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24. Thailfingen,


Gemeinde II. Klasse, Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit, mit Weilerthalmühle und dem Haus Neuweiler, 2316 Einw., worunter 8 nach Margrethausen eingepfarrte Kath. und 18 eigener Konfession.

Im freundlichen, wiesenreichen Schmiechathal, wo dieses durch ein von der Pfeffinger Höhe herabkommendes Trockenthal eine Erweiterung gewinnt, und von vier stattlichen und schön gestalteten Bergkuppen: Braunhardsberg, Burgstall, Nank und Burg (oder Hohenberg), bedeutsam eingefaßt ist, liegt, die ganze Thalbreite ausfüllend und noch den von beiden Thälern umschlossenen Bergvorsprung hinansteigend, der ausgedehnte ziemlich regelmäßige saubere Ort, mit chaussirten, gekandelten Straßen, freundlichen, z. Th. ansehnlichen, meist sauber getünchten, das Balkenwerk noch zeigenden Häusern.

An der Nordseite des Orts, zwischen Hauptstraße und Schmiech, steht etwas in der Tiefe die alterthümliche, besonders durch ihren Thurm mit Fachwerkaufsatz und Walmendach ländlich erscheinende Kirche. Der Thurm steht an der Südwestecke derselben frei; sie selbst erhielt 1777 ihre jetzige Gestalt (an der | Südwestecke die Jahreszahl 1506) mit großen oblongen Fenstern, im Innern mit weit ausgedehnten Emporen (von Mich. Romminger, Zimmermeister in Ebingen, vergl. Truchtelfingen) und Felderdecke und ist mit 2 (modernen) Bildern Luthers und Melanchthons, einem schönen Cruzifixus aus der Renaissancezeit und einem Kriegerdenkmal, einer ornamentirten Sandsteinplatte mit den Namen der zwei Gefallenen: Michael Eppler, gef. bei Tauberbischofsheim 28. Juli 1866; Jo. Maute, gef. bei Paris 30. Nov. 1870) geschmückt.

Von den drei Glocken zeigt die größte die Jahrszahl 1552 und die Inschrift: Christus vincit. Christus regnat. Christus imperat. Christus ab omni malo nos defendat; die mittelgroße die Namen der Evangelisten in frühgothischen Majuskeln; die kleinste, gleichfalls alte, ist ohne Schrift.

Die Kirche ist von der Stiftung zu unterhalten.

Der Kirchhof wurde 1840 außer den Ort verlegt.

An die Westseite schließt sich das stattliche, geräumige 1755 erbaute und 1768 erhöhte Pfarrhaus an, von Hof und großem Garten traulich umschlossen. Der Staat hat es zu unterhalten. Es wird darin eine hölzerne Votivtafel aufbewahrt mit der Inschrift im Geschmack ihrer Zeit: oCVLVs DeI InVIgILet teMpLo sVo et nobIs IpsIs (= 1777)

Da man die Kirch erweitert baute,
War Rösler Pfarrer, Gottlieb Maute
Der Dorfsvogt, Bürgermeister zwei,
Merz, Blikle, Bizer auch dabei,
Die sollten dieses Baues pflegen,
Gott gebe allen seinen Segen.

Aedif. inc. ver. et absol. d. 18 oct. ej. anni.

Nahe bei Kirche und Pfarrhaus steht das Schulhaus, ein Bau im Holzstil, 1842 vergrößert, jetzt 4 Lehrzimmer und die Wohnung des ersten Schullehrers, sowie das Zimmer des Lehrgehilfen enthaltend. Die 2 anderen Schullehrer haben eigene freundliche Wohnungen. Ein fünfter Lehrer ist noch anzustellen. Das Rathhaus ist von 1826. Außerdem sind von Gemeindebauten 4 Armenhäuser, worunter ein größeres, und ein großes Schafhaus vorhanden.

Die Markung hat viele und bedeutende Quellen, welche mit Hilfe gußeiserner Leitungen und vier laufender Brunnen, wozu noch 4 Pumpbrunnen, 5 Zieh- und Schöpfbrunnen kommen, den Ort reichlich mit dem besten Wasser versorgen.

| Die Hechingen-Ebinger und seit 1880 die von Ebingen auf die Hohenzollersche Alb führende Staatsstraße geht durch den Ort, eine Vizinalstraße nach Pfeffingen. 3 steinerne Brücken über die Schmiecha hat die Gemeinde zu unterhalten, eine steinerne der Staat.

Die kräftigen und stattlichen Einwohner, von denen etwa 15 über 80 Jahre alt sind, zeichnen sich im allgemeinen durch Fleiß, Betriebsamkeit, Sparsamkeit, Einfachheit, kirchlichen, auch opferwilligen Sinn vortheilhaft aus. Die Volkstracht hat sich noch ziemlich erhalten: bei den Männern vorwiegend aus Manchestersammt; bei den Frauen ebensolche Kittel, Bändelhauben, herabhängende Zöpfe.

Die Vermögensverhältnisse sind mittel; die eine Hälfte ist auf Industrie angewiesen. Der Vermöglichste besitzt 30–36 Morgen, der Mittelmann 15–20 Morgen, die ärmeren Bauern 2 bis 3 Morgen Feld. Auf fremder Markung liegen ziemlich viele Grundstücke.

Die Industrie umfaßt: Corsettfabriken (6), Tricotweberei auf circa 130 Rundstühlen, Manchester- und Strumpfweberei, meist mit Absatz nach außen. Die Strumpfwaaren kommen hauptsächlich nach Oberschwaben; die Einfuhr des Materials bildet einen wesentlichen Handelszweig. 3 Frachtfuhrleute fahren nach Ebingen und Hechingen.

Heute sind im Ort 170–180 Rundmaschinen in Thätigkeit, welche theils für Rechnung dortiger Fabrikanten, theils für auswärtige Grossisten, in der Mehrzahl aber für Ebinger Fabrikanten arbeiten. Die Rundstuhlarbeiter erzielen einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von 6, 7 bis 8 M.; außer den Webern sind noch 60–70 sonstige Arbeiter beschäftigt und gleichzeitig 150–160 Nähmaschinen, welche eben so vielen Frauen und Töchtern einen Wochenverdienst von 3–4 M. gewähren.

Neben dieser Erwerbsthätigkeit oder richtiger Hand in Hand damit entwickelte sich seit Ende der 1840er Jahre ein ausgedehnter Hausirhandel, der im Herbst nach Beendigung der Feldgeschäfte noch jetzt alljährlich gegen 100 Personen beiderlei Geschlechts namentlich nach Oberschwaben, dem württembergischen Unterland und Schwarzwald führt. Doch ist nach den gepflogenen Erhebungen vom Erfolg dieser Handelschaft wenig Ersprießliches zu verzeichnen. Der materielle Erfolg, welchen einige Wenige auf diesem Wege erzielten, ist so verschwindend klein gegenüber den materiellen und moralischen Nachtheilen, die der Hausirhandel | im Gefolge hat, daß derselbe mit den anderen Erwerbszweigen gar keinen Vergleich aushalten kann.

Daß in einer so betriebsamen Gemeinde auch verschiedene Lokalgewerbe vertreten sind, ist selbstverständlich; erwähnenswerth sind davon 3 Bierbrauereien mit einem Jahresumsatz von 40 bis 45.000 M.

Auch sind 2 Ziegeleien und 3 Mahlmühlen mit je 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang, sowie 1 Ölmühle nebst Hanfreibe vorhanden. 14 Schildwirthschaften und 10 Krämereien dienen dem örtlichen Bedarf.

Die Markung, welche von der europäischen Wasserscheide zweimal, rechts und links des Thals durchschnitten wird, ist ziemlich ausgedehnt, namentlich in der Richtung von Ost nach West. Ihr Boden besteht aus den Zersetzungen aller Abtheilungen des weißen Jura, die obersten Schichten (ζ) ausgenommen, zum Theil von starkem, diluvialem Lehm überlagert. Er trägt also den Albcharakter: oben steinig, seicht, kalkig, humusreich, warm; unten kalt, schwer und tiefgründiger; im Thal auch torfig; im allgemeinen nur mittelfruchtbar. 3 Steinbrüche und 2 Lehmgruben werden ausgebeutet.

Das Klima ist rauh und windig, Hagelschlag selten; Gewitter nicht besonders häufig, der Braunhardsberg eine Wetterscheide.

Die bergige Lage und die weiten Entfernungen erschweren den Ackerbau; durch drei neue Steigen ist nachgeholfen worden. Gips, Hallerde, Asche und die zweckmäßig gesammelte Gülle suchen den Boden zu verbessern. An verbesserten Ackergeräthen fehlt es noch; nur der Wende- und Suppinger Pflug gehören dahin. Der Betrieb geschieht in der Dreifelderwirthschaft und die Hälfte der Brache wird eingebaut, besonders mit Klee. Flachs und Hanf werden nur zum eigenen Bedarf gezogen. Am besten gedeihen Dinkel, Haber, Kartoffeln. Gerste wird wenig gebaut, ebenso Weizen, Einkorn, Roggen; dagegen viel Klee, auch ewiger und Esper. Man hat auf den Morgen 12 Sri. Dinkel, 4 Sri. Gerste, 6 Sri. Haber, 4 Sri. Weizen, 4 Sri. Roggen zu säen und erntet je 8, 4, 4, 3, 31/2 Schffl.

Die Einfuhr von Getreide überwiegt die Ausfuhr. Die am meisten benützte Schranne ist Ebingen.

Der Wiesenbau ist stark, das Erzeugnis gut; nur einige Thalwiesen liefern saures Futter. Die Wiesen sind meist zweimähdig, zum Wässern erst etwa 20 Morgen eingerichtet. Man | erzielt vom Morgen 30 Ctr. Heu, 15 Ctr. Öhmd. Es wird noch Futter zugekauft.

Gemüsebau wird nicht viel getrieben, die erzielten Gemüse aber sind sehr schmackhaft.

Die Obstzucht beschränkt sich auf etwas Zwetschgen, Pflaumen und rauhere Äpfel; doch ist sie im Zunehmen. Die Gemeinde hat eine Baumschule und einen Baumwart. Die Jungstämme kommen aus ersterer, oder sonst aus dem Bezirk. Das Obst wird meist frisch gegessen.

Die Gemeinde besitzt etwa 700 Morgen schlagbare Waldung, lauter Laubwald, Nadelwald wird erst neu angelegt. Jener ergibt jährlich 1200 Raummeter und 11.000 Wellen. Der Bürger erhält statt der Holznutzung 7–8 M. Geld. Das Holz wird verkauft und trägt der Gemeindekasse 4200 M.

Die Weiden sind umfassend, werden von fremden Schäfern befahren und ergeben der Gemeinde 1500 M. Pacht und eben so viel für Pferchnutzung. Die Allmanden sind an die Bürger um etwa 1000 M. ausgegeben.

Die Pferdehaltung und -zucht ist mäßig, etwa 60 Stück, Landschlag, nimmt aber zu, die Stuten werden auf die Platte nach Ebingen gebracht.

Die Rindviehzucht ist noch mittelmäßig und erzielt einen gemischten Schlag. 5 Simmenthaler Farren sind da, welche vom Farrenhalter angeschafft werden. Die Gemeinde zahlt ihm jährlich 170 M.; auch hat er den Genuß der etwa 20 Morgen betragenden Farrenwiesen. Stallfütterung ist allgemein; Viehhandel und Mastung gering. Im allgemeinen thut die Industrie dem Aufschwung der Viehzucht Eintrag.

Die Schafzucht wird nur von Fremden betrieben, welche im Sommer 1000 Stück laufen lassen.

Die Schweinezucht ist mittel; einige Ferkel werden selbst gezogen; die Schweine meist zum eigenen Bedarf gemästet.

Ziegen gibt es wenig; dagegen viel Geflügel. Eier werden nur wenig ausgeführt.

Bienenzucht ist ganz gering.

Neben der Volksschule besteht noch eine Industrieschule.

Das Vermögen der Stiftung besteht aus 14.000 M., worunter viele Armenstiftungen, deren Ertrag zur Unterstützung Nothleidender dient. Von größeren Beträgen stiftete Jak. Gonser, Händler 2000 M., Jo. Krimmel von Ebingen 340 fl.

| Parzellen:
a. Neuweiler. Hof am Anfang einer Schlucht, aus der ein Quellbach der Starzel kommt, 1 Stunde vom Ort nahe der hohenzollerischen Grenze. Eine neue Straße führt durch die Schlucht ins Killerthal.
b. Weilerthalmühle. Mühle an dem genannten Quellbach; fast ganz an der Landesgrenze.

Der Name des Orts, welcher früher Dagoluinga, Tagelfingen, Taulfingen, Talfingen, Taluingen u. s. w. geschrieben wurde, ist von dem, auch zu Eigennamen wie Dagolf, Tagolf, vielfach verwandten Stamme dag, abzuleiten (Förstemann, a. a. O. 1, 324. 2, 440 ff.).

Er wird das erste Mal im J. 793 durch Besitz genannt, welchen das Kloster St. Gallen hier von der gottfriedischen Familie erwarb (S. 338) und auch noch später, im Beginn des 13. Jahrhunderts, erscheint das genannte Kloster hier begütert.

Der Ort selbst wird höchst wahrscheinlich bereits im J. 1113 als in Graf Friedrichs von Zollern Grafschaft gelegen aufgeführt (vergl. S. 339) und stund auch der zollerischen Familie eigenthümlich zu. Den 24. Januar 1396 jedoch trug Graf Friedrich genannt Mülli dem Bischof Burkhard von Constanz und dem dortigen Stifte, zum Danke dafür, daß ihm der Verkauf der Burg Brunnen und Stadt Mühlheim mit Zugehörungen, Constanzer Lehen seines Hauses, gestattet worden war (Oberamtsbeschr. Tuttlingen 379), sein Dorf Talfingen, ein rechtes freies Eigen, zu Lehen auf und den 3. November 1403 verkaufte er es mit der Herrschaft Schalksburg an Württemberg (S. 279) ohne daß dieses Lehensverbands noch Erwähnung geschähe.

Was sonstigen unbedeutenderen und vorübergehenden Besitz am Orte betrifft, so übergab z. B. Ulrich Stortzing, Bürger zu Ebingen, mit Einwilligung seiner Frau und seines Sohns den 6. Dez. 1365 seiner Tochter, Schwester Greten, sein eigen Gut dahier, Megenhainsgut genannt, als Aussteuer bei ihrer Aufnahme in das Kloster Margrethausen, so daß dasselbe volles Eigenthum des Klosters werden sollte, stiftete Pfaff Wildmann von Weilersburg im Jahr 1382 mit hiesigem Besitze eine ewige Messe in die Kapelle zu Ebingen (S. 351) und verkaufte Wolf von Rosenfeld, Eberhards Sohn, den 30. April 1445 seine Güter, Gülten und Zinsen allhier um 122 fl. an die hiesige Heiligenpflege.

Nach Röders öfters genanntem Lexikon von Schwaben zählte der Ort 1108 Seelen.

| Was die kirchlichen Verhältnisse betrifft, so erscheint schon im J. 1275 ein hiesiger Pfarr-Rektor zugleich auch Pfarrer zu Böhringen (OA. Rottweil) und Wehingen (OA. Spaichingen – vergl. S. 228), und verkaufte Wernher Schenk von Stauffenberg den 29. Juli 1440 1/3 des großen Zehnten und dazu den Kirchensatz dahier um 231 fl. Rh. an den Spital zu Ebingen. Eine Frühmesse hierselbst wird bereits im J. 1429 erwähnt. Ein Streit zwischen Stephan Widerspan, hiesigem Kirchherrn, und den Heiligenpflegern dahier sowie den Spitalpflegern zu Ebingen wurde den 11. März 1471 dahin entschieden, daß die letzteren nicht schuldig sein sollten, dem ersteren sein Haus und seine Scheuer im Bau zu erhalten. In den J. 1635–1639 war der Ort Filial von Pfeffingen, 1639–1651 von Truchtelfingen, 1651–1660 von Onstmettingen (Binder 441).


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