« B 17 Beschreibung des Oberamts Blaubeuren B 19 »
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18. Merklingen mit Witterstall.


a. Merklingen, ein evang. Pfarrdorf auf der hohen Alp, an der s. g. Salzstraße und der Straße von Blaubeuren nach Geislingen, 3 St. nördlich von Blaubeuren, mit 652 Einwohnern. Das Patronat ist königlich, den großen Zehnten hat der Staat, einen Theil davon das Spital Ulm, den kleinen die Pfarrey und in dem Bezirk „Laube“ genannt, worin vormals das Kloster Kaisersheim und das Spital Ulm | den Zehnten je zur Hälfte hatten, der Staat und die Pfarrey Nellingen. Die Ortspfarrey bezieht auch den Heu-, Öhmd-, Obst- und Blutzehnten.

Merklingen ist ein ansehnlicher, wohlgebauter Ort, der auf einer weiten, fruchtbaren Ebene der Alp liegt. Der Ort hat ein Rath- und ein Schulhaus, 3 Schildwirthschaften und eine Brauerey, aber kein anderes als Cisternenwasser. Die Einwohner sind wohlhabend und betreiben neben dem Feldbau die Leinenweberey stark; es befinden sich gegen 100 Weberstühle mit 37 Meister und 36 Knappen in dem Orte.

Die Kirche zu den h. 3 Königen ist alt, aber gut gebaut, sie ist mit einem sehr hohen mit einer Kuppel bedeckten Thurme versehen, der 1797/99 mit einem Kosten von etlich und zwanzigtausend Gulden erbaut wurde. In der Kirche befindet sich ein sehenswerther Altar mit gut geschnitzten Bildern und einem Gemälde. Die Baulast der Kirche und der Schule hat die Stiftungspflege, die des Pfarrhauses der Staat. Filial der Kirche ist Witterstall. In früherer Zeit war auch noch eine Kaplaney mit der Kirche verbunden, die nach der Reformation aufgehoben wurde. Die Schule ist, wie in den meisten vormals ulmischen Orten, nach den Geschlechtern getheilt. Das Schulgeld wird für alle Kinder aus der Stiftungspflege bezahlt, die in sehr vermöglichen Umständen ist.

Merklingen gehörte vormals der Reichsstadt Ulm, und war der Sitz eines eigenen Amts, bis dieses 1714 aufgelöst und M. dem Amt Nellingen zugetheilt wurde. Das Amthaus wurde nun zum Pfarrhaus gemacht, und das alte Pfarrhaus verkauft. Das Haus soll früher ein Kloster gewesen seyn; es findet sich jedoch in Schriften keine Spur davon. Dagegen heißt noch ein ganzer Bezirk welcher mehrere Häuser und darunter auch das vormalige Amthaus umfaßt „im Kloster.“ Unter ulmischer und nachher bayerischer Herrschaft hatte M. auch eine Zollstätte.

Das Patronat der Kirche gehörte dem Stift Wiesensteig, das es im Jahr 1331 von Graf Johannes v. Helfenstein zum Geschenk erhalten hatte, und dem schon bey seiner Stiftung | im J. 861 das Zehentrecht zu „Marchelingen“ geschenkt wurde. (S. 6). Auch die Lehenschaft der von den Grafen von Helfenstein gestifteten Kaplaney hatte das Stift. Als die Kaplaney aufgehoben worden war, und die Gemeinde M. die Einkünfte an sich zog, nahm sich Graf Ulrich v. Helfenstein des Stifts an, und durch einen Vergleich vom J. 1565 wurden die Einkünfte dem Stift zurückgegeben. Das Dorf selber hatte ehedem den Grafen von Helfenstein gehört. Als im J. 1375 der Abt Albrecht zu Ellwangen den Grafen von Helfenstein das Dorf Nellingen eignete, wurden ihm dafür von dem Grafen die Veste Romenthal und das Dorf Merklingen auf der Alp zu Lehen eingesetzt (s. Nellingen). Die Gräfin Catharina von Würtemberg, geb. von Helfenstein, gab ihre Einwilligung dazu, weil Merklingen ihr Leibgeding war. 1396 und 1446 verkauften die Grafen Zoll und Geleit, Reiß und Steuer, und 1482 vollends alle ihre Rechte und Güter an die Reichsstadt Ulm (s. S. 10). Im Jahr 1609 brannten 41 Gebäude im Ort ab, auch litt der Ort nachher im 30jährigen und in den spätern Kriegen sehr. Im Jahr 1802 kam M. mit Ulm an die Krone Bayern und durch den Staatsvertrag von 1810 an Würtemberg.

b. Witterstall, ein aus 3 zerstreuten Wohngebäuden und eben so viel Nebengebäuden bestehender Weiler, 3/4 Stunden nordwestlich von Merklingen und Filial davon, mit 18 Einwohnern. Der Name Witterstall, in neuern Zeiten erst gemeiniglich Widderstall geschrieben, bedeutet vermutlich so viel als Wittersthal, wie Egelstall Egelsthal. Die Zehnten von Groß-Witterstall hat der Staat, Klein-Witterstall ist zehentfrey (s. u.). Witterstall ist ein neu entstandener Ort, der aber in ältern Zeiten schon vorhanden war und wieder verschwunden ist. Er theilte sich in Groß- u. Klein-Witterstall, wovon letzteres auch der Mönchshof genannt wurde, und hatte seine eigene Markung, die bis auf unsere Zeiten bestand. Er soll von Graf Ludwig von Helfenstein dem Kloster Urspring gestiftet worden seyn; 1441 wurde er von | dem Kloster an 3 Ulmer Bürger um 700 fl. verkauft. Von diesen haben, 1471 auf Freytag nach Galli Tag, die Merklinger Groß- und Klein-W. zu einem ewigen Erbrecht erhalten, unter der Bedingung auf Klein-W. jährlich wenigstens 56 J. Aecker zu bauen, und daraus die vierte Garbe zu geben. Auf die Mäder von Groß-W. wurde ein jährlicher Zins und im Veränderungsfall eine Auf- und Abfahrt gelegt. Diese Gefälle und die Landgarbe kamen 1583 und später wieder an das Helfensteinische Haus, das die erstern im J. 1616 an die Stadt Ulm verkaufte, während die Landgarbe, Forst- und Wildbann bis 1805 bey Wiesensteig blieben. Die hohe Obrigkeit und die Gerichtsbarkeit nebst den Heuzehnten hatte Ulm theilweise schon 1441, 1442, 1482 und später durch Kauf und Vertrag erworben. Mit Ulm kam W. ganz an die Krone Bayern. Groß-W. war mit den erwähnten Gefällen in das Privat-Eigenthum der Merklinger, zum Theil auch der Nellinger, Machtolsheimer und Aufhäuser, übergegangen; Klein-W. aber wurde 1805 von der Krone Bayern verkauft, nachdem das Erblehenrecht der Gemeinde Merklingen ganz in Vergessenheit gekommen zu seyn scheint. Bey dem Verkaufe wurden jedoch der Gemeinde 51 J. und eben so der Gemeinde Drakenstein, welche 1523 einige Rechte auf das Gut an sich zu bringen gewußt hatte, 15 J. unentgeldlich überlassen. Nach dem Verkaufe wurden nun wieder 4 Höfe erbaut, wovon jedoch der größere im J. 1825 von dem Eigenthümer an die Stiftungspflege zu Merklingen verkauft und von dieser wieder abgebrochen wurde.


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