« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Eßlingen Kapitel B 11 »
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10. Ober-Eßlingen
mit Hegensberg, Kimmichsweiler und Oberhof, 1421 Einwohner.[1]

a) Ober-Eßlingen, Pfarrdorf mit 870 evang. und 2 kathol. Einw.; 1/2 St. südöstlich von Eßlingen. Der Ort hat eine ungemein freundliche, mild romantische Lage in der Erweiterung und Äusmündung des Heimbachthälchens in das Neckarthal. Die Staatsstraße nach Ulm berührt ihn an der Südwestseite, die Vicinalstraße von Eßlingen nach Schorndorf zieht mitten hindurch. Die Bauart ist etwas weitläuftig und unregelmäßig, aber einzelne gefällige Privatwohnungen mit artigen Gärten zeichnen den Ort vortheilhaft aus. Die reizendste Ansicht des Dorfes und seiner Umgegend bietet sich von der Anhöhe auf dem Wege nach St. Bernhard dar. Die Pfarrkirche am obern Ende des Orts ist 1828 auf Kosten der Gemeinde (die auch die größern Unterhaltungskosten übernommen hat; die kleinern trägt die Stiftungspflege) neu erbaut worden, ein helles, heiteres, aber völlig schmuckloses Gebäude mit einem niedrigen Glockenhaus. Die alte Kirche stand auf dem nahen Begräbnißplatz. Unweit der Kirche steht das frei und schön gelegene Pfarrhaus, das in den Jahren 1822–23 neu erbaut wurde und an welchem der Staat zu 11/16 und die Stiftungspflege Eßlingen zu 5/16 die Baulast trägt. Die Pfarrei giebt einen jährlichen Bauschilling von 10 fl. Die Schule hat zwei Lehrer, ein 1836 durch ein Nebenhaus vergrößertes Lokal, und eine Stiftung von 350 fl. Capital. Auch ist eine Armenstiftung zu Brodaustheilungen von 340 fl. Capital vorhanden.

Die Einwohner, unter welchen die jüngeren in Sitte und Tracht den Einfluß der nahen Stadt Eßlingen nicht verkennen lassen, leben bei ihrer ziemlich beschränkten Markung (die zu einem namhaften Theil im Besitz Auswärtiger, besonders der Eßlinger, und der dortigen Stiftungspflege mit 2177/8 M., sich befindet) im Allgemeinen in sehr mittelmäßigen Vermögensumständen; etwas besser sind die der Einwohner von Hegensberg. Nahrungsquellen sind: der Bodenbau, der durch unermüdlichen Fleiß auf eine hohe Stufe gebracht worden ist,[2] die Viehzucht und Taglohnarbeiten. Die Güter liegen theils eben und im Thal, theils an Abhängen und auf der Höhe, wo sie an den Schurwald gränzen, an welchem die Gemeinde| einen Antheil von 240 M. Laubholz (über 120 M. auf Eßlinger Mrkg.) besitzt. Der willkürliche Bau der Äcker herrscht vor, wiewohl sie nach der Dreifelderwirthschaft eingetheilt sind. Die Felder werden gewöhnlich gehackt oder geschort, sehr selten gepflügt. Auf 1 Sri. Dinkel Aussaat werden gewöhnlich 11/2 Schff. Ertrag gerechnet. Die Ackerpreise sind 200–400–600 fl. pr. Mrg. Die Wiesenfläche ist ziemlich beschränkt, der Ertrag von besonderer Güte; Preise wie bei den Äckern. Der Weinbau ist nicht unbeträchtlich; es kommt 1 Morgen auf 7 Menschen; der Ertrag beläuft sich in besonders guten Jahren auf 12–1600 Eimer, durchschnittlich von mittelguter Qualität. Die Lage der Hegensberger Weinberge dürfte theilweise den Vorzug verdienen. Die Preise stehen pr. Morgen zu 6–800 fl. In den Weinbergen werden mitunter auch Gartengewächse auf den Verkauf gepflanzt. Die Obstzucht hat hier den möglichst hohen Grad der Ausdehnung und Vervollkommnung erreicht; der hier erzeugte Obstmost ist unstreitig der beste in der Umgegend. Die beliebtesten und häufigsten Sorten sind Luiken und Rosenäpfel; Palmischbirnen; Kirschen und Zwetschgen. Auch Pfirsiche und Aprikosen werden auf den Verkauf gezogen. Man kann in guten Jahren den Ertrag an Obstmost auf 5–6000 fl. anschlagen. Von den verschiedenen Gattungen der Viehzucht ist nur die des Rindviehes von einiger Erheblichkeit, deren Zustand fortwährend verbessert wird. – Neben den gewöhnlichsten Gewerben befinden sich hier zwei Schildwirthschaften. Eine mechanische Wollenspinnerei ist in Folge der ungünstigen Verhältnisse eingegangen; die damit verbundene Garnhandlung dauert fort.

Der große Zehenten ist zwischen dem Staat (zu 11/16) und der Stiftungspflege Eßlingen (zu 5/16) getheilt, eben so der Weinzehent. Der Antheil des Staates beträgt in der Periode 1839/44 jährl. Dinkel 75 Schff. 3 Sri., Gerste 20 Schff. 1 Sri., Haber 18 Schff. 7 Sri., Einkorn 22 Schff. 2 Sri., Roggen 3 Schff. 2 Sri., Stroh 2 Fdr. 15 Bd., Surrog. 27 fl. 20 kr. Von allen Weinbergen hat der Staat 1 Eimer zum Voraus; sein Antheil am Zehenten beträgt (1840/51) jährl. 171 fl. 15 kr. Surrog. 79 fl. 14 kr. Novalz. 183 fl. 14 kr. Die Stiftungspflege Eßlingen bezieht 113 fl. 6 kr. in Geld und 60 Schff. 3 Sri. nach R. Der kleine, der Heu- und Öhmd-Zehenten gehört der Pfarrei, welche auch von 101/2 M. Weinberg den Zehenten bezieht. Die übrigen Grundabgaben bestehen in Hellerzinsen an die Pfarrei und die Gemeindepflege des Orts. Real-Gerechtigkeiten sind nicht vorhanden; nur einige unbedeutende Wiesentheile werden nach dem Altersvorrecht angewiesen.

Die älteste Nennung des Ortes findet sich in einer Urkunde vom J. 1208, wonach die Königin Maria (Irene) pro salute animae| mariti sui (des Königs Philipp) crudelissima morte praeventi, dem Kloster Adelberg einen Hof in superiori Ezelingen schenkt (A.U.). Die Vogtei war zwischen Württemberg und denen von Hohenheim getheilt. Johann von Hohenheim verkaufte seine Hälfte 1361 an die Frau Ernsts von Gültling, Hans von Gültling aber den 10. Juni 1405 halb Ober-Eßlingen sammt Vogtei und Gericht an Graf Eberhard (A.U. Senkenberg Selecta II. 258). Im Vertrag von 1389 entsagte Eßlingen seinen Ansprüchen an die Vogtei. Das Hospital, die Klöster und viele Bürger von Eßlingen, waren auf hiesiger Markung begütert. Während daher Württemberg unter österreichischer Herrschaft stand, bemühte die Stadt sich eifrig, den Ort an sich zu bringen, indem sie geltend machte, daß ihre Angehörigen die meisten Güter hier hatten, Württemberg aber nur die Obrigkeit besitze (A.U). Deßwegen und wegen der unmittelbaren Nachbarschaft kam es auch zu häufigen Streitigkeiten, welchen man wiederholt durch Verträge abzuhelfen suchte. Von den verschiedenen und zahlreichen Erwerbungen des Hospitals erwähnen wir die eines halben Hofes „zum Burgstall" von Siegfried von Backnang und Alberts von Backnang Söhnen, durch Schenkung v. J. 1308 (A.U.). Im J. 1737 hatte das Hospital hier 881/2 M. steuerbare und 1331/2 M. steuerfreie Güter. Durch Vertrag vom 20. Oct. 1579 wurde seine jahrl. Steuer auf 5 Pfd. Hllr. 10 Schill. festgesetzt, und dieser Vertrag noch den 3. Nov. 1732 erneuert (A.U.). Einzelne Güter und Gefälle hatten die Klöster Sirnau, St. Clara, das Barfüßer- und Predigerkloster in Eßlingen, Weil, Blaubeuren, Bebenhausen und besonders Roggenburg, welchem letzteren Herzog Karl 1754 alle hiesigen Eigenthums- und Gefällrechte abkaufte.

Den Kirchensatz nebst dem Laienzehenten trugen die Rechberge von Württemberg zu Lehen. Schon in den Jahren 1360–70 empfingen ihn Gebhard, Albrecht und Conrad v. Rechberg (Gab.). Graf Ulrich v. Württemberg freite 1463 dem Jörg und Benno von Rechberg 5/16 des Zehenten, welche diese im folgenden Jahr für 1700 fl. an das Eßlinger Hospital verkauften. 1/16 besaß die Herrschaft Kelmünz, 10/16 die Rechberg, und zwar sowohl Frucht- als Weinzehenten. Nur der kleine und Heuzehente gehörte (nebst dem Zehenten aus 345/8 M. Weinberg und 91/2 M. Acker) dem Pfarrer, mit welchem 1728 das Hospital sich dahin verglich, daß letzteres gegen jährl. 10 fl. Bauschilling seinen Antheil an der Baulast des Pfarrhauses übernehmen wolle.(A.U.). Im J. 1812 gingen die Rechbergschen Rechte durch Vertrag an die Krone Württemberg über.

Auch der Geschichte Ober-Eßlingens fehlte es nicht an tragischen Vorfällen. Im Städtekrieg, den 12. August 1449 wurde der Ort von den benachbarten Städtern niedergebrannt, s. hienach Zell.| In der Fehde mit Herzog Ulrich, den 25. Sept. 1519 plünderten ebendieselben unter andern Nachbarorten auch Ober-Eßlingen aus. Aus der Zeit des dreißigjährigen Kriegs sagt das hiesige Todtenbuch: „Von dem 28. August 1634 bis den 26. Oct. 1635 sind der Ober-Eßlinger und Hegensperger theils an der Pestilenz gestorben, theils sonst umkommen und erschlagen an der Zahl 268 Personen, und haben noch in Allem gelebt 184 Personen.“ Welche gräßliche Verödung damals über die blühende Gegend gekommen war, zeigt eine Nachricht in demselben Todtenbuch vom 23. Sept. 1648. Eine Weingärtnersfrau von Hegensperg arbeitete am hellen Tage in einem „wüsten Weingart nit weit vom Haus“, als plötzlich ein Wolf auf ihr dreijähriges Kind, das sie bei sich hatte, losstürzte, und es, der verzweifelten Gegenwehr der Mutter ungeachtet, vor ihren Augen zerfleischte. Ein Brunnen, neben welchem dieser Vorfall sich ereignete, trägt noch jetzt den Namen Wolfsbrunnen.

Der ganze Gemeindebezirk gehörte bis 1806 zum (Land-) Oberamt Stuttgart. In Ober-Eßlingen befand sich bis zur Mediatisirung Eßlingens ein württembergischer Hauptzoll.

b) Hegensberg, Weiler mit 477 evang. Einw., 1/2 St. nördlich von Ober-Eßlingen, 3/4 St. nordöstl. von Eßlingen, zerstreut gebaut, unterhalb Liebersbronn, in schöner hoher Lage, auf dem Rücken zwischen den Thalgründen des Heimbachs und des Zimmerbachs, von Weinbergen und Obstwald umgeben. Hegensberg, früher Hägensberg geschrieben, war immer ein Bestandtheil der politischen und kirchlichen Gemeinde Ober-Eßlingen, beabsichtigt aber jetzt, eine eigene bürgerliche Gemeinde mit eigener Schule zu bilden. Auch hier waren das Hospital und die Eßlingenschen Klöster vielfältig begütert. Eine Mühle, aus welcher das Kloster Bebenhausen 1339 Gülten geschenkt bekam, scheint noch in demselben Jahrhundert in Abgang gekommen zu seyn; denn 1396 wird eine Wiese unter dem Namen „die alte Mühlstatt" erwähnt (A. U.). Erwähnung verdient das treffliche Trinkwasser, welches der nahe Wolfsbrunnen liefert (s. vorhin).

c) Kimmichsweiler, Weiler mit 56 evang. Einw. 1/2 St. nordöstlich von Ober-Eßlingen, 1 St. östl. von Eßlingen, in ähnlicher Lage wie Hegensberg auf der Höhe zwischen diesem Ort und Zell, ist erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden, wo sich ein J. G. Kimmich aus Ober-Eßlingen hier anbaute. Über den Steinbruch in der Nähe dieses Weilers s. oben S. 49.

d) Oberhof, Hof mit 18 evang. Einw. an der Vicinalstraße nach Schorndorf, eine kleine halbe Stunde nordöstl. von Ober-Eßlingen. Dieser Hof gehörte schon 1304 dem Eßlinger Hospital. 1597 bestand er aus Haus, Scheuer und Stallungen, und war mit einer Mauer umgeben; es gehörten dazu 239 M. Äcker, 5 M.| Weingärten, 31/2 M. Gärten, 191 M. Wiesen, einige Egarten, Hecken, Allmanden und Gehölz. Das Hospital verkaufte den 18. Sept. 1693 das ganze Gut für 10.000 fl. an das Kloster Kaisersheim (A. U.). Jetzt ist es im Privatbesitz.


Abgegangene Orte.

Daß eine Burg in oder bei Ober-Eßlingen stand, ist aus dem oben angeführten Hof „zum Burgstall“ zu schließen; Spuren einer solchen sind jedoch, so viel uns bekannt ist, noch keine gefunden worden. – Eine abgegangene Mühle wird 1399 erwähnt. – Ein Leprosenhaus lag am Ende des Dorfs gegen die Kiesmauer hin (A. U. von 1282 und 1389); es ging während des 30jährigen Krieges ein. – Unterhalb Hegensberg am Zimmerbach lag ein Ort, dessen Name in den Urkunden verschiedentlich, zuerst Orßwerzen (1236 Gab.), dann Horswerz (1304), Hairschwerz, Hagenschwerz, geschrieben wird. Das Hospital, St. Clara- und Predigerkloster in Eßlingen, und das Kl. Weil waren hier begütert. Im J. 1407 werden auch Äcker „auf der Hartschwärze“ genannt (A. U.). Noch jetzt trägt ein Felddistrikt in der bezeichneten Gegend den Namen obere und untere Haarschwärz. – Am Fuß der sogenannten Heusteig, welche die Straße nach Ulm hinanzieht, und an der Ausmündung des Zimmerbachs in den Neckar lag der Weiler Heusteig (Howsteig, Hösteig); er wird 1334 und 1356 nebst einer Mühle genannt, welche „von alters her“ der Stadt Eßlingen gehörte. Aber schon 1357 findet man nur noch die Mühlstatt, welche die Stadt 1365 verkaufte, und 1387 noch „ein Häuslein am Neccar.“ 1391 wird der Ort nicht mehr, wohl aber die „Höhsteig“ erwähnt. Besitzer des Ortes waren die Eßlinger Patricier Ungelter (Pfaff S. 46).



  1. Seit dem 1. Juli 1844 haben sich die Parcellen Hegensberg und Kimmichsweiler von Ober-Eßlingen getrennt und zu einer eigenen politischen Gemeinde vereinigt.
  2. Vgl. den oben erwähnten Aufsatz von Freiherrn v. Varenbüler in dessen Annalen der württ. Landwirthsch. I, 1. S. 1. ff.


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