Benutzer:CK85/Untersuchungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft Kapitel 2

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2. Ueber sehr schnelle elektrische Schwingungen.
(Wiedemanns Annalen, Band 31, p. 421, 1887.)




     Die elektrischen Oscillationen geöffneter Inductionsapparate haben eine Schwingungsdauer, welche nach Zehntausendtheilen der Sekunde gemessen werden kann. Etwa hundertmal schneller erfolgen die Schwingungen oscillirender Flaschenladungen, welche Feddersen beobachtete.[1] Schnellere Schwingungen noch als diese lässt die Theorie als möglich voraussehen in gutleitenden ungeschlossenen Drähten, deren Enden nicht durch grosse Capacitäten belastet sind, ohne dass freilich die Theorie zu entscheiden vermöchte, ob solche Schwingungen je in bemerkbarer Stärke thatsächlich erregt werden können. Gewisse Erscheinungen legten mir die Vermuthung nahe, dass Schwingungen der letztgenannten Art unter bestimmten Verhältnissen wirklich auftreten, und zwar in solcher Stärke, dass ihre Fernwirkungen der Beobachtung zugänglich werden. Weitere Versuche bestätigten meine Vermuthung, und es soll deshalb über die beobachteten Erscheinungen und die angestellten Versuche hier berichtet werden.

     Die Schwingungen, um welche es sich dabei handeln wird, sind wiederum etwa hundertmal schneller, als die von Feddersen beobachteten. Ihre Schwingungsdauer, freilich nur mit Hülfe der Theorie geschätzt, rechnet nach Hundertmillionteln der[2] Sekunde. Der Schwingungsdauer nach stellen sich demnach diese Schwingungen schon in die Mitte zwischen die akustischen Schwingungen der ponderablen Körper und die Lichtschwingungen |[033]des Aethers. Hierin und in der Möglichkeit, dass ihre nähere Beobachtung für die Theorie der Elektrodynamik nützlich werden kann, liegt das Interesse, welches sie bieten.


Einleitende Versuche.
     Schaltet man in den Entladungskreis eines Inductoriums ausser der eigentlichen Funkenstrecke noch ein Riess’schse Funkenmikrometer ein, dessen Pole durch einen längeren metallischen Nebenschluss verbunden sind, so zieht die Entladung den Weg durch die Luftstrecke des Mikrometers dem Wege durch die metallische Leitung vor, sobald die Länge der Luftstrecke eine gewisse Grenze nicht überschreitet. Diese Erfahrung ist nicht neu, sie liegt bekanntlich der Construction der Blitzableiter in den Telegraphenleitungen zu Grunde. Man darf erwarten, dass wenn der metallische Nebenschluss nur kurz und von kleinem Widerstande gewählt wird, dass dann die Funken im Mikrometer verschwinden werden. Thatsächlich nimmt nun auch die Länge der zu erzielenden Funken ab mit der Länge des Nebenschlusses, aber zum völligen Erlöschen sind die Funken unter Umständen kaum zu bringen. Selbst wenn die beiden Kugeln des Mikrometers durch wenige Centimeter eines dicken Kupferdrahtes verbunden sind, lassen sich noch Fünkchen, wenn auch äusserst kurze beobachten. Unmittelbar zeigt dieser Versuch, dass im Moment der Entladung das Potential längs des Schliessungskreises schon auf wenige Centimeter hin um Werthe von Hunderten von Volts variirt, mittelbar giebt er Zeugniss von der ausserordentlichen Geschwindigkeit, mit welcher die Entladung einsetzt. Denn die Potentialdifferenz an den Mikrometerkugeln kann nur als eine Wirkung der Selbstinduction in dem metallischen Nebenschluss angesehen werden. Die Zeit, in welcher das Potential an der einen Kugel merkliche Aenderungen erleidet, ist von derselben Ordnung wie diejenige Zeit, in welcher sich diese Aenderungen bis zur zweiten Kugel durch eine kurze Strecke eines guten Leiters fortpflanzen. Zwar könnte man vermuthen, schon der Widerstand des Nebenschlusses bedinge bei der vielleicht grossen Stromdichtigkeit der Entladung die auftretende Potentialdifferenz der Mikrometerkugeln. Eine angenäherte Betrachtung der quantitativen Verhältnisse erweist diese |[034]Vermuthung als unzulässig, eine derartige Vermuthung aber wird überhaupt nicht aufgeworfen werden können bei den folgenden Versuchen. Wir schliessen wiederum das Funkenmikrometer durch eine gute metallische Leitung, etwa durch einen zum Rechteck gebogenen Kupferdraht von 2 mm Durchmesser und ½ m Länge, aber wir fügen es nicht in den Entladungskreis des Inductoriums ein, sondern wir verbinden nur den einen Pol desselben mit einem beliebigen Punkte des Entladungskreises durch einen Zwischendraht. Fig. 6 giebt die Anordnung der Apparate; A stellt schematisch das Inductorium,
Fig. 6.
B den Entlader, M das Mikrometer dar. Wir beobachten alsdann wieder während der Thätigkeit des Inductoriums einen Funkenstrom im Mikrometer, welcher unter Umständen eine Länge von mehreren Millimetern erreicht. Einmal zeigt nun dieser Versuch, dass im Augenblicke der Entladung nicht nur im eigentlichen Schliessungskreis, sondern auch in allen mit demselben verbundenen Leitern heftige elektrische Bewegungen stattfinden. Zweitens aber zeigt er deutlicher, als der vorige Versuch, dass diese Bewegungen so schnell verlaufen, dass schon die Zeit, in welcher elektrische Wellen kurze metallische Leiter durchsetzen, merklich in Betracht kommt. Denn man kann ja den Versuch nur in der Weise deuten, dass die vom Inductorium ausgehende Aenderung des Potentials um eine in Betracht kommende Zeit früher zu der Kugel 1, als zu der Kugel 2 gelangt. Bedenkt man, dass sich nach allem, was wir wissen, elektrische Wellen in Kupferdrähten nahezu mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen, so kann die Erscheinung billig in Verwunderung setzen. Es erschien mir deshalb der Mühe werth, zu untersuchen, welche Umstände für das Zustandekommen lebhafter Funken im Mikrometer günstig wären. Des kürzeren Ausdruckes halber wollen wir diese Funken im Gegensatze zu der eigentlichen Entladung als Nebenfunken und den Schliessungskreis des Mikrometers als Nebenkreis bezeichnen.

     Zunächst zeigte sich, dass kräftige Entladungen nöthig sind, |[035]wenn man Nebenfunken von mehreren Millimetern Länge erzielen will. Ich benutzte daher zu allen folgenden Versuchen ein grosses Inductorium von Ruhmkorff, von 52 cm Länge und 20 cm Durchmesser, welches mit Quecksilberunterbrecher versehen war und durch sechs grosse Bunsen’sche Elemente erregt wurde. Kleinere Inductorien gaben qualitativ gleiche Resultate, aber die Nebenfunken waren kürzer und ihre Unterschiede daher schwerer zu beobachten. Gleiches gilt von der Entladung von Leydener Flaschen oder von Batterien, welche an Stelle des Inductoriums gesetzt wurden. Es zeigte sich ferner, dass auch bei Anwendung desselben Apparates noch sehr viel von der Beschaffenheit des erregenden Funkens im Entlader abhängt. Findet derselbe zwischen zwei Spitzen statt oder zwischen einer Spitze und einer Platte, so giebt er nur zu sehr schwachen Nebenfunken Anlass, ebenso unwirksam erweist sich die Entladung in verdünnten Gasen oder durch Geissler’sche Rohre. Als gut wirksam erweist sich nur der Funke zwischen zwei Kugeln, derselbe darf dabei weder zu lang, noch zu kurz sein. Ist er kürzer als ½ cm, so sind die Nebenfunken schwach, ist er länger als 1½ cm, so bleiben sie fast ganz aus.

     Ich benutzte in den folgenden Versuchen Funken von ca. ¾ cm Länge zwischen zwei Messingkugeln von 3 cm Durchmesser als die geeignetsten. Auch solche Funken waren nicht immer gleichmässig wirksam, die geringfügigsten Umstände liessen oft ohne ersichtlichen Zusammenhang an die Stelle wirksamer unwirksame Funken treten. Bei einiger Uebung kann man aus dem Anblick und dem Geräusch der Funken auf ihre Fähigkeit, Nebenfunken zu erregen, schliessen. Die wirksamen Funken sind weissglänzend, schwach gezackt und von scharfem Knall begleitet. Dass der Funke im Entlader eine wesentliche Bedingung für den Nebenfunken ist, zeigt man leicht, indem man die Entladungskugeln so weit auseinander zieht, dass die Schlagweite des Inductoriums überschritten wird, es hört dann jede Spur von Nebenfunken auf, obwohl die Spannungen, welche auftreten, grösser sind als vorher.

     Die Länge des Mikrometerkreises hat naturgemäss einen grossen Einfluss auf die Länge der Funken in ihm. Je grösser diese Länge, je grösser wird ja die Verzögerung, welche die eintreffende elektrische Welle zwischen ihrem Auftreten an der |[036]einen Kugel des Mikrometers und an der anderen erleidet. Nimmt man die Länge des Nebenschlusses sehr klein, so werden die Nebenfunken ausserordentlich kurz, aber man kann kaum einen Kreis herstellen, in dem nicht unter günstigen Umständen sich noch Funken zeigten. Feilt man die Enden eines dicken Kupferdrahtes von 4-6 cm Länge spitz, biegt ihn zu einem fast geschlossenen Kreise zusammen, isolirt ihn und berührt nunmehr mit diesem kleinen Drahtkreis den Entlader, so begleitet im allgemeinen ein minimaler Funkenstrom zwischen seinen Spitzen die Entladungen des Inductoriums. Sehr geringen Einfluss auf die Länge der Nebenfunken hat die Dicke und das Material, also der Widerstand des Nebenkreises. Mit Recht lehnten wir es demnach ab, den Widerstand für die auftretenden Potentialdifferenzen verantwortlich zu machen. Und es kann uns nicht wundern nach unserer Auffassung der Erscheinung, dass der Widerstand fast gar nicht in Betracht kommt, da ja die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer elektrischen Welle in einem Drahte in erster Linie lediglich von dessen Capacität und[3] Selbstinduction, nicht aber von seinem Widerstande abhängt. Ebenfalls ohne wesentlichen Einfluss ist die Länge des Verbindungsdrahtes zwischen dem Neben- und dem Hauptkreise, sobald dieselbe nicht viele Meter übersteigt. Man muss annehmen, dass sich die aus dem Hauptkreise stammende elektrische Erschütterung ohne wesentliche Abmilderung durch ihn hindurch fortpflanzt.

     Sehr bemerkenswerthen Einfluss hat hingegen die Lage der Zuleitungsstelle zum Nebenkreis auf die Länge der Funken in ihm. Man darf das erwarten, wenn unsere Deutung der Erscheinung überhaupt richtig ist. Denn wenn man die Zuleitungsstelle so legt, dass die Wege von ihr bis zu den beiden Kugeln des Mikrometers gleich werden, so wird jede durch den Zuleitungsdraht ankommende Aenderung mit gleicher Phase in beiden Kugeln ankommen, eine Potentialdifferenz zwischen ihnen kann nicht auftreten. Diese Vermuthung bestätigt der Versuch. Entfernen wir nämlich die Zuleitungsstelle zum Nebenkreise, welche wir uns bisher an der einen Mikrometerkugel dachten, mehr und mehr von dieser, nimmt die Funkenlänge ab, an einer gewissen Stelle erlöschen die Funken völlig oder fast völlig; sie wachsen alsdann wieder in dem Maasse, als sich die Zuleitungsstelle der zweiten |[037]Mikrometerkugel nähert, und erreichen an dieser die gleiche Länge, wie an der ersten. Der Punkt, an welchem das Minimum der Funkenlänge eintritt, mag der Indifferenzpunkt genannt werden. Er kann meist bis auf wenige Centimeter bestimmt werden. Es zeigt sich, dass er die Drahtlänge zwischen den beiden Mikrometerkugeln stets nahezu halbirt. Ist die Leitung symmetrisch rechts und links von der Verbindungslinie zwischen Mikrometer und Indifferenzpunkt, so findet stets völliges Auslöschen der Funken statt. Die Erscheinung kann schon an ganz kurzen Nebenkreisen beobachtet werden, Fig. 7 zeigt eine zweckmässige
Fig. 7.
Anordnung des Versuches. a b c d ist ein auf Siegellackstützen[4] isolirtes Rechteck von blankem Kupferdraht von 2 mm Durchmesser; es war in meinen Versuchen 80 cm breit, 125 cm lang. Wird der Zuleitungsdraht an den Kugeln 1 und 2 oder auch bei a und b angebracht, so treten 3–4 mm lange Funken zwischen 1 und 2 auf; es sind überhaupt keine Funken zu erlangen bei Zuleitung zum Punkte e, wie in der Figur; eine Verschiebung der Zuleitungsstelle von wenigen Centimetern nach rechts oder links lässt Funken im Mikrometer auftreten. Es ist zu bemerken, dass wir schon Funken von wenigen Hundertsteln Millimetern Länge als wahrnehmbar rechnen.

     Der folgende Versuch zeigt, dass die Vorstellung über den Verlauf des Vorganges noch eine Unvollständigkeit in sich schliessen muss. Befestigt man nämlich, nachdem die Zuleitung auf Verschwinden der Funken eingestellt ist, an die eine Mikrometerkugel noch eine weiterführende Leitung, so treten wieder lebhafte Funken auf. Das gleichzeitige Eintreffen der von e ausgehenden Welle in 1 und 2 kann durch diese weiterführende Leitung nicht geändert werden. Indessen sieht man leicht, wie auch dieser Versuch sich erklärt. Es wird nämlich mit dem einmaligen Anlauf der Wellen gegen a und b sein Bewenden nicht haben, sondern dieselben werden reflectirt den Nebenkreis |[038]mehrere, vielleicht viele mal durchlaufen und so zu stehenden Schwingungen in demselben Anlass geben. Sind die Wege e c a 1 und e d b 2 gleich, so werden auch die reflectirten Wellen gleichzeitig in 1 und 2 eintreffen. Fehlen aber die von einer der Kugeln reflectirten Wellen, wie in dem letzten Versuche, so wird zwar nicht die erste von e kommende Erschütterung, wohl aber werden die reflectirten Wellen zu Funken Anlass geben. Wir würden uns also vorzustellen haben, dass die in e anlangende plötzliche Aenderung die Eigenschwingungen des Nebenkreises anrege, etwa wie der Schlag eines Hammers die Eigenschwingungen eines elastischen Stabes entstehen lässt. Ist diese Vorstellung richtig, so muss die Bedingung für das Verschwinden der Funken in M wesentlich diese sein, dass die Schwingungsdauern der beiden Strecken e 1 und e 2 gleich werden. Diese Schwingungsdauern sind bestimmt durch das Product des Selbstpotentials dieser Leiterstücke in die Capacität ihrer Enden, sie sind so gut wie unabhängig vom Widerstande der Zweige. Die folgenden Versuche können zur Prüfung dieser Ueberlegung angestellt werden, sie zeigen sich im Einklange mit derselben.

     Stellt man die Zuleitung auf den Indifferenzpunkt ein und berührt die eine Mikrometerkugel mit einem isolirten Leiter, so treten sofort wieder Funken auf, da die Capacität des Zweiges vergrössert wird. Schon eine isolirte Kugel von 2–4 cm Durchmesser genügt. Je grösser indessen die hinzugefügte Capacität ist, desto lebhafter werden die Funken. Ein Berühren im Indifferenzpunkte e hat keinen Einfluss, da er beide Zweige gleichmässig trifft. Die Wirkung der Hinzufügung einer Capacität in den einen Zweig wird aufgehoben durch Hinzufügen der gleichen Capacität in den anderen Zweig. Sie kann auch compensirt werden durch Verschiebung des Zuleitungsdrahtes gegen den belasteten Zweig hin, d. h. durch Verminderung der Selbstinduction desselben. Aehnlich wie die Hinzufügung einer Capacität wirkt die Vergrösserung des Selbstpotentials. Schneidet man den einen Zweig auf und fügt einige Centimeter oder Decimeter aufgerollten Kupferdrahtes ein, so treten die Funken wieder auf. Die vorgenommene Aenderung kann compensirt werden durch Einschaltung der gleichen Länge Kupferdraht in den anderen Zweig oder durch Verschiebung des Kupferdrahtes gegen den geänderten Zweig hin oder durch Hinzufügung einer |[039]passenden Capacität an den anderen Zweig. Indessen muss bemerkt werden, dass, wenn die beiden Zweige ungleichartig waren, im allgemeinen nur noch ein Minimum der Funkenlänge, nicht ein völliges Erlöschen erreicht werden konnte.

     Sehr kleinen Einfluss hatte der Widerstand der Zweige auf die Erscheinung. Wurden in dem einen Zweige an Stelle des dicken Kupferdrahtes sehr viel dünnere Kupferdrähte oder Neusilberdrähte gesetzt, so war dadurch das Gleichgewicht der Zweige nicht gestört, obwohl der eine Zweig den hundertfachen Widerstand des anderen hatte. Sehr grosse Flüssigkeitswiderstände freilich machten eine Einstellung auf Funkenlosigkeit unmöglich, und den gleichen Einfluss hatten kurze Luftstrecken, welche in einen der Zweige eingeschaltet wurden.

     Das Selbstpotential von Eisendrähten ist für langsam sich ändernde Ströme etwa 8–10mal grösser als dasjenige gleich langer und gleich dicker Kupferdrähte. Ich vermuthete deshalb, dass kurze Eisendrähte langen Kupferdrähten das Gleichgewicht halten würden. Diese Vermuthung fand sich nicht bestätigt, sondern es blieb Gleichgewicht zwischen den Zweigen erhalten, wenn der eine Kupferdraht durch einen gleich langen Eisendraht ersetzt wurde. Ist überhaupt die bisherige Vorstellung von dem beobachteten Phänomen richtig, so lässt dies sich nur so deuten, dass der Magnetismus des Eisens so schnellen Schwingungen, wie sie hier vorliegen, überhaupt nicht zu folgen vermag und daher ausser Wirksamkeit bleibt. Ein weiter unten zu erwähnender Versuch scheint das Gleiche zu erweisen.


Inductionswirkungen ungeschlossener Ströme.

Die in den vorigen Versuchen auftretenden Funken verdanken ihr Entstehen unserer Vermuthung nach der Selbstinduction. Bedenkt man aber, dass die fragliche Inductionswirkung nur von äusserst schwachen Strömen in kurzen geraden Leitern herrührt, so erscheint der Zweifel wohl gerechtfertigt, ob dieselbe wirklich eine ausreichende Erklärung der Funken gebe. Um diesen Zweifel zu beseitigen, versuchte ich, ob die beobachteten elektrischen Bewegungen nicht auch in benachbarten Leitungen Wirkungen von entsprechender Grösse äusserten. Ich bog deshalb aus Kupferdraht rechteckige Schliessungsbogen |[040]von 10–20 cm Seitenlänge, welche nur eine ganz kurze Funkenstrecke einschlossen. Dieselben wurden isolirt den geraden Leitern, in welchen die elektrischen Bewegungen stattfanden, genähert, und zwar so, dass eine Seite des Rechteckes parallel dem Leiter war. Es zeigte sich bei hinreichender Annäherung stets in dem genäherten Leiter ein Funkenstrom, welcher die Entladungen des Inductoriums begleitete. Am lebhaftesten fielen diese inducirten Funken aus in der Nähe des Entladers, aber auch an der Zuleitung zur Nebenschliessung, sowie an den Zweigen dieser letzteren liessen sie sich wahrnehmen. Sorgfältig wurde constatirt, dass zwischen der inducirenden und inducirten Leitung keine Entladung überging, auch wurde dies durch eingeschobene feste Isolatoren noch besonders verhindert. Hier ist nun ein Irrthum in der Auffassung der Erscheinung kaum möglich. Dass freilich die Induction zwischen zwei einfachen kurzen Drahtlängen, in denen sich nur kleine Elektricitätsmengen bewegen, sich dennoch bis zur Funkenbildung steigern könne, deutet von neuem auf die ausserordentliche Kürze der Zeit, in welcher jene kleinen Elektrizitätsmengen in den Leitungen hin und her passiren müssen.

     Um die Erscheinungen näher zu studiren, wurde das früher als Nebenschliessung benutzte Rechteck nochmals, und zwar als
Fig. 8.
inducirte Leitung benutzt. Wie Fig. 8 andeutet, wurde längs der kurzen Seite desselben in 3 cm Entfernung ein zweiter Kupferdraht g h ausgespannt, welche mit einem beliebigen Punkte des Entladers in Verbindung stand. Solange das Ende h des Drahtes g h frei mündete, traten nur ganz schwache Fünkchen im Mikrometer M auf, welche den Entladungsströmen des Drahtes g h ihr Dasein verdankten. Wurde aber alsdann an h ein isolirter Conductor C - der abgetrennte Conductor einer |[041]Elektrisirmaschine - angehängt, sodass grössere Elektricitätsmengen den Draht zu passiren hatten, so traten Funken im Mikrometer auf, welche ein bis zwei Millimeter an Länge erreichten. Ein elektrostatischer Einfluss des Conductors war nicht die Ursache, denn wurde derselbe in g statt in h angehängt, so war er ohne Wirkung. Es war auch nicht der Ladungsstrom des Conductors, sondern allein die durch den Funken veranlasste plötzliche Entladung, welche wirkte. Denn wurden die Kugeln des Entladers so weit auseinander gezogen, dass in ihm kein Funke mehr überging, so blieb auch der inducirte Kreis völlig funkenlos. Nicht jede Art von Funken veranlasste eine hinreichend wirksame Entladung, nur diejenigen Funken, welche vorher zu kräftigen Nebenfunken Anlass gaben, zeigten sich hier zur Erregung der Inductionswirkung brauchbar. Im sekundären Kreis gingen die erregten Funken nicht nur zwischen den Kugeln des Mikrometers, sondern auch von diesen zu anderen isolirt genäherten Leitern über. Die Funken wurden merklich verkürzt durch Verbinden der Kugeln mit Conductoren von grösserer Capacität oder durch Berühren einer derselben mit der Hand; offenbar waren die in Bewegung gesetzten Elektricitätsmengen zu klein, um Leiter von grösserer Capacität auf die volle Spannung zu laden. Hingegen wurden die Funken nicht wesentlich geschädigt durch eine Verbindung der beiden Mikrometerkugeln mittelst eines kurzen nassen Fadens. Physiologische Wirkungen des inducirten Stromes waren nicht wahrzunehmen, man konnte die sekundäre Leitung berühren oder durch den Körper schliessen, ohne eine Erschütterung zu empfinden.

     Gewisse Nebenerscheinungen liessen mich vermuthen, dass die elektrische Bewegung in dem Draht g h deshalb so lebhaft inducirend wirkte, weil dieselbe nicht durch einen einfachen Entladungsstrom gebildet werde, sondern oscillatorischer Natur sei. Ich suchte deshalb, die Induction dadurch zu verstärken, dass ich die Bedingungen für das Zustandekommen kräftiger Oscillationen günstiger gestaltete. Insbesondere die folgende Versuchsanordnung entsprach meiner Absicht. Ich hängte wie vorher den Conductor C an die Leitung g h an und zog nun das Funkenmikrometer soweit auseinander, dass nur noch vereinzelte Funken übergingen. Ich hängte alsdann an den noch |[042]freien Pol des Ausladers k (Fig. 8) einen zweiten, dem ersten ungefähr gleichen Conductor . Es ward dadurch der Funkenstrom wieder sehr lebhaft, und es konnten bei weiterem Auseinanderziehen des Mikrometers merklich längere Funken erhalten werden als vorher. Eine directe Einwirkung der Leitung i k kann nicht die Ursache sein, denn eine solche musste die Wirkung der Strombahn g h schwächen, und es muss also eine Einwirkung des Condensators auf den Entladungsstrom von C statthaben. Nehmen wir eine aperiodische Entladung des Conductors C an, so ist eine solche Einwirkung nicht verständlich. Sie wird aber verständlich, wenn wir die Annahme machen, der inducirende Strom in g h bestehe in einer elektrischen Schwingung, welche das eine Mal in dem System C - Draht g h - Entlader, das andere Mal in dem System C - Draht g h - Draht i k - stattfindet. Es ist klar, dass erstens das zweitgenannte System eine kräftigere Eigenschwingung besitzt, und zweitens, dass der Funke in ihm in geeigneterer Lage zur Erregung der Schwingung angebracht ist.

     Wir überlassen es dem Folgenden, unsere Auffassung weiter zu bestätigen. Schon jetzt dürfen wir indessen zu ihren Gunsten den Umstand anführen, dass sie eine genauere Darlegung der Rolle zu geben gestattet, welche die Ruhmkorffentladung in dem Versuche spielt. Sind nämlich oscillatorische Bewegungen in der Leitung C-C´ für die Erzeugung einer kräftigen Inductionswirkung nöthig, so genügt es nicht, dass der Funke in dieser Leitung in ausserordentlich kurzer Zeit einsetze, sondern er muss auch den Widerstand der Leitung unter einen gewissen Werth hinunterbringen, und zu diesem Ende darf die Stromdichte vom ersten Augenblick an nicht unterhalb einer bestimmten Grenze liegen. Daher erhalten wir nur eine ausserordentlich schwache Inductionswirkung, wenn wir die Conductoren C und statt durch den Ruhmkorff durch eine Elektrisirmaschine[5] auf entgegengesetztes Potential laden und sich entladen lassen; daher ist die Wirkung ebenfalls sehr schwach bei Anwendung eines kleinen Inductoriums oder bei Einschaltung einer zu langen Funkenstrecke; in allen diesen Fällen ist die Bewegung aperiodisch. Hingegen eine kräftige Ruhmkorffentladung führt Schwing|[043]ungen und damit eine kräftige Wirkung nach aussen herbei, indem sie die folgenden Functionen übernimmt: Erstens lädt sie die Enden C und der Leitung bis zu einem hohen Potential, zweitens führt sie einen plötzlich einsetzenden Funken herbei, drittens hält sie nach Einleitung der Entladung den Widerstand der Luftstrecke auf einem so niedrigen Werth, dass Schwingungen entstehen können. Ist die Capacität der Leitungsenden sehr gross, sind es etwa die Belegungen einer Batterie, so vermag, wie wir wissen, der Entladungsstrom dieser Capacitäten selber den Widerstand der Funkenstrecke hinreichend herabzusetzen; bei kleinen Capacitäten aber muss diese Function von einer fremden Entladung übernommen werden, und aus diesem Grunde ist unter den Verhältnissen unserer Versuche die Ruhmkorffentladung als Erregerin der Schwingungen unentbehrlich.

     Da in dem letztbesprochenen Versuch die inducirten Funken mehrere Millimeter Länge hatten, so zweifelte ich nicht, dass auch bei weit grösserem Abstand der wirkenden Drahttheile noch Funken sich würden erzielen lassen, und ich suchte deshalb einige Abänderungen des Versuchs, welche Interesse boten, herzustellen. Dem inducirenden Strom gab ich die Gestalt einer geraden Linie (Fig. 9). Seine Enden wurden durch die Conductoren C und gebildet. Dieselben hatten einen Abstand
Fig. 9.
von 3 m und waren verbunden durch einen 2 mm dicken Kupferdraht, welcher in seine Mitte den Entlader des Inductoriums auf|[044]nahm. Der inducirte Strom war derselbe wie in den vorigen Versuchen, also 80 cm breit, 120 cm lang. Wurde nun die kürzeste Entfernung zwischen beiden Leitern gleich 50 cm gemacht, so waren noch inducirte Funken von 2 mm Länge zu erhalten; wurde die Entfernung grösser, so nahm die Funkenlänge schnell ab, doch war noch bei 1,5 m kürzester Entfernung ein regelmässiger Funkenstrom wahrnehmbar. Man konnte sich ohne Störung des Versuchs zwischen der inducirenden und der inducirten Leitung bewegen. Dass die beobachtete Erscheinung wirklich in der geradlinigen Strombahn ihre Ursache hatte, wurde durch einige Controlversuche wiederum bestätigt. Entfernte man die eine oder beide Hälften der geradlinigen Leitung, so hörten die Funken im Mikrometer auf, wenn auch das Inductorium weiter arbeitete. Ebenso hörten dieselben auf, wenn die Kugeln des Entladers bis zur Verhinderung der Funken in ihm auseinander gezogen wurden. Da hierbei die elektrostatischen Spannungen an den Enden der Conductoren C und C’ nur wachsen, so beweist dies, dass diese Spannungen nicht die Ursache der Funken im Mikrometer sind.

     Die inducirte Strombahn war bisher geschlossen, es lag aber nahe, zu vermuthen, dass in einer ungeschlossenen Strombahn die Induction sich nicht weniger würde geltend machen. Es wurde deshalb parallel dem geradlinigen Drahte des vorigen Versuchs in 60 cm Abstand ein zweiter Kupferdraht isolirt ausgespannt. Der letztere Draht war etwas kürzer als der erste, an seinen Enden waren zwei isolirte Kugeln von 10 cm Durchmesser befestigt, in seine Mitte wurde das Funkenmikrometer eingefügt. Wurde nun das Inductorium in Gang gesetzt, so begleitete ein Funkenstrom in der secundären Leitung den Funkenstrom des Inductoriums. Indessen ist hier Vorsicht in der Auffassung des Versuchs geboten, denn die beobachteten Funken sind nicht lediglich Folgen der Induction. Die alternirende Bewegung in der Leitung CC’ ist ja superponirt der eigentlichen Ruhmkorffentladung. Die letztere aber bedingt während ihres ganzen Verlaufs eine Ladung des Conductors C in dem einen, des Conductors C’ in dem anderen Sinne. Diese Ladungen hatten auf den geschlossenen Kreis der vorigen Versuche keinen Einfluss, in der gegenwärtigen unterbrochenen Leitung aber bedingen sie durch lediglich elektrostatische In|[045]fluenz entgegengesetzte Ladungen in den beiden Theilen der Leitung und damit Funken im Mikrometer. In der That, ziehen wir hier die Kugeln des Entladers bis zum Erloschen der Funken in ihm auseinander, so bleiben im Mikrometer, wenn auch schwächere, Funken bestehen. Diese entsprechen der elektrostatischen Influenz, sie überdecken die Wirkung, welche wir allein darstellen wollen.

     Es giebt indessen ein einfaches Mittel, die störenden Funken zu beseitigen. Dieselben fallen fort, wenn wir eine schlecht leitende Verbindung zwischen den Kugeln des Mikrometers herstellen, am einfachsten mit Hülfe eines nassen Fadens. Die Leitungsfähigkeit eines solchen reicht offenbar hin, um die Strömung den relativ langsamen Aenderungen der Ruhmkorffentladung folgen zu lassen, aber sie reicht, wie wir bereits sahen, nicht hin, um bei den äußerst geschwinden Oscillationen der geradlinigen Leitung den Ausgleich der Elektricitäten zu vermitteln. Erzeugen wir nach Anbringung des Fadens wiederum in der primären Leitung den Funken, so treten auch in der secundären Leitung wieder lebhafte Funken auf, dieselben sind nun lediglich die Folgen der schnellen Schwingungen in der primären geradlinigen Leitung. Ich habe versucht, in welchem Abstand sich diese Wirkung noch würde geltend machen. Bei 1,2 m Abstand der parallelen Drähte waren die Funken noch recht merklich, die grösste senkrechte Entfernung, in welcher noch Funken regelmässig beobachtet werden konnten, betrug 3 m. Da die elektrostatische Einwirkung schneller mit der Entfernung abnimmt, als die Inductionswirkung, so war bei den grösseren Entfernungen die Complication des Versuchs durch die Zuhülfenahme des nassen Fadens überflüssig, auch ohne dieselbe hatten nur solche Entladungen, welche Schwingungen im primären Draht erregen, Funken in der sekundären Leitung zur Folge.

     Ich glaube, dass hier zum ersten mal die Wirkung geradliniger ungeschlossener Ströme aufeinander, welche in der Theorie eine so grosse Rolle spielt, thatsächlich in die Erscheinung gerufen ist. |[046]


Resonanzerscheinungen.

Das Vorhandensein sehr schnell sich ändernder Ströme von starker Inductionswirkung in den Leitern, welche mit dem Entladungskreise in Zusammenhang stehen, kann als durch die Versuche bewiesen angesehen werden. Das Vorhandensein regelmässiger Schwingungen indessen wurde nur angenommen, um verhältnissmässig wenige Erscheinungen zu erklären, von welchen sich vielleicht auch in anderer Weise Rechenschaft geben liesse. Es würde aber das Vorhandensein solcher Schwingungen, so schien mir, erwiesen werden, wenn es gelänge, resonanzartige Beziehungen zwischen den beiden aufeinander wirkenden Stromkreisen nachzuweisen. Ein regelmässig oscillirender Strom muss nach dem Princip der Resonanz unter übrigens ähnlichen Umständen eine viel grössere Inductionswirkung ausüben auf einen Stromkreis von gleicher Schwingungsdauer, als auf einen solchen von nur wenig abweichender Periode.[6] Lässt man also zwei Stromkreise aufeinander wirken, von welchen man nahezu gleiche Schwingungsdauer voraussetzen darf, und ändert nun die Capacität oder das Selbstpotential und damit die Schwingungsdauer eines derselben continuirlich ab, so muss sich die Resonanz dadurch äussern, dass für bestimmte Werthe dieser Grössen die Inductionswirkung beträchtlich stärker ausfällt, als für die beiderseits benachbarten Werthe.

     Nach diesem Principe wurden die folgenden Versuche angestellt, welche nach einigem Tasten vollständig der Absicht entsprechend verliefen. Die Versuchsanordnung ist nahezu die durch Fig. 9 dargestellte, nur waren jetzt für die Leitungen etwas andere Verhältnisse gewählt. Als primärer Stromträger diente ein 2,6 m langer, 5 mm starker, genau gerader Kupferdraht. In seiner Mitte war er durchschnitten, um die erregende Funkenstrecke aufzunehmen. Die beiden kleinen Kugeln, zwischen welchen die Entladung stattfand, waren unmittelbar auf den Draht aufgesetzt und mit den Polen des Inductoriums verbunden. An seinen Enden trug der Draht zwei Kugeln von 30 cm Durchmesser, von starkem Zinkblech gefertigt. Dieselben konnten auf dem Drahte verschoben werden. Da sie in elektrischem Sinne stets die Enden der Stromleitung bildeten, so konnte hierdurch |[047]der Strom leicht verkürzt und verlängert werden. Der secundäre Stromträger war so abgemessen, dass er der Vermuthung nach eine etwas kürzere Schwingungsdauer als der primäre hatte; er bestand aus Kupferdraht von 2 mm Durchmesser und hatte die Gestalt eines Quadrats von 75 cm Seitenlänge. Es wurde nun der kürzeste Abstand der beiden Leitungen gleich 30 cm gewählt und dem primären Strom zunächst seine volle Länge gelassen. Die Länge der grössten Funken im inducirten Kreise war unter diesen Umständen 0,9 mm. Berührte man die beiden Pole des Kreises mit zwei isolirten Metallkugeln von 8 cm Durchmesser, so stieg die Funkenlänge und konnte bei passender Annäherung der beiden Kugeln aneinander auf 2,5 mm gebracht werden. Wurden hingegen die beiden Pole mit zwei Conductoren von sehr grosser Oberfläche berührt, so sank die Funkenlänge auf einen kleinen Bruchtheil eines Millimeters herab. Ganz analoge Erscheinungen traten ein, wenn die Pole des secundären Kreises mit den Platten eines Kohlrausch’schen Condensators verbunden wurden. Bei grossem Abstand der Platten wirkte die Vermehrung der Capacität förderlich auf die Funkenlänge ein, wurden aber die Platten einander genähert, so nahm die Funkenlänge wieder bis zu sehr kleinen Werthen ab. Am bequemsten konnte die Capacität des secundären Kreises dadurch regulirt werden, dass über seine beiden Enden zwei parallele Stücke Draht gehängt wurden, deren Abstand und Länge geändert wurden. Bei sorgfältigem Reguliren stieg die Funkenlange auf 3 mm und nahm dann ab, sowohl wenn die Drähte verlängert, als wenn sie verkürzt wurden. Dass Vermehrung der Capacität die Funkenlänge vermindert, erscheint als das Natürliche, dass sie dieselbe vermehrt, dürfte schwer anders als durch Resonanz zu erklären sein.

     Waren die vorigen Versuche richtig gedeutet, so hatte der secundäre Stromkreis ohne hinzugefügte Capacität eine etwas kürzere Periode als der primäre. Es musste daher auch Resonanz eintreten, wenn die Schwingungen des primären beschleunigt wurden. In der That, als ich in der vorhin angedeuteten Weise die Länge des primären Kreises verringerte, wuchs die Funkenlänge, sie erreichte ein Maximum von wiederum 3 mm, wenn die Entfernung der Mittelpunkte der Endkugeln etwa 1,5 m betrug, und nahm wieder ab bei weiterer Annäherung der Kugeln. |[048]Man könnte glauben, dass nun die Funkenlänge sich noch weiter würde steigern lassen, wenn wieder, wie vorhin, die Capacität des secundären Kreises vermehrt würde. Das ist nicht der Fall, das Anhängen derselben Drähte, welche vorhin die Funkenlänge vermehrten, setzt dieselbe jetzt auf etwa 1 mm herunter. Es stimmt dies mit unserer Auffassung der Erscheinung; was vorhin die Gleichheit der Schwingungsdauern herbeiführte zerstört jetzt die auf anderem Wege erreichte Gleichheit. Am beweiskräftigsten erschien der Versuch, wenn er in folgender Weise angestellt wurde: Das Funkenmikrometer war auf eine feste Funkenlänge von 2 mm eingestellt. War alsdann der secundäre Kreis in seiner ursprünglichen Verfassung, und der primäre Kreis 1,5 m lang, so gingen die Funken regelmässig über. Die Funken erloschen vollständig, wenn dem sekundären Kreis in erwähnter Weise eine kleine Capacität hinzugefügt wurde; sie traten wieder auf, wenn alsdann der primäre Strom auf 2,6 m Länge gebracht wurde; sie erloschen zum zweiten mal, wenn die dem secundären Kreis hinzugefügte Capacität verdoppelt wurde, und sie konnten zum nochmaligen Auftreten und Verschwinden durch fortgesetzte Vermehrung der Capacität des verlängerten primären Stromes gebracht werden. Der Versuch zeigt recht deutlich, dass nicht in den Verhältnissen einer der beiden Strombahnen, sondern in der Harmonie derselben das Moment zu suchen ist, welches eine kräftige Wirkung bedingt.

     Die Länge der inducirten Funken stieg bei grösserer Annäherung der beiden Leitungen beträchtlich über die bisher genannten Werthe hinaus. Bei einer Entfernung von 7 cm zwischen beiden Kreisen und Einstellung auf genaue Resonanz gelang es, inducirte Funken von 7 mm Länge zu erhalten, dabei waren dann die im inducirten Leiter auftretenden elektromotorischen Kräfte fast ebenso gross, wie die im inducirenden.

     In den bisherigen Versuchen wurde die Resonanz hergestellt durch Aenderung des Selbstpotentials und der Capacität des primären Kreises, sowie der Capacität des secundären Kreises. Die folgenden Versuche zeigen, dass die Aenderung der Selbstinduction des secundären Kreises ebenfalls benutzt werden kann. Es wurde eine Reihe von Rechtecken a b c d (Fig. 9) hergestellt, in welchen den Seiten a b und c d ihre Längen gelassen wurden, in welchen aber für a c und b d immer längere Drähte, von |[049]10 cm anfangend bis zu 250 cm, eingeschaltet wurden. Es zeigte sich ein ausgesprochenes Maximum der Funkenlänge für eine Länge des Rechtecks von 1,8 m. Um einen Anhalt für die Beurtheilung der quantitativen Verhältnisse zu geben, habe ich bei verschiedenen Längen des inducirten Kreises die grössten Funken, welche auftraten, gemessen. Fig. 10a veranschaulicht die Resultate.[7] Als Abscissen sind die Gesammtlängen der inducirten
Fig. 10, a und b
Leitung, als Ordinaten die maximalen Funkenlängen aufgetragen. Die Punkte bezeichnen die einzelnen Beobachtungen. Eine grosse Unsicherheit wohnt diesen wie allen Messungen über Funkenlängen bei, diese Unsicherheit vermag das Hauptresultat nicht zu verdecken. Bei einer anderen Versuchsreihe wurde nicht allein die Länge der Seiten a b und c d, sondern auch ihr Abstand, welcher gleich 30 cm war, und ihre Lage constant erhalten, die Seiten a c und b d aber wurden aus Drähten von allmählich wachsender Länge, welche zu lockeren Spiralen gerollt waren, gebildet. Fig. 10b stellt die gewonnenen Resultate dar. Das Maximum fällt hier auf eine etwas grössere Drahtlänge als vorher. Man darf vermuthen, dass dies daher rühre, dass hier durch die Vermehrung der Länge nur das Selbstpotential, dort sowohl das Selbstpotential als die Capacität gesteigert wurde.

     Einige Versuche wurden angestellt, um zu erfahren, wie |[050]sich die Erscheinungen ändern würden durch Aenderung des Widerstandes der secundären Leitung. Es wurde in dieser Absicht der Draht c d des Rechtecks ersetzt durch verschiedene dünne Kupfer- und Neusilberdrähte, wodurch der Widerstand des secundären Kreises bis auf das Hundertfache gesteigert wurde. Auf die Funkenlänge hatte diese Aenderung einen sehr kleinen, auf das Eintreten der Resonanz, d. h. auf die Schwingungsdauer gar keinen Einfluss.

     Weitere Versuche sollten über den Einfluss vorhandenen Eisens Aufschluss geben. Es wurde dabei der Draht c d theils umgeben mit einer Eisenröhre, theils ersetzt durch einen Eisendraht. Keine dieser Aenderungen hatte einen merklichen Einfluss nach irgend einer Richtung. Auch hier wird die Vermuthung nahegelegt, dass der Magnetismus des Eisens äusserst schnellen Schwingungen nicht zu folgen vermag und sich denselben gegenüber indifferent verhält. Leider liegen keine Erfahrungen darüber vor, welchen Einfluss die Anwesenheit des Eisens auf die oscillirende Entladung Leydener Flaschen hat.


Schwingungsknoten.

Die Schwingungen, welche wir in der inducirten Strombahn hervorriefen, und welche durch die Funken im Mikrometer gemessen werden, sind nicht die einzigen, aber die einfachsten in der Strombahn möglichen. Während an den Enden das Potential zwischen zwei Grenzen beständig hin und her oscillirt, behält es in der Mitte der Strombahn stets den gleichen mittleren Werth bei. Es bildet daher diese Mitte einen Knotenpunkt der elektrischen Schwingung, und die Schwingung hat nur diesen einen Knotenpunkt. Es lässt sich nun das Vorhandensein desselben auch experimentell nachweisen, und zwar auf zweierlei Weisen. Einmal kann dies geschehen, indem man eine isolirte kleine Kugel der Drahtleitung nähert. Der mittlere Werth des Potentials der kleinen Kugel kann von dem des benachbarten Drahtstückes nicht merklich verschieden sein, Funken zwischen der Kugel und dem Draht können daher nur darin ihren Ursprung haben, dass das Potential des benachbarten Punktes der Leitung hinreichend grosse Oscillationen um den Mittelwerth ausführt. Die Funken müssen daher lebhaft auftreten an den Enden der Leitung, sie müssen |[051]ausbleiben hingegen in der Nähe des Knotenpunktes. Und so verhält es sich in der That, nur tritt freilich ein völliges Ausbleiben der Funken bei Berührung des Knotenpunktes nicht ein, sondern nur eine Herabminderung auf einen minimalen Werth. Die zweite Art, den Knotenpunkt nachzuweisen, ist deutlicher. Man regulirt den inducirten Kreis auf Resonanz mit dem inducirenden und stellt das Funkenmikrometer auf eine Funkenlänge, welche ohne Wirkung der Resonanz nicht mehr erreicht werden kann. Berührt man nun mit einem Conductor von einiger Capacität irgend einen Punct der Leitung, so ist zu erwarten, dass dadurch im allgemeinen die Resonanz gestört werde, und die Funken erlöschen, nur eine Berührung im Knotenpunkt kann die Schwingungsdauer nicht beeinträchtigen. In der That entspricht dem der Erfolg des Versuchs. Die Mitte des Drahtes c d kann man mit einer isolirten Kugel oder mit der Hand berühren oder sie sogar metallisch mit der Gasleitung verbinden, ohne dass am Funken eine Aenderung sich zeigte, die gleichen Eingriffe an den Seitenzweigen oder den Polen ausgeführt, haben Erlöschen der Funken zur Folge.

     Nachdem so die Möglichkeit dargethan war, experimentell einen Knotenpunkt nachzuweisen, schien mir der Versuch lohnend, eine inducirte Schwingung mit zwei Knotenpunkten herzustellen. Ich verfuhr dabei in folgender Weise. Der gerade inducirende Strom C C´ und der rechteckige inducirte a b c d wurden aufgestellt
Fig. 11.
wie in den früheren Versuchen und auf Resonanz gebracht. Es wurde alsdann dem Rechteck a b c d ein genau gleiches e f g h in der Weise, wie Fig. 11 es andeutet, gegenübergestellt und die benachbarten Pole beider verbunden, also 1 mit 3 und 2 mit 4 (Fig. 11). Das ganze System bildet einen |[052]metallisch geschlossenen Stromkreis, und die tiefste oder Grundschwingung, welche in ihm möglich ist, hat zwei Knotenpunkte. Da die Periode dieser Schwingung mit der Periode jeder der beiden Hälften und so mit der Periode des primären Leiters nahe übereinstimmen muss, so war die Vermuthung, dass sich Schwingungen ausbilden würden, welche in den Verbindungsstellen 1, 3 und 2, 4 zwei Bäuche, in den Mitten von c d und g h aber zwei Knotenpunkte haben würden. Gemessen wurden diese Schwingungen immer noch durch die Funkenlänge zwischen den Polen 1 und 2, welche durch die Kugeln des Mikrometers gebildet waren. Die Resultate des Versuches waren die folgenden: Zunächst zeigte sich gegen die Erwartung, dass durch Anhängen des Rechtecks e f g h die Schlagweite zwischen 1 und 2 bedeutend vermindert wurde. Von etwa 3 mm sank sie auf 1 mm herab. Aber gleichwohl zeigte sich, dass immer noch eine Resonanz zwischen dem primären Kreise und dem secundären stattfand. Denn jede Aenderung an e f g h setzte die Funkenlänge noch weiter herunter, mochte die Aenderung in einer Verlängerung oder in einer Verkürzung des Rechtecks bestehen. Ferner ergab sich, dass wirklich die beiden Knotenpunkte, welche erwartet wurden, vorhanden waren. Aus c d und g h wurden nur weit schwächere Funken, als aus a e und b f gegen eine genäherte Kugel erhalten. Und es liess sich auch nachweisen, dass diese Knotenpunkte eben derjenigen Schwingung angehörten, welche durch Resonanz verstärkt den Funken 1–2 lieferte. Denn eine Berührung in c d oder g h schädigte die Funkenlänge zwischen 1 und 2 nicht, wohl aber eine Berührung an jeder anderen Stelle.

     Der Versuch lässt sich in der Weise abändern, dass man eine der Verbindungen 1–3 oder 2–4, etwa die letztere aufhebt. Da an diesen Stellen für die erregte Schwingung die Stromstärke stets Null ist, so kann dieser Eingriff die Schwingung nicht wesentlich stören. In der That lässt sich auch nach Unterbrechung der Verbindung auf gleiche Weise wie vorher zeigen, dass Resonanz statthat, und dass die dieser Resonanz entsprechende Schwingung zwei Knoten an denselben Stellen wie vorher besitzt. Es liegt indessen jetzt die Sache insofern anders, als die Schwingung mit zwei Knotenpunkten nicht mehr die tiefste mögliche Schwingung ist; vielmehr wird die Schwingung mit grösster Periode eine solche sein, welche nur einen Knotenpunkt zwischen a und |[053]e besitzt, und für welche die grössten Spannungen an den Polen 2 und 4 auftreten. Nähert man nun die an diesen Polen befindlichen Kugeln einander, so findet man, dass auch zwischen ihnen eine schwache Funkenbildung statthat, und man wird vermuthen, dass diese Funken einer wenn auch schwachen Erregung der Grundschwingung zuzuschreiben sind. Diese Vermuthung kann durch die folgende Weiterführung des Versuches fast zur Gewissheit erhoben werden. Wir unterbrechen den Funken zwischen 1 und 2 und richten unsere Aufmerksamkeit auf die Lange des Funkens zwischen 2 und 4, welcher die Intensität der Grundschwingung misst. Wir vermehren nun die Schwingungsdauer des primären Stromleiters durch Ausziehen auf die volle Länge und Hinzufügen von Capacität. Wir finden, dass dabei die beobachteten Funken bis zu einer Maximallänge von einigen Millimetern wachsen, um alsdann wieder abzunehmen. Sie haben offenbar ihren grössten Werth dann, wenn die Schwingung des primären Stromes mit der Grundschwingung übereinstimmend geworden ist. Und es lässt sich, während die Funken zwischen 2 und 4 ihre grösste Länge haben, leicht zeigen, dass diesen Funken nunmehr nur ein Knotenpunkt entspricht. Denn nur zwischen a und e kann die Leitung ohne Schädigung des Funkens berührt werden, während die Berührung der vorherigen Knotenpuncte den Funkenstrom unterbricht. Auf diese Weise ist es also möglich, in demselben Leiter einmal vorzugsweise die Grundschwingung, das andere mal vorzugsweise die erste Oberschwingung zu erregen.

     Die Frage, ob es möglich sei, auch Schwingungen mit mehreren Knoten nachzuweisen, habe ich einstweilen so wenig wie eine Reihe weiterer Fragen zu beantworten gesucht. Da schon die bisherigen Resultate nur bei genauer Aufmerksamkeit auf geringfügige Aenderungen zu erhalten waren, so schien es mir nicht wahrscheinlich, dass die Antwort auf weitergehende Fragen unzweideutig ausfallen würde. Die sich darbietenden Schwierigkeiten liegen sowohl in der Natur der Beobachtungsmethode, als auch in der Natur der beobachteten elektrischen Bewegungen. Wenn sich die letzteren auch unzweideutig als Schwingungen offenbarten, so tragen sie doch auf der anderen Seite den Character wenig regelmässiger Schwingungen zur Schau. Ihre Intensität wechselt von Entladung zu Entladung beträchtlich, das verhält|[054]nissmässig geringe Hervortreten der Resonanz lässt auf eine starke Dämpfung schliessen; manche Nebenerscheinungen deuten an, dass sich den regelmässigen Schwingungen unregelmässige Bewegungen überlagern, wie dies auch in den complicirten Leitersystemen nicht anders zu erwarten ist. Wollen wir unsere Schwingungen in Bezug auf ihre mathematischen Verhältnisse mit einer besonderen Form akustischer Schwingungen vergleichen, so dürfen wir nicht die in gleichmässiger Stärke lang andauernden harmonischen Schwingungen von Stimmgabeln oder Saiten wählen, sondern etwa die schnell verklingenden, mit unregelmässigen Bewegungen vermischten Schwingungen, welche hölzerne Stäbe beim Anschlag mit einem Hammer ergeben.[8] Auch in der Akustik müssen wir uns mit Andeutungen der Resonanz, der Knotenbildung u. s. w. begnügen, sobald es sich um Schwingungen der letztgenannten Art handelt.

     Um eine Wiederholung der Versuche mit gleichem Erfolge zu ermöglichen, muss ich noch eine Bemerkung hinzufügen, deren Bedeutung zunächst nicht klar erscheinen dürfte. Bei allen beschriebenen Versuchen war die Aufstellung der Apparate eine solche, dass der Funke des Inductoriums vom Ort des Funkens im Mikrometer aus sichtbar war. Aendert man diese Bedingung ab, so erhält man wohl qualitiv die gleichen Erscheinungen, aber die Funkenlängen erscheinen vermindert. Ich habe dieser Erscheinung eine besondere Untersuchung gewidmet, welche ich getrennt von der vorliegenden zu veröffentlichen beabsichtige.[9]


Zur Theorie.

     Es wäre in hohem Maasse wünschenswerth, auf experimentellem Wege Aufschluss über die quantitativen Verhältnisse der Schwingungen zu erhalten. Da sich jedoch hierfür einstweilen ein Weg nicht zeigt, so rufen wir die Theorie an, um wenigstens einen Anhalt für diese Verhältnisse zu gewinnen. Die Theorie der elektrischen Schwingungen, welche durch Sir W. Thomson, v. Helmholtz und Kirchhoff entwickelt worden ist, hat sich bewährt sowohl für die Oscillationen offener Inductionsapparate, |[055]als für die oscillirende Flaschenentladung;[10] wir dürfen daher überzeugt sein, dass sie auch in ihrer Anwendung auf die vorliegenden Erscheinungen wenigstens der Ordnung nach richtige Resultate ergeben wird.

     Als das wichtigste Element erscheint zunächst die Schwingungsdauer. Als ein Beispiel, welches der Rechnung zugänglich ist, bestimmen wir die (einfache oder halbe) Schwingungsdauer , welche dem von uns zu den Resonanzversuchen benutzten primären Leiter eigenthümlich war. Mit sei bezeichnet der Selbstinductionscoëfficient dieses Leiters in magnetischem Maass, in Centimetern gemessen; mit die Capacität eines Endes desselben, in elektrostatischem Maass, also ebenfalls in Centimetern gemessen; endlich mit die Geschwindigkeit des Lichtes in Centimetern/Secunde. Es ist alsdann, wenn der Widerstand als klein vorausgesetzt ist, . In unserem Versuche bestand die Capacität der Leitungsenden zum grössten Theil in derjenigen der daselbst angebrachten Kugeln, wir werden keinen wesentlichen Fehler begehen, wenn wir für den Radius dieser Kugeln oder setzen.[11] Was das Selbstpotential anlangt, so war es dasjenige eines geraden Drahtes, dessen Durchmesser und dessen Länge für den Fall der Resonanz war. Nach der Neumann’schen Formel berechnet, wird für einen solchen Draht und hiernach für unseren Versuch

     Allerdings steht es bekanntlich durchaus nicht fest, ob für ungeschlossene Ströme die Neumann’sche Formel dürfe angewandt werden; vielmehr schliesst die allgemeinste, mit den bisherigen Erfahrungen verträgliche Formel, wie sie durch v. Helmholtz[12] aufgestellt ist, noch eine unbekannte Constante ein. Nach der allgemeinen Formel berechnet, wird für einen geradlinigen cylindrischen Draht von der Länge und dem Durchmesser . Setzen wir darin so kommen wir zum Neumann’schen Werthe, |[056]setzen wir oder , so erhalten wir diejenigen Werthe, welche den Theorien von Maxwell und von Weber entsprechen. Nehmen wir an, dass wenigstens einer dieser Werthe der richtige sei, und schliessen demnach die Annahme aus, dass einen sehr grossen negativen oder positiven Werth besitze, so kommt uns wenig auf den wahren Werth von an. Denn die mit den verschiedenen Werthen von berechneten Potentiale unterscheiden sich um so weniger als ein Sechstel ihrer Grösse, und wenn also das Potential etwa nicht zu der Drahtlänge 150 cm gehört, so gehört es doch zu einer wenig davon verschiedenen Länge unseres primären Leiters. Aus den Werthen von und ergiebt sich die Länge zu 531 cm. Dies ist diejenige Strecke, welche das Licht während der Dauer einer Schwingung zurücklegt, es ist zugleich die Wellenlänge der elektrodynamischen Wellen, welche die Maxwell’sche Anschauung als Wirkung der Schwingungen nach aussen voraussetzt. Die Schwingungsdauer selbst ergiebt sich aus jener Länge gleich 1,77 Hundertmillionteln Secunde, und damit ist die Angabe gerechtfertigt, welche wir im Eingang über die Grössenordnung derselben machten.

     Wenden wir jetzt unser Augenmerk dem wenigen zu, was die Theorie über die Dämpfungsverhältnisse der Schwingungen auszusagen vermag. Damit überhaupt in der ungeschlossenen Leitung Schwingungen möglich seien, muss der Widerstand derselben kleiner als sein. Für unsere primäre Leitung ist  ; da nun die Geschwindigkeit gleich 30 Erdquadrant/Secunde, also gleich 30 Ohm ist, so ist für unseren Versuch die zulässige Grenze für gleich 676 Ohm. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der eigentliche Widerstand einer kräftigen Entladung unterhalb dieser Grenze liegt, und es wird sich also von Seiten der Theorie kein Widerspruch gegen die Annahme von Schwingungen erheben. Liegt der wirkliche Werth des Widerstandes einigermassen von jenem Grenzwerth entfernt, so verhält sich die Amplitude einer Schwingung zur Amplitude einer unmittelbar folgenden wie Die Anzahl der Schwingungen, welche sich folgen bis zur Verminderung der Amplitude auf ihren 2,71. Theil ist demnach gleich oder gleich . Sie verhält sich also zu 1 wie der Theil des berechneten Grenzwerthes zum wirklichen Werth |[057]des Widerstandes oder wie 215 Ohm zu Leider ist uns über den wahren Werth des Widerstandes einer Funkenstrecke nicht einmal eine Schätzung möglich. Vielleicht dürfen wir als sicher betrachten, dass dieser Widerstand nicht weniger als einige Ohm betragen könne, da selbst der Widerstand starker Lichtbogen nicht unter derartige Werthe hinuntergeht. Daraus würde folgen, dass die Zahl der in Betracht kommenden Wellen nach Zehnern, nicht aber nach Hunderten oder Tausenden zu rechnen ist.[13] Dies entspricht auch ganz dem Charakter der Erscheinungen, wie schon am Schlusse des vorigen Abschnittes angedeutet wurde. Es entspricht auch dem Verhalten der nächstverwandten Erscheinung, der oscillirenden Flaschenentladung, bei welcher wir ebenfalls nur eine recht beschränkte Zahl von Schwingungen in merklicher Stärke sich folgen sehen.

     Anders als in dem bisher allein berücksichtigten primären Strome liegen die Verhältnisse im rein metallischen secundären Leiter. Hier würde nach der Theorie die erregte Bewegung erst nach Tausenden von Schwingungen zu Ruhe kommen. Es liegt kein Grund vor, an der Richtigkeit dieses Ergebnisses zu zweifeln, eine vollständigere Theorie würde freilich noch die Rückwirkung auf die primäre Leitung zu berücksichtigen haben und dabei vermuthlich auch für den secundären Kreis zu grösseren Werthen der Dämpfung gelangen.

     Zum Schlusse werfen wir noch die Frage auf, ob die von uns beobachteten Inductionswirkungen der Schwingungen von der Ordnung derjenigen waren, welche die Theorie vermuthen lässt, oder ob sich hier etwa directe Widersprüche zwischen den Erscheinungen und unserer Deutung derselben offenbaren? Wir können die Frage durch folgende Ueberlegung erledigen. Zunächst, bemerken wir, dass der Maximalwerth der elektromotorischen Kraft, welche die Schwingung in ihrer eigenen Strombahn inducirt, nahezu gleich sein muss der maximalen Spannungsdifferenz der Enden. Denn wenn die Schwingungen ungedämpft wären, würde sogar vollkommene Gleichheit zwischen beiden Grössen bestehen, da alsdann in jedem Augenblicke die Spannungsdifferenz der Enden und die elektromotorische Kraft der Induction sich das Gleichgewicht hielten. Nun ist in unseren Versuchen |[058]die Potentialdifferenz der Enden von solcher Grösse, dass ihr eine Schlagweite von etwa 7–8 mm entspricht, und eine derartige Schlagweite stellt also den Werth der grössten Inductionswirkung der Schwingung in ihrer eigenen Bahn dar. Wir bemerken zweitens, dass in jedem Augenblicke die im secundären Kreis inducirte elektromotorische Kraft sich zu der im primären Kreis inducirten verhält, wie das Potential des primären Kreises auf den secundären zu dem Eigenpotential des primären. Für unsere Resonanzversuche bietet eine angenäherte Berechnung von nach bekannten Formeln keine Schwierigkeiten, es fand sich in den verschiedenen Versuchen zwischen dem neunten und dem zwölften Theile von liegend. Danach dürfen wir schliessen, dass die maximale elektromotorische Kraft, welche unsere Schwingung in dem secundären Kreise hervorruft, von solcher Stärke ausfallen werde, dass sie zu Funken von bis Länge Veranlassung giebt. Und somit lässt die Theorie auf der einen Seite unter allen Umständen sichtbare Funken im secundären Kreise erwarten, auf der anderen Seite aber sehen wir auch, dass wir für Funken von mehreren Millimetern Länge nur dann eine Erklärung geben können, wenn wir annehmen, dass mehrere aufeinander folgende Inductionswirkungen sich verstärken. Wir werden also auch von Seiten der Theorie dazu gedrängt, die von uns beobachteten Erscheinungen als Resonanzwirkungen anzusprechen.

     Eine weitere Anwendung der Theorie auf die vorliegenden Erscheinungen dürfte erst dann nutzbringend sein, wenn es gelingen sollte, auf irgend eine Weise die Schwingungsdauern direct zu messen. Eine solche Messung würde mehr als eine Bestätigung der Theorie, sie würde eine Erweiterung derselben mit sich bringen. Die Absicht der vorliegenden Arbeit beschränkt sich darauf, zu zeigen, dass und auf welche Weise auch in kurzen metallischen Leitern die diesen Leitern eigenthümlichen Schwingungen erregt werden können.

  1. Für die Litteratur siehe Colley, Wied. Ann. 26. p. 432. 1885. [Auch Anmerkung 1 am Schluss des Buches].
  2. WS: Doppeltes Wort entfernt: "der der".
  3. WS: Doppeltes Wort entfernt: "und und".
  4. [Siehe Anmerkung 2 am Schluss des Buches].
  5. [Siehe Anmerkung 3 am Schluss des Buches].
  6. Vgl. Oberbeck, Wied. Ann. 26. p. 245. 1885.
  7. [Siehe Anmerkung 4 am Schluss des Buches].
  8. [Siehe Anmerkung 5 am Schluss des Buches.]
  9. [Siehe die No. 4.]
  10. Lorenz, Wied. Ann. 7. p. 161. 1879.
  11. [Siehe die Anmerkung 6 am Schluss des Buches.]
  12. v. Helmholtz, Abhandlungen 1. p. 567.
  13. [Siehe Anmerkung 7 am Schluss des Buches].