Kapitelsschlosser, Kapitelsfischer, Kapitelszimmermann etc. und die fürstlichen Bediensteten ebenso: als Hofapotheker, Hofbeck, Hofmaler, Hofmetzger, Hofschmied, Hoffischer, Hofschneider.

Italienische Namen waren hier: Zucki, Gabelar, Sanantoni, Fackano, Madelon, Cortun.

In Bühlerthann pflegt bei Hochzeiten Bräutigam und Braut Geld unter die Schuljugend zu werfen.

Neuler. Zur Faschingszeit sind noch öffentliche Maskenzüge; an Pfingsten ist das sog. Pfingstreiten von jungen Burschen.

In Rosenberg war der Huttanz immer am ersten Sonntag nach der Kirchweih. Man tanzt auf einer Wiese, indem jeder einen Stock, an den ein Bändel geknüpft ist, in die Hand bekommt und damit einmal herumtanzt. Zugleich ist ein Pistol geladen und ein brennender Schwamm liegt daran. Wer den Stock beim Losgehen des Schusses in der Hand hat, gewinnt den Hut. (Meier, S. 449.)

Über die nach Honhardt gehörenden Parzellen s. u. in der Ortsbeschreibung von Hummelsweiler.

Schwabsberg. Die Wallfahrt zur Kapelle zum hl. Blut in Schwenningen wurde früher sehr stark besucht, besonders von Pferdebesitzern, weil diesem Wallfahrtsorte eine besondere Kraft hinsichtlich der Pferde zukommt, damit sie nicht erkranken, oder wenn sie es sind, wieder geheilt werden. Auch noch jetzt (1840) wird von den Bauern der Umgegend am Pfingstmontage jeden Jahrs diese Kapelle besucht und Opfer, besonders Früchte, niedergelegt. (Hillersche Chr. III.)

In Schrezheim wird noch jedes Jahr der Maibaum aufgerichtet. Vor 40–50 Jahren waren in Unterschneidheim noch Huttänze und Tellertänze. In Walxheim finden sich noch Spuren des sog. Steffesreitens, d. i. Ausreiten Lediger am Stefanstag bis an die Markungsgrenze.

Westhausen. Am Neujahrsabend (Sylvester) kommen aus der Umgegend Bursche mit jungen Pferden, die auf den kalten Markt (am ersten Montag nach Dreikönig) nach Ellwangen müssen, zu der nordwestlich von dem Ort gelegenen Sylvesterkapelle, reiten um die Kapelle und dann wieder heim; zugleich wird hier gedroschene Frucht (Dinkel) geopfert, was einen Erlös von 20–30 M. gibt.

Bezeichnend für die Sittenzustände im vorigen Jahrhundert ist | ein Erlaß des Fürsten Franz Georg: Fürstlich Ellwangische erneuerte und verbesserte Polizei-Ordnung, datum Engers den 7. August 1747, der wir Folgendes entnehmen:

„Die Sonn- und Feyertage sollen gebührend geheiligt, somit die, welche während des vormittägigen Gottesdienstes außer den Kirchenthüren, auf dem Markt unnützes Geschwätz haben und sich unruhig betragen, in die Kirche geschafft werden; im Weigerungsfalle ist die Strafe 30 Kreuzer und im Unvermögenheitsfalle der Thurm, und für junge Leut der Triller oder das Narrenhaus.

Die Straf böser Wünsche soll im Thurm mit Wasser und Brot, oder auch in Arbeiten mit Schellen, auch in der Geige bestehen. Alle abergläubigen Handlungen, besonders das Segensprechen, Wurzelstechen, die sogenannten Passauerzettel, das Christophelgebet, das Crystallisehen und das sog. Losen sollen mit einer Geldstrafe von 10 Gulden oder nach Umständen mit harter Leibesstraf geahndet werden.

Alle Unterthanen werden ermahnt, sich und die Seinigen nicht über seinen Stand in Gold, Silber, Geschmuck, kostbaren Spitzen und Modezeug zu kleiden.

Die Hochzeitmahle sollen nur einen Tag gehalten werden, die Nachhochzeit des zweiten Tags soll mit gemäßigter Einschränkung allen Überflusses künftighin gestattet seyn, hingegen das sog. Kränzleins-Vertrinken am dritten Tage bei Strafe von 3 Gulden und zwar für den Wirth sowohl als für den Hochzeiter abgestellt seyn. Der Tanz soll mit dem gewöhnlichen Zapfenstreich seine Endschaft erhalten, wenn nicht vom Stadtvogtamt aus besonders bewegenden Ursachen etwa 1 Stunde oder was länger zur Lust vergünstigt wird.

Bei den Kindstaufen dürfen nur 8, 6, 4 Frauen, die Gevatterin ausgeschlossen, berufen werden, und der Gevatter vom Bürger- oder Bauernstand darf höchstens 1, 2, 3 Reichsthaler, 1 fl. oder halben Thaler einbinden und die kostbare jährliche Schenkung auf Nikolai und neue Jahr soll aufgehoben seyn.

Zu den Heurathstagen dürfen mehr nicht als 6, höchstens 8 Personen als Gezeugen bei Straf von 1 fl. für jede weitere Person eingeladen werden und die Mahlzeiten bei Kindstaufen sind bei 3 fl. Strafe gänzlich eingestellt, nur darf denen, die der Taufe beiwohnen, ein Trunk und Brot, jedoch auch ohne Übermaß vorgestellt werden. Vor Errichtung und Protocollirung des Heurathsvertrags darf die Copulation nicht vorgehen.

Die welche durch Schwelgen, Fressen, Saufen, Lermen und Spielen in Armuth und Schulden gerathen, verlieren das Bürgerrecht, ihre Habschaft soll nach der Verordnung vom 2. April 1739 unter die Gläubiger ausgetheilt und die Schuldner aus der Stadt geschafft werden, und die Darleiher des Gelds zum Spielen und beständiger Zecherei mit ihrer Forderung abgewiesen werden.

Zur Sommerszeit nach halb 10 Uhr und zur Winterszeit nach 9 Uhr darf Niemand mehr in den Wein-, Bier- und Branntweinschankhäusern und in den Gunkelhäusern, oder auch auf der Gasse mit Schreien, Rufen, Schlagen und ärgerlicher Völlerei sich betreten lassen bei 3 fl. Strafe. Besonders ist auf die Gunkelhäuser acht zu geben und unvermerkt Haussuche in denselben, oder wo Manns- und Weibspersonen zusammenkommen, vorzunehmen.

| Diejenigen, welche sich zum Dienen zu gut dünken, und auf obrigkeitliches Ermahnen zu Haus sitzen bleiben, ohne eine redliche bürgerliche Nahrungsart zu treiben, sollen aus der Stadt fortgeschafft werden, außer sie wären Gebrechens halber zum Dienen untauglich. Fremde, die in das fürstl. Stift einziehen wollen, müssen mindestens 50 Reichsthaler im Vermögen besitzen und nach der Hausgenossenschaftsverordnung vom Jahr 1744 durchaus qualifizirt sein, und Kaution leisten, daß sie Niemanden, auch dem Hospital nicht zur Last fallen wollen.

Das Salz soll von Obrigkeitswegen im gewissen billigen Preis angesetzt werden.

Täglich soll von Morgens bis Abends neugebackenes weißes Brod zu haben sein; wäre aber gar kein Brod zu bekommen, so verfällt das gesammte Beckerhandwerk in die Strafe von 6 fl. und wenn sich ein Abgang an neugebackenem weißem Brod zeigt, in die Strafe von 3 fl. – Wenn die Becker kein recht fein gutes zartes weiß und wohl ausgebackenes Brod backen, so soll ein eigener Freibecker angestellt oder aber den Landbeckern gestattet und befohlen werden, auf den Marktag oder öfters feines gutes frisches Brod zu feilem Verkauf hereinzubringen unter Verlust ihrer Beckengerechtigkeit.

Wenn das neue Schlachthaus erbaut sein wird, darf nur in diesem das Vieh geschlachtet werden; und wenn die Mezger es an Fleisch mangeln lassen, solle das Handwerk jedesmal 10 fl. geben.

Wenn das Bier nichts nutz ist, so soll den Fässern der Boden eingeschlagen werden.

Die Juden, von denen täglich, so lange ihr Aufenthalt währt, 20 kr. Leibzoll zu entrichten ist, dürfen Pferde, Vieh und andere Waaren ohne Einschränkung der Summe einkaufen; aber verkaufen dürfen sie nicht: Tuch, Leinwand, gold- und silberne Borten, Spizen, Seidenware, Kleider, Federn, Bettgewand und andere drgl. Sachen, auch nicht gute Geldsorten gegen schlechte Münze, als Kreuzer, Zweier und Pfenninge verwechseln.

Kein Bürger oder Unterthan darf sub poena nullitatis keinen Kontrakt mit einem Juden eingehen, der sich über 20 fl. beläuft, ohne daß vorher bei der Obrigkeit Anzeige geschehen, und darüber erkannt worden, daß unerlaubter Wucher nicht unterlaufe.

Wer auf öffentlichen Feldern, auch an den Pflügen, Eggen, Gefährt und anderen Geräthschaften einigen Schaden und Muthwillen verübt, soll nach den gemeinen und peinlichen Rechten auf’s schärfste, sogar an Leib und Leben bestraft werden.

Wenn einem herrschaftl. oder Gemeindebedienten die Fenster eingeworfen werden oder ihm sonst ein Unbild zugefügt wird, so soll die betreffende Dorfgemeinde in solang dafür stehen, bis der eigentliche Thäter angegeben worden.“


Volkstracht.
Die ländliche Volkstracht, leider zusehends der städtischen weichend, hat sich doch noch mehr oder weniger erhalten in den Orten Benzenzimmern, Bühlerzell, Dalkingen, Geislingen, Neuler, Nordhausen, Pfahlheim, Rindelbach, Röhlingen, Schwabsberg, Thannhausen, Unter-Schneidheim, Unter-Wilflingen, Walxheim, Zipplingen, Zöbingen. Man kann | zwei Arten unterscheiden: die Ellwanger und die Rieser Tracht, letztere im Südosten des Bezirks, welche aber beide, wie wir gleich sehen werden, vieles Gemeinsame haben.

In Bühlerzell, Neuler, Schwabsberg besteht die Tracht beim männlichen Geschlecht in schwarzen kurzen Lederhosen, langen Stiefeln mit weichen Schäften bis über die Kniee, rother Scharlachweste mit weißblanken Knöpfen, einem blauen langen Tuchrock mit schwarzen Knöpfen oder einem Wamms von gleichem Stoff mit blanken Knöpfen, niederem rundem Hut oder einer Kappe von Fischotterbräm, in Bühlerzell auch Dreispitze. Beim weiblichen Geschlecht in rothem Wollrock, bunter Schürze, schwarzem Wamms mit hinten breiten, vorn eng werdenden Ärmeln, buntem oder schwarzem Seidehalstuch, auf dem meist eine lange Silberkette mit Kreuz- oder Münzbehäng als Schmuck liegt, einer meist nur den Hinterkopf deckenden schwarzen Seidenhaube, mit goldener oder dergl. gestickter Nische, und breiten schwarzen Seidebändern den Rücken entlang. Ähnlich nur etwas schlichter ist die Tracht in Pfahlheim, Rindelbach, Röhlingen, Thannhausen: bei den Männern schwarzer Filzhut oder auch noch der Dreispitz, dunkelbrauner oder grüner langer Tuchrock, rothtuchenen Weste mit großen Knöpfen, schwarze kurze Lederhosen und lange Stiefel, bei den Weibern schwarze Bändelhauben, Radhauben, schwarzes Wamms mit weiten Ärmeln und rothwollene Röcke, bunte (grüne, blaue) oder schwarze Schürze.

Die sog. Rieser Tracht erinnert in Vielem an die eben beschriebenen; sie ist in den katholischen Orten des Bezirks, in Geißlingen, Nordhausen, Unterschneidheim, Unterwilflingen, Zipplingen, Zöbingen folgende: die Männer tragen Troddelkappe, einen langen Rock bis an die Knöchel, rothe Weste, schwarze Lederhosen, lange Stiefel oder auch Schuhe und dann weiße Strümpfe bis an die Kniee. An Festtagen sind noch ein paar Dreispitze zu sehen. Die Weiber tragen schwarze Kappen mit langen Bändeln und rothen gefältelten Rock. Etwas weniger bunt ist die Tracht in den beiden protestantischen Dörfern Benzenzimmern und Walxheim. In Benzenzimmern tragen die Männer schwarze Lederhosen, hohe Stiefel, Sammtwesten mit weißen neusilbernen Knöpfen und lange tuchene Röcke. Die Weiber dicke wollene Röcke und lange Bändelkappen. In Walxheim haben die Männer kurzes Manchesterwamms und ganz geschlossene Westen mit Rollknöpfen, schwarze Lederhosen, lange bis über die Knie reichende Stiefel, eine dunkle Pelzkappe oder dunklen niederen runden Hut, die Weiber gehen in dunkler wollener Jacke und Rock, und der Bändelkappe.

Anziehend schildert der im bayr. Riesdorf Ebermergen geborene Schriftsteller und Dichter Melchior Meyr die Riesertracht (Bavaria II S. 862 ff.) „Der Bauerbursch, wenn er im Staat ist, trägt eng anliegende mackellos schwarze hirschlederne Hosen und hohe übers Knie hinaufgehende ebenfalls anliegende Stiefel. Die Weste oder das „Leible“ ist meist von Manchester, schwarzem oder buntem, und ganz zugeknöpft; das Halstuch von Seide und großentheils von dem anliegenden Hemdkragen bedeckt. Bei feierlichen Gelegenheiten wird der schwarze Barchentkittel angezogen und der gleichfarbige Schaufelhut (Dreispitz) aufgesetzt. Zur festlichen Unterhaltung, zum Gang ins Wirthshaus oder auch „über Feld“ vertauscht der junge Mann den Kittel mit der „Juppe“ (Jacke) und den Hut mit der Pelzkappe. Bei der Juppe war sonst auch Manchester | beliebt; und es läßt sich nicht leugnen, daß dunkelgrüner oder schwarzer mit versilberten Knöpfen sich gar schön ausnahm. Gegenwärtig zieht man dunkelblaues Tuch vor, und der Bursche braucht nicht eben reich zu sein, um sich dazu feines und glänzendes anzuschaffen. Die Pelzkappe ist gleich geblieben. Den Pelz liefert die Fischotter, der vordere Theil, der die Stirn bedeckt, überragt den andern und ist um so höher, je mehr der Mann gilt oder gelten will. Denkt man sich eine solche Kappe – von dunkelgrünem Sammt mit seidner Quaste, den der Pelz umrahmt – flott auf –, nämlich ein wenig aufs rechte Ohr gesetzt und gibt man dem Burschen den braunen, reich mit Silber beschlagenen Ulmer Pfeifenkopf in den Mund, so leuchtet ein, daß er auch in dieser Verwandlung nicht nur seiner Geliebten, sondern jedem wohlwollenden Auge gefallen muß“. Über die Tracht der Rieserinnen schreibt Meyr unter Anderem: „Der charakteristische Kopfputz der Rieserinnen ist das althergebrachte Häubchen; in seiner Einfachheit so wohlstehend, daß sie klug genug waren, es festzuhalten. Es bedeckte früher das Hinterhaupt und fügte sich den Linien desselben und des abschließenden Haarbundes oder „Schoppels“ an; jetzt ist es möglichst weit nach hinten gerückt und sitzt, recht kokett fast ganz auf dem Haarbund. Hinten befindet sich ein ovales „Bödele“, das an den feinsten silbern oder golden ist. Sonst besteht das festliche aus schwarzem Atlas und ist mit gleichstoffigen Bändern unter dem Kinn festgeknüpft. Bei feierlichen Anlässen, namentlich auf Hochzeiten, trägt man immer noch die sogenannte Spitzenhaube, an der nämlich die unmittelbare Kopfbedeckung radähnlich von Spitzen umgeben ist, die den Zwischenraum zwischen dieser und einem oben herumlaufenden Draht ausfüllen. Auf dem Hinterkopf sich erhebend, von einer Schulter zur andern gehend, verleiht dieser Heiligenschein von Spitzen, die nicht senkrecht stehen, sondern von der eigentlichen Haube, wo sie angenäht sind, zum weiter vorstehenden Draht einen eleganten Schwung in einer Wellenlinie nehmen, dem stattlichen Weib ein imposantes Aussehen, um so mehr wenn, unter dem Kinn geschlungen, breite und lange Atlasbänder die Brust herabwallen.“

Die Ellwanger städtische Tracht war (nach Stadtpfleger Richter) noch bis zum Jahre 1816–17 Überrest vom Rococco: kurze Hosen mit kleinem Latz, an der Außenseite am Knie drei Knöpfe und Schnallen enganliegend, größtentheils bei Wohlhabenden schwarzseidene, bei den gewöhnlichen Bürgern wollene oder leinene Strümpfe, Schnallenschuhe mit Absätzen. Der Rock von Tuch, welches aber damals noch keine Appretur hatte, auch von Krepp (eine Art Wollstoff), bei weniger bemittelten Halbwolle und Halbbaumwolle; der Schnitt einreihig ohne Taille, außen große Batten (große Taschendeckel). Von fürstlichen Beamten und einem Theil des Überrestes vom Domkapitel wurde diese Kleidung noch bis in die 1820er Jahre getragen.

Bei dem weiblichen Geschlechte spielte damals schon die Krinoline eine Hauptrolle, welche aber bei der Übergangsperiode in den moderneren Styl hinwegfiel. Bei den Männern reihte sich der lange 2 reihige Rock an ohne Taille, ein hoher breiter umliegender Kragen, die engen Ärmel aber hielten sich noch, nur daß die Auf- und Umschläge an denselben fest darauf waren und an der Außennaht ein Schlitz mit Knöpfen und Knopflöchern. Die kurzen Hosen wurden allmählig abgeschafft und man trug lange, gerade geschnitten, abwechselnd mit großem und kleinem Latz. Die | Weste für Sonn- und Festtage einreihig mit offener Brust, die für Werktage ganz geschlossen. Das Tuch spielt da schon eine bessere Rolle, auch Kaschemir, französische Weberei wurde von Bemittelten getragen, ebenso fehlte auch bei dieser Klasse die goldene Kette und Cachet an der Uhr nicht, welche vorn an der Tasche, die am Hosenpreis angebracht war, auf dieselbe herunterbaumelte, dickes Meerrohr mit goldenem oder silbernem Knopf als Spazierstock; Sonntags hoher steifer Filz- und später Seidenhut, der gewöhnliche Bürger trug eine Kappe, die gar oft die Facon wechselte. Das weibliche Geschlecht trug in dieser Periode die sog. Faltenröcke, welche auf der Rückseite gelegte und festgepreßte Falten, eine dicht an der anderen hatten, einen Spenzer mit Schößchen und hinten und vornen mit Schneppe, vornen einen Fürstecker, der zwischen den beiden Vordertheilen, welche nicht eng angeschlossen waren, und dann mit einer schweren silbernen Kette zusammengeschnürt war. Der Spenzer war oben ziemlich tief ausgeschnitten und hatte der Ausschnitt eine 2–3 Finger breite Verzierung von gleichem Stoff. Gewöhnliche Bürgersfrauen hatten statt Seide wollenen Stoff oder baumwollenen und mit Wollstoff ausgefüttert; auch waren die bayrischen Riegelhauben als Putz in der Mode. Um den Hals trug man eine silberne Spange mit 10–12 kleinen Kettchen und ein Medaillon daran hängend; Schuhe mit großen Absätzen, wie sie gegenwärtig getragen werden. Auf dem Kopfe eine Flügelhaube, deren Haupttheil aus Goldstoff, die Seitentheile oder Flügel ein Drathgeflecht mit Florstoff überzogen war. Bei Bemittelten war der Stoff seiden und wollenes Futter.

Die ländliche Tracht bei Männern war für Sonntage ein schwarzer langer Barchetrock, mit blauem Wollstoff ausgefüttert, und zwar waren die ganzen langen Vordertheile damit gefüttert, einreihig mit großen, blanken weißen Knöpfen, dicht aneinander gesetzt, so daß selbige kaum zugeknöpft werden konnten und eigentlich nur als Zierat dienten. Am Rücken, welcher eine kurze Taille bildete, saßen auch 2 Knöpfe, ebenso an den engen Ärmeln. Eine rothe Tuchweste, welche auch auf dem Rücken mit rothem Tuch besetzt war, erhabenen weißmetallenen Knöpfen und großen Knopflöchern von Kamelgarn, war ohne Taschen und mit Barchet ausgefüttert. Kurze schwarze Lederhosen mit langen Stiefeln, bis über die Knie, eng anliegend. Die Kopfbedeckung war ein Hut – Dreispitz oder Pelzmütze mit Quaste. Bei Bemittelten wurde später für den Sonntag der Tuchrock eingeführt, in obiger Form, aber statt blanken Knöpfen dunklere Knopfmacherarbeit und statt der rothen eine seiden geblümte Weste. Das weibliche Geschlecht trug Röcke ebenso wie die Städter in gelegten Falten, aber meistens rothwollen oder von Kreppstoff-Spenzer in eben derselben Form wie die Städter, breite Schürze, bei wohlhabenden fehlte auch die silberne Kette nicht; weiße und auch farbige Strümpfe und ausgeschnittene Schuhe. Kopfbedeckung die sog. Bändelhaube mit zugespitztem Gupfen mit Goldstoffeinlage. Die Schürzen waren meistens von Taffet und die Hochzeitskleider bei der besseren Klasse von Seide.

|
E. Mundart[19].

Die Mundart des Ellwanger Oberamtsbezirks gehört zu der ostschwäbischen. Deren Grenze ist im Norden gegen den fränkischen Dialekt hin scharf gezogen (s. Beschr. des OA. Crailsheim S. 120 f.) und stimmt im Wesentlichen mit der Grenze des Bezirks überein; gegen Osten verliert sie sich allmählich in die bayerisch-fränkische, von welcher bereits am Saume des württembergischen Rieses Spuren auftauchen; im Westen beginnt der Übergang zur westschwäbischen Mundart an der Grenze des Bezirks; im Süden erstreckt sie sich weithin bis zum Allgäu, aber mit vielerlei Schattirungen und Abstufungen; schon an der Grenze lassen sich auf dieser Seite manche auffallende Eigenthümlichkeiten des Herdtfelder Idioms wahrnehmen. Hinsichtlich der Geschichte der schwäbischen Mundart im Allgemeinen, der Grenze zwischen dem Ost- und Westschwäbischen und hinsichtlich der Charakteristik des schwäbischen Dialektes überhaupt weisen wir hin auf den Abschnitt „Die Mundarten“ in „Das Königr. Württemberg“, Stuttgart (1884) Bd. II. 1. S. 166–176 von † Prof. Dr. von Keller, sowie auf die Abhandlung von Prof. Dr. Herm. Fischer in den Württemb. Vierteljahrsheften Jahrg. VII. S. 56 ff. und 130 ff.

Der so ziemlich in den nordöstlichen Winkel des württembergischen Schwaben geschobene Oberamtsbezirk bietet aber in Ansehung des Idioms so viel Eigenartiges, und andererseits findet sich in den verschiedenen Gegenden Schwabens eine so mannigfaltige Mischung der Hauptarten des Dialekts, insbesondere bleibt auch neben dem Gegensatz von Ost- und Westschwäbischem immer noch eine so bemerkenswerthe Differenz zwischen den Idiomen nördlich und südlich der Alb, daß es angemessen erscheint, auf dem Hintergrunde einer kurzen Skizze der in Schwaben allgemein giltigen Lautgesetze die Besonderheiten unserer Gegend, von denen sich freilich manche süd- und auch südwestwärts über den Bezirk hinaus erstrecken, hervortreten zu lassen.

|
Lautlehre.

Abkürzungen: ahd. althochdeutsch, mhd. mittelhochdeutsch, nhd. neuhochdeutsch, schw. schwäbisch überhaupt, obschw. oberschwäbisch, elw. ellwangisch. Auch alle Wörter und Wortformen, bei denen nichts anderes vorgemerkt ist, sind elw.

Ursprünglich kurze Vokale in den Stammsilben erfahren im Nhd. keine qualitative Veränderung des Lauts, in der schwäbischen Mundart nur selten. Während jedoch das Nhd. gewöhnlich nur vor einfachen Konsonanten Dehnung eintreten läßt, geht der Dialekt hierin weiter; die elw. Gegend aber gehört zu denjenigen, welche, wenn sie gleich noch eine ansehnliche Zahl von Kürzen bewahren, für jene nicht eben vortheilhafte Veränderung der Laute, wenigstens in einsilbigen Wörtern, eine unmäßige Vorliebe zeigen. Indessen wird, was auch in andern schwäbischen Gegenden wahrzunehmen ist, die Kürze meistens wieder hergestellt, sobald eine Silbe antritt oder antreten sollte: âlt Plur. alte, das altər; vôl volle, tîsch Plur. tisch; auch beim Umlaut: kôpf kepf, hâls häls, kôch keche Köchin (Ausnahmen: kêch Köche u. a.). – Vor m und n werden elw. alle Vokale, in Diphthongen beide Laute, nasal. Bei Dehnung des Vokals verstummt das n häufig (m oft auch in honen heim) [20]: wand Wand, wend Wind, hond Hund. Wenn eine Silbe hinzutritt oder abgefallen ist, wird unter Aufhebung der Dehnung das n wieder hörbar: wend Wände und Winde, hond Hunde. (Ausnahmen: gens Gänse, zen Zähne.)

Betrachten wir nun die einzelnen Laute:

Vokale in den Stammsilben, a. Ursprünglich kurzes a bleibt auch elw. oft kurz, z B. machen, Lamm, Kammer, Apfel, Narr, acht (nicht ächt), auch bårfəs barfuß; wird aber sehr häufig gedehnt: bâs (nicht bäs) Base, mârkt (nicht märkt), bâch, sâk, fâl Fall, vâtər, jâgscht. Durch diese Dehnung werden oft verschiedene Wörter gleichklingend: schtâl Stall und Stahl, schtât Stadt und Staat. – Ehedem schon langes a wird elw. zu langem å (nie ao): nahe, klår. Auch dåcht und zåchə gehören hierher. Elw. (mit verkürztem å) låssə (nicht lahon) lassen, blåddər (jede) Blase, håscht hast, hått hat, Pfådder m. (obschw. nuschtər, mhd. pâternoster) [21] Rosenkranz, ja elw. , verstärkt jáha, nie ; dagegen auf eine Frage, die eine Negation enthält (= doch), z. B.: Glaubst du es nicht? d. h. ich glaub es (dieses jô lautet in andern Gegenden jao). râr und râsə rasen haben reines a. nans Nase, nslə näseln. Kurz am erhält sich in Damm, Lamm, Stamm; wird gedehnt in Kamm kâm. Alt âm wird ôm in Kram, Marktkromet (M.-geschenk), Samen; mon Mond (mhd. mâne), mônət Monat (mhd. mânôt). ône ohne (mhd. âne), drône Drohne (altsächs. drân). ômacht (mhd. âmaht), argwon (mhd. | wân, nhd. Wahn); häufig tritt auch in Krammetsvogel, welches ursprünglich kurz a hat, dieses o ein, ebenso lautet mhd, tâle elw, dôl (Dohle). Rahm s. unten bei aum. zémmə zusammen. konan Kahm, Kohn. an theils an theils an und zwar lang: hân, gâng, hand, man; kurz an in mant Männer, Hans, Franz, Franzel, franzə Fransen, Ranzen, wanz Wanze. granədiər Grenadier (von granata).

Wo nhd. (oft fälschlich) der Umlaut ä geschrieben wird, ist elw. bald ä bald e: käs, säg, är. Abgeleitete Substantive mit Personbedeutung haben regelmäßig ä: Jäger, Mähder, Schäfer, ebenso Diminutivformen: Dächle, Säckle, Fäßle, Gläsle, Sträßle, Städtle; im Übrigen aber gilt zumeist e für den Umlaut des ursprünglich kurzen, ä für den des von Alters her langen a. e steht z. B. in wêlə wählen, zêlə zählen, schlecht schlägt, schmelzə schmälzen, merz, trêgəl m. Trägel, früher derjenige Theil von Einkommen des Meßners, der in Naturalien bestand und von diesem bei den Pfarrangehörigen auf dem Lande eingesammelt, zusammengetragen wurde; e regelmäßig auch in Komparativen und abgeleiteten Substantiven mit abstrakter Bedeutung: schwecher schwächer, mägerer, ärger, bräver, brêvnə Bravheit, nässer, schwärzer, kälter; Schwäche, Schwärze, Kälte, Ärger, Nässe, wesch Wäsche (aber wäschə waschen); besser. Im Plural bald e bald ä: grêbər, seck, dechər, kreftə, epfel, blêdər Blätter ; aber äckər, fädə, säft, wäldər. – Auf dem Lande meist maëdle Mädchen, maëə, naëə, saëə nähen etc., im Ries und in der Stadt mädle, mäə etc.; jene Diphthongen weisen noch auf altes meit (noch nhd. „maid“) = maget, mäjen säjen hin, da i (j) nach Vokal schwäbisch zu ë wird. – älle alle und äschə Asche, wie im Mhd. – schåchərə nur Plur. (schâchäre) eine südlich von Ellw. befindliche Nische, in welcher Christus und die Schächer am Kreuze nebst Maria und Johannes abgebildet waren (jetzt sind die Schächer daraus entfernt), äm em: kemm Kämme, krêmər Krämer, än en: hend, denz, geng.

Auch mhd. kurz i und u erhalten sich, und zwar kurz i elw. auch in richten und schillə schielen, werden aber gedehnt in: Strich, Biß, Pfiff, Schritt u. s. w., u in Fluß, Luft, Lust, Frucht etc. Altes i hat sich erhalten in gwisst gewußt. Durch Vermischung zweier verschiedenen Thiernamen steht i statt e in bluətigəl Blutegel. Elw. und das Remsthal hinab, sowie auch im Filsthal fûsch, (Ries fîsch), Plur. fisch. Historisch begründet sind: gäddər Gitter, drächter Trichter, schtäft m. Stift, größere Nadel. – elw. net nicht, nex nichts (obschw. itt oder ittə, nonenz); grammassə Grimassen. Für kurzes u findet sich, wie schon im Mittelhochdeutschen, o in ropfe, zopfe, gôgəlopf m., fädərəboschə m. Federbusch (aber bûsch Busch), fårcht (å statt o wegen des folgenden r, Ries fûrcht), hopfə hupfen, hüpfen. Seltsam, aber allgemein schwäbisch ist die Ersetzung des i durch u (vor dem Nasal o gesprochen) in schonkə statt „Schinken“. – Mhd. langes i wird əi (s. unten bei ei).

Wo das Schwäbische die Diphthonge und für nhd. i und u hören läßt, hat es ahd. und mhd. io oder ie und uo bewahrt: Stier, vier, studieren, (vor r sogar nhd. ausgesprochen), riechen, tief, lieb, nie, Brief, fliegen, schließen, elw. auch schtiəg f. (nicht schtäg oder schtägə); dies gilt selbst dann, wenn nhd. das e in der Schrift aufgegeben ist: liəcht. Richtiger ist iəz (iəzə, iəzəd, iəzdə) als jetzt, iədər als jeder. | (Dagegen heißt es im Elw. nicht nenan „nirgends“, wie im Oberschw., sondern närgəz.) – muət, fuəs, kruəg, suəchə, zwuə f. zwei, gruəb (aber elw. schtonengriəb-Mühle bei einem ehemaligen Steinbruch), ferner fuətər, elw. muətər, ruətlə umrühren. Alt ist âləmuəsə Almosen. –

Wo für nhd. ie ahd. iu stand, heißt es schw. gewöhnlich und zuweilen auch elw. ui: sui sie (Sing.), dui die (Sing.), knui (Ries und Stadt kniə) Knie, ruit reut; elw. aber in: du liəgscht lügst, er ziəgt, fliəgt, friərt, niəst, gniəst, schiəbt, schiəsst, biətət.

ü ist wie dem Schwäbischen überhaupt so auch dem elw. Dialekt fremd. Wo für kurz u mhd. ü eingetreten ist, erhält sich entweder u: bruck Brücke, kitzeln, bücken, Lücke, Mücke, Rücken, rücken, Nüsse, küssen, zuweilen mit Dehnung: lûge, grûblə oder der Dialekt läßt ü in i übergehen: fillə füllen, fille Füllen, elw. kiche, drickə etc. Wo vor einfachem Konsonanten nhd. unorganische Dehnung eintritt, hat das Schw. lang i: îbəl, ibər, mîl, tîr. Wo nhd. das organisch lange ü aus üe (uo) hervorgegangen, hat die Mundart (vgl. oben i): briə Brühe, biəchle, hiət Hüte, siəs, wiəscht u. s. w. wie selbst nhd. Mieder. In wuələ (neben wiələ) ist überdies die Form ohne Umlaut erhalten. Auch wo dieses ü nhd. gekürzt ist, bewahrt die Mundart den alten Diphthong: fiətərə füttern, riəsəl Rüssel. – färchtə (Ries firchtə) fürchten, wie oben fårcht. bêglə bügeln, bêgələise. kipfəreg kupferig, kupfern.

i, ie, u und ü mit folgendem m oder n: em im, hêməl Himmel; en in, hen hin, ken Kinn, dennə drinnen, zens (nicht zaes) Zins, fenschtər finster, len (und lensə), grend Grind, gwenscht Gewinnst, aber gschponscht Gespinnst; reamə Riemen, deanə dienen, denanscht Dienst. – dromm darum, drôm Trumm; rond rund, gsond gesund, onguət ungut mürrisch, konscht Kunst, onsər. anonsəleg (eigentl. obschw.) schwindelig, verwirrt; enschəl(t) Unschlitt. – dennər dünner, fenf fünf (Stadt femf). fufze fünfzehn, fufzg fünfzig. – Wenn ehemaliges ue oder üe zu Grunde liegt, wird um und un zu onanm, onan und onann: blonanm Blume, donan thun; üm und ün zu enanm, enan oder enann: anblenan anblümen, grenan grün Plur. grenanne, henanle Hühnchen.

e. 1. Mhd. kurzes e, aus gothischem a durch Umlaut, d. h. durch Einwirkung eines i in der nächstfolgenden Silbe, entstanden, wird schw. allgemein geschlossenes (hohes) e: Bett, setzen, heben, fest; wird aber jetzt oft gedehnt: hêfəl (Sauerteig), regen, kehren (mit dem Besen, mhd. kern). Elw. die Kürze bewahrt in: heffə Hefe, fertəg. ensəl Esel; tiâdər neben teâdər Theater. – 2. Mhd. kurzes ë (gothisch ai), historisch nicht dem a, sondern dem i verwandt (bei nachfolgendem altem a steht ë, ohne solches i. z. B. „geben“ ahd. gëban, aber „gibt“ ahd. gibit) wird elw. als ä (nicht äə oder äa) gesprochen, ässə essen, wärrə werden, sehr oft aber gedehnt: bärg Berg, kärə (Ries käərə) Kern und Kernen, rägə Regen, rächt recht, auch trätə und bätə. Doch êbə (vom Weg, was im Schwäbischen überhaupt von der Partikel äbə = „halt“ unterschieden wird, ohne sprachliche Begründung) und ebbə etwa. In handzwäll Handzwehle ist die Kürze erhalten. wikslə wechseln, blicheg blechern. – 3. Mhd. langes e (gothisch langes ái) wird (westschwäbisch ) elw. äə (äa): äə Ehe, schnäə, räə Reh, äər Ehre (aber är Ähre, mhd. eher) äərscht erst, (zurück-) käərə (mhd. kêren), säəl, häərle geistlicher Herr, besonders Pfarrer etc. | Dieser Diphthong stellt sich vor r gewöhnlich auch für das e unter Nr. 2 ein: äərdə Erde, läərnə lernen, gäərə gern, räəleng Rehlingen, jetzt Röhlingen[22] (doch rächbärg der Rechberg). Andererseits ist bei mhd. langem e die Umwandlung nicht vor sich gegangen in êwəg (und êbəg) ewig. menanschtə und måeschtə, die meisten. em und en werden einfach nasal: dênə dehnen, nemmə (kurz) nehmen (lehnen siehe bei ei), zwenan m. zwei.

o. Mhd. kurzes o bleibt schw. in der Regel o. Oft erhält sich auch die Kürze: kochen, hoffen, sollen u. s. w., elw. auch hollə holen; sehr häufig geht sie, besonders elw. in die Länge über, so: grob, Moos (und miəs), Rock, Holz, Frost, Kopf, voll, auch Bote etc. Altes o ist erhalten in krôt Kröte. Vor r, dem kein Vokal und kein n folgt, wird elw. das o als offenes gesprochen: bårgə, sårgə, auch mårgə (Subst. und Adverb) etc. Folgt dem r ein n, so wird dieses zu ə und o zu åə: håərə Horn, kåərə, zåərə, gebåərə, so auch in våər, båərkirch (Empore). Altes u ist nicht selten übrig, z. B. wuch Woche, furt fort, luck locker, schtupflə Stoppeln, truckə, trucknə trocknen (intransitiv, dagegen tricknə, eig. trücknen trans.). dûs Dose, fûrm m. Form, onfurm m. Unart; ebenso der Umlaut ü (i) in willeg „aus Wolle“. – Mhd. langes o, wenn es nur nicht aus ursprünglichem a entstanden ist, wird (westschwäbisch ao) ostschwäbisch und bes. elw. åə, fast åa: schtråə Stroh, håə hoch; so: froh, Brot, Tod, Noth, los und Loos, groß, Ostern, Ohr, Rohr; vor r (s. o.), auch wenn das o einst kurz war: vrlåərə verloren (westschw. vrlaorə). wo. – Zwar råətəbach Rotenbach, aber die übrigen mit rôt zusammengesetzten Ortsnamen wie ägrôt Eggenroth haben mit der Farbe nichts zu thun und sind mit „roden“ in Beziehung zu setzen. – Beim ersten Versuch, hochdeutsch zu sprechen, verwandelt der Ellwanger wie den Diphthong äə in ä (z. B. säle Seele) so åə in das offene o (å). Durch Wörter wie bråd, gråss, råt, gebåren verräth er seine Heimat am leichtesten, und er braucht eine längere Übung, bis er dafür geschlossenes o sich angewöhnt. Dieses vermeintlich hochdeutsche å statt o fällt aber genau zusammen mit dem aus lang a entstandenen schwäbischen Laut, und in schriftlichen Aufzeichnungen wird daher leicht ein irrthümliches o für ein a gesetzt. So wurde früher manchmal pfolheim statt Pfahlheim, rostatt statt Rastatt geschrieben, und noch in unserem Jahrhundert hat Holbach (hålbach) über Halbach gesiegt, obgleich letzteres ohne Zweifel das Richtige ist.

Den Umlaut ö kennt das Elw. so wenig als den Umlaut ü. Aus kurz o hervorgegangen, wird es geschlossenes e: die kepf Köpfe, trepflə tröpfeln; auch der ébərscht (öberste) oberste. Darum gehören hierher auch êl n. Öl, hêle Höhle (aber schtârəhôl), grêbər gröber (wie auch Plur. Gräber). In viele Wörter kam das ö statt e erst durch das Nhd. herein, und die Mundart hat das e nur beibehalten: dörren, Geschöpf, Hölle, Löwe, Löffel, Schöffe, schöpfen, schwören, zwölf. – ö aus lang ö entstanden wird (westschw. ) elw. äə: bäəs böse, häərə hören, räət Röte, fläə Flöhe, häə Höhe, räətle Röthlen N. pr. Dieser Analogie folgt auch aus einst kurzem o entsprungenes ö vor r: mäərtəl m. Mörtel, mäərschəl m. Mörser (Gefäß, worin man etwas zerstößt). | (kipfə köpfen, hilzeg hölzern.) Der erste Anlauf von dem Diphthong äə aus zum Hochdeutschen geschieht auch in diesem Fall durch Vereinfachung desselben zu lang ä: bäse, hären, räte (wie Plur. v. Rath) etc.

om und kurz on werden einfach nasal. brombach N. pr., kommə, ômət Ohmet; gronnə geronnen sonscht sonst. Lang on wird zu onan (onə) oder onann (onən): lonan Lohn, bonan(n) Bohne, schonan schon, schoanə schonen. Wegen elw. ô vor n für nhd. ô, wo mhd. â stand, s. o. bei â. Elw. bronbêr und branonbêr Brombeere; (mendəg Montag, aftərmendəg Dienstag). – öm: fremmər frömmer. ön, wenn kurz, en; kennə können (wie kennen); wenn lang, enan, enann (vgl. ün): schenan schön, Plur. schenanne. vərgonnt (und gennt) gegönnt.

Diphthonge. au 1. für mhd. und ahd. û elw. immer əu (ou): Mauer, Schlauch, Haufen, Haus u. s. w., auch auf und aus; Paulus und Paul (konsequent insofern, als vor l, wie vor d, r, s, t und z, nur dieser Laut zugelassen wird). – 2. für mhd. und ahd. ou (goth. meist áu) elw. å: Frau, Laub, låchə Lauchheim, Haue, åg Auge, låf Lauf, låffe (kurz å) laufen, Part. gloffə, da und dort noch gschåwə und gschåbə neben schaoə, håptsach Hauptsache u. s. f.; dagegen beruht das å in blå, grå, , welches allgemein schwäbisch ist, auf mhd. â (im nhd. blau etc. ist u aus dem Konsonanten w, mhd. gen. blâwes, entstanden). Jener Laut å für au scheint, wohl hauptsächlich durch den Einfluß der Schule, auch in der elw. Gegend da und dort bereits im Weichen begriffen zu sein. Der Eigenname schtaoffə ist nie mit å gesprochen worden.

äu als Umlaut von au unter 1) wird əi: schləich (ganz wie in schləichə schleichen) Schläuche, həifə die Haufen, həisər; als Umlaut von au unter 2, : laëf Läufe, fraële Fräulein, aëglə Äuglein, woraus wohl hervorgeht, daß obiges å erst aus ao kontrahirt wurde. səul Säule, Plur. səulə (mhd. sûl).

aum: 1. pflanonm Pflaume, danon Daumen; ranonm Raum. 2. bôm Baum, sôm Saum; auch rôm Rahm (mhd. roum) neben râm; aun: branon braun, Plur. braone, zanon Zaun. äum: 1. ranenm die Räume; 2. bêm Bäume, sêmə säumen. äun: zanen Zäune, braene Bräune.

ei 1. wenn für mhd. und ahd. î, goth. ei (und i), lautet schw. allgemein əi: drei (3 Uhr drəiə, im Ries druiə), streichen, weiß (Farbe), leiden, reich, Reif (gefrorener Thau), die Leiste. Elw. „schreien wie ein jôchgåeər“. Bei folgendem m oder n anen: lanenm Leim, lanen Lein, fanend Feind, sanen (Verb. u. Pron.), ebenso zanenslə locken. Auch hanent heute gehört hierher (heinte mhd. hînt). – 2. ei für mhd. und alth. ei, goth. ái, lautet elw. åe, nie oa od. åə: zwåe n. zwei, Streich, ich weiß, leiten, feil, (aus-) reichen, Reif (kreisförmiges Band), der Leist; demnach schnåedə Schneidheim von: die Schneide, ahd. sneitta, sneitte, ein durch den Wald gehauener Weg, nicht von Schneide mhd. snîde scharfe Seite eines Schneidwerkzeugs. Elw. həilig heilig trotz håelə heilen (Ries haëleg), vielleicht als ein aus der Schriftsprache kommendes Wort mit jener falschen Aussprache; gåescht Geist, aber həiligər gaëscht (in Lauchheim gəischt), weil Schriftausdruck; bei folgendem m oder n onen: lonen Leimen (Lehm), nonen nein, klonenne kleine (Plur.), auch lonen (mhd. leinen) lehnen. – ónnəwäg einen Weg, dessenungeachtet; krälsə (ä lang) Crailsheim.

| eu 1. wenn für mhd. iu, klingt besonders im Auslaut und vor r schw. gewöhnlich ui, elw, nur in: scheu schuiəhôf Scheuenhof, ui euch, fuir Feuer, duir theuer, bluiə bleuen, schlagen (aber blä Wäschbläue, bläə bläuen), reuen, heuer, Spreuer, Steuer, Scheuer, zuig der und das Zeug und der Zeuge, Neuler; außerdem əi: Eule, Leute, feucht, heulen, Beule, Seuche, Kreuz u. s. w., auch Teufel, treu. – nanen neun, fronendschaft Freundschaft, Verwandtschaft, noenə Neunheim. nonenstət Neunstatt; – 2. wenn für mhd. öu, wird es (ai); haë Heu; daneben besteht aber in einigen Wörtern eine noch andere Form mit lang ä: schträ Streu, fräət Freude (Ries auch ).

Konsonanten. b und p sind häufig schwer zu unterscheiden, indem gerne ein Laut angewandt ist, dessen Stärke zwischen beiden die Mitte hält; insbesondere gilt dies für den Anlaut, wenn unmittelbar ein anderer Konsonant darauf folgt: in Blatt und Platte, brechen und pressen, bar und paar, Boden und Possen werden die Anfangslaute gleich gesprochen. In ursprünglich lateinischen Wörtern wird indessen das p gerne kräftig ausgedrückt: Pacht, Passion m. (Leidensgeschichte des Herrn), Patron, Person, Peter, Paul etc. Bei packen ist oft selbst die Verstärkung pfackə zu hören, ja sogar pfaltə behalten kommt vor. Im Inlaut wird b meist sehr weich und dem w angenähert, besonders zwischen zwei Vokalen und hinter r: habe, gebe, haw acht, əuf’m ewegə wäg auf ebenem Wege, da und dort ärwət f. Arbeit, gärwə, erwə, vərderwə, räwällesch, rebellisch, hitzig. Alt ist pfulwə Pfulben, das untere große Kopfkissen. Ganz unterdrückt ist b in läkuəchə Lebkuchen. Selbst p ist erweicht in rawenzəlesalåt Rapünzelchensalat. Im Inlaut pp fast wie bb: rapp und grapp Rabe, Plur. grabbə. Im Auslaut nähert sich b einem p: Grab, Leib; hingegen ist es verloren in â ab, (woneben âbe) hinab, herab, buə Bube, im Inlaut in schwåschbärg Schwabsberg und oft in bləischt bleibst. – êlkoppə Mohnköpfe; sävəbôm (mhd. sevinboum) Sebenbaum; zwîfəl m. Zwiebel, zuweilen harpf (mhd.) Harfe. – Statt spritzen manchmal schtritzə.

Ähnlich verhält es sich mit d und t. Das letztere ist nur im Auslaut nach kurzem Vokal hart: matt matt, hått hat, hott (Ausruf) rechtshin; im Inlaut meist weich: vâdər Vater, muədər Mutter, hiədər Hüter gleich Hader, Bruder, Mieder, ləidə ist leiden und läuten. Verdoppelt t erscheint nach kurzem Vokal mehr als dd: veddər Vetter. Im Anlaut wird es geradezu d, z. B. dâg, dâl, drâgə; nur in eingewanderten Wörtern ist es gewöhnlich hart: Tempel, Testament Theater, doch dabák, dentə Tinte, dort f. Torte, und in „Ton“ in der Redensart „jetzt hat’s den rechten donan“, wohl in Verwechslung mit thun. Erhalten ist altes t in kanntə f. Kanne, (dråəschtəl f. Drossel), unrichtig in schrannt f. Schranne (Sitzbank und Getreidemarkt), sempft m. Senf, geschtərt gestern und ləicht f. Leichenbegängnis. ratz m. Ratte. Für Dute, Düte elw. guck f., Einsiedler onensîgəl; niemand nenanməz; Erdbirne äərbîr; in wilbrät Wildbret ist nach einem allgemein süddeutschen Lautgesetz das d dem folgenden b assimilirt.

Auch g und k sind oft gleich, wenigstens im Anlaut vor Konsonanten: Kragen und graben, kləubə und glåbə klauben und glauben. Vor Vokalen wird k im Anlaut ziemlich aspirirt, doch nicht in dem Grade wie im Alemannischen: kåfə kaufen, kommə, kennə, kâlt, kôpf, konrâd, kaschpər, kátrênə, doch gamillə Kamillen. Eine Erweichung | des g zu ch im Auslaut kommt nicht vor, vielmehr ist es dem k verwandt (wie im Mhd. künec etc.): kêneg (Ries keneng) König, gəizeg. Wirkliches k in wäck weg (gangəwäck). Dagegen ch zuweilen im Inlaut: jacht f. Jagd; bachə backen hat altes ch. – lopper locker, z. B. von einem Band. wäfzg f. Wespe, schtäfzg m. Stift. Neben gips auch ips. schpəigə speien (vgl. Speichel, spucken). schpätáckəl m. Spektakel, Lärm, atzîs Akzis. – elw. se rägənt, obschw. rängət.

h und ch (und g u. k). In vîch n. Vieh, gschîcht geschieht, truch f. Truhe (auch Sarg) ist ch alt; in ziəgə ist altes ch (h) zu g geworden, wie im Nhd. in andern Theilen der Konjugation („zog“, „gezogen“), åeschə heischen, einen anfordern wegen einer Zahlung, ist ohne h alt: ahd. eiskôn, mhd. eischen; das im Nhd. vorgetretene unorganische h stammt wohl aus Angleichung an „heißen“. ch elw. im Auslaut nicht selten verloren, doch weniger als obschw.: î ich, mich, dich, non (nicht ) noch, å auch, gləi sogleich; kirwe Kirchweihe; aber: miləch, durch, doch u. s. w.

f und v. Jenes unterdrückt in: du därscht darfst. – kárrəfîsəl, kárrəschwanz Farrenschwanz, Ochsenziemer. – Alt ist salve f. Salbei (aus lateinisch salvia); dagegen fällt auf das niederdeutsche f in dem übrigens allgemein schwäbischen schrəuf Schraube. – pflûdərə, pflâdərə (flattern) mit den Flügeln schlagen.

l im Auslaut fließt in der Diminutivendung le in eins zusammen: bəil n. (Sing. u. Plur.), Dimin. bəile; gəul m. Plur. gəil, Dim. gəile; schtâl m. Stall, Plur. schtäll, Dim. schtälle. Alt ist: zondəl m. Zunder. Für l tritt r (so wie im Schriftdeutschen) ein in däfər n. Getäfer, Bretterverkleidung, vərdäfərə, von „Tafel“.

Über m und n hier nur so viel: m verstummt in honenleg heimlich, nicht aber in honenmət f., weil hier ein Vokal folgt. Im Auslaut geht n nach r in ə über (d. h. es wird rn zu ren und dieses zu ): gârə Garn, kärə Kern und Kernen, dûrə (mhd. turn) Thurm, håərə Horn und Hörner, zwîrə Zwirn, (bîr Birne ist alt); verschwindet in åbət Abend, jûgət Jugend, wie auch im Nhd. in nackət nakt. Auch m wird im Auslaut nach r zu ə: ârə Arm, wûrə Wurm; wenn aber eine Silbe abgefallen ist, hält sich m: ärm die Arme, wirm. Charakteristisch ist n statt m im Dativ z. B. dean hon es gäbə diesem hab’ ich es gegeben. In der Endung en wird das n vor Vokalen nicht selten wieder hörbar: guəten åbət. Den Hiatus zu vermeiden, wird zuweilen ein n eingefügt: wiə n ər lacht! wann i nə mål wenn ich einmal. – maem meinem, koem keinem, maen meinen (meum) etc. – Statt âscht Ast nâscht, gmuəg statt gnuəg genug. Assimilirt wird n vor f und m: hamf und hampf m. Hanf, amî und amme an mich, ammə und annəmə an einem. gennâsə Gymnasium. rôgəl Rogen, rôglər Rogner.

r wird fast allgemein mit der Zungenspitze, nicht mit dem Gaumensegel hervorgebracht, daher das sog. „reißen“ als seltene Ausnahme erscheint. Es bleibt fest im Inlaut vor Konsonanten, wobei häufig auch die Vokalkürze erhalten ist: ferteg fertig, hert hart, gartə m., warzəl Warze, härz, kirsche, furt fort; läərnə lernen, wîrt, hîrt, hîrsch, wûrscht Wurst (aber wurscht wirst), schwârz, kûrz. Vor Vokalen verschwindet r zuweilen: schtonpf Strumpf, Plur. schtempf, dennə drinnen, dontə drunten etc.; im Auslaut verloren: menan (neben meanər, | Ries mäər) mehr, nemme nimmer, non und nor nur. – er dəult me dauert mich.

s wird, wie überhaupt schw., vor k (maschkər f. maskirte Person), p und t zu sch verdickt, ausgenommen in Zusammensetzungen (z. B. austreiben) und, wenn nach dem s ein Vokal synkopirt ist: bâscht Bast, mîscht Mist, môscht Most, aber: er grâst graset, lîst liest, lôst „loset“ d. h. lauscht und glôst gelauscht, råest reist, rəißt reißt, isst ißt, misst mißt, passt paßt. Konsequent verfährt die schw. Mundart mit s hinter r; sie hat nicht nur der Hirsch, die Kirsche, Birsch, Bursch etc., sondern auch hîrsch m. Hirse, färschə Ferse, wêrscheng Wirsing, urschəl Ursula, andərscht anders (Adv.), bärschbach Beersbach. Zischlaute fließen bei synkopirtem e in einen zusammen: du lîscht liesest, rəischt reißest, råescht reisest, wåescht weißt, wischt wischest. – zällərle n. Sellerie. – Oft wa was, als unbetontes Fragewort.

w ist bewahrt in gruəwə (anderwärts gruəbə) ruhen, ebenso in ärwəs, s. unter b. Häufig lêb neben lêw Löwe, aber „em lêə“ in der Löwenwirthschaft, lêwirt Löwenwirt; zuweilen bromm denn net warum denn nicht, als kräftige Bejahung. mille n. Willa (Ortsname). salfäət n. (zweite Silbe betont) Serviette.

z. äsə ätzen, zu essen geben.

Die Silbe mit dem Hochton bekommt, wie in anderen Mundarten, über die übrigen Silben desselben Wortes, häufig auch benachbarter Wörtchen, eine solche Übergewalt, daß sie die Laute derselben abschwächt, farblos macht, oft ganz vernichtet. Nicht nur die Umlautung, Verkümmerung oder völlige Ausstoßung der Vokale, sondern auch das Ineinandermischen und -schleifen der Konsonanten u. s. w. geht mitunter so weit, daß man kein Deutsch mehr zu hören glaubt: håsch hast du es, nå kanschtsənə dann kannst du es ihnen, dêschdərə man das ist dir ein Mann, ontərschîbərsche unter sich über sich, das Untere nach oben gekehrt, hentərəfîr und hentərschefîrsche das Hintere nach vorne gekehrt, überhaupt verkehrt, jenes auch geistig, u. dgl.

Eigenheiten der Deklination der Nomina und der Pronomina, der Wortbildung und des Satzbaues besonders hervorzuheben, müssen wir uns mit Rücksicht auf den hier gebotenen Raum versagen und fügen nur noch einiges aus der Konjugation an, hauptsächlich der sog. unregelmäßigen Verben.

Hin und wieder sind alte Formen erhalten: es hat bronnə gebrannt, aber er hat anenbrennt, er ist âbrennt. Manche Formen sind unorganisch gebildet durch Übergreifen in die starke Konjugation: glîda geläutet, dischə getauscht und getäuscht, zondə gezündet, gfårchtə gefürchtet (letzteres auch im Mhd.). Unorganischer Umlaut findet statt in i brîcht brauchte, hätte nöthig, freilich dafür sehr gerne Umschreibung: i dät brəuchə.

sein sanen: i ben, de bischt, ər ischt; mr (Lauchheim ons), dr, sə sent; Konj. und Imperat. səi; Kondit. wär. Part. gwässt (und gwäsə). Fragend: benne, bischt, ischtr, semmər, sentər, sents. stehen schtande: schtant, schtåscht (kurz å), schtått; schtandet. Konj. 2 u. 3. schtandəscht, schtant. Kond. schtenannt. Imperat. schtant. Part. gschtandə. gehen gangə: gang, gåscht (kurz å), gått, gangət (Ries se gonnt). Konj. 2 u. 3. gangəscht, gang. Kond. genanng. Part. gangə. lassen låssə: låss låscht (kurz), låsst, lenannt | städt. låssət, Konj. låss, låssəscht, låss. Kond. läəß städt. ließ. Imperat. låss. Part. glåsst. haben hon (Ries auch hanon): hon, håscht (kurz), hått; hent. Konj. häb. Kond. hätt. Part. ghett (kett). werden wärrə: wurr, wurscht, wurt (alles kurz); wärrət. Konj. wärr. Kond. wûr. Imp. wurr. Part. wårrə. dürfen därfə, durchaus mit ä. können Part. kennt. mögen mengə: mang; mengət. Konj. meng und mêg: Kond. mecht Part. gmecht. müssen Part. gmiəst. wollen wellə: will, willscht (aber wa witt „was willst du“); wellət. Konj. well. Kond. wett. Part. gwellt. fliegen, ziehen und lügen: – iəgscht, – iəgt. liegen (jacere) lîgə: lîg, ləischt, ləit (scheinen allmählich durch lickscht und lickt verdrängt zu werden). Konj. läg. Kond. läəg. geben gäbə: gîb, gəischt und gischt, gəit, gäbət. Konj. und Kond. gäb. Imp. gîb. Part. gäbə. machen: mach, mechscht, mecht. Konj. machəscht, mach. Kond. mäəch. Part. gmacht (nicht gmachət). sagen: sâg, sechscht, saët auch secht bes. städt. Konj. sâgəscht, sâg. Kond. säəg. Imp. sâg. Part. gsaët (und gsackt, oft auch auf dem Lande). So auch schlagen, tragen und jagen, doch Part. gschlâgə, trâgə, gjâgt. mahlen: mêlscht, mêlt. thun donan: duə, duəscht, duət; denannt; Konj. diə. Kond. dät. Part. don. fürchten färchtə: firch, firchscht, fircht; färchtət. Konj. färcht. Kond. färcht (lang). Part. gfårchtə. fangen Part. sehr oft gfangt. denken: Part. denkt. scheiden: Part. gschîdə.

Die im Vorstehenden gegebene Lautlehre und die weiteren Beigaben dürften die ellw. Mundart als eine besondere Spezies des Schwäbischen erscheinen lassen. Findet ja auf sie nicht einmal „das herkömmliche Schiboleth für das Schwäbische“: ganon, stanon, bləibə lanon – seine Anwendung. Im Übrigen besitzt sie, wie das Schwäbische überhaupt, eine reiche Mannigfaltigkeit der Vokale, vor allen für das nhd. e und für die Diphthonge, aber sie hat auch von der lästigen Breite des Schwäbischen ihr wohlgerütteltes Maß erhalten und nimmt an der Verdumpfung der Vokale durch die konsequente Nasalität vor m und n vollen Antheil. Nähert sie sich in manchen Punkten dem Hochdeutschen mehr als ihre Schwestern z. B. dadurch, daß sie das geschlossene ë des Mhd. nicht zu einem Diphthong erbreitert (gǟbə, lǟsə)[ws 1], sowie durch viele Formen der Konjugation u. s. w.; so verliert sie auch wiederum durch die übertriebene Liebe zu schwerfälliger Dehnung, durch das dreifache å: für ehedem langes a. für altes ou und vor r auch noch für kurz gebliebenes o u. dgl. Daher wird bei genauer Abwägung der Eigenthümlichkeiten auf der einen und auf der andern Seite sich ein gewisses Gleichgewicht herausstellen. Da indessen das oben gebotene Material dem Leser ein eigenes Urtheil ermöglicht, so bleibt die Entscheidung darüber, wo mehr oder eigentlich wo weniger Wohlklang herrsche, füglich dem Geschmack des Einzelnen überlassen.

|
Einiges aus dem Wortschatz.

Forterbende Hausnamen sind allgemein gebräuchlich, z. B. Karren-, Laden-, Kirchen-, jåckəles-Bauer, selbst in der Oberamtsstadt haben sich manche erhalten, z. B. wälschəbaltle, beckəbäbəle. Beliebte Vornamen sind: jôhannes, hans, hansjerg, jôsäf (säff, säppər), michəl, jakob, anton und dône, álîse, xávär (xávǟre)[ws 1]; mari, mârean, nanne, babätt und bärmel (bärməle), säffe, kátrênə und kättər(le), krässenz, lênə, mádleanə und mâdəl(e), franzəl, tärräs (trǟsel)[ws 1] u. s. w.

Familie: vettər, bâs, schwîgər, sênəre, ânə, enle, äəhaltə. schlenkərə, auch wandern, den Dienst wechseln.

Geburt und Taufe: wärrə, əuf d’ wält kommə, dåfən, däfə und daëfə, d’ kendszäch, gvaddersləit, gvadderman, d’ gvaddəre, der dôd, (d’) dôde.

Kinderwelt: zapfə und schlotzər Schnuller, schockə wiegen (schuckərə einen Stoß geben), flemmərle n. Windröschen, zwirnnuss f., hosche f., hoschəgəul, hôtschə auf dem Boden fortrutschen, həislə spielen, vərhəislə zerbrechen, gocklə auf dem Rücken tragen. á-â Liebkosung.

Heirat: həirətsdâg machə oder haltə, håəxət, håəxətlǟdər[ws 1] Hochzeitbitter, håəchzəitər und håəchzəitəre, brəutfiərər, ə nǟchschtə[ws 1] (an der Braut) Brautjungfer, zémməgǟbə[ws 1].

Krankheiten: sûcht f., schnûfərt f. der Schnupfen, ’s henfallət, hitzegə krankət, hondschittlər m. Hitzblase, häckər m. der Schlucken, Schluchzen, bäggə trocken husten, kärchlə röcheln, krâgə heftiges mit Krampf verbundenes Schreien kleiner Kinder. ǟrəs[ws 1] und nǟrəs[ws 1] n. Milchschorf, bräschthaft, liədəreg altersschwach.

Tod: ’s gått bald nåch sanct wolfgang nəus er wird bald sterben (Ellw., wo auf dem Gottesacker eine Kirche zu St. Wolfgang steht), ’r ischt en dər êwegkaët, håtts ibərschtandə. säəlfrå (jetzt gew. Leichenfrau). grǟberle[ws 1] Todtengräber (Ellw.).

Leibliche Eigenschaften: râneg schlank, muschbər, råətbrächt mit gesunder Farbe.

Seelische Eigenschaften und Verwandtes: dêwisch und kûrfädəresch verwirrt, jäscht m. Aufregung, ondriz wärrə (untrutz werden) den Muth verlieren, sich eine Sache entleiden lassen, granen weinen, flannə laut weinen, ruisə laut jammern, kranon (knarzen) grämlich klagen, pläxə ächzen, vərschmǟchə[ws 1] | verdrießen, dichtlåəs bewußtlos, äəd (öd, ungesalzen) abgeschmackt.

Sittliche Eigenschaften und Thätigkeiten: onkolbət (ungehobelt?) roh. onfriəch ungezogen. ambər- (abbər-) ləuseg eigensinnig, wunderlich, dəirazət ängstlich, unkeck, drenanfdəlhäfteg unschlüssig, se gåechə kokett sein, bes. in der Art sich zu bewegen, hǟbeg[ws 1] ruhig, zufrieden, dûdərə hastig und viel reden.

In und aus der kiche: mǟlsîdəl[ws 1] f. Mehltruhe, sâlzschläckər Salzlägel, kachəlschpatzə, schperrknächt, schupf-, doppənudlə, rómmenom (Hohenberg gmockəlts) Eierhaber, bruckhelzər, hôsəbendəl, məuldäschə, grenanne kräpflə, fläcklessupp, îgəl Ofenknopf, blinder Stockfisch, armer Ritter. siəsbríəflåesch bes. bei ländlichen Hochzeiten, grenans krəut in der Stadt Spinat, auf dem Lande aus Mangold, Salat- und anderen Blättern. saffər Safran. masəron Majoran. råəts bråət.

Vieh: gəul, hanentschərle n. Füllen und Kalb. rəup m. junger Stier. ran und stär Schafbock, hûbəle oder schåf, gåesbockəl. doppə m., im Ries schóttekǟs[ws 1] m., saure Milch, von welcher sich die Molken ausgeschieden haben. gans- oder gensgrəisch n. Ganspfeffer, ent f. oder schlickərle n., anträcht m. fackəl f. Schwein überh., suckel f. Mutterschwein.

Landbau: mênə. omrəißə einen Neubruch pflügen, em drasch gibts əus. haëət m. sägəs f. denglə, mâdə oder schwâdə, wårbə, vərzettlə, vərschträə, schlåə niedrige Reihen des trocknenden Grases, schockə Haufen, bemmə lange dickere Reihen. konpf m. Wetzsteingefäß der Mähder.

Gewächse: frûcht, kåərə Roggen, kǟrə,[ws 1] wentregs, somməregs. rongesche (kranke) grobîrə[ws 2], ischpe Ysop, katzəschwenz Zinnkraut, kemmech Kümmel. – schenanmǟl[ws 1] feines, nåmǟl[ws 1] geringeres Mehl von Kernen, krəut, kəitə. kâgə m., 1. Stengel des Sauerkohls. 2. Fortsetzung dieses Stengels im Innern des Kohlkopfes, zuckərschäfə, andîve, päətərleng, jôsäflə, kukummər. – gripsich Obst. jergeråəs Gaisblatt, wǟtərkerz[ws 1] Königskerze, Wollblume.

Wald und Wiese: butzəkiə oder tannəzapfə, masshólder gemeiner Feldahorn, måəråchə Morcheln. wanenzäpflə Frucht von berberis vulgaris, schmâlzkäpsələ Frucht des Weißdorns. kəitəschlissəl Schlüsselblume, Primel. gúckåch Bocksbart, krôtəblonanm Löwenzahn. wǟtərnägəle[ws 1] Pech-, Lichtnelke. – təich n. (immer) Thal; nahe bei Ellw. das fischtəich, | sådə Altweibersommer, fliegende Sommerfäden, frôschlach f. das oberhalb der Stadt E. ausgetretene (und gefrorene) Wasser der Jagst.

Thiere: bôgschtälz Bachstelze, heckəschmatzər m. Bergelster. wôlt-, môlt-, bôdwärf Maulwurf. schnəidər kleiner Jagstfisch. hûrəusəl Hornisse, bromməloks m. die Hummel, åərəhilsər Ohrwurm. hâbərgåes f. Spinnenart mit langen Füßen. dengəlschmîdle, -hemmərle „Todtenuhr“.

Wetter: ’s wåtər iəbt se droht in schlechtes umzuschlagen; das W., der Himmel, die Luft ist kôseg, scheint sich ändern zu wollen. ’s aëgschtərt blitzt, kîsəl und schtonen Hagel, ’s kîsəlt graupelt. gaëwende f. zusammengewehter Schneehaufen. sulz f. breiartig geschmolzener Schnee.

Glückwunsch: i wensch dər (ennə) ’n gsondə ləib, ə langs låbə ond də hêməl.

Fremdwörter: flattiərə, malträtiərə. vəraləmandiərə verköstigen, für einen sorgen. strupəlôs skrupulös, gusch de sei still und rühr dich nicht. mordialesch (martialisch?) heftig. ə səubərs kåər (corps) Gesindel, kommôd, agrât akkurat. rattəkâl. kurjôs sonderbar. apárt ungewöhnlich, etwas besonderes. Durch sempərdî Sympathie heilen. kon sprich das heißt. budäll (im Abgang). bûdəle kleines Maß z. B. für Schnaps. zirka und redûr. Aus dem fondəmént. karnâle Kanaille, bäschtə f. Bestie, Schimpfwörter.

Volksmeinungen: Wer nüchtern nießt, darf ein Geschenk erwarten. Wenn sich ein Dieb (Nebendocht) am Lichte zeigt, wird bald ein Brief kommen. Wenn ein heftiger Sturm weht, heißt es „iəzt hått se oenər ghenkt“. Wenn in ein und derselben Straße in kurzer Zeit zwei Personen sterben, folgt ihnen bald eine dritte. Wer in der Liebe Glück hat, hat keines im Spiel. Wenn das Brod beim Schneiden am Messer klebt, wird es theuer. Wenn’s am Hochzeitstage regnet, werden die Brautleute reich. Wenn ein Besuch nicht niedersitzt, trägt er (den Besuchten) den Schlaf hinaus. „Bei der Nacht klopfen die Hexen an“, darum darf ein Besuchender Nachts nicht anklopfen.

Allerlei einzelne Wörter: våərzåechə n. nördliches Seitenschiff des Chores in der Stiftskirche. dennə m. Hausflur, schuirədennə m. Scheuertenne. həusgnäəs (Hausgenosse) Miethsmann. haëpfəl n. größeres Kopfkissen, Pfulben. anenlêgər Packer, Ladknecht, auch schpannər. kaschtə früher auch | Fruchtkasten, Speicher für Gült- und Zehntgetreide; kaschtəmässər der das Getreide zu messen hatte, wie jetzt noch der Schrannenmesser. håerles m. Beisammensein zum Zweck des Plauderns. schpältər m. glattes, astloses Scheitchen; auch, wie kləischbə m. Holzsplitter, den man sich in den Finger stößt. glâk m. Spalte, Ritze im Holz; gläcklə durch eine Spalte schauen. kenanz f. tiefer Korb auf dem Rücken zu tragen. schtrîksalb Salbe gegen Thierläuse; man bestreicht mit ihr den Anbindestrick, soweit er dem Thier um den Hals geht. kûgəlfuər f. tolles lustiges Treiben. Es ist ein muəs eine Nothwendigkeit. hârtsǟleg[ws 1] mühselig. dûsəm schwach, leise, kleinlaut. ləi nur, beinahe, lächt (Westhausen) nur. go nächstens, sogleich (sicher gleich dem westschw. ganon z. B. in i will ganon ëssə, wörtlich „ich will gehen essen“, je vais dîner; alsdann wäre sicher, was aber aus dem Mhd. ohnehin erhellt, daß früher gon = westschwäb. ganon = mhd. gân „gehen“ auch elw. im Gebrauch war, statt oder neben dem jetzigen gangə). gottegâr schier gar. gefîrnanen zum voraus. həipə am Haar zupfen oder reißen, daß es schmerzt. gräpslə klettern, knôzə ungeschickt kneten, verknôzə hiedurch verderben. əushaltə zeitweiliges Aussetzen mehrerer Paare beim Tanz, damit andere daran kommen. əufschtirmə aufstülpen, zurückschlagen den untern Theil der Ärmel oder Beinkleider. əufnan naseweis zuhören oder -schauen, vərgwônə sich etwas abgewöhnen. versôlə (den Hinteren) schlagen.

1

Redensarten: Er fällt auf die Füße wie die Katzen = sucht eine Ausrede. ’s ischt hommə wiə dommə wiəs bättəlmans kuəchəs = ist einerlei. Wenn einem (einer) Spreuer gesäet worden sind, sagt er (sie): d’ schpruiər send mər liəbər als dər kǟrə[ws 1]. Dem ist’s, wie wann dem Esel der Sack ’nunterfällt. d’ ruət ischt schonan anengwåechənt die Schläge sind bereits nahe. Da geht mehr auf die Rüstung als auf die Reis’ – geht der Speck auf die Würste – kommt der Gulden auf 18 Batzen, kommt die Brühe auf die Brocken: damit verdient man nicht das Wasser an die Suppe. dû kanscht älləs bis drǟkpickə[ws 1] net, då ischt dər schnâbəl z’ kûrz (zu einem Großsprecher). sô kan məs en dər abədäəg hâbə um diesen Preis bekommt man es überall. wär wəiß biər trenkə will, ischt z’ fəul, dass ər zom branonne gått (Wirthsspruch, wohl daher rührend, daß Weißbier früher in jeder Haushaltung gesotten wurde, während zum braunen besondere Einrichtungen nöthig | sind). margə friə håtts me gfråərə, abər hanent non net (Ablehnung), iəz wurd’s schenan wǟdər[ws 1] heißt es, wenn bei Tisch alle Schüsseln vollständig geleert sind. Der ist gut nach dem Tod schicken, oder: kommt zu spät in den Himmel = ist überaus langsam. Dasitzen wie gott vərlåss me net (so kummervoll, trostlos). hanent wurd’s å[ws 3] non nâcht wiə an dər kirwə es wird schon kommen (wenn man auf etwas wartet). d’ kirwə ischt schonan gwässt es ist zu spät, iəz kommt’s əm wiə əm altə wəib ’s danzə nach langem Besinnen fällt ihm das Gewünschte ein. ’s ischt mər våərgangə ich habs geahnt. romschtəigə wiə d’ henn vår dâg (so stolz), iəz wurd mərs andərscht ich glaub’ es nicht, was du sagst. ’s gått an mîr ra ich habe darunter zu leiden. In einen hineinsehen (auch mit dem Zusatz: wie in einen Spiegel) = zu nachsichtig sein, besonders gegen die Kinder. dər (de) schenanscht putzt’s liəcht (Aufforderung, das Licht zu putzen). Da geht’s zu wie im ewigen Leben (so jubelvoll).

Sprichwörter: Der Gaul, der den Haber verdient, frißt (kriegt) ihn nicht. Wenn der Bettler auf den Gaul kommt, so reitet er ihn zu tod. Unser Herrgott läßt der Geis den Schwanz nicht zu lang wachsen, sonst thät sie drauftreten oder: sich die Augen ’rausfitzen. Nach dem Käswasser kommt nichts Gutes. Wenn unser Herrgott einen Narren machen will, macht er einen Witwer. Wer lang fragt, geht lang irr. Regnet’s nicht, so tröpfelt’s doch. Wie man ißt, so schafft man. Es ist ein schlechtes Essen um ein Tischtuch = das Tischtuch ist Nebensache beim Essen. In der Mühle sagt man’s zweimal. Das ist, wie wenn der eine hebt und der ander’ läßt nicht fahren. Speikinder, Gedeihkinder, oder: ein speiig’s Kind, ein gedeihig’s Kind. Wann’s dem Juden nicht wohl ist, dann pfeift er. Wo unser Herrgott eine Kirche hinbaut, setzt der Teufel ein Wirthshaus daneben.

du manen liəbər, du manen guətər,
     o du allərbeschtər,
wann du witt manen schwågər[ws 3] wärrə,
     həirat du manen schweschtər.

mädəle, mach’s lädəle zuə,
’s kommt ə zigaënərbuə,
nemmt de bəi daënər hand,
fiərt di ens zigaënərland.

|

so trəi dass du’s gmonent håscht,
so falsch hab de gliəbt;
so gäərə du mi ghett håscht,
so weng håscht me kriəgt.

wann d’ me håscht, liəbscht du mi,
wann d’ me willscht, kriəgscht du mi;
trəi wann d’ me liəbscht,
kanscht me habə, wann me kriəgscht.

     oder auch:

’s Wirths Bärmele von Wanga
Ischt weit und broit bekannt;
Se ischt so schöa und fei und zart,
Und schwäze kan’s, des hot e Art,
An dera hot d’ Natur nex g’spart,
So wohr i gang und stand.


  1. Von Revisor Jetter.
  2. Vgl. die Übersichtskarte I zu S. 26–27 der Württb. Jahrb. v. 1874 über das Gebiet der Oberamtsbezirke mit größerer Bevölkerungsabnahme.
  3. Beschreibung Württembergs v. 1863 S. 317.
  4. In der vorausgegangenen OA.Beschreibung Crailsheim S. 95 lies hier 4512, statt 5412.
  5. s. Württ. Jahrb. v. 1874 S. 118.
  6. Über den Zug der Juden vom Land in die Stadt vgl. die Beschreibung des Königr. Württemberg von 1884 Bd. II. 1, Bevölkerungsstatistik S. 362 ff.
  7. Vgl. Jahrgang 1874 der Württb. Jahrbücher I S. 131 ff. u. S. 155 und OA.Beschreibung Crailsheim S. 73.
  8. S. Jahrgang 1874 der Württb. Jahrbücher Heft I S. 6 u. 12.
  9. Von Medizinalrath Dr. Groß in Ellwangen.
  10. Weitere Aufzeichnungen waren durch die Privatimpfungen vereitelt.
  11. a b Viele Privatimpfungen.
  12. Mitgetheilt vom K. Landwehrbezirkskommando.
  13. d. h. die im Kalenderjahr der Musterung das 20. Lebensjahr zurücklegen u. s. f.
  14. Mitgetheilt von Herrn Lehrer Maison.
  15. S. Jahrgang 1855 der Württb. Jahrbücher 2. Heft S. 1–132.
  16. S. Jahrgang 1878 der Württb. Jahrbücher 3. Heft S. 1–231 (Statistik der Geisteskrankheiten von Direktor Dr. Koch).
  17. Von Stadtpfleger Alb. Richter in Ellwangen.
  18. Mitgetheilt von Lehrer Günthner, früher in Neunheim, jetzt in Ehingen a. d. D.
  19. Von Professor Dr. Vogelmann (mit Zusätzen von Professor Dr. H. Fischer).
  20. Nur in diesem Falle werden wir die Nasalität ausdrücklich bezeichnen: hand Hand. konon kein, aber schand Schande, koen keinen. (Kurz ist: hen he, fragender Aufruf, wenn man etwas nicht verstanden hat und: nan so viel als: nein,)
  21. Das a in pater ist zwar im Altlateinischen kurz, wurde aber jedenfalls in alt- und mittelhochdeutscher Zeit stets lang gesprochen, daher schwäb. jetzt richtig å.
  22. Alle Dörfer, Weiler, Höfe, deren Namen in diesem Abschnitt erwähnt werden, liegen im Oberamtsbezirk Ellwangen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v In der Vorlage steht statt des ǟ ein ä mit Zirkumflex, im Zeichensatz nicht verfügbar.
  2. Vorlage: o mit übergeschriebenem e. (Druckfehler?)
  3. a b In der Vorlage steht statt des å ein å mit Zirkumflex, im Zeichensatz nicht verfügbar.
« [[Beschreibung des Oberamts Ellwangen/|]] Beschreibung des Oberamts Ellwangen Kapitel A 4 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).