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Anhang.




Die Linkenboldshöhle bei Onstmettingen.[1]

„Linkenboldslöchle“ ist der uralte Name für eine 220 m lange Höhle, welche erst seit wenigen Jahren dem Publikum zugänglich gemacht wurde. Früher waren die Besucher genöthigt, an einer 8 m langen Leiter durch ein natürliches Schachtloch in die Höhle niederzusteigen. Die Höhle liegt auf der Höhe zwischen dem Schmiecha- und Starzelthal in der Nähe der Wasserscheide auf dem Terrain des oberen weißen Jura, der die Höhlenformation der Gegend bildet. Die nahe gelegenen Felsgrotten, wie der „Veitlesfels“ auf Truchtelfinger Markung oder „Hüttenkirch“, sind im mittleren weißen Jura gelegen. Der letztere Name bezeichnet eine Grotte, die in früheren Zeiten der Intoleranz als Kirche benützt worden sein soll; an Hüttenkirch stößt das „Laistloch“, eine gleichfalls geräumige, wenn auch nur mittelst Schlupfens zu erreichende Grotte. Ebenso ist der „Backofenfels“ von Klüften und Rissen durchsetzt.

In diesem Revier zerklüfteter und gespaltener Felsen liegt der Linkenbohl mit der Höhle, 2,5 km vom Mittelpunkt des Dorfes entfernt. Der Weg zu dem Linkenbohl ist nicht gerade leicht zu finden auf der kahlen vom Wind bestrichenen Hochfläche, indem verschiedene dortige Berghöhen einander zum Verwechseln ähnlich sehen. Auch ist der Zutritt zu der Höhle ohne die Schlüssel zu der eisernen Thüre nicht möglich, welche den im Jahr 1875 künstlich eröffneten Zugang verschließt. Der Besucher hat sich daher im Dorf nach dem Führer umzusehen, der die Höhle öffnet und ihm leuchtet. Früher war der Besuch noch viel umständlicher und schwieriger, indem erst Leitern geholt | werden mußten, an denen man abstieg. Jetzt ist die natürliche Öffnung im Dach der Höhle vergittert und geschieht der Eingang Anfangs durch einen Schlitz in dem Berg und anschließend an denselben durch einen 7 m langen Stollen, der in den Epsilonmarmor geführt ist.

Der Stollen führt in die Eingangsgrotte, die bei einer Breite von 3 u. 4 m gegen 12 m lang ist. Links vom Eingang fällt aus einer Höhe von 9–10 m ein Strahl Tageslicht durch die Gitter und soll zur Zeit des längsten Tages (es wird der 26. Juni bezeichnet) in der Früh zwischen 9 u. 10 Uhr ein Sonnenstrahl auf den Grund der Höhle fallen. Rechts vom Eingang abbiegend steht man vor einem nach NW. führenden Abstieg von 11 steilen Stufen, die in den Kalktuff gehauen sind und gelangt man auf etwas schlüpfrigem Wege nach 30 Schritten an das Nordende der Höhle, zugleich deren tiefsten Punkt, wo noch Fledermäuse getroffen werden. Am Ende verlauft die Höhle in 2 schmale Gänge, in welchen höchstens noch Dachshunde schlüpfen mögen. Wir nennen diese nordwestliche Abzweigung in die Tiefe das Souterrain der Höhle.

Indessen hat sich das Auge etwas an die Dunkelheit gewöhnt und sieht sich, wenn auch getrübt, bei dem Kerzenlicht | Wandung und Dach der Höhle an. An keiner einzigen Stelle tritt der Epsilonfels wie er im Tunnel durchfahren ist in der Höhle zu Tag, er ist durchweg mit einer Kruste von Kalksinter überzogen, der Dach, Wand und Boden deckt. Die Wand bekommt das Aussehen eines erstarrten Wasserfalls, auf dem Boden wachsen Stalaktiten an, das Dach aber entzieht sich wegen der Höhe von ca. 10 m der näheren Betrachtung.

Bei dem Gang durch die Höhle steigt man zunächst in südwestlicher Richtung, d. h. im rechten Winkel von dem Souterrain abbiegend langsam in die Tiefe. Nach 30 Schritten macht der Führer auf eine hoch oben an der Ostwand sichtbare Figur aufmerksam, der man den Namen der Kaiserfigur gegeben hat. Im Übrigen kann die Phantasie sich ein beliebiges Gebilde eines Pharaonen oder einer umwickelten Mumie denken. Aber nach 30 Schritten, mit denen man wieder sanft steigt, kommt man in die 2. Grotte zum „kleinen Staubbach.“ Nicht als ob man hier wirklich einer Durchnässung ausgesetzt wäre, als vielmehr weil die Kalksinter an den Wänden eine Ähnlichkeit mit einem erstarrten Staubbach zeigen mögen. Von dieser Grotte aus führt der Gang sich etwas verengend in südlicher Richtung zu der „Orgel“ (14 Schritte) und zum „kleinen Zollern“ (20 Schritte), beide sind ein Büschelwerk von Tropfsteinen neben und übereinander, die sich zu einem Berg, der Zollernburg vergleichbar, aufgebaut haben. Bei einer kurzen westlichen Abbiegung kommt man nach 18 Schritten zum schönsten, frischglänzenden Tropfsteingebilde, das den Linkenbold selbst vorstellt, einen Gnomen oder Kobold mit übergeschlagener Kapuze, an dem man fast ängstlich vorbeischlüpft, um wieder in südlicher Richtung nach 37 Schritten in die große Prinz Wilhelmsgrotte abzusteigen.

Hiemit ist die 3. und größte Grotte der Höhle erreicht, welche den Namen des Königlichen Prinzen am Tage von dessen Vermählung erhielt, wir stehen in der Wilhelmsgrotte; die Höhe dieser Grotte mag zum mindesten 12 m betragen und scheint das Dach bis in die Nähe des Tages zu reichen. Diese Vermuthung gewinnt durch den Umstand an Wahrscheinlichkeit, daß hier sich nach Regenwetter gerne Wasser ansammelt, weshalb denn auch vorsichtigerweise von dem Höhlenkomite Dielen gelegt sind, über welche der Weg weiter führt. Die Wände rücken sich wieder näher und nur durch eine von hohen steilen Felsen umfaßte Schlucht geht es 32 Schritte nach Südwest, wo | sich die Felsen im „Backofen“ schließen. Wer weiter vordringen will, hat sich jetzt zu ducken und durch ein niedriges Pförtchen den Backofen zu betreten. Man kann sich in demselben wieder bequem aufrichten und noch 24 Schritte in rein südlicher Richtung vorwärts gehen, zuletzt freilich nur noch schlüpfen. Denn schließlich verengt sich der Gang und wächst am Ende vollständig zu.

Der Rückweg zeigt wegen der veränderten Beleuchtung der Phantasie wieder neue Gruppen im Gang und in den Grotten. Der Eine sucht rascher wieder ans Tageslicht zu kommen, der Andere erfreut sich noch länger an den geheimnisvollen Gebilden unterirdischen Bauens der tausend und abertausend Wassertropfen, die an den Wänden hängend im Kerzenlicht glänzen. Die Temperatur in der Höhle ist durchweg 6° R.

Das Hauptverdienst, die Höhle dem Publikum zugänglich gemacht zu haben, hat eine Gesellschaft Onstmettinger Bürger mit dem dortigen Geistlichen, Herrn Pfarrer Jauß, an der Spitze. Sie ließen mit einem nicht unbedeutenden Aufwand an Geld durch Mineure den künstlichen Eingang erstellen und die engen Stellen, die früher kaum zu passiren waren, durch Sprengungen erweitern.

In naturhistorischer Beziehung bietet allerdings die Höhle das Interesse nicht, das wohl an anderen Höhlen im Süden der schwäbischen Alb hängt. Sie war nie weder von Menschen noch von Thieren bewohnt, weil der Zugang ohne Leiter unmöglich war; eben darum fand sich auch keine Spur von Menschen- oder Thierresten in derselben vor, was wohl anderen von Natur zugänglichen Höhlen den größten Reiz verleiht. Ihre Entstehung verdankt die Höhle augenscheinlich einem Zerreißen der Felsen, das wohl auch sonst in der Gegend beobachtet wird (s. d. geogn. Theil der Oberamtsbeschreibung). Spätere Erosion durch Wasser eröffnete je länger je mehr den Riß, der sich schließlich in Folge der Ablagerung des Kalksinters aus den Wassern mit der Kruste von Tropfstein auskleidete.

Über den Ursprung des sicherlich uralten Namens lassen sich verschiedene Vermuthungen aufstellen.[2] Sicher ist jedenfalls | der Name „Linkebold“, wenn auch der Bergrücken, in welchem die Höhle ist, der Linkenbohl heißt (Primärkataster der Gem. Onstmettingen v. Jahr 1838). In dem alten Güterbuch von 1745 führt der Hügel den Namen „Klangenbühl.“ Von jeher wurde das „Löchle“ und seine Umgebung gemieden, weil die Sage vom Linkenbold und seinen Geistern, dem Mutesheer auf den Volksglauben wirkte. (Vgl. d. Allg. Theil S. 128 f.) Die Scheu des Volks vor den Höhlen ist nun freilich nahezu bei allen Höhlen der schwäbischen Alb zu treffen und darf daraus noch kein Schluß darauf gezogen werden, daß der Linkebold als eine Art Kobold in der Volkssage figurire. Ein Theil der Onstmettinger Ortseinwohner weiß jedenfalls von Ungeheuerlichkeiten Nichts, die sich an die fragliche Gegend knüpfen sollten, und betrachtet den Namen Linkenbohl, Bol, Boll einfach als Flurnamen, der mit einem alten Eigennamen „Link“ zusammenhänge.



  1. Von Professor Dr. Fraas.
  2. Vgl. Schwab, Schwäbische Alb 2. A. v. Paulus S. 45: Der Linkenbold kommt auch im Schwarzwald und im Harzgebirge – hier unter dem Namen Leinbold – als Anführer des Mutesheeres vor, derselbe, der uns von Sachsen aus unter dem Namen Samiel besucht. Uhland, Schriften 8, 578: in dieser Höhle haust das „muthige Heer“, dessen Führer auch anderwärts der Linkenbold.


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