Beschreibung des Oberamts Balingen/Kapitel B 8
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Von den drei Glocken des Thurmes ist die größte 1838 von C. A. Kurtz und S. in Reutlingen, die kleinste alt mit den Namen der vier Evangelisten in Majuskelschrift; die mittlere zeigt ein Kruzifixrelief und schwer zu lesende Majuskelbuchstaben (noch schwieriger zu lesen und ebenso unklar als an der Truchtelfinger Glocke). Benachbart, mit schönem Garten, liegt das gleichfalls von der Stiftung zu unterhaltende, 1811 erbaute, freundliche Pfarrhaus. Das 1841 erbaute Rath- und Schulhaus enthält zwei Lehrzimmer und die Wohnungen für einen ständigen und einen unständigen Lehrer. Auch ein Wasch- und Backhaus, ein Armenhaus, ein Schafhaus mit Farrenstall und Spritzenremise besitzt die Gemeinde. Bei dem Quellenreichthum der Markung ist gutes Trinkwasser hinlänglich vorhanden, das durch 5 laufende und 5 Schöpfbrunnen gespendet wird und nur noch sorgfältiger vor dem Eindringen unreiner Beimischungen bewahrt werden sollte. Auch eine Wette ist angelegt. Die Staatsstraße Balingen–Rosenfeld berührt die Markung und von ihr zweigt sich eine Vizinalstraße in den Ort ab, der einige unbedeutende Brücken (Dohlen) über den Bach zu unterhalten hat.
Die kräftigen, Fleiß und Ordnung liebenden Einwohner sind in mittleren Vermögensverhältnissen. Der Vermöglichste besitzt etwa 8 ha, der Mittlere 2–3 ha, die ärmere Klasse ist neben einigen eigenen Güterstücken im Genuß der Gemeindeallmanden im Betrag von circa 70 a auf den Mann. Maurer, Steinhauer, Zimmerleute arbeiten auswärts, das weibliche Geschlecht betreibt Handschuhnäherei. Auch einiger Bretterhandel und Hausirhandel mit Kümmel und Wachholderbeeren wird, letzterer von Weibsleuten, ins Großherz. Baden getrieben. Dem Verkehr dienen drei Schildwirthschaften und eben so viele Krämer. Industrieschule wird gehalten.
Die ziemlich große, von Norden nach Süden sich weit erstreckende Markung liegt größtentheils auf dem unteren Lias, nördlich noch im oberen Keuper. Nur der kleinere Theil ist tiefgründig genug, um ergiebig zu sein, der größere leidet entweder durch Nässe oder durch steinigen und schieferigen Untergrund. Am Warrenberg sind einige Morgen Ried und auch sonst saure Wiesen vorhanden. Weiße, grobkörnige Keupersand- und blaue Liaskalksteine werden, doch nicht ausreichend, als Bausteine gebrochen. | Im Kohlgraben sind Töpferthongruben. Vor einigen Jahrzehnten wurde an dem auf der Markungsgrenze gegen Geislingen laufenden Mildersbach auf Schwefelkies gegraben. Der Ertrag war gering.In der Landwirthschaft gehen die besseren Bürger mit gutem Beispiel voran. Zur Verbesserung des Bodens sollte, namentlich durch vermehrte Futter- und Düngerproduktion, noch mehr geschehen. Gips, Hallerde, Asche und die allmählich sorgfältiger gesammelte Jauche werden dem Boden zugeführt. Der häufigste Pflug ist der Wendepflug. Die Brache wird zu 2/3 angebaut mit Kartoffeln, rothem Klee, Futterwicken, auch etwas Reps. Auch Hopfen wird gebaut, Hanf zum Selbstgebrauch. Die vorherrschende Frucht ist Dinkel, sodann Haber, Einkorn, Weizen; ausnahmsweise wird Roggen, Gerste, Emer, Sommerweizen und Wintergerste gebaut. Von 9 Sri. Dinkel auf den Morgen erntet man 6 Schffl., von 5 Sri. Haber 4 Schffl., von 51/2 Sri. Einkorn 41/2 Schffl., von 31/2 Sri. Weizen 2 Schffl., von 4 Sri. Gerste 4 Schffl. Etwa 80 Schffl. Dinkel und 30 Schffl. Haber werden verkauft, dagegen an Mehl und Früchten bedeutende Quantitäten von außen bezogen. Der Wiesenbau ist im Zunehmen und liefert im Ganzen ein gutes Erzeugnis; die Wiesen sind zweimähdig und etwa 16–17 Mrg. zur Bewässerung eingerichtet. Der Morgen ergibt 20–25 Ctr. Heu und 8 bis 12 Ctr. Öhmd. Viel Futter wird noch von außen zugekauft.
Das Klima ist rauh, kalte Nächte, die dem Klee und Obst schaden, bis in den Sommer; im Herbst schaden starke Westwinde besonders den Hopfenpflanzungen. Hagelschlag ziemlich häufig.
Die Obstzucht ist im Zunehmen und werden auch feinere Sorten gehalten, obgleich das Obst nicht leicht geräth, die Bäume vielfach nur in Zweige schießen. Eine Privat- und eine öffentliche Baumschule liefern die Jungstämme, ein Baumwart ist angestellt. Das Obst wird gemostet und gedörrt, zum Verkauf kommt nicht viel.
Von den 726 Morgen Waldung, welche auf der Markung liegen, gehören der Gemeinde 320, welche 100 Kl. Scheiter, 4–5000 Wellen ertragen. Hievon erhält jeder Bürger 2 Rm. Scheiter, 25–30 Wellen, der Rest als Sägholz verkauft ergibt 3–600 M. für die Gemeindekasse. Weiden sind etwa 125 M. ordentlicher Qualität vorhanden, welche der Gemeinde 6–700 M. Pacht und ebensoviel oder etwas mehr an Pferchnutzung einbringen. Die an die Bürger um einen Zins von 3 M. 45 Pf. | verliehenen Allmanden ertragen gegen 600 M. Auch Farrenwiesen besitzt die Gemeinde. Die Pferdezucht ist schwach; die Stuten werden meist von Privatbeschälern belegt; auch die Pferdehaltung ist nicht von Belang. Dagegen ist die Viehzucht in gutem Stand: Simmenthaler Kreuzung, wovon die Gemeinde drei Farren hält. Stallfütterung ist allgemein, Mastung findet selten statt. Schafzucht wird gegenwärtig von 2 Ortsschäfern getrieben: 170–200 St. englische Bastarde. Doch wird nicht im Orte überwintert. Der Verkauf der Wolle geht nach Sulz und Tuttlingen, der Abstoß der Schafe in die Schweiz und nach Frankreich. Die Schweinezucht ist bedeutend (halbenglische Race); es waren schon 30–40 Mutterschweine hier; auch werden noch Ferkel von außen bezogen, indem die Mastung, besonders zum Verkauf, umfassend ist. Ziegen- und Geflügelzucht ist nicht von Belang, die Bienenzucht im Abnehmen; etwas Wachs und Honig wird abgesetzt.Stiftungen sind folgende vorhanden:
- 1. die Kirchenstiftung zu St. Sylvester aus dem Jahre 1620, jetzt 4000 M. betragend;
- 2. Die Schatz’sche Schulstiftung von 1806, beträgt jetzt 1900 M.;
- 3. der Schulfonds, 1500 M.
Unbedeutenderen und vorübergehenden Besitz am Orte betreffend ist folgendes hervorzuheben. Die Gebrüder Rudolf und Albrecht Schenken von Andeck verkauften den 16. Oktober 1340 um 85 Pfd. Hllr. verschiedene hiesige Güter an Anna von Thierberg, ihres Bruders Wernher eheliche Wirthin, die letztere den 31. Mai 1347 mit Einwilligung ihres Bruders Konrad von Thierberg mehrere Huben allhier um 100 Pfd. Hllr. an Hilpolt Maier von Wurmlingen, welcher diesen Erwerb um seines Seelenheils willen am 28. Juli 1348 mit Einwilligung seines Herrn, des Grafen Friedrich von Zollern, dem Kloster Beuron übergab (Monum. Zolleran. 1, 171). Dasselbe Kloster ertauschte den 14. Juni 1381 zwei hiesige Äcker gegen solche zu Binsdorf, den einen von Haintz dem Beck zu Binsdorf, den anderen von der dortigen Klause, welch’ letztere bereits den 23. Juni 1374 hiesigen Heuzehnten von der Probstei zu Binsdorf im Wege des Verzichts erworben hatte (St.A., die letztgenannte Urkunde im Besitz des Kaufmanns Hipp in Rottweil). – Daß die Johanniterkommende Rottweil von einem Friedrich von Zimmern im Anfang des 12. Jahrhunderts hiesige Zehenten verpfändet erhalten habe, ist in der Weise, wie die Zimmerische Chronik (1,87) diese Begebenheit erzählt, jedenfalls geschichtlich nicht beglaubigt, wenn gleich die Thatsache feststeht, daß die Kommende in der Folge hier zehentberechtigt war, wie sich denn am 26. Mai 1557 die vier Zehentherren des großen theilbaren Fruchtzehentens zu Erlach: 1) Herzog Christoph von Württemberg, der Kommenthur zu Rottweil, Konrad von Frauenberg, Obervogt zu Rosenfeld, Ludwig von Freiburg samt ihren Mit- und Zehentherren, 2) die Pfarr, auch St. Margareth- und Katharinenpfründen zu Binsdorf, 3) der heilige St. Sylvester zu Erlach und Hans von Stotzingen zu Geislingen, wegen der Art und Weise der Vertheilung dieses Zehentens unter denselben verglichen. – Gültberechtigt waren überhaupt nach der Generalgültrenovation von 1772: die Kommende Rottweil, die Kirchenfabrik St. Ulrich in Geislingen (von 8 Lehen), das Kloster Beuron, das Kloster Kirchberg (von 5 Lehen), das Dominikanerinnenkloster zu Binsdorf, die Kirchenfabrik St. Marci zu Binsdorf (von 3 Lehen), die Fabrik St. Sylvester dahier (von gemeinsamen Gütern und Lehen, sowie großen Frucht-, Klein-, Blutzehenten), die Priesterschaft zu Binsdorf (von 5 Lehen), das Frühmeßgeistlichen-Lehen, die geistliche Verwaltung Rosenfeld.
| Die 4 Flecken Geislingen, Ostdorf, Owingen (zoller. OA. Hechingen) und Erlaheim verglichen sich den 7. Juni 1558 wegen der Bannmark, Viehtriebs und Weidgangs zwischen der von Geislingen Witthau und dem Pfarnberg (St.A.).Was die kirchlichen Verhältnisse betrifft, so war Erlaheim zuerst Filial der Rottweiler Johanniterordenspfarrei Isingen (OA. Sulz) und verglich Graf Rudolf IV. von Hohenberg am 24. (17.?) März 1394 die genannte Kommende, beziehungsweise den Kommende-Laienpfarrer zu Isingen mit der Gemeinde Erlaheim wegen der Verpflichtungen des Pfarrers für Erlaheim, insbesondere derjenigen, wöchentlich eine Messe in der dortigen Kirche zu lesen. (Abschrift der Urkunde in der Ortsregistratur zu Erlaheim). Im Einklang hiemit steht es, wenn die bereits erwähnte truchseßische Erneuerung vom J. 1581 folgenden Eintrag hat: „mein gnediger Herr hat zue Erlheim die Collatur nicht (sonder Johannitercomentherr zue Rothweil) zu verleihen, auch ein Priester, der Erlheim nach aller Notturfft mit der Kürchen versehen soll, nach billichen Dingen zu besolden. Ihre Gnaden haben aber die Castvogtei des heiligen St. Sylvesters mit aller desselben anhangenden und zugehörigen rechten und gerechtigkeiten ainig und allein.“ Als in Isingen die Reformation eingeführt wurde, blieb das im Katholicismus verharrende Erlaheim zunächst ohne Seelsorger. Weder in Binsdorf (OA. Sulz) noch in Geislingen, noch in Gruol (hohenzoller. OA. Haigerloch), wohin sich die Erlaheimer gewandt, sollen sie zunächst Zulassung zur kirchlichen Gemeinschaft erhalten haben, weshalb sie beschlossen, auch zur Reformation überzutreten. Sie sollen bereits im Begriff gewesen sein, in festlichem Zug sich zur Isinger Kirche zu begeben, als sie von Binsdorfern auf dem Felde gesehen worden, daraufhin seien die letzteren eiligst heimgelaufen, haben zusammenläuten lassen, die Binsdorfer seien mit Kreuz und Fahne den Erlaheimern entgegen gezogen und haben sie in ihre Kirche geführt. Wo beide Gemeinden zusammen gekommen, seien die drei noch jetzt stehenden Kreuze errichtet worden. (Gef. Mittheilung des Herrn Pfarrers Schöttle in Erlaheim.) Wie viel Antheil an dieser Geschichte die Sage auch haben mag, jedenfalls hielt sich Erlaheim kirchlich zunächst an Binsdorf, bis der Constanzer Bischof auf diesfallsiges Ansuchen unterm 17. Juni 1718 gestattete, daß es von dem Kaplan in Binsdorf alternative, an Sonn- und Festtagen binando pastorirt werde. Unter dem 11.–15. Juni 1811 wurde durch kgl. Dekret die | Excurrentkaplanei von Binsdorf nach Erlaheim versetzt und allda zur selbständigen Pfarrei erhoben, auch mit den Widumgütern, Zehnten, Grundgefällen, Fruchtbesoldung und Gebühren zu Erlaheim und Wiesen in der Markung Geislingen, welche die Pfarrei und Kaplanei Binsdorf besessen, u. s. w. dotirt. Im Jahre 1828 wurde die St. Sylvesterkirche von der Stiftungspflege mit einem Aufwand von 8362 fl. ganz von Neuem wieder erbaut.
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