Bekanntmachung, betreffend die Normen für den Bau und die Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Normen für den Bau und die Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1892, Nr. 36, Seite 747–763
Fassung vom: 5. Juli 1892
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Bekanntmachung: 21. Juli 1892
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(Nr. 2046.) Bekanntmachung, betreffend die Normen für den Bau und die Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands. Vom 5. Juli 1892.

Gemäß der vom Bundesrath in der Sitzung vom 30. Juni 1892 auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung gefaßten Beschlüsse treten an die Stelle der Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885 die nachstehenden

Normen
für den
Bau und die Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands.

I. Bau der Eisenbahnen.

§. 1. Bauentwurf.

(1) Bei der Anlage von Haupteisenbahnen, welche voraussichtlich späterhin mit einem zweiten Gleise zu versehen sind, ist im Bauentwurf auf Wahrung der Möglichkeit hierzu in angemessener Weise Bedacht zu nehmen.
(2) Sämmtliche Gleise, auf denen Züge bewegt werden, sind von baulichen Anlagen mindestens bis zu derjenigen Umgrenzung des lichten Raumes frei zu halten, welche für die freie Bahn, sowie innerhalb der Stationen für die Ein- und Ausfahrtsgleise der Züge mit Personenbeförderung auf Anlage A, für die sonstigen Gleise der Stationen auf Anlage B dargestellt ist. Dabei ist in Krümmungen auf die Spurerweiterung und die Ueberhöhung der äußeren Schiene Rücksicht zu nehmen.
(3) Die bis zu 50 Millimeter über Schienenoberkante hervortretenden unbeweglichen Gegenstände müssen außerhalb des Gleises im Allgemeinen mindestens 150 Millimeter von der Innenkante des Schienenkopfes entfernt bleiben; bei unveränderlichem Abstande derselben von der Fahrschiene darf dies Maaß auf 135 Millimeter eingeschränkt werden. Innerhalb des Gleises muß ihr Abstand von der Innenkante des Schienenkopfes mindestens 67 Millimeter betragen, jedoch kann dieser Abstand bei Zwangsschienen nach dem mittleren Theile hin allmälig bis auf 41 Millimeter eingeschränkt werden. In gekrümmten Strecken mit Spurerweiterung muß der Abstand der innerhalb des Gleises hervortretenden unbeweglichen Gegenstände von der Innenkante des Schienenkopfes um den Betrag der Spurerweiterung größer sein, als die vorgenannten Maaße. [748]
(4) An Ladegleisen kann nach der Art ihrer Benutzung eine Einschränkung der Umgrenzung des lichten Raumes von der Aufsichtsbehörde zugelassen werden.
(5) Inwieweit im Uebrigen Abweichungen von der vorgeschriebenen Umgrenzung des lichten Raumes zu gestatten sind, bestimmt der Bundesrath.

§. 2. Bauwerke.

(1) Die Ausführung hölzerner, zum Tragen von Eisenbahngleisen bestimmter Brücken ist nur ausnahmsweise gestattet und bedarf in jedem Falle der Genehmigung der Landes-Aufsichtsbehörde.
(2) Bei Brücken aus Eisen oder Stahl sind die tragenden Theile des Ueberbaues aus gewalztem oder geschmiedetem Material herzustellen.

§.3. Breite des Bahnkörpers.

Die Breite des Bahnkörpers auf freier Bahn – in Einschnitten und auf Dämmen – ist so zu bemessen, daß der Schnittpunkt einer durch die Unterkante der Schienen des nächstliegenden Gleises gelegten geraden Linie und der verlängerten Böschungslinie mindestens 2,000 Meter von der Mitte des Gleises entfernt liegt.

§. 4. Trockenlegung der Bahn.

(1) Die Bahnkrone in Höhe der Schienenunterkante muß, außer bei eingedeichten Strecken, mindestens 600 Millimeter über dem höchsten Wasserstande liegen.
(2) Die Bettung soll unter den Schienenunterlagen mindestens 200 Millimeter stark und gehörig entwässert sein.

§. 5. Spurweite.

(1) Die Spurweite, im Lichten zwischen den Schienenköpfen gemessen, soll in geraden Gleisen 1,435 Meter betragen.
(2) In Krümmungen mit einem Halbmesser unter 500 Meter soll die Spurweite angemessen vergrößert werden. Diese Vergrößerung darf jedoch das Maaß von 30 Millimeter nicht überschreiten.

§. 6. Gleislage und Krümmungen.

(1) Die Schienen eines Gleises sind in sicherer Lage zu einander festzulegen.
(2) Die winkelrecht gegenüberliegenden Oberkanten der beiden Schienen eines Gleises sollen in geraden Strecken, mit Ausnahme der Ueberhöhungsrampen, in gleicher Höhe liegen. [749]
(3) In Krümmungen, mit Ausnahme der Weichenkrümmungen, soll die äußere Schiene um so viel höher liegen als die innere, daß bei der größten für die betreffende Strecke zugelassenen Fahrgeschwindigkeit (Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands §. 26) die Krümmungen mit Sicherheit durchfahren werden können. Die Ueberhöhung soll in den Uebergangsbögen oder in den zunächst an die Krümmung anschließenden geraden Strecken auf eine Länge auslaufen, welche mindestens das 200fache der Ueberhöhung beträgt.
(4) Verschiedene Krümmungen und Querneigungen der Gleise sind stetig in einander überzuführen.
(5) Zwischen entgegengesetzten Krümmungen einer Bahnlinie ist ein gerades Stück von solcher Länge einzulegen, daß die Fahrzeuge sanft und stetig in die andere Krümmung einlaufen.
(6) Der kleinste Halbmesser der gekrümmten Gleise auf freier Bahn soll nicht unter 180 Meter lang sein.
(7) Die Anwendung eines Halbmessers unter 300 Meter für Krümmungen auf freier Bahnstrecke bedarf der Genehmigung des Reichs-Eisenbahn-Amts.

§. 7. Längsneigung.

(1) Die Längsneigung einer Bahnlinie soll nicht stärker sein als 25‰ (1:40).
(2) Zur Anwendung einer stärkeren Neigung als 12,5‰ (1:80) ist die Genehmigung des Reichs-Eisenbahn-Amts erforderlich.
(3) Die Bahnhöfe und Haltestellen, auf denen Ausweichegleise für das Kreuzen oder Ueberholen von Güterzügen angelegt werden, sollen, abgesehen von Ausziehgleisen nebst zugehörigen Vertheilungsweichen, in keiner stärkeren Neigung als 2,5‰ (1:400) liegen.
(4) Die Ausweichegleise dürfen in die stärkere Neigung der Bahn eingreifen.

§. 8. Neigungswechsel.

(1) Die Neigungswechsel auf der freien Bahnstrecke sind nach einem Kreisbogen von mindestens 5.000 Meter Halbmesser abzurunden; für Strecken unmittelbar vor Stationen kann dieses Maaß auf 2.000 Meter herabgesetzt werden.
(2) Zwischen Gegenneigungen von mehr als 5‰ (1:200), sofern die Länge einer derselben 1.000 Meter übersteigt, ist eine weniger als 5‰ (1:200) geneigte Strecke von mindestens 500 Meter Länge einzulegen, welche zur Ausrundung mitbenutzt werden kann.

§. 9. Entfernung der Gleise.

(1) Die Doppelgleise auf der freien Bahnstrecke sollen von Mitte zu Mitte nicht weniger als 3,500 Meter von einander entfernt sein. Tritt zu einem Gleispaare [750] noch ein Gleis hinzu, so ist dessen Entfernung von dem zunächst liegenden Gleise von Mitte zu Mitte zu mindestens 4,000 Meter anzunehmen.
(2) Werden mehrere Gleispaare neben einander gelegt, so muß die Entfernung von Mitte zu Mitte der benachbarten Gleise je zweier Gleispaare ebenfalls mindestens 4,000 Meter betragen.
(3) Die Gleise auf den Bahnhöfen und Haltestellen sollen nicht weniger als 4,500 Meter von Mitte zu Mitte von einander entfernt liegen und diejenigen, zwischen denen ein Bahnsteig anzulegen ist, eine Entfernung von mindestens 6,000 Meter von Mitte zu Mitte haben.
(4) Beim Umbau von Stationen mit geringem Personenverkehr kann mit Genehmigung der Landes-Aufsichtsbehörde von diesen Bestimmungen abgewichen werden.

§. 10. Beschaffenheit, Form und Befestigung der Schienen.

(1) Die Schienen sollen aus gewalztem Eisen oder Stahl bestehen.
(2) Die innere seitliche Abrundung des Schienenkopfes soll mit einem Halbmesser von 14 Millimeter beschrieben sein.
(3) Die Befestigungsmittel, als Stühle, Schrauben, Nägel u. s. w., sollen an der Innenseite der Schienen eines Gleises in der Breite der Spurrinne auch bei größter Abnutzung der Schienen mindestens 38 Millimeter unter Schienenoberkante liegen.
(4) Bei Befestigung der Stoßverbindungen eines Gleises ist auf die durch Wärmewechsel entstehenden Veränderungen der einzelnen Theile Rücksicht zu nehmen.

§. 11. Tragfähigkeit des Oberbaues.

Bei Gleisen, welche von Lokomotiven befahren werden, soll der Oberbau mindestens so stark sein, daß jede Stelle der einzelnen Schiene 7.000 Kilogramm rollende Last mit Sicherheit tragen kann.

§. 12. Meldestationen und Ausweichestellen.

Auf Erfordern des Reichs-Eisenbahn-Amts sind telegraphische Meldestationen und an eingleisigen Bahnen zugleich Ausweichestellen anzulegen, welche letztere die größten auf der Anschlußstrecke zulässigen Züge, bis zu 110 Wagenachsen, aufnehmen können. Für einen 110 Wagenachsen enthaltenden Zug ist eine nutzbare Gleislänge von 500 Meter zu rechnen. In geringerer Entfernung als 8 Kilometer kann die Einrichtung von Meldestationen und Ausweichestellen nicht gefordert werden. Soweit ausnahmsweise diese Ausweichestellen nicht mit den Bahnstationen zusammentreffen, ist ihre rechtzeitige Herstellung mindestens dadurch zu sichern, daß an den betreffenden Stellen der Bahnkörper und die Bettung in [751] einer für zwei Gleise ausreichenden Breite angelegt und der erforderliche Vorrath an Oberbau- und Telegraphenmaterialien bereit gehalten wird.

§. 13. Gemeinschaftliche Bahnhofsanlagen und Bahnkreuzungen.

(1) Führen mehrere Eisenbahnen in einen und denselben Bahnhof, so sind sie derart mit einander in Verbindung zu bringen, daß der Uebergang von Zügen in der größten für die betreffenden Bahnen zugelassenen Achsenzahl rasch und leicht von Bahn zu Bahn erfolgen kann. Benachbarte Bahnhöfe sind nach Bedürfniß in gleicher Weise mit einander in Verbindung zu setzen.
(2) Die Kreuzung einer Bahn durch eine andere Bahn soll außerhalb der Stationen nicht in Schienenhöhe, sondern durch Ueberbrückung hergestellt werden.

§. 14. Weichen.

(1) Die Weichen in den Hauptgleisen müssen so eingerichtet sein, daß bei den ein Hauptgleis befahrenden Zügen auch bei falscher Stellung der Weiche ein Ablaufen der Räder der Fahrzeuge von den Schienen nicht stattfindet.
(2) Die Spitzen der Weichenzungen müssen mindestens 100 Millimeter weit aufschlagen.

§. 15. Drehscheiben.

(1) Auf allen Lokomotivstationen muß, sofern nicht ausschließlich Tenderlokomotiven zur Verwendung kommen, mindestens eine Drehscheibe, deren Durchmesser nicht unter 12,000 Meter betragen darf, vorhanden sein.
(2) Die Hauptträger derselben sollen aus gewalztem oder geschmiedetem Eisen oder Stahl hergestellt sein.

§. 16. Bahnsteige.

(1) Die Höhe der Bahnsteige für den Personenverkehr darf ohne Genehmigung des Reichs-Eisenbahn-Amts nicht mehr als 380 Millimeter über Schienenoberkante betragen.
(2) Alle auf den Bahnsteigen feststehenden Gegenstände, als Säulen u. s. w., müssen bis zu einer Höhe von 2,500 Meter über Bahnsteig, mindestens 3,000 Meter im Lichten von der Mitte desjenigen Gleises entfernt sein, für welches der Bahnsteig benutzt wird.

§. 17. Bedürfnißanstalten.

Auf den Stationen sind in der Nähe der Bahnsteige Bedürfnißanstalten anzuordnen und die Zugänge zu denselben weithin sichtbar zu bezeichnen. [752]

§. 18. Rampen.

(1) Auf Bahnhöfen und Haltestellen, wo die Ein- und Ausladung von Vieh oder Fahrzeugen in größerem Umfange zu erwarten steht, sind feste Rampen für seitliche Verladung und nach Bedarf für Verladung vor Kopf herzustellen, deren Höhe über Schienenoberkante in den zur seitlichen Verladung dienenden Theilen nicht über 1,100 Meter beträgt.
(2) Für geringeren Verkehr genügt die Bereitstellung beweglicher Rampen.
(3) Die für seitliche Verladung eingerichteten Rampen, an welchen geschlossene Militärzüge be- oder entladen werden sollen, müssen so gelegen sein, daß mindestens 20 Fahrzeuge ohne Rückbewegung daran vorbeigeführt werden können. Ist auf den gedachten Bahnhöfen die Anlage eines durchlaufenden Rampengleises oder eines solchen für 20 Wagen nicht schon durch den gewöhnlichen Verkehr geboten, so genügt es, wenn die Laderampe so gelegen ist, daß das Rampengleis für die Vorführung von mindestens 20 Wagen anstandslos verlängert werden kann. Die Höhe dieser zu Militärverladungen bestimmten Rampen über Schienenoberkante soll in den zur seitlichen Verladung dienenden Theilen nicht über 1,000 Meter betragen.

§. 19. Güterschuppen.

Die Höhe des Fußbodens der Güterschuppen und Ladebühnen an von Zügen zu befahrenden Gleisen soll 1,100 Meter über Schienenoberkante nicht übersteigen.

§. 20. Lademaaß.

Auf den größeren Güterstationen ist eine Vorrichtung anzubringen, mittelst welcher die Ladungen offener Güterwagen auf die Innehaltung der zugelassenen Umgrenzung geprüft werden können.

§. 21. Wasserstationen.

(1) Die für eine Bahnstrecke innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach den jeweiligen Betriebsbedürfnissen erforderliche Wassermenge kann von der Landes-Aufsichtsbehörde festgesetzt werden. Die Wasserstationen sind angemessen zu vertheilen.
(2) Jeder Wasserkrahn muß in der Minute mindestens ein Kubikmeter Wasser liefern können.
(3) Die Ausgüsse der Wasserkrahne sollen mindestens 2,850 Meter über Schienenoberkante liegen. [753]

§. 22. Werkstätten.

Durch Anlage ausreichender Werkstätten ist für den sichern und schnellen Vollzug der Arbeiten zur Instandsetzung der Betriebsmittel Sorge zu tragen, sofern dies nicht in anderer Weise sichergestellt ist.

II. Ausrüstung der Eisenbahnen.

§. 23. Höhen- und Breitenmaaße der Lokomotiven und Wagen.

(1) Alle festen Theile der Lokomotiven, Tender, Personen-, Post-, Gepäck- und Güterwagen, überhaupt der auf der Bahn verkehrenden Betriebsmittel dürfen bei der Stellung im geraden Gleise höchstens die auf Blatt C gezeichnete Umgrenzung erreichen (vergl. jedoch Absatz (2) und (3) dieses Paragraphen). Dieselbe hat in der Höhe von 0,130 Meter bis 0,430 Meter über Schienenoberkante überall einen Spielraum von 0,050 Meter gegen die im §. 2(1) der Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands festgesetzte Umgrenzung des lichten Raumes und in der Höhe von 0,430 Meter bis 3,200 Meter über Schienenoberkante eine Gesammtbreite von 3,150 Meter oder eine Breite von 1,575 Meter zu jeder Seite der Gleismitte. Von 3,200 Meter über Schienenoberkante vermindert sich letztere Breite bei geradliniger Umgrenzung, und zwar bis 3,700 Meter über Schienenoberkante bis auf 1,300 Meter und von 3,700 Meter bis 4,150 Meter über Schienenoberkante bis auf 0,850 Meter. Ueber die Höhe von 4,150 Meter hinaus setzt sich die Umgrenzungslinie mit einer unteren Breite von 0,800 Meter oder einer Breite von 0,400 Meter zu jeder Seite der Gleismitte bis zur Höhe von 4,280 Meter über Schienenoberkante derart geradlinig fort, daß daselbst die Breite noch 0,400 Meter oder 0,200 Meter zu jeder Seite der Gleismitte beträgt.
(2) Ueber die obere Begrenzungslinie dürfen die Lokomotivschornsteine und überdeckten Schaffnersitze hinausragen, jedoch höchstens bis 4,570 Meter über Schienenoberkante. Dieselben müssen dann aber so hergestellt sein, daß sie auf die im Absatz (1) dieses Paragraphen bezeichneten Abmessungen eingeschränkt werden können. Die Breite der überdeckten Schaffnersitze darf nur so groß sein, daß überall ein Spielraum von mindestens 0,150 Meter gegen die Umgrenzung des lichten Raumes vorhanden ist.
(3) Für Schlaf- und Luxuswagen für den großen durchgehenden Verkehr in Schnellzügen und die zu gleichem Dienst bestimmten Gepäckwagen reicht die größte zulässige Breite von 3,150 Meter bis auf die Höhe von 3,540 Meter über Schienenoberkante und vermindert sich dann von beiden Seiten, geradlinig begrenzt, bis 3,820 Meter Höhe auf 2,820 Meter Breite und schließt in 4,570 Meter Höhe mit 1,580 Meter Breite ab. [754]
(4) Mit Rücksicht auf das Durchfahren von Krümmungen sind die angegebenen Breitenmaaße je nach Länge und Bauart der Fahrzeuge entsprechend einzuschränken. Hierbei ist der Krümmungshalbmesser von 180 Meter zur Grundlage zu nehmen.
(5) Die an den Eisenbahnfahrzeugen anzubringenden losen Theile, wie Signalscheiben, Laternen, Leinenhaspel müssen innerhalb der im Absatz (3) beschriebenen Umgrenzung verbleiben. Es können jedoch für bewegliche Theile Ausnahmen seitens der Landes-Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts zugelassen werden.
(6) Die nach außen aufschlagenden Thüren der Personenwagen sollen bei der Stellung der Wagen im geraden Gleise noch innerhalb der Umgrenzung des lichten Raumes verbleiben.
(7) Unter 130 Millimeter über Schienenoberkante dürfen, abgesehen von den Rädern der Eisenbahnfahrzeuge, auch bei größter Abnutzung der Radreifen nur die nachbenannten Theile herabreichen, und zwar:
a) bei allen Eisenbahnfahrzeugen:
1. die durch den Radreifen gedeckten Theile, wie Bahnräumer, Bremsklötze, Sandstreuer, bis auf 50 Millimeter über Schienenoberkante;
2. die Kuppelungen und Sicherheitsketten bis auf 75 Millimeter über Schienenoberkante;
b) bei Lokomotiven außerdem:
1. die dem Federspiele nicht folgenden beweglichen Lokomotivtheile, wie Kurbel- und Kuppelstangenköpfe, bis auf 75 Millimeter über Schienenoberkante;
2. die übrigen Lokomotivtheile bis 100 Millimeter über Schienenoberkante.
(8) Von der seitlichen Begrenzung des lichten Raumes müssen alle im Absatz (7) dieses Paragraphen unter a und b gedachten Theile mindestens 50 Millimeter entfernt bleiben.

§. 24. Lokomotiven- und Tender-Radstand.

Die Lokomotiven und Tender sollen einen nach den Bahnverhältnissen möglichst langen Radstand erhalten; derselbe ist für Güterzuglokomotiven mit festen Achsen höchstens zu 4,500 Meter anzunehmen.

§. 25. Tender.

Die Höhe des Wassereinlaufs am Tender über Schienenoberkante darf nicht mehr als 2,750 Meter betragen. [755]

§. 26. Wagenradstand.

(1) Bei Wagen, welche mehr als zwei Achsen ohne Drehgestell haben, muß für die Mittelachsen eine entsprechende Verschiebbarkeit angeordnet werden, sofern der Radstand über 4,000 Meter beträgt.
(2) Für Güterwagen ist ein kleinerer Radstand als 2,500 Meter nicht anzuwenden und soll das Maaß von 4,500 Meter für den Radstand nicht überschritten werden, sofern die Güterwagen nicht mit Lenkachsen ausgestattet sind.

§. 27. Wagengestelle.

Der Fußboden der Güterwagen, mit Ausnahme der für besondere Zwecke gebauten, soll mindestens 170 Millimeter über den Buffermitten liegen.

§. 28. Bremsen.

(1) Die Bremsen der Fahrzeuge sollen so beschaffen sein, daß mit denselben eine annähernde Feststellung der Achsen erzielt werden kann.
(2) Bei Anwendung von Bremskurbeln müssen dieselben beim Festbremsen stets nach rechts gedreht werden.
(3) Die für den Aufenthalt der Bremser bestimmten Sitze sind zu überdecken und mindestens an der Vorder- und Rückseite mit Schutzwänden zu versehen.

§. 29. Raddruck.

Bei sämmtlichen Fahrzeugen soll der Druck eines Rades auf die Schiene bei voller Ausnutzung der festgesetzten Tragfähigkeit im Stillstand der Fahrzeuge nicht mehr als 7.000 Kilogramm betragen.

§. 30. Zug- und Stoßvorrichtungen.

(1) Die Untergestelle müssen bei den Lokomotiven an der vorderen, bei den Tendern an der hinteren Stirnseite und bei Tenderlokomotiven und allen übrigen Fahrzeugen, mit Ausnahme der nur in Arbeitszügen laufenden, an beiden Stirnseiten mit federnden Zug- und Stoßvorrichtungen versehen sein. Die Mitte der Zug- und Stoßvorrichtungen darf über Schienenoberkante bei leeren Fahrzeugen nicht höher als 1,065 Meter und bei beladenen Fahrzeugen nicht tiefer als 0,940 Meter liegen.
(2) Die Untergestelle der Wagen, mit Ausnahme der für besondere Zwecke gebauten, müssen mit durchgehenden Zugstangen versehen sein. [756]

§. 31. Zugvorrichtung.

(1) Die Zugvorrichtung der Fahrzeuge muß so eingerichtet sein, daß die Länge, um welche sie gegen die Kopfschwelle hervorgezogen werden kann, mindestens 50 Millimeter und höchstens 150 Millimeter beträgt.
(2) Die Angriffsfläche des nicht angezogenen Zughakens soll von der Stoßfläche der nicht zusammengedrückten Buffer nicht weniger als 345 Millimeter und nicht mehr als 395 Millimeter entfernt sein.

§. 32. Buffer.

(1) Die Entfernung der Buffer an den Kopfseiten der Wagen soll von Mitte zu Mitte 1,750 Meter betragen. Der Abstand der vorderen Bufferfläche von der Kopfschwelle des Wagens ist bei völlig zusammengedrückten Buffern mindestens zu 370 Millimeter anzunehmen.
(2) Vom Fahrzeuge aus gesehen muß die Stoßfläche des linken Buffers eben, die des rechten gewölbt sein. Die Höhe dieser Wölbung soll 25 Millimeter, der Durchmesser der Bufferscheiben mindestens 340 Millimeter betragen.
(3) Der freie Raum zwischen allen vor der Kopfschwelle vorspringenden Theilen und den vorderen Bufferflächen muß bei vollständig zusammengedrückten Buffern eine Breite von mindestens je 400 Millimeter zu beiden Seiten des Zughakens, eine Höhe von mindestens 2,000 Meter über Schienenoberkante und eine Tiefe von 300 Millimeter, in der Längsachse der Wagen gemessen, besitzen. Alle außerhalb dieses Raumes liegenden vorspringenden Theile der Bremsersitze, Bremshäuser, Geländer der Uebergangsbrücken u. s. w., mit Ausnahme der Laufbretter, müssen hinter der Stirnfläche der völlig zusammengedrückten Buffer mindestens 40 Millimeter zurückstehen.
(4) Die Enden der Laufbretter an den Langseiten der Wagen sollen hinter der Stirnfläche der nicht zusammengedrückten Buffer 300 Millimeter zurückstehen.

§. 33. Kuppelung.

Sämmtliche Wagen, mit Ausnahme der nur in Arbeitszügen laufenden, müssen mit Schraubenkuppelungen versehen sein.

§. 34. Radreifen.

Die Breite der Radreifen soll nicht weniger als 130 Millimeter und nicht über 150 Millimeter betragen. [757]

§. 35. Stellung der Räder.

(1) Die Räder jeder Achse der Fahrzeuge müssen in unverrückbarer Lage gegen einander festgestellt sein.
(2) Sämmtliche Räder müssen Spurkränze haben, deren Höhe über den mittleren, 750 Millimeter von der Mitte der Achse entfernt anzunehmenden Laufkreisen der Räder nicht weniger als 25 Millimeter betragen darf.
(3) Der lichte Abstand zwischen den Radreifen soll mindestens 1,357 Meter und höchstens 1,363 Meter betragen.
(4) Bis zur Höhe von 100 Millimeter über Schienenoberkante darf kein Theil über die innere Seitenfläche des Radreifens hervorragen.

§. 36. Spielraum für die Spurkränze.

(1) Der Spielraum für die Spurkränze (nach der Gesammtverschiebung der Achse an dieser gemessen) darf bei der Spurweite von 1,435 Meter nicht unter 10 Millimeter und auch bei der größten zulässigen Abnutzung der Spurkränze nicht über 25 Millimeter betragen. Demgemäß soll – entsprechend der Anlage D – die Entfernung von Außenkante zu Außenkante der Spurkränze, gemessen 10 Millimeter außerhalb der Lauffläche der beiden Radreifen bei 1,500 Meter Entfernung der Laufkreise, nicht unter 1,410 Meter und nicht über 1,425 Meter betragen.
(2) Bei den Mittelrädern sechs- und mehrrädriger Lokomotiven ist jedoch ein Gesammtspielraum (bei übrigens gleichem lichten Abstande zwischen den Radreifen) bis 40 Millimeter zulässig.

§. 37. Raddurchmesser.

(1) Der Raddurchmesser der Tender und Wagen mit Ausschluß der Radreifenstärke soll mindestens 800 Millimeter betragen.
(2) Der Durchmesser der Treibräder der Lokomotiven bei neuem Zustande der Radreifen im Laufkreis gemessen (§. 35(2)) soll so groß sein, daß nachstehende Kolbengeschwindigkeiten und Umdrehungszahlen bei Anwendung der größten zulässigen Fahrgeschwindigkeit nicht überschritten werden.
Lokomotiven
mit
ungekuppelten oder
2 gekuppelten
Treibachsen.
mit
3 gekuppelten
Treibachsen.
mit
4 gekuppelten
Treibachsen.
Kolbengeschwindigkeit in Meter in der Minute 325 250 200
Umdrehungszahl der Treibachsen in der Minute [758] 260 200 160
(3) Größere Kolbengeschwindigkeiten und Umdrehungszahlen der Treibräder in der Minute, als die im Absatz (2) dieses Paragraphen aufgeführten, können mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde bei solchen Lokomotiven Anwendung finden, durch deren Bauart oder Kuppelung mit dem Tender die Schädlichkeit der störenden Bewegungen wesentlich herabgemindert ist.

§. 38. Achsstärke.

(1) Bei Güterwagen- und Tenderachsen von gutem Flußstahl, bei denen die Entfernung der Achsschenkelmitten nicht über 2,000 Meter beträgt, sind für das Verhältniß ihrer Stärke und der zulässigen Gesammtbelastung nachstehende Zahlenreihen als maßgebend anzusehen:
Durchmesser der
Achse in der Nabe
mindestens
Des Achsschenkels Größte zulässige
Gesammtbelastung
einer Achse
Durchmesser
mindestens
Länge
höchstens
Millimeter. Millimeter. Millimeter. Kilogramm.
100 62 150  4.300
105 66 156  5.000
110 70 162  5.800
115 74 166  6.600
120 78 170  7.500
125 82 174  8.500
130 86 178  9.600
135 90 182 10.700
140 94 185 12.000
145 98 188 13.200
(2) Bei Anwendung von Schweißeisen sind die Belastungen um 16 vom Hundert zu verringern.
(3) Werden größere Schenkellängen angewendet, so sind auch die Durchmesser entsprechend zu vergrößern.
(4) Bei den Achsen der Personen-, Post- und Gepäckwagen soll die Stärke in der Nabe nicht unter 115 Millimeter und die größte zulässige Gesammtbelastung um 20 vom Hundert geringer sein, als die betreffende Zahlenreihe im Absatz (1) dieses Paragraphen angiebt.
(5) Wagen- und Tenderachsen dürfen keine Absätze an den Naben haben, überhaupt sind an den Achsen und Achsschenkeln alle scharfen Absätze zu vermeiden. [759]

III. Schlußbestimmungen.

§. 39.

(1) Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1893 in Kraft.
(2) Dieselben werden durch das Reichs-Gesetzblatt veröffentlicht.
(3) Sie finden Anwendung auf die Vollspurbahnen, und zwar:
a) in ihrem Abschnitt I
1. auf alle Haupteisenbahnen, welche nach diesem Zeitpunkt in Angriff genommen werden;
2. auch auf die derzeit bereits im Bau oder Betriebe befindlichen Haupteisenbahnen, sofern die betreffenden baulichen Anlagen oder Einrichtungen nach dem 1. Januar 1893 einem umfassenderen Umbau unterworfen werden;
b) in ihrem Abschnitt II
1. auf diejenigen Betriebsmittel der Haupteisenbahnen, welche nach diesem Zeitpunkt neu beschafft werden;
2. auf diejenigen alsdann bereits vorhandenen oder bestellten Betriebsmittel der Haupteisenbahnen, welche nach dem 1. Januar 1893 eine vollständige Umänderung erleiden;
3. auf diejenigen Betriebsmittel der Nebeneisenbahnen, welche auf die Haupteisenbahnen übergehen oder in Züge, welche mit einer Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometer in der Stunde laufen, eingestellt werden.
(4) Als Haupteisenbahnen sind alle dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnstrecken mit Ausnahme derjenigen anzusehen, für welche nach der Entschließung der zuständigen Landes-Aufsichtsbehörde mit Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts die Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen Deutschlands maßgebend ist.
(5) Ausnahmen können in Rücksicht auf besondere Verhältnisse von der Landes-Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts bewilligt werden.
Berlin, den 5. Juli 1892.
Der Reichskanzler.

Graf von Caprivi.

Anlagen