« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Eßlingen Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.
1. Bevölkerung.
A. Stand der Bevölkerung.
a. Anzahl. Nach der neuesten Bevölkerungsliste auf den 15. December 1843 befanden sich im Bezirk|
27.321 ortsangehörige Einwohner, und zwar
13.379 männliche und 13.942 weibliche.

Nach frühern Aufnahmen betrug die ortsangehörige Bevölkerung des Oberamts:

1812 (1. November)  20.331.
1822 0„      „ 21.478.
1832 0„      „ 23.550.
1841 (15. December) 25.938. [1]

Von den Ortsangehörigen im Jahr 1822 waren abwesend 822; dagegen Fremde anwesend 1098; im gedachten Jahr betrug daher die ortsanwesende Bevölkerung 21.754. Am 15. Decbr. 1837 belief sich dieselbe auf 25.939, und 1843 auf 27.773.

Auf eine geogr. Quadratmeile kommen nach dem neuesten Stand von 1843 – 10.889 ortsangehörige Einwohner; der Bezirk gehört also zu den am dichtesten bevölkerten des Landes. Es leben auf einer Quadratmeile mehr als doppelt soviel Menschen (125 Procent mehr) als das Mittel des ganzen Landes (4834 auf 1 QM.) beträgt.

b. Geschlechtsverhältniß. Nach dem oben angegebenen Stand der Bevölkerung am 15. Dezember 1843 war der Mehrbetrag der weiblichen 563, oder auf 1000 männliche Einwohner kommen 1042 weibliche. Im Jahr 1832 betrug der Überschuß 656.

c. Altersstufen. Von der Bevölkerung des Oberamts im Jahr 1832 standen in einem Alter bis zum vollendeten

auf 10.000 Einw. 
männl. weibl. männl. weibl.,0
06. Jahre 1705 1782 1489 1472
vom 06.   14. Jahre   2109 2195 1842 1814
" 14.   20. " 1196 1244 1045 1028
" 20.   25. " 1024 1115 0895 0921
" 25.   40. " 2487 2603 2173 2151
" 40.   60. " 2074 2289 1812 1891
" 60.   70. " 0589 0622 0515 0514
" 70.   80. " 0226 0219 0197 0181
" 80.   90. " 0036 0034 0031 0028
" 90. 100. " ,0001 000 0001 000
11.447 12.103 10.000 10.000
23.550
| Bei der Zählung des Jahrs 1822 kamen
auf 10.000 Männer auf 10.000 Weiber
unter 14 Jahren      3160      unter 14 Jahren      3273
von 14–18
"
882      über 14
"
6727
"
18–25
"
1388 10.000
"
25–40
"
1942
"
40–60
"
1923
über 60
"
705
10.000

d. Familienstand der Angehörigen im Jahr 1832 (1.Nov.):

 Verehelichte 8020   oder  4010  Ehen.
 Wittwer   402
 Wittwen 817
 Geschiedene 28
 Unverehelichte 014.283
 zusammen 023.550

Es kommen daher auf 1 Ehe 5,8, auf 1 Familie 4,5 Personen; bei beiden weniger als der Durchschnitt des Landes (6,3 und 4,7) beträgt.

Bei der Aufnahme der ortsanwesenden Bevölkerung zum Behuf der Zollrevenüen-Vertheilung belief sich die Familienzahl am 15. December 1837 auf 5327, 1840 auf 5324 und 1843 auf 5608. Nach dem neuesten Stand kommen auf 1 Familie 4,9 Angehörige.

e. Kirchliches Verhältniß im Jahr

1822 1832
 Christen:
α. evangelisch-lutherische 18.230 20.081
α. evanelisch-reformirte 14 4
β. katholische 3.147 3.360
 Juden 87 105
21.478
23.550

f. Standesverhältniß im Jahr 1822 (bei spätern Zählungen blieb diese Classifikation unberücksichtigt):

Adelige 36
Bürgerliche 21.442
21.478
| g. Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnisse im J. 1822 (wie bei f.):
Bauern und Weingärtner 1811
Taglöhner 634
Gewerbsleute 1622
In öffentlichen Diensten[2] 748
Renteniere 183
In Almosen stehend 347
5345


B. Gang der Bevölkerung.
(Nach 10jährigen Durchschnitten von 1812/22 und 1832/42.)

a. Geburten. Die Zahl der jährlichen Geburten betrug von

1812/22   1832/42
 männliche 398,9 591,3
 weibliche 388,8 573,6
787,7 1164,9
darunter uneheliche 62,7 87,9
 Todt kamen zur Welt im
 Durchschnitt der Jahre von 1812/22
34,6

b. Gestorben sind jährlich von

1812/22   1832/42
 männliche 338,9 434,4
 weibliche 313,9 430,7
652,8 865,1


c. Wanderungen. Es wanderten jährlich von

1812/22 1832/42
ein: männl. weibl. männl. weibl.
     aus fremden Staaten 3,3 2,3 4,0 5,4
     aus andern Orten des Königreichs 44,6 67,0 86,5 134,9
47,9 69,3 90,5 140,3
aus:
     in fremde Staaten 21,5 18,5 16,0 14,9
     in andere Orte des Königreichs 42,3 55,0 86,3 124,2
63,8 73,5 102,3 139,1
also mehr aus 15,9 4,2 11,8
also mehr ein 1,2
| d. Veränderungen im Stande der Ehen. Neue Ehen wurden im Durchschnitt der Jahre von 1812/22 jährlich geschlossen: 150,5, und aufgelöst: durch Tod 132,8, durch Scheidung 1,0.

e. Wachsthum und Verhältnisse der Bevölkerung. Die Bevölkerung des Bezirks nahm in dem Zeitraum von 1812/22 um 1147, nämlich 424 männliche und 723 weibliche Personen (0,55 Proc. jährlich), von 1832/42 um 2906, nämlich 1456 männliche und 1450 weibliche Personen (1,23 Proc. jährlich) zu; der natürliche Zuwachs der Geborenen über die Gestorbenen betrug im ersten Zeitraum 1349, im zweiten 2998.

Das Verhältniß der Geburten zur Bevölkerung war von 1812/22 wie 1 : 26,4 oder auf 10.000 Einwohner kommen 378,2 Geburten, von 1832/42 wie 1 : 21,2 oder auf 10.000 Einwohner kommen 472,2 Geburten. Von diesen Verhältnissen zeigt sich das erste übereinstimmend mit dem des ganzen Landes, das zweite aber günstiger als dieses (1 Geburt auf 23,4 Lebende).

Unter 100 Geburten fanden sich von 1812/22 7,9 von 1832/42 7,5 uneheliche (oder die ehelichen verhalten sich zu den unehelichen wie 1 : 11,5 und wie 1 : 12,0). In beiden Jahrzehnten stellt sich also dieses Verhältniß hier günstiger als das mittlere des Landes (1 : 8,1 und 1 : 8,7).

Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Geborene von 1812/22 1026, und von 1832/42 1031 männliche Geborene.

Gestorbene kommen auf 10.000 Einwohner, von 1812/22 313 (1 : 31,9 Lebende), von 1832/42 351 (1 : 28,5 Lebende), ein Verhältniß das sich in der ersten Periode etwas günstiger, in der zweiten aber ungünstiger gestaltete, als das mittlere des Landes (1 : 31,5 und 1 : 29,3).

Mit Rücksicht auf die Altersstufen starben nach dem Durchschnitt von 1812/22

|
von 10.000 Geb. männl. Geschl.   von 10.000 Geb. weibl. Geschl.
vor der Geburt 546 513
bis zum
     1. Lebensjahr
3553 3001
vom   1 – 07. Jahr 1446 1657
"
07 – 14.  " 336 338
"
14 – 25.  " 478 341
"
25 – 45.  " 991 933
"
45 – 60.  " 758 971
"
60. u. darüber 1892 2246
10.000 10.000

Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen auf 1000 weibliche Gestorbene von 1812/22 1080, von 1832/42 1009 männliche Gestorbene, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß der erste Zeitraum noch einige Kriegsjahre enthält.

Es kommen ferner auf 1000 Gestorbene von 1812/22 1213, von 1832/42 1347 Geborene, und nach den Geschlechtern, auf 1000 Gestorbene männlichen Geschlechts von 1812/22 1177, von 1832/42 1361 Geborene desselben Geschlechts, und auf 1000 Gestorbene weiblichen Geschlechts von 1812/22 1239, von 1832/42 1332 Geborene gleichen Geschlechts. Unter 1000 Personen des natürlichen Zuwachses sind von 1812/22 männliche 445, weibliche 555, von 1832/42 männliche 523, weibliche 477; unter 1000 Personen der Abnahme durch Wanderung, von 1812/22 männliche 791, weibliche 209; (von 1832/42 kam nur bei den männlichen eine Abnahme, bei den weiblichen dagegen ein Zuwachs von 1,2 vor. S. o.), unter 1000 Personen des gesammten Zuwachses sind von 1812/22 männliche 370, weibliche 630; von 1832/42 männliche 501, weibliche 499.

Das Übergewicht der weiblichen Bevölkerung über die männliche, welches 1812 275, 1822 574, 1832 656, 1842 650, und 1843 579 betrug, rührt, nach diesen Ergebnissen, nicht sowohl von den früheren Kriegsjahren, als davon her, daß mehr Knaben todt zur Welt kommen, und in den ersten Lebensjahren sterben, als Mädchen.

Unter den einzelnen Gemeinden des Oberamts zeichnen sich durch bemerkenswerthe Verhältnisse aus, und zwar| durch geringere Sterblichkeit, nach dem Durchschnitt der 10 Jahre von 1832/42: Altbach auf 1000 Einwohner 23,4 Todesfälle, Zell 25,9, Pfauhausen 29,4, Deizisau 31,6, Köngen 32,0, Ober-Eßlingen 32,0, durch größere Sterblichkeit: Neuhausen, auf 1000 Einwohner 41,2 Todesfälle, Berkheim 40,6, Denkendorf 40,1, Eßlingen 35,5, Wendlingen 34,4.

Die meisten alten Leute (mehr als 70 Jahre zählend) fanden sich im Jahre 1832 zu Pfauhausen auf 1000 Einw. 35, zu Nellingen 33, zu Plochingen 30, zu Altbach und Steinbach 25.

Die meisten Geburten zählten: Neuhausen auf 1000 Einw. 59, Wendlingen 53, Denkendorf 49, Deizisau 48,2, Berkheim 47,6.

Die wenigsten kamen vor: zu Altbach auf 1000 Einw. 38,4, Ober-Eßlingen 38,9, Pfauhausen 39,4, Zell 39,9, Steinbach 42,4.

Die meisten unehelichen Geburten kamen vor: zu Wendlingen unter 100 Geburten 11,0, Zell 10,6, Ober-Eßlingen 10, Eßlingen 9, Deizisau 8,7. Die wenigsten zu Neuhausen 2,3, Nellingen 2,9, Steinbach 6,4, Köngen 6,5, Plochingen 6,6.


2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.
Die Einwohner gehören mit Ausnahme einiger Eingewanderten, namentlich unter den Gewerbsleuten der Stadt Eßlingen, dem schwäbischen Volksstamme an. Im Ganzen ist der Menschenschlag weniger groß und ansehnlich, als kräftig und ausdauernd. Die Filderbewohner, insbesondere die Nellinger, und die Schurwälder übertreffen hinsichtlich ihrer körperlichen Eigenschaften die Bewohner des Neckarthals. Die mittlere Größe der Conscriptions-Pflichtigen beträgt nach einer fünfjährigen Durchschnitts-Berechnung (W. Jahrb. 1833 S. 384 ff.) 5′ 8,05″, was dem Maximum (OA. Wangen) um 0,82″ nachsteht, das Minimum (OA. Maulbronn) aber nur um 0,28″ übertrifft. Untüchtig| wegen Gebrechlichkeit erschienen in dem genannten Durchschnitt unter 1000 Pflichtigen 428, was gegen das Minimum von 250 (OA. Mergentheim) ein ungünstiges Verhältniß ist; günstiger stellt sich das der Untüchtigen wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit, deren der Bezirk unter 1000 nur 53 zählte (das Max. Ulm mit 157, das Min. Saulgau mit 26).

Über den Gesundheitszustand des Bezirks verdanken wir dem Hrn. Oberamtsarzt Dr. Steudel folgende gefällige Mittheilung: „Bei dem milden und gesunden Klima, dessen sich Eßlingen und seine Umgegend erfreut, bei den im Ganzen nur selten vorkommenden schnellen Veränderungen der Temperatur, des Luftdrucks und der Witterung; bei der vom größern Theile der Einwohner geführten zweckmäßigen, vom Überfluß und Mangel gleich weit entfernten Lebensart und einer, selbst bei den ärmern Klassen doch noch häufig vorkommenden, der Gesundheit zuträglichen Mischung von thierischer und vegetabilischer Kost; bei dem Mangel an lokalen Ursachen, welche in weiterer Verbreitung die Gesundheit gefährden könnten, sind außerordentliche und der Gegend eigenthümliche Krankheiten nicht vorhanden, eben so wenig sind besondere Formen von solchen vorherrschend, ja es fehlen sogar manche, welche an Orten von ähnlichen Verhältnissen noch häufig genug beobachtet werden.“ Die in 17 Jahren von dem Oberamtsarzt behandelten Krankheiten vertheilen sich auf die organischen Systeme in folgender Art:

1. Verdauungs- u. Assimilationssystem, lymphatisches System 09.941
2. Athmungsorgane 05.532
3. Hautsystem 02.729
4. Gehirn- und Nervensystem 01.923
5. Knochen- und Muskelsystem 01.500
6. Absonderungsorgane 01.168
7. System der Fortpflanzungsorgane 0.0826
8. Gefäßsystem für sich selbst, abgesehen von dessen Affection
durch andere Krankheiten
0.0453
24.072
| Wir können hier nicht in die Zergliederung dieser nach ganz allgemeinen physiologischen Rücksichten aufgenommenen Krankheiten eingehen; und begnügen uns nur einige allgemeiner verbreitete Formen, welche als Epidemie auftraten, anzuführen. Epidemien kommen in Eßlingen selten vor; es fehlen aber in Beziehung auf frühere und neuere Krankheiten genauere Nachrichten, indem die Akten nur Bruchstücke liefern. Die erste unter den Akten über ansteckende Krankheiten im Stadtarchiv sich vorfindende Urkunde ist eine Anfrage des Vogt von „Stutgarten“ vom 15. Mai 1495, wo derselbe anfragt, ob es gegründet seye, daß die Pest aufgehört habe, wegen welcher den Eßlingern der Eintritt in Stuttgart untersagt worden war. Nach einem ähnlichen Schreiben von 1507 scheinen sich wieder Spuren dieser Krankheit gezeigt zu haben; und im Jahr 1528 erschien von einem Dr. Franciscus Schmidlin eine Verordnung mit medicinisch-polizeilichen Maßregeln gegen die Pest. Diese herrschte sodann 1564, 1609, 1611, 1626, am furchtbarsten aber 1635, wo über 2000 Menschen, theils Einwohner, theils dahin geflohene Personen gestorben sind. Dieses scheint die letzte Pest in Eßlingen gewesen zu seyn, denn die 1679, 1680, 1683, 1709 und 1713 in sehr vielen Theilen von Deutschland ausgebrochenen Seuchen veranlaßten zwar viele Vorsichtsmaßregeln, scheinen aber Eßlingen selbst nicht berührt zu haben. Pocken herrschten öfters und einigemal sehr verheerend. Von Krankheiten, welche Eßlingen eigenthümlich gewesen, liegt in den zu Gebot stehenden Akten keine Anzeige, denn die 1674 vorgekommene mit dem Namen „epidemische Hauptschwachheit“ von den damaligen Physicis Lederer und Huldenreich bezeichnete Seuche scheint ein Typhus gewesen zu seyn.

Unter den oben angeführten Erkrankungen der organischen Systeme kommen als Seuchen vor:

1) In dem Assimilationssystem die Ruhr von 1834, wo innerhalb 3 Monaten 811 Personen in die Behandlung| des Referenten kamen, in der Stadt und dem Bezirke aber 2920 Personen ärztlich behandelt wurden, so daß 1/3 der Einwohnerschaft erkrankte; jedoch sind nur 160 gestorben.

2) Bei den Krankheiten der Athmungs-Organe nimmt einen großen Theil der Erkrankungen die im Jahr 1837 als sehr weit durch ganz Europa verbreitete sogenannte Grippe in Anspruch. Indessen war diese Epidemie sehr gutartig, indem von 347 nur 2, jedoch von den im Ganzen mehr als 1000 betragenden Erkrankten mehrere, wenn gleich nicht in erhöhtem Verhältnisse, starben. Durch das ganze Jahr verbreitet kamen im Jahr 1833/34 sehr häufig Katarrhfieber (285) vor. – Der Krampfhusten erhielt zwar häufig beinahe epidemische Verbreitung, steigerte sich aber doch nie so, daß deßhalb die Staatsfürsorge eintreten mußte. Die traurigste Krankheit der Respirationsorgane (Schwindsucht) kommt zwar hier häufig vor (in dem Kreis des Referenten 394, also im Jahre etwa 23); deßwegen ist aber solche nicht häufiger, als an andern Orten.

3) Die meisten Epidemieen fallen auf das Hautsystem. Die häufigsten sind die Masern, welche in 17 Jahren sechsmal mit epidemischer Verbreitung vorkamen. Scharlach kam zwar häufig (in 8 Jahren) in einzelnen Fällen, aber nur einmal (December 1837 bis Februar 1838) mit epidemischer Verbreitung vor. Am berühmtesten hat sich die Friesel-Epidemie im Frühjahr 1831 gemacht, indem sie weniger durch ihre weite Verbreitung, als durch den in einzelnen Fällen überraschend schnellen oft in 3–6 Stunden den Tod herbeiführenden Verlauf, Angst und Schrecken verbreitete. Es erkrankten 319 Personen, von welchen 36 starben; einige weitere fielen als Opfer, ehe nur irgend ärztliche Hülfe eintreten konnte. Nährere Nachrichten über diese merkwürdige Epidemie finden sich in der „Geschichte einiger Friesel-Epidemien in Württemberg von Dr. E. Steudel, Eßlingen 1831.“

4) Schleim- und Nervenfieber kamen zwar häufig in einzelnen Fällen vor, steigerten sich aber in der Stadt selbst| nie zur Epidemie, wohl aber im Jahre 1832/33 in Zell und Plochingen.

Endemische Krankheiten kommen nicht vor. Das kalte Fieber ist in der Stadt höchst selten und ist fast immer, wenn es vorkommt, durch Reisende an andern Orten geholt worden. Nur zur Zeit der Friesel-Epidemie kamen hier selbstständig entwickelte kalte Fieber, jedoch in geringer Zahl vor. In dem Amtsorte Pfauhausen aber sind kalte Fieber sehr häufig, wozu das noch nicht völlig trocken gelegte alte Bett des Neckars Veranlassung gibt.

Cretinismus fehlt im ganzen Oberamtsbezirk fast ganz; einige in der Stadt aus früheren Zeiten vorhandene mehr auf der Stufe von Scrophulosis stehen gebliebene Formen starben, ohne durch neue ersetzt zu werden, allmählig aus. Überhaupt fehlen bei den bereits geschilderten klimatischen Verhältnissen die Momente zur genesis des Cretinismus fast ganz.

Fleiß, Sparsamkeit und Religiosität können als die vorherrschenden moralischen Eigenschaften bezeichnet werden. Freilich ist die religiöse Denkweise nicht immer frei von Mysticismus und Aberglauben, wie denn namentlich der Gespenster- und Hexenglaube in einigen Orten, z. B. in Berkheim eine große Rolle spielt. Besondere Eigenheiten in Sitten und Tracht finden sich nicht. Der ländliche Anzug beider Geschlechter ist der in den mittlern Neckargegenden und auf den Fildern überhaupt übliche. Nur auf dem Schurwald hat sich noch ein Rest des alten Brauchs erhalten, s. Aichschieß. Die vermehrte Verbindung mit den nahen Städten schleift bei dem jüngern Geschlechte die hergebrachten Formen immer mehr ab. Der so charakteristische Dreispitz weicht dem runden Hut oder der Mütze, und dürfte in einigen Jahrzehnten eine Antiquität seyn. Der Schnitt, wenigstens des Sonntagsrocks, nähert sich immer mehr dem städtischen. Eigenthümliche Volksbelustigungen finden sich ebenfalls nicht; man begnügt sich mit den herkömmlichen Tänzen an Kirchweihen, Hochzeiten und| Jahrmärkten. Selbst das früher allgemein gewesene Eierlesen am Ostermontag wird nur hier und da noch gehalten. Eine Feierlichkeit ist, so viel wir wissen, auf den Eßlinger Bergen und im Neckarthal allgemeiner als anderwärts, nämlich die Abnahme des Kränzchens oder der Flitterkrone, welche der Braut am Schlusse der Hochzeit im Kreise der Familienangehörigen und Verwandten unter Gebet, Gesang und Segenswünschen vom Haupt genommen wird.

Die Mundart ist die unangenehme der mittleren Neckargegend; sie entbehrt das Kräftige und dabei Treuherzige des Oberländer Dialekts, ohne doch die angenehme Weichheit und die gebildeteren Formen der Sprechweise des tieferen Unterlandes hören zu lassen.



  1. Hier, sowie bei den folgenden Angaben ist zu berücksichtigen, daß die Orte Aichschieß und Krummhardt, zusammen mit 438 Seelen, erst seit dem Jahr 1842 dem Oberamt einverleibt sind, weßhalb sie bei allen Berechnungen und Vergleichungen früherer Perioden nicht in Rechnung kommen.
  2. Die Liste von 1822 gibt unter der Rubrik „Bedienstete“ folgende Unterabtheilungen:
    in Königl. Militärdiensten 276
    in Königl. Civildiensten 153
    in gutsherrschaftlichen Diensten   9
    in Commundiensten 310
    748


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