« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Calw Kapitel B 11 »
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Deckenpfronn,
Gemeinde II. Klasse mit 1206 Einw. – Ev. Pfarrei.


Am nördlichen Saume des sog. Gäus hat das Dorf auf einer flachwelligen, fruchtbaren Hochebene, gerade auf der Wasserscheide zwischen der Nagold und der Würm, eine freie, angenehme Lage. Die Entfernung von der nordwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 21/2 Stunden und die von dem südöstlich gelegenen Herrenberg 2 Stunden. Die Poststraße von Calw nach Herrenberg führt nur einige hundert Schritte westlich am Ort vorüber; überdieß bestehen Vicinalstraßen nach Gültlingen, Dachtel und Gärtringen, welche dem Ort nach allen Richtungen seinen Verkehr sichern.

Der ansehnliche, gedrängt, aber nicht besonders regelmäßig angelegte Ort ist mit reinlichen, durchaus gekandelten Straßen versehen, die übrigens mit Ausnahme von 2 Hauptstraßen nur schmale Seitengassen sind. Die theilweise mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude sind in gutem Stande und tragen den Charakter ächter Ländlichkeit.

Die beinahe in der Mitte des Orts stehende Pfarrkirche, welche Eigenthum der Stiftungspflege ist, wurde im Jahr 1817/18 mit einem Aufwand von 14.000 fl., wozu der Staat 1200 fl. beitrug, neu erbaut. Sie hat 2 Reihen Fenster übereinander und ist in ihrem Innern hell und weiß getüncht. Der viereckige, in seinen untern Theilen sehr alte Thurm enthält im untern Stockwerke ein Kreuzgewölbe, auf dessen Schlußstein Agnus Dei angebracht ist; auch sieht man noch deutliche Spuren von zugemauerten, im romanischen Styl gehaltenen Fenstern. Auf dem Thurme, von dem man eine ausgezeichnete Aussicht auf den Schwarzwald und über den Schönbuch hinweg auf die Alp, wie auch in die Gegend von Leonberg genießt, hängen 4 Glocken mit folgenden Umschriften: 1) Zur Ehre Gottes leute ich, Martin und Hans zu Eßlingen gossen mich anno 1601. 2) Jesus Nasarenus rex Judeorum, Bernhart Lachemann gos mich anno 1507. 3) Die 4 Evangelistennamen in sehr alten Majuskeln. 4) Umgegossen in Stuttgart von G. F. Blüher 1786.

Der an der nördlichen Seite der Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde im Jahr 1840 namhaft erweitert.

Das Pfarrhaus steht an der Hauptstraße und wird von dem Staat unterhalten.

Das in den Jahren 1829 und 1842 nahmhaft verbesserte Schulhaus enthält neben 3 Lehrzimmern die Wohnungen des Schulmeisters, | des Unterlehrers und des Schulgehilfen, wie auch im untern Stockwerk den Schafstall.

Das ansehnliche freistehende Rathhaus mit Thürmchen und Glocke auf dem First ist im J. 1829 neu erbaut und im J. 1842 um 5000 fl. von der Gemeinde erkauft worden.

Ein Gemeindebackhaus besteht schon längst und ein öffentliches Waschhaus ließ die Gemeinde im Jahr 1824 an der Stelle des früheren erbauen.

Der Ort hat keinen laufenden Brunnen, dagegen liefern 4 Zieh- und 34 Pumpbrunnen gutes Trinkwasser, das jedoch in sehr trockenen Jahrgängen ziemlich nachläßt, so daß das Wasser von den Gemeindebrunnen ausgetheilt werden muß. Am westlichen Ende des Orts ist eine Wette angelegt und außerhalb des Dorfes besteht ein kleiner See, aus welchem zur Zeit des Wassermangels das Wasser für das Vieh geholt wird. Etwa 1/2 Stunde südlich vom Ort liegt der Egelsee, der von den Blutegeln, welche er beherbergt, seinen Namen erhielt; in der Nähe desselben, wie auch auf andern Stellen der Markung kommen nicht selten Erdfälle vor.

Die Einwohner sind ein wohlgewachsener, schöner Menschenschlag und erfreuen sich im Allgemeinen einer guten Gesundheit; epidemische Krankheiten gehören zu den Seltenheiten. Sie verbinden mit großem Fleiß einen religiösen Sinn und äußere Ehrbarkeit; bemerkenswerth ist, daß hier das Schachspielen häufig und gewandt getrieben wird. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; Einzelne treiben besondern Handel mit Getreide und Vieh. Außer 2 Schildwirthschaften und 3 Krämern beschränken sich die Gewerbe auf die nöthigsten örtlichen Bedürfnisse. Die Vermögensumstände der Einwohner gehören zu den besten des Bezirks, indem, obgleich eigentliche Reiche nicht vorhanden sind, der sog. Mittelstand vorherrscht und sogar die minder Bemittelten mit wenig Ausnahmen noch ein Stück Rindvieh besitzen. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt etwa 43 Morgen, der mittlere 15–18 Morgen; die Unbemittelteren besitzen 1/4–11/2 Morgen. Was die Parcellirung der Markung betrifft, so kommen Grundstücke von 3/86/8 Morgen am häufigsten vor.

Die große, schön arrondirte Markung, von der beinahe 1/4 mit Waldungen bestockt ist, hat mit Ausnahme einiger Trockenthälchen eine ziemlich ebene, jedoch hohe Lage und zur Hälfte einen fruchtbaren Boden, während die andere Hälfte minder ergiebig ist; er besteht aus den Verwitterungen des Hauptmuschelkalks, des Muschelkalkdolomits und des Lettenkohlenmergels. Nicht selten kommt | diesen Verwitterungen eine günstige, jedoch nicht beträchtliche Diluviallehmablagerung zu.

Wegen der hohen Lage ist die Luft gesund, jedoch etwas rauher als in der Umgegend, daher auch die Ernte um etwa 8–10 Tage später, als in dem nahe gelegenen Gäu und um etwa 4 Tage später, als in Stammheim eintritt. Hagelschlag kommt selten vor.

In dreizelglicher Bewirthschaftung, mit zu 1/2 angeblümter Brache baut man von den gewöhnlichen Cerealien Dinkel, Hafer und Gerste; in der Brache zieht man vorzugsweise Kartoffeln, Futterkräuter, Ackerbohnen, Reps etc. Hanf wird in Ländern nur für das eigene Bedürfniß gepflanzt. Auf den Morgen rechnet man zur Aussaat 7–8 Sri. Dinkel, 4 Sri. Hafer, der übrigens häufig mit Wicken und Ackerbohnen gemengt wird, 3 Sri. Gerste; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 8–10 Schfl. Dinkel, 5–6 Schfl. Hafer angegeben. Die Preise der Äcker bewegen sich von 80–600 fl. per Mrg. Der Ertrag an Getreide läßt einen jährlichen Verkauf von etwa 2000 Schfl. Dinkel, 300 Schfl. Hafer und 60 Schfl. Gerste zu; der Absatz geschieht in Calw.

Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt, jedoch liegen die Wiesen durchgängig auf den Höhen und können nicht bewässert werden; ein Morgen Wiese erträgt durchschnittlich 15–20 Ctr. Heu und in nassen Jahren 8–10 Ctr. Öhmd, welches jedoch in trockenen Sommern öfters beinahe ganz fehlt. Die höchsten Preise eines Morgens Wiese betragen 600 fl., die niedrigsten 250 fl. Das erzeugte Futter ist sehr gut und wird mit wenigen Ausnahmen im Ort selbst verbraucht.

Die Obstzucht, welche sich vorzugsweise mit Mostsorten (Luiken, Fleinern und sauren Schafnasenäpfeln, Knausbirnen, Palmischbirnen, Steinlacherinnen etc.) und weniger Zwetschgen beschäftigt, ist ziemlich ausgedehnt und erlaubt in günstigen Jahren einen namhaften Verkauf nach Außen.

In der sog. Weingartenhalde, etwa 1/4 Stunde westlich vom Ort wurde früher etwas Weinbau getrieben.

Die Gemeinde ist im Besitz von 850 Morgen Laub- und Nadelwaldungen, die einen jährlichen Ertrag von 200–250 Klafter und 10.000 Stück Wellen gewähren; hievon erhält jeder Bürger 1/4 Klafter und 50–60 Stück Wellen, während der Rest verkauft wird und der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 1500–2000 fl. sichert.

Der Rindviehstand, welcher vorherrschend aus einer rothen Landraçe besteht, ist gerade nicht besonders ausgedehnt, doch wird ziemlich Vieh, besonders auch gemästetes, verkauft. Zur Nachzucht hält die Gemeinde 4 Landfarren, die von 2 Bürgern um jährlich 153 fl. verpflegt werden.

| Die Schafzucht ist nicht unbeträchtlich; ein Ortsschäfer, der theilweise auch Schafe von Bürgern hütet, läßt im Vorsommer 300, im Nachsommer 500 Halbbastarde auf der Brach- und Stoppelweide laufen, und entrichtet hiefür der Gemeinde einen jährlichen Pacht von 325 fl.; überdieß trägt die Pferchnutzung etwa 550 fl. ein.

Die Zucht der Schweine ist bedeutend; es werden weit mehr Ferkel nach Außen verkauft als eingeführt. Ein halb englischer Eber ist vorhanden.

Die Bienenzucht ist von keinem Belang, dagegen wird ziemlich Geflügel, namentlich Hühner gehalten und mit Eiern und jungen Hühnern ein lebhafter Handel nach Calw betrieben.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet und eine Gemeindeschadensumlage bis jetzt nicht nöthig geworden; außer den Einnahmen aus Wald und Weide sind noch etwa 5000 fl. Kapitalien und 56 Mrg. Gemeindegüter vorhanden, welch’ letztere zum größern Theil den Bürgern unentgeldlich zur Benützung überlassen werden, während der kleinere 123 fl. der Gemeindekasse jährlich einträgt. Über das Vermögen der Gemeinde- und Stiftungspflege s. Tabelle III.

Eine von Heslach herkommende Römerstraße führt westlich am Ort vorüber und unter den Benennungen „Hochsträß, Heerstraße“ nach Althengstett etc.; unfern derselben, etwa 1/2 Stunde südlich vom Ort befindet sich der sog. Hohwiel, ein künstlicher Hügel, der ohne Zweifel zur Überwachung der Straße aufgeworfen wurde. Eine zweite römische Straße führt unter dem Namen alte Straße von Herrenberg her und scheint in die erstere 1/4 Stunde nördlich vom Ort auf der Flur Hörtringen eingelaufen zu sein.

Der Ort, dessen Name „Pfründe des Dechanten“ bedeutet, wurde um 830 sammt der Kirche an das Kloster Hirschau vergabt von dem Grafen Erlafried, einem Ahnherrn der späteren Grafen von Calw (nach weit späterer Aufzeichnung im Cod. Hirsaug. 25a). Als im 11. Jahrhundert das genannte Kloster nach langem Zerfall durch den Grafen Adelbert von Calw wieder neu gestiftet wurde, fiel ihm auch der hiesige Besitz wieder zu; in einer Urkunde vom 9. Oct. 1075, worin K. Heinrich IV. diese Wiederherstellung des Klosters bestätigt, erscheint sonach auch „Deggenphrum“ (Wirt. Urk.-Buch 1, 279), und ist dieß die früheste gleichzeitig erhaltene Nennung des Ortes. Im J. 1260 kommt vor Heinricus de Teckenphrvn (Mone Zeitschr. 1, 248), im J. 1268 ein Decan von Tekkemphrunde (Schmid Pfalzgr. v. Tüb. Urk. 30).

Der Ort kam mit Calw an Württemberg und zahlte 22 Pfund Heller Jahressteuer auf Martini (Reyscher Stat. Rechte 608).

| Die hiesige Besitzung des Klosters Hirschau aber und namentlich die Pfarrei, welche dem Kloster mit Erlaubniß Papst Bonifacius IX. am 3. Juli 1395 gegen die Verpflichtung, allhier einen tüchtigen Vicar zu halten, einverleibt worden war, gelangte durch die Reformation an Württemberg.
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