Bekanntmachung, betreffend das Bahnpolizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands

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Titel: Bekanntmachung, betreffend das Bahnpolizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1885, Nr. 32, Seite 289–318
Fassung vom: 30. November 1885
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Bekanntmachung: 11. Dezember 1885
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(Nr. 1627.) Bekanntmachung, betreffend das Bahnpolizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands. Vom 30. November 1885.

In Gemäßheit der vom Bundesrath in der Sitzung vom 26. November d. J. auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung gefaßten Beschlüsse lautet der Text des Bahnpolizei-Reglements für die Eisenbahnen Deutschlands wie folgt:

Bahnpolizei-Reglement
für die
Eisenbahnen Deutschlands.

I. Zustand, Unterhaltung und Bewachung der Bahn.

§. 1. Fahrbarer Zustand der Bahn.

(1) Die Bahn ist fortwährend in einem solchen baulichen Zustande zu halten, daß dieselbe ohne Gefahr und, mit Ausnahme der in Reparatur befindlichen Strecken, mit der für die einzelnen Bahnstrecken festgestellten größten zulässigen Geschwindigkeit befahren werden kann. Diejenigen Bahnstrecken, welche zeitweise nicht mit der sonst für dieselben zugelassenen Geschwindigkeit befahren werden dürfen, sind als solche durch bestimmte, vom Zuge aus sichtbare Signale zu bezeichnen.
(2) Die Bahnhöfe und Haltestellen sind durch Signale geschlossen zu halten und nur für die Einfahrt oder Durchfahrt der Züge zu öffnen (siehe §. 46 Abs. 1). [290]
(3) Strecken, welche wegen Ausführung von Auswechselungen, Reparaturen, geöffneter Drehbrücken u. s. w. oder aus sonstigem Grunde unfahrbar sind, müssen in genügender Entfernung von den betreffenden Stellen und während der ganzen Dauer der Unfahrbarkeit, auch wenn kein Zug erwartet wird, durch Signale abgeschlossen werden.

§. 2. Freihaltung der Geleise und Normalprofil.

(1) Sämmtliche Geleise, auf denen Züge bewegt werden, sind derartig von baulichen Anlagen und lagernden Gegenständen frei zu halten, daß mindestens das Normalprofil des lichten Raumes – für die freie Bahn nach Anlage A, für die Bahnhöfe und Haltestellen nach Anlage B – vorhanden ist.
(2) Die bis zu 50 Millimeter über Schienenoberkante hervortretenden unbeweglichen Gegenstände müssen außerhalb des Geleises im Allgemeinen mindestens 150 Millimeter von der Innenkante des Schienenkopfes entfernt bleiben; bei unveränderlichem Abstande derselben von der Fahrschiene darf dies Maaß auf 135 Millimeter eingeschränkt werden. Innerhalb des Geleises muß ihr Abstand von der Innenkante des Schienenkopfes mindestens 67 Millimeter betragen, jedoch kann dieser Abstand bei Zwangsschienen allmälig bis auf 41 Millimeter eingeschränkt werden. In gekrümmten Strecken mit Spurerweiterung muß der Abstand der innerhalb des Geleises hervortretenden unbeweglichen Gegenstände von der Innenkante des Schienenkopfes um den Betrag der Spurerweiterung größer sein, als die vorgenannten Maaße.
(3) Inwieweit Abweichungen vom Normalprofil des lichten Raumes zu gestatten sind, bestimmt der Bundesrath.
(4) An Ladegeleisen, welche nicht von durchgehenden Zügen befahren werden, kann nach Art ihrer Benutzung eine Einschränkung des Normalprofils von der Aufsichtsbehörde zugelassen werden.

§. 3. Vorrichtungen zur Sicherung der Weichen, beweglichen Brücken und Bahnkreuzungen, Schiebebühnen und Drehscheiben.

(1) Weichen, welche außerhalb der Bahnhöfe und Haltestellen liegen und nicht für gewöhnlich verschlossen gehalten werden, sind durch Signale zu decken. Werden solche Weichen für gewöhnlich verschlossen gehalten, so muß mindestens ihre Stellung durch geeignete Signale kenntlich gemacht sein.
(2) Die Stellvorrichtung der ersten am Eingange eines Bahnhofes oder einer Haltestelle liegenden Weiche, welche von ankommenden Zügen gegen die Zungenspitze befahren wird, muß mit der Vorrichtung zum Stellen der Signale am Abschlußtelegraphen in einer derartigen gegenseitigen Abhängigkeit stehen, daß das Fahrsignal an letzterem nur gegeben werden kann, nachdem diese Weiche für [291] den vorgeschriebenen Weg gestellt ist, und daß die Weiche nicht umgestellt werden kann, so lange das Fahrsignal steht.
(3) Alle übrigen in den Hauptgeleisen der Bahnhöfe und Haltestellen (§. 46 Abs. 4) liegenden Weichen müssen, sofern sie nicht ebenfalls mit den optischen Fahrsignalen in gegenseitigem Abhängigkeitsverhältniß stehen, mit besonderen Signalen verbunden sein, welche die jedesmalige Stellung der Weichen kenntlich machen.
(4) Auf die württembergischen Bahnen findet die Bestimmung im Absatz 3 bis auf Weiteres nur mit den Modifikationen Anwendung, welche das dort bestehende Weichensystem nach dem Ermessen der Königlich württembergischen Aufsichtsbehörde erfordert.
(5) Die Landesaufsichtsbehörde ist ermächtigt unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts Abweichungen von der Bestimmung im Absatz 2, namentlich für Bahnhöfe mit weniger bedeutendem Verkehr und Haltestellen zuzulassen.
(6) Bewegliche Brücken sind nach beiden Richtungen durch Signale abzuschließen, welche mit der Verriegelungsvorrichtung der Brücke dergestalt in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, daß das Fahrsignal nur bei genauer und völlig sicherer Feststellung der Brücke erscheinen kann.
(7) In den Hauptgeleisen sind Schiebebühnen mit versenkten Geleisen unzulässig, Drehscheiben nur in besonderen Fällen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde zulässig.
(8) Bahnkreuzungen in gleicher Ebene der Schienen außerhalb der Stationen sind durch Signale nach jeder Richtung zu sichern.

§. 4. Einfriedigungen der Bahn.

(1) Einfriedigungen müssen da angelegt werden, wo die gewöhnliche Bahnbewachung nicht hinreicht, um Menschen oder Vieh vom Betreten der Bahn abzuhalten.
(2) Zwischen der Eisenbahn und Wegen, welche unmittelbar neben derselben in gleicher Ebene oder höher liegen, sind Schutzwehren erforderlich. Als solche können nach näherer Bestimmung der Landespolizeibehörde auch Gräben mit Seitenaufwurf angesehen werden.
(3) Die Uebergänge in gleicher Ebene mit der Bahn müssen mit starken, leicht sichtbaren Barrieren in angemessener Entfernung von der Mitte des nächsten Bahngeleises versehen sein. Zum Zweck der Benutzung durch Fußgänger können neben den Barrieren Drehkreuze angebracht sein. Für isolirt gelegene, lediglich den Fußgängern dienende Niveauübergänge kann die Landesaufsichtsbehörde anstatt der Barrieren Drehkreuze oder sich selbst verschließende Fallthüren zulassen.
(4) Für den Abstand der geöffneten Barrierenflügel von den Geleisen sind die Bestimmungen des §. 2 zu beachten. [292]
(5) Die Zugbarrieren müssen auch mit der Hand geöffnet und geschlossen werden können. Jeder Uebergang mit Zugbarrieren erhält eine Glocke, mit welcher vor dem Schließen der Sperrbäume zu läuten ist. Zugbarrieren mit einem mechanischen Zuge von mehr als 50 Meter Länge sind auf Uebergänge für wenig frequente Straßen zu beschränken und müssen von dem bedienenden Wärter übersehen werden können.
(6) In angemessener Entfernung vor den Wegeübergängen müssen Warnungstafeln aufgestellt sein, welche zugleich die Stelle des Weges bezeichnen, wo Fuhrwerke, Reiter und Viehherden anhalten müssen, wenn die Barrieren geschlossen sind.

§. 5. Bewachung der Bahn.

(1) Die Bahn muß so lange bewacht werden, als noch Züge oder einzeln fahrende Lokomotiven zu erwarten stehen.
(2) Sämmtliche Bahnstrecken müssen durch die Wärter täglich mindestens dreimal revidirt werden. Ausnahmen hiervon können für einzelne Bahnlinien mit geringer Frequenz von der Aufsichtsbehörde zugelassen werden. Gefahrdrohende Stellen sind ständig zu bewachen.
(3) Bei Revision ist insbesondere auch auf die Dienstfähigkeit der Weichen zu achten.
(4) Die Uebergangsbarrieren sind spätestens drei Minuten vor Ankunft des Zuges zu schließen. Eine Abkürzung dieser Frist bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde und der Zustimmung der Landespolizeibehörde.
(5) Die Barrieren von Privatwegen, welche nicht besonders bewacht werden, sind unter Verschluß zu halten (siehe §. 58).
(6) Die Barrieren der Niveauübergänge mit geringem Verkehr können mit Genehmigung der Landespolizeibehörde geschlossen gehalten werden und sind auf Verlangen der Passanten zu öffnen. Zu diesem Behufe erhält jede dieser Barrieren, einschließlich der Zugbarrieren, einen Glockenzug, mittelst dessen das Oeffnen von den Passanten verlangt wird.
(7) Die Uebergänge in gleicher Höhe der Schienen über Stationsgeleise sind zu bewachen.
(8) Der Barrierendienst kann, wenn derselbe von dem Dienst der Geleisüberwachung getrennt ist, auch weiblichen Personen anvertraut werden.
(9) Im Dunkeln sollen, so lange die Barrieren geschlossen sind, die Uebergänge von Chausseen, Kommunalstraßen oder Vizinalstraßen erleuchtet sein. Dasselbe gilt von sämmtlichen Zugbarrieren, soweit sie nicht mit Genehmigung der Landespolizeibehörde geschlossen gehalten werden.
(10) Auf den Stationen sind bei Dunkelheit mindestens eine halbe Stunde vor Ankunft und beziehungsweise Abfahrt eines jeden zur Personenbeförderung bestimmten Zuges die Perrons und Anfahrten zu erleuchten. [293]

§. 6. Abtheilungszeichen, Neigungszeiger und Markirzeichen.

(1) Die Bahn muß mit Abtheilungszeichen versehen sein, welche bei Tage vom Zuge aus deutlich zu erkennen sind und Entfernungen von ganzen und Kilometer angeben.
(2) An den Wechselpunkten der Gefälle müssen Neigungszeiger aufgestellt sein, an denen die Neigungen der Bahn und die Längen der betreffenden Strecken deutlich erkennbar anzugeben sind.
(3) Zwischen zusammenlaufenden Schienensträngen muß ein Markirzeichen angebracht sein, welches die Grenze angiebt, wieweit in jedem Bahngeleise Fahrzeuge vorgeschoben werden dürfen, ohne den Durchgang anderer Fahrzeuge auf dem anderen Geleise zu hindern.

II. Zustand, Unterhaltung und Revision der Betriebsmittel.

§. 7. Zustand der Betriebsmittel.

Die Betriebsmittel müssen fortwährend in einem solchen Zustande gehalten werden, daß die Fahrten mit der größten für dieselben zulässigen Geschwindigkeit (§. 8 Abs. 1 und §. 26) ohne Gefahr stattfinden können.

§. 8. Einrichtung der Lokomotiven.

(1) Für jede Lokomotive ist nach Maßgabe ihrer Bauart eine Geschwindigkeit vorzuschreiben, welche in Rücksicht auf die Sicherheit niemals überschritten werden darf. Diese Maximalgeschwindigkeit muß an der Maschine angezeichnet sein.
(2) An jedem Lokomotivkessel muß sich eine Einrichtung zum Anschluß eines Kontrolmanometers befinden, durch welches die Belastung der Sicherheitsventile und die Richtigkeit der Federwaagen und Manometer geprüft werden kann.
(3) Jede Lokomotive muß versehen sein:
1. mit mindestens zwei zuverlässigen Vorrichtungen zur Speisung des Kessels, welche unabhängig von einander in Betrieb gesetzt werden können, und von denen jede für sich während der Fahrt im Stande sein muß, das zur Speisung erforderliche Wasser zuzuführen. Eine dieser Vorrichtungen muß außerdem geeignet sein, beim Stillstande der Lokomotive den Wasserstand im Kessel auf der normalen Höhe zu erhalten;
2. mit mindestens zwei von einander unabhängigen Vorrichtungen zur zuverlässigen Erkennung der Wasserstandshöhe im Innern des Kessels. Bei einer dieser Vorrichtungen muß die Höhe des Wasserstandes vom Stande des Führers ohne besondere Proben fortwährend [294] erkennbar und eine in die Augen fallende Marke des zulässig niedrigsten Wasserstandes angebracht sein;
3. mit wenigstens zwei vorschriftsmäßigen Sicherheitsventilen, von welchen das eine so eingerichtet sein soll, daß die Belastung desselben nicht über das bestimmte Maaß gesteigert werden kann. Die Konstruktion dieser Sicherheitsventile ist derartig einzurichten, daß denselben eine vertikale Bewegung von 3 Millimeter möglich ist;
4. mit einer Vorrichtung (Manometer), welche den Druck des Dampfes zuverlässig und ohne Anstellung besonderer Proben fortwährend erkennen läßt. Auf den Zifferblättern der Manometer muß die größte zulässige Dampfspannung durch eine in die Augen fallende Marke bezeichnet sein;
5. mit einer Dampfpfeife.

§. 9. Revision der Lokomotiven und Tender.

(1) Lokomotiven dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem sie einer technisch-polizeilichen Prüfung unterworfen und als sicher befunden sind. Die bei der Revision als zulässig erkannte Dampfspannung über den Druck der äußeren Atmosphäre, sowie der Name des Fabrikanten der Lokomotive und des Kessels, die laufende Fabriknummer und das Jahr der Anfertigung müssen in leicht erkennbarer und dauerhafter Weise an der Lokomotive bezeichnet sein.
(2) Ueber die von den Lokomotiven und den Tendern zurückgelegten Wege sind Register zu führen. Jede Lokomotive und jeder Tender ist von Zeit zu Zeit einer gründlichen Revision zu unterwerfen. Diese Revision hat bei neuen oder mit neuen Kesseln versehenen Lokomotiven zu erfolgen, bevor sie in Betrieb genommen werden. Die Revision ist nach jeder größeren Kesselreparatur, niemals jedoch später als nach drei Jahren zu wiederholen. Bei Gelegenheit dieser Revision, welche sich auf alle Theile der Lokomotive erstrecken muß, ist der Lokomotivkessel vom Mantel zu entblößen, mit Wasser zu füllen und mittelst einer Druckpumpe zu probiren.
(3) Hinsichtlich der bei diesen Proben anzuwendenden Größe des Druckes wird bestimmt, daß die Prüfung für eine Dampfspannung von nicht mehr als fünf Atmosphären Ueberdruck mit dem zweifachen Betrage der zulässigen Maximal-Dampfspannung, bei einer Dampfspannung von mehr als fünf Atmosphären mit einem Druck, welcher die zulässige Maximal-Dampfspannung um fünf Atmosphären übersteigt, stattfinden soll. Für diejenigen Lokomotiven, welche bei dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen bereits vorhanden sind, verbleibt es bei dem Maximaldruck, welcher bei der ersten Prüfung Anwendung gefunden hat, sofern der letztere niedriger ist, als der vorstehend vorgeschriebene.
(4) Kessel, welche bei dieser Probe ihre Form bleibend ändern, dürfen in diesem Zustande nicht wieder in Dienst genommen werden. [295]
(5) Bei jeder Probe ist zugleich die Ventilbelastung und die Richtigkeit des Manometers zu prüfen.
(6) Längstens acht Jahre nach Inbetriebstellung des Lokomotivkessels muß eine innere Revision desselben vorgenommen werden, bei welcher die Siederohre zu entfernen sind. Nach spätestens je sechs Jahren ist diese Revision zu wiederholen.
(7) Ueber die Lokomotivrevisionen sind Verhandlungen aufzunehmen, in denen die Ergebnisse zu verzeichnen sind.
(8) In jedem Verwaltungsbezirke muß eine Vorrichtung vorhanden sein, mittelst welcher die Kontrolmanometer jederzeit durch Wasserdruck geprüft werden können.

§. 10. Bahnräumer, Aschkasten, Funkenfänger.

(1) An der Stirnseite der Lokomotiven und an der Rückseite der Tender und Tenderlokomotiven müssen Bahnräumer angebracht sein.
(2) Jede Lokomotive muß mit einem verschließbaren Aschkasten und mit Vorrichtungen versehen sein, welche den Auswurf glühender Kohlen aus dem Aschkasten und dem Schornstein zu verhüten bestimmt sind.

§. 11. Bremsen der Lokomotiven und Tender.

(1) Tenderlokomotiven und Tender müssen mit kräftigen, leicht zu handhabenden Bremsen versehen sein.
(2) Diejenigen Lokomotiven, welche zur Beförderung von Personenzügen mit mehr als 60 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde oder 1.000 Meter in der Minute dienen, müssen mit Vorrichtungen versehen sein, welche es ermöglichen, daß die Tenderbremse sowohl vom Heizer mit der Hand bedient, als auch zugleich mit den Wagenbremsen vom Führerstande aus in Thätigkeit gesetzt werden kann.

§. 12. Beschaffenheit der Fahrzeuge und Kuppelungen.

(1) Sämmtliche Wagen, mit Ausnahme der nur in Arbeitszügen laufenden, müssen auf Federn ruhen, mit elastischen Zugapparaten und an jedem Ende mit elastischen Buffern versehen sein.
(2) Sämmtliche Räder müssen mit Spurkränzen versehen sein.
(3) Die Stärke der Radreifen muß bei Lokomotiven und Tendern, Personen-, Post- und Gepäckwagen mindestens 24 Millimeter, bei allen übrigen Fahrzeugen mindestens 20 Millimeter betragen, und zwar bei einer Entfernung von 66 Millimeter von der Innenkante des Radreifens gemessen. Bei Rädern, deren Reifen durch eine Befestigungsnuth in der Vertikalebene des Laufkreises geschwächt ist, müssen noch an der schwächsten Stelle die bezeichneten Maaße innegehalten werden. [296]
(4) Sämmtliche Fahrzeuge müssen sich in doppelter, von einander unabhängiger Weise so mit einander verbinden lassen, daß beim Bruch irgend eines Theiles der angespannten Kuppelungsvorrichtung die Sicherheitskuppelung in Wirksamkeit tritt.
(5) Ob und unter welchen Bedingungen einzelne Theile der Hauptkuppelungsvorrichtung zugleich für die Sicherheitskuppelung verwendet werden dürfen, unterliegt der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
(6) Alle Kuppelungen und Verbindungsvorrichtungen müssen, wenn sie herabhängen, beim niedrigsten zulässigen Bufferstande noch mindestens 75 Millimeter von der Schienenoberkante entfernt bleiben.
(7) Die mit mehr als 60 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde oder 1.000 Meter in der Minute fahrenden Personenzüge müssen mit durchgehenden Bremsen, d. h. solchen Bremsen versehen sein, welche gleichzeitig vom Lokomotivführerstande aus in Thätigkeit gesetzt werden können.
(8) Die Bremsen eines mit durchgehender Bremse versehenen Zuges müssen in der nach §. 13 erforderlichen Anzahl auch einzeln mit der Hand bedient werden können.

§. 13. Zahl der Bremsen eines Zuges.

(1) In jedem Zuge müssen außer den Bremsen am Tender oder an der Lokomotive so viele kräftig wirkende Bremsvorrichtungen bedient sein, daß durch die letzteren
auf Horizontalen wie bei
Personenzügen,
bei
Güterzügen,
auf Neigungen bis 1:500 einschl. mindestens der 8. Theil, der 12. Theil,
auf Neigungen
von 1:500 ausschl. bis 1:300 einschl. mindestens der 6. Theil, der 10. Theil,
von 1:300 ausschl. bis 1:200 einschl. mindestens der 5. Theil, der 8. Theil,
von 1:200 ausschl. bis 1:100 einschl. mindestens der 4. Theil, der 7. Theil,
von 1:100 ausschl. bis 1:60 einschl. mindestens der 3. Theil, der 5. Theil,
von 1:60 ausschl. bis 1:40 einschl. mindestens der 2. Theil, der 4. Theil,
der Räderpaare gebremst werden kann. Bei dieser Berechnung sich ergebende überschießende Bruchtheile sind hierbei als ein Ganzes zu rechnen. Züge, welche fahrplanmäßig sowohl zur Güter- als auch zur Personenbeförderung bestimmt sind, sowie Militärzüge sind wie Personenzüge zu behandeln, wenn ihre Fahrgeschwindigkeit 45 Kilometer in der Stunde oder 750 Meter in der Minute übersteigt, anderenfalls dagegen wie Güterzüge.
(2) Bei Feststellung der zu bremsenden Räderpaare eines Güterzuges ist bezüglich der Gesammtzahl der Achsen wie der Bremsachsen eine unbeladene Achse als halbe Achse zu rechnen. [297]
(3) Erstreckt sich zwischen zwei Stationen die stärkste Neigung auf eine Bahnlänge von weniger als 1.000 Meter und kommt diese Neigung in derselben Richtung nur einmal vor, so ist für die Berechnung der Bremsenzahl nicht diese, sondern die nächst geringere Neigung dieser Strecke maßgebend.
(4) Die Landesaufsichtsbehörde ist ermächtigt, unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts für die Bemessung der Zahl der zu bremsenden Räderpaare anderweite Grundsätze zuzulassen.
(5) Bei Güterzügen kann die Zahl der zu bedienenden Bremsen
auf Neigungen bis 1:60 einschließlich auf den sechsten Theil und
auf Neigungen von 1:60 ausschließlich bis 1:40 einschließlich auf den fünften Theil
der Räderpaare herabgesetzt werden, wenn
1. die Fahrgeschwindigkeit von 18 Kilometer in der Stunde oder 300 Meter in der Minute nicht überschritten wird,
2. die Stärke des Zuges 80 Achsen nicht übersteigt und
3. bei der Thalfahrt durch geeignete Kontrolapparate die Fahrgeschwindigkeit des Zuges genau festgestellt wird.
(6) Bei Personenzügen von mehr als 60 Kilometer Fahrgeschwindigkeit in der Stunde oder 1.000 Meter in der Minute sind die nach Obigem erforderlichen gebremsten Räderpaare um eins zu vermehren.
(7) Für Bahnstrecken, welche stärkere Neigungen als 1:40 haben, sind für das Bremsen der Züge von den Aufsichtsbehörden besondere Vorschriften zu erlassen.

§. 14. Verschluß und Beleuchtung der Personenwagen.

(1) Die Thüren, welche sich an den Langseiten der Personenwagen befinden, müssen mit mindestens doppelter, nur von der Außenseite zu schließender Verschlußvorrichtung versehen sein, von denen eine aus einem Vorreiber besteht. Sämmtliche Thüren an den Personenwagen dürfen nur so verschlossen werden, daß das Oeffnen derselben den im Wagen befindlichen Passagieren möglich ist.
(2) Im Innern der Personenwagen müssen an den Thüröffnungen Schutzvorrichtungen gegen das Einklemmen der Finger angebracht sein.
(3) Die Personenwagen müssen mit Vorrichtungen zur Beleuchtung derselben im Innern versehen sein.

§. 15. Signallaternenstützen.

(1) Sämmtliche Personen-, Post- und Gepäckwagen, sowie die als Schlußwagen laufenden Güterwagen müssen mit den erforderlichen Laternenstützen versehen sein, welche so anzubringen sind, daß die aufgesteckte Laterne entweder zur Seite des Wagens oder über die Decke desselben hervorragt. [298]
(2) Der Abstand der Oberkante dieser Stützen über Schienenoberkante darf im ersteren Falle höchstens 3,000 Meter, im letzteren höchstens 3,600 Meter betragen, während die Mitte (Vertikalachse) der Stützen im ersteren Falle höchstens 1,400 Meter, im letzteren höchstens 1,200 Meter von der Mitte des Wagens entfernt sein darf.
(3) Die Laternenstützen müssen die Form einer abgestumpften Pyramide mit quadratischem Querschnitt von im Lichten 0,046 Meter oberer und 0,035 Meter unterer Länge und Breite bei 0,076 Meter Höhe derselben haben und diagonal zur Achse des Wagens gestellt werden. Der größte Querschnitt des Laternenkastens, dessen Seitenflächen parallel den Wagenflächen liegen müssen, darf nicht über 0,250 Meter Breite und 0,280 Meter Höhe betragen und derjenige des Laternenaufsatzes (Schornstein) nur 0,140 Meter Breite und 0,120 Meter Höhe haben.

§. 16. Bedeckung der Güterwagen.

Alle mit leicht feuerfangenden Gegenständen beladenen Güterwagen müssen mit einer sicheren Bedeckung versehen sein, soweit nicht Ausnahmen durch das Betriebs-Reglement gestattet sind.

§. 17. Revision der Wagen.

Jeder Wagen ist von Zeit zu Zeit einer gründlichen Revision zu unterwerfen, bei welcher die Achsen, Lager und Federn abgenommen werden müssen. Diese Revision hat spätestens zwei Jahre nach der ersten Ingebrauchnahme oder nach der letzten Revision zu erfolgen, bei den Personen-, Gepäck- und Postwagen jedoch spätestens nach jedesmaliger Zurücklegung eines Weges von 30.000 Kilometer.

§. 18. Bezeichnung der Wagen.

(1) Jeder Wagen muß Bezeichnungen haben, aus welchen zu ersehen ist:
a) die Eisenbahn, zu welcher er gehört;
b) die Ordnungsnummer, unter welcher er in den Werkstätten und Revisionsregistern geführt wird;
c) das eigene Gewicht einschließlich der Achsen und Räder und ausschließlich der losen Inventarienstücke;
d) das Ladegewicht und die Tragfähigkeit;
e) die Länge des Radstandes;
f) das Datum der letzten Revision.
(2) Die Bezeichnungen zu a bis d sind bei der im §. 17 vorgeschriebenen periodischen Revision der Wagen, sowie außerdem bei jeder geeigneten Gelegenheit, [299] insbesondere nach größeren Reparaturen und bei Auswechselung von Wagenachsen einer erneuten Prüfung und erforderlichenfalls der Berichtigung zu unterziehen.
(3) Jeder Personenwagen muß mit Merkmalen versehen sein, welche dem Reisenden das Auffinden der Wagenklasse wie der benutzten Wagenabtheilung erleichtern.
(4) Außerdeutschen Bahnen zugehörige Wagen können von der Verwaltung der anschließenden deutschen Bahn, sofern dieselben von der übernehmenden Verwaltung für betriebssicher erachtet, ohne Rücksicht auf die Bestimmungen der §§. 17 und 18 in den Betrieb genommen und auf andere deutsche Bahnen übergeführt werden. Durch Staatsverträge in dieser Beziehung getroffene Bestimmungen werden hierdurch nicht berührt.

§. 19. Mitführung von Geräthschaften zur Beseitigung von Schäden am Zuge.

In jedem Zuge müssen diejenigen Geräthschaften vorhanden sein, vermittelst welcher die während der Fahrt an dem Zuge vorgekommenen Beschädigungen zum Zweck der Weiterfahrt thunlichst beseitigt werden können.

III. Handhabung des Betriebes.

§. 20. Stationsnamen und Uhren.

(1) Der Name der Station muß am Stationsgebäude oder an anderer geeigneter Stelle in einer für die Reisenden in die Augen fallenden Weise angebracht sein.
(2) Auf jeder Station muß an einer dem Publikum sichtbaren Stelle eine Uhr angebracht sein, welche nach der den veröffentlichten Fahrplänen entsprechenden (Orts- oder Normal-) Zeit gestellt ist und täglich regulirt werden muß. Auf größeren Bahnhöfen müssen die Zeitangaben sowohl von dem Zugänge zu demselben, als von den Zügen bei Tage und auch im Dunkeln erkennbar sein.
(3) Die Zugführer, Lokomotivführer, Bahnmeister und Bahnwärter müssen im Dienste beständig eine richtig gehende Uhr bei sich tragen.

§. 21. Rechtsfahren der Züge.

(1) Auf doppelgeleisigen Bahnstrecken sollen die Züge das in ihrer Fahrtrichtung rechts liegende Geleise befahren.
(2) Bereits bestehende Ausnahmen dürfen bis auf Weiteres beibehalten werden. [300]
(3) Von der bestehenden Fahrweise sind Ausnahmen zulässig:
1. nach vorgängiger Verständigung zwischen benachbarten Stationen:
a) bei Geleissperrungen,
b) für Arbeitszüge,
c) mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde zwischen einer Station und einer auf der anschließenden freien Bahnstrecke liegenden Einmündungsweiche eines Anschlußgeleises;
2. unter Verantwortlichkeit des dienstthuenden Stationsbeamten:
a) auf Stationen,
b) für Hülfslokomotiven,
c) für Lokomotiven, welche zum Nachschieben eines Zuges gedient haben.

§. 22. Schieben der Züge durch Lokomotiven.

(1) Das Schieben von Zügen, an deren Spitze sich eine führende Lokomotive nicht befindet, ist, sofern nicht von der Aufsichtsbehörde weitere Einschränkungen bestimmt werden, in folgenden Fällen gestattet:
a) bei langsamen Rückwärtsbewegungen des Zuges auf den Stationen oder in Nothfällen;
b) bei Arbeitszügen und – unter den von der Aufsichtsbehörde festgestellten Bedingungen – bei Zügen nach benachbarten Gruben oder sonstigen gewerblichen Anlagen unter Innehaltung der im §. 26 dafür zugelassenen Geschwindigkeit.
(2) Das Nachschieben der Züge mit Lokomotiven an der Spitze ist nur zulässig:
zum Ersteigen stark geneigter Bahnstrecken und
bei Ingangbringung der Züge in den Stationen.

§. 23. Stärke der Züge.

Mehr als 150 Wagenachsen sollen in keinem Eisenbahnzuge laufen. Personenzüge sollen nicht über 100 Wagenachsen stark sein. Militärzüge und solche Güterzüge, welche fahrplanmäßig zur Personenbeförderung mitbenutzt werden, dürfen mit Rücksicht auf ihre geringe Geschwindigkeit ausnahmsweise bis 110 Wagenachsen stark sein.

§. 24. Fahrt der Lokomotive mit dem Tender voran.

(1) Die Fahrt mit dem Tender voran ist nur unter Beobachtung der im §. 26 Absatz 7 dafür zugelassenen Geschwindigkeit bei allen Zügen gestattet.
(2) Bei Tenderlokomotiven fällt die vorerwähnte Beschränkung fort. [301]

§. 25. Abfahrt der Züge.

(1) Züge, zu welchen auch einzeln fahrende Lokomotiven zu rechnen sind, dürfen nur mit Erlaubniß des dienstthuenden Stationsbeamten von einer Station abfahren und einander nur in Stationsabstand folgen.
(2) Kein zur Beförderung von Personen bestimmter Zug darf vor der im veröffentlichten Fahrplan bekannt gegebenen Zeit die Station verlassen.
(3) Die Abfahrt darf nicht erfolgen, bevor alle auf den Langseiten der Wagen befindlichen Wagenthüren geschlossen sind und das für die Abfahrt bestimmte Signal gegeben ist.
(4) Das Oeffnen der nach außen aufschlagenden Thüren an den Langseiten der Wagen ist während der Fahrt nur in Fällen dringenden Bedürfnisses zulässig und darf bei zweigeleisigen Bahnen nur nach der äußeren Seite des Geleises erfolgen.

§. 26. Fahrgeschwindigkeit.

(1) Die größte zulässige Fahrgeschwindigkeit der Züge wird für horizontale wie für Strecken mit Neigungen bis 1:200 einschließlich und Krümmungen von nicht weniger als 1.000 Meter Halbmesser im Allgemeinen:
für Personenzüge auf 75 Kilometer in der Stunde oder 1.250 Meter in der Minute,
für Güterzüge auf 45 Kilometer in der Stunde oder 750 Meter in der Minute,
für Arbeitszüge:
a) im Allgemeinen auf 30 Kilometer in der Stunde oder 500 Meter in der Minute,
b) wenn die sämmtlichen in denselben laufenden Wagen den Bestimmungen im §. 12 entsprechen, auf 45 Kilometer in der Stunde oder 750 Meter in der Minute
festgesetzt.
(2) Unter besonders günstigen Verhältnissen kann für Personenzüge mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde eine größere Geschwindigkeit bis zu 90 Kilometer in der Stunde oder 1.500 Meter in der Minute zugelassen werden.
(3) Auf Bahnstrecken, welche stärkere Neigungen als 1:200 und Krümmungen von weniger als 1.000 Meter Halbmesser haben, müssen die Geschwindigkeiten angemessen verringert werden. Dem Zugpersonal sind diese Strecken unter Angabe der zulässigen Geschwindigkeiten zu bezeichnen.
(4) Personenzüge, welche durch Lokomotiven befördert werden, deren sämmtliche Achsen vor der Feuerbuchse liegen und welche nicht mit Vorrichtungen zur Verhütung des Schlingerns versehen sind, dürfen im Allgemeinen nicht schneller [302] als 45 Kilometer in der Stunde oder 750 Meter in der Minute fahren, jedoch sind mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde größere Geschwindigkeiten zulässig.
(5) Züge, welche geschoben werden, ohne daß sich an ihrer Spitze eine führende Lokomotive befindet, dürfen höchstens mit einer Geschwindigkeit von 24 Kilometer in der Stunde oder 400 Meter in der Minute fahren.
(6) Die größte Geschwindigkeit einzeln fahrender Lokomotiven mit dem Schornstein voran wird im Allgemeinen auf 40 Kilometer in der Stunde oder 666,67 Meter in der Minute und für Lokomotiven, welche für Beförderung von Personenzügen konstruirt sind, sofern deren Achsen nicht sämmtlich vor der Feuerbuchse liegen, auf 50 Kilometer in der Stunde oder 833,33 Meter in der Minute festgesetzt. Größere Geschwindigkeiten können mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde gestattet werden.
(7) Lokomotiven mit dem Tender voran dürfen nicht schneller als 36 Kilometer in der Stunde oder 600 Meter in der Minute fahren, einerlei, ob dieselben Züge befördern oder einzeln fahren (siehe §. 24).
(8) Bei den Probefahrten der Lokomotiven kann von den die Fahrgeschwindigkeit einzeln fahrender Lokomotiven beschränkenden Vorschriften Abstand genommen werden.
(9) Langsamer muß gefahren werden:
a) wenn Hindernisse auf der Bahn bemerkt werden;
b) durch Weichen, wenn dieselben gegen die Spitze befahren werden und nicht verriegelt oder verschlossen sind, und über Drehbrücken;
c) wenn das Signal zum Langsamfahren gegeben wird;
d) bei der Einfahrt aus Haupt- in Zweigbahnen und umgekehrt, sowie überhaupt bei dem Uebergange aus einem Geleise in das andere.
In allen diesen Fällen muß so langsam gefahren werden, als die Umstände zur Vorbeugung einer möglichen Gefahr es erfordern.

§. 27. Ueberfahren von Bahnkreuzungen.

(1) Bahnkreuzungen in gleicher Ebene der Schienen außerhalb der Stationen dürfen von den Zügen erst passirt werden, nachdem die letzteren vorher zum Stillstande gebracht sind und von den Aufsichtsbeamten die Erlaubniß zum Passiren ertheilt ist.
(2) Bei der Kreuzung einer Hauptbahn durch eine Bahn untergeordneter Bedeutung genügt es, wenn im Einverständniß mit der Aufsichtsbehörde die Verpflichtung des Anhaltens vor der Durchkreuzung lediglich den Zügen der letzteren Bahn auferlegt wird. [303]

§. 28. Beschaffenheit der Betriebsmittel in schnellfahrenden Personenzügen.

Bei denjenigen Personenzügen, bei welchen eine Geschwindigkeit von mehr als 60 Kilometer in der Stunde oder 1.000 Meter in der Minute zur Anwendung kommen soll, müssen sich die Betriebsmittel in einem vorzugsweise tüchtigen Zustande befinden. Außerdem müssen die Fahrzeuge unter sich, sowie mit dem Tender so fest gekuppelt sein, daß sämmtliche Zug- und Bufferfedern etwas angespannt sind.

§. 29. Vorrang der schnellfahrenden und Extrazüge.

Die schnellfahrenden Züge, sowie die Extrazüge der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften haben behufs besonders pünktlicher Beförderung überall den Vorrang vor den anderen Zügen.

§. 30. Beförderung von Gütern mit Personenzügen.

(1) Die Beförderung von Gütern mit den Personenzügen ist nur unter folgenden Bedingungen zulässig:
a) das Auf- und Abladen von Gütern, ebenso wie das An- und Abschieben von Güterwagen darf niemals Veranlassung zur Verlängerung des Aufenthalts auf den Stationen sein, insofern nicht als sicher angenommen werden kann, daß die entstehende Verspätung durch rascheres Fahren innerhalb der festgesetzten Geschwindigkeitsgrenze bis zur nächsten Anschluß- oder bis zur Endstation wieder beseitigt werden wird;
b) die Mitnahme von Güterwagen darf eine Verlängerung der planmäßigen Fahrzeit nicht herbeiführen;
c) die Reisenden dürfen durch die Mitbeförderung von Gütern in keiner Weise belästigt werden.
(2) Inwieweit Eilgut mit den Personenzügen befördert werden darf, bei welchen eine Geschwindigkeit von mehr als 60 Kilometer in der Stunde oder 1.000 Meter in der Minute zur Anwendung kommen soll, bestimmt die Aufsichtsbehörde.

§. 31. Beförderung von Personen mit Güterzügen.

Wenn es im Interesse des Lokalverkehrs wünschenswerth erscheint, kann mit den Güterzügen auch Personenbeförderung stattfinden; jedoch darf deshalb keine Beschleunigung derselben über die für solche zugelassene Geschwindigkeit eintreten. [304]

§. 32. Fahrbericht der Zugführer.

Jeder Zugführer hat einen Fahrbericht zu führen, in welchem die Abgangs- und Ankunftszeiten auf den einzelnen Anhaltepunkten und außergewöhnliche Vorkommnisse genau zu verzeichnen sind.

§. 33. Bildung und Revision der Züge.

(1) Bei Bildung eines Zuges muß sorgfältig darauf gehalten werden, daß die im §. 13 vorgeschriebene Anzahl bedienter Bremsen sich in selbigem befindet und daß letztere angemessen vertheilt sind. Bei einer stärkeren Neigung als 1:200 in einer zusammenhängenden Länge von über 1.000 Meter muß der letzte Wagen eine bediente Bremse haben; hinter demselben kann ausnahmsweise bei Güterzügen noch ein reparaturbedürftiger leerer Wagen eingestellt werden, sofern derselbe zwar lauffähig ist, aber inmitten des Zuges nach Art seiner Beschädigung nicht eingestellt werden kann.
(2) Ferner sind die Wagen unter sich und der Tender mit dem nächstfolgenden Wagen in doppelter Weise gehörig zu verkuppeln (§. 12 Abs. 4 und 5), die Zugleine, soweit dieselbe nach §. 48 Absatz 2 erforderlich ist, anzubringen, die Verbindungen der etwa vorhandenen durchgehenden Bremse (§. 12 Abs. 7) herzustellen, die Belastung in den einzelnen Wagen thunlichst gleichmäßig zu vertheilen, die nöthigen Signale anzubringen und das Innere der zur Beförderung von Personen benutzten Wagen für die Fahrt in der Dunkelheit und in den Tunneln, zu deren Durchfahrung mehr als zwei Minuten gebraucht werden, angemessen zu erleuchten.
(3) In den Personenzügen müssen die Zughaken soweit zusammengezogen sein, daß die Federbuffer der Wagen im Zustande der Ruhe sich berühren (§. 28). In Zügen, welche fahrplanmäßig sowohl zur Güter- als auch zur Personenbeförderung bestimmt sind, dürfen beladene Langholzwagen und sonstige Wagen mit ungewöhnlicher Kuppelung nicht unmittelbar vor und auch nicht unmittelbar hinter die Personenwagen gestellt werden.
(4) Bevor der Zug die Abgangsstation verläßt, ist derselbe zu revidiren und darauf zu achten, daß die über die Bildung der Züge gegebenen Vorschriften gehörig befolgt sind. Diese Revision ist unterwegs bei jeder Veränderung in der Zusammensetzung des Zuges und so oft der Aufenthalt es gestattet, zu wiederholen.

§. 34. Schutzwagen und Postwagen.

(1) In jedem zur Beförderung von Personen bestimmten Zuge, dessen Fahrgeschwindigkeit 45 Kilometer in der Stunde oder 750 Meter in der Minute [305] übersteigt, hat der erste Wagen des Zuges als Schutzwagen zu dienen und darf als solcher nicht mit Reisenden besetzt werden. Bei den mit geringerer Geschwindigkeit fahrenden derartigen Zügen ist letzteres mit der Beschränkung gestattet, daß mindestens die vordere Abtheilung des betreffenden Wagens von Reisenden freigehalten wird.
(2) Bei der dem Postwagen zu gebenden Stellung ist, soweit der Bahnbetrieb dies gestattet, auf die Bedürfnis des Postdienstes Rücksicht zu nehmen, ebenmäßig ist die Verwendung des Postwagens als Schutzwagen thunlichst zu vermeiden.

§. 35. Extrazüge.

(1) Extrazüge dürfen nicht befördert werden, wenn die Bahn nicht vollständig bewacht, der Zug den Bahnwärtern nicht vorher signalisirt und der nächsten Station ordnungsmäßig gemeldet ist.
(2) Ausnahmen sind nur in den im §. 45 näher bezeichneten Fällen zulässig.

§. 36. Arbeitszüge.

(1) Arbeitszüge dürfen nur auf bestimmte Anordnung der mit der Leitung des Betriebes betrauten verantwortlichen oberen Beamten oder deren Vertreter und in fest abgegrenzten Zeiträumen auf der Bahn fahren.
(2) Die Vorsteher der beiden angrenzenden Stationen müssen von der Bewegung solcher Züge Kenntniß erhalten. Dies gilt auch von einzelnen Materialien-Transportwagen und Dräsinen, welche durch Menschenkräfte bewegt werden; dieselben müssen einem verantwortlichen Begleiter unterstellt sein und mindestens ¼ Stunde vor der zu erwartenden Ankunft eines Zuges von dem Fahrgeleise desselben entfernt werden. Auf Stationen müssen die Fahrgeleise vor Ertheilung der Erlaubniß zum Einfahren von allen Fahrzeugen geräumt sein.

§. 37. Schneepflüge.

(1) Schneepflüge oder Wagen zum Brechen des Glatteises dürfen nicht vor die Lokomotiven fahrplanmäßiger Züge gestellt werden. Wo das Bedürfniß eintritt, werden diese Schneepflüge oder Wagen dem Zuge in entsprechendem Abstande mit besonderen Lokomotiven vorausgeschickt.
(2) Fest mit der Zuglokomotive verbundene Schneepflüge, welche nicht auf besonderen Rädern gehen, sind zulässig.

§. 38. Mitfahren auf der Lokomotive.

Ohne Erlaubniß der dazu bevollmächtigten Beamten darf außer den durch ihren Dienst dazu berechtigten Beamten niemand auf der Lokomotive mitfahren. [306]

§. 39. Stillstehende Lokomotiven und Wagen.

(1) Bei angeheizten Lokomotiven soll, so lange sie still stehen, der Regulator geschlossen, die Steuerung in Ruhe gesetzt und die Bremse angezogen sein. Die Lokomotive muß dabei stets unter spezieller Aufsicht stehen.
(2) Stehende, nicht mit einer Lokomotive verbundene Wagen sind zur Vermeidung unbeabsichtigter Bewegung mittelst Vorlagen, Bremsen oder anderer Vorrichtungen so festzustellen, daß sie nicht in Bewegung gesetzt werden können.

§. 40. Zugsignale.

(1) Jeder geschlossen fahrende Zug muß mit Signalen versehen sein, welche bei Tage den Schluß, bei Dunkelheit aber die Spitze und den Schluß desselben erkennen lassen; gleiches gilt für einzeln fahrende Lokomotiven.
(2) Am Schlusse eines jeden im Dunkeln fahrenden Zuges muß außerdem ein nach hinten und nach vorn leuchtendes Laternensignal angebracht sein.
(3) Jeder Ingangsetzung der Lokomotiven muß ein Achtungssignal vorhergehen.
(4) Einzeln fahrende Lokomotiven und Arbeitszüge werden wie andere Züge signalisirt.
(5) Auch Dräsinen und Materialien-Transportwagen (§. 36 Abs. 2) auf freier Bahn müssen im Dunkeln angemessen beleuchtet sein.

§. 41. Signale auf freier Strecke.

Auf der Bahn müssen folgende Signale gegeben werden können:
1. die Bahn ist fahrbar,
2. der Zug soll langsam fahren,
3. der Zug soll halten.

§. 42. Signale des Zugpersonals.

Die Zugführer, Schaffner und Bremser müssen ein Nothsignal an den Lokomotivführer geben können.

§. 43. Signale des Lokomotivpersonals.

Die Lokomotivführer müssen folgende Signale geben können:
1. Achtung geben,
2. Bremsen anziehen,
3. Bremsen loslassen. [307]

§. 44. Elektrische Verbindungen.

(1) Der Dienst mit dem elektromagnetischen Telegraphen wird nach besonderer von der Eisenbahnverwaltung oder Aufsichtsbehörde erlassenen Instruktion gehandhabt; es müssen durch denselben Depeschen von Station zu Station gegeben und sämmtliche Wärter zwischen je zwei Stationen von dem Abgange der Züge benachrichtigt werden können.
(2) Die Signale
1. der Zug geht nicht ab,
2. es soll eine Hülfslokomotive kommen,
dürfen nicht mittelst optischer, sondern müssen mittelst elektrischer Telegraphen erfolgen.
(3) Zum Herbeirufen von Hülfslokomotiven müssen die Züge mit tragbaren Apparaten versehen oder an geeigneten Stellen elektrische Apparate aufgestellt sein.

§. 45. Signalisirung nicht fahrplanmäßiger Züge.

(1) Nicht fahrplanmäßige Züge oder einzeln fahrende Lokomotiven müssen in der Regel durch ein Signal an dem in der einen oder anderen Richtung zunächst vorhergehenden Zuge den Bahnwärtern, Arbeitern und den in Seitenbahnen haltenden Zügen zur Nachachtung angekündigt werden.
(2) Kann eine solche Signalisirung nicht stattfinden, so dürfen nicht fahrplanmäßige Züge oder einzelne Lokomotiven nur abgelassen werden, wenn eine bezügliche Verständigung der beiden betreffenden Stationen stattgefunden hat und die Wärter zeitig vorher von dem Abgange derselben durch elektromagnetische Signale benachrichtigt sind.
(3) Von den vorstehenden Bestimmungen kann – unter persönlicher Verantwortlichkeit des Stationsvorstehers oder des sonst zuständigen Betriebsbeamten – abgesehen werden bei Hülfszügen, welche aus Anlaß von Eisenbahnunfällen, Feuersbrünsten oder sonstigen derartigen Ereignissen plötzlich erforderlich werden. Dieselben dürfen nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 Kilometer in der Stunde (500 Meter in der Minute) gefahren werden.

§. 46. Weichen in Hauptgeleisen und Signalisirung einfahrender Züge.

(1) Bevor das Signal zur Ein- oder Durchfahrt für den ankommenden Zug gegeben wird und vor der Abfahrt eines jeden Zuges ist nachzusehen, ob die Bahnstränge, welche der Zug zu durchlaufen hat, frei und die betreffenden Weichen richtig gestellt sind (siehe §. 1 Abs. 2). [308]
(2) Auf denjenigen Stationen, auf welchen eine direkte mündliche Verständigung zwischen dem dienstthuenden Stationsbeamten und dem Wärter am Abschlußtelegraphen nicht möglich ist, oder auf welchen eine Verbindung des Wärterpostens am Abschlußtelegraphen mit der Station durch elektrische Blockapparate oder Sprechapparate oder auf irgend einem anderen mechanischen oder elektrischen Wege nicht besteht, sind von dem dienstthuenden Stationsbeamten für die Einfahrt der Züge optische Signale am Perrontelegraphen zu geben.
(2) Für die Weichen in den Hauptgeleisen ist eine normale Stellung als Regel vorzuschreiben.
(3) Zu den Hauptgeleisen sind alle diejenigen Geleise zu rechnen, welche in Ausführung des fahrplanmäßigen Fahrdienstes von Bahnzügen durchfahren oder benutzt werden.

§. 47. Signale an Wasserkrahnen.

Die Stellung der drehbaren Ausgußröhren der Wasserkrahne soll im Dunkeln durch Signale kenntlich gemacht sein.

§. 48. Verständigung des Zugpersonals unter sich.

(1) Das Zugpersonal darf während der Fahrt nur einem, für die Ordnung und Sicherheit des Zuges vorzugsweise verantwortlichen Beamten untergeordnet und muß so vertheilt sein, daß dadurch die Uebersicht über den ganzen Zug mit Erkennung der Signale und die Verständigung des Wagenpersonals mit dem Lokomotivführer ermöglicht wird.
(2) Bei allen Zügen muß eine mit der Dampfpfeife der Lokomotive oder mit einem Wecker an der Lokomotive verbundene Zugleine oder eine andere geeignete Vorrichtung angebracht sein, welche bei Personenzügen über den ganzen Zug und bei Güterzügen, wie bei Zügen, welche fahrplanmäßig sowohl zur Güter- als auch zur Personenbeförderung bestimmt sind, sowie bei Militärzügen mindestens bis zum wachthabenden Fahrbeamten geführt sein muß.
(3) Bei Personenzügen, die mit solchen durchgehenden Bremsen ausgerüstet sind, welche bei einer Zugtrennung selbstthätig in Wirksamkeit treten, und die es außer dem Lokomotivführer auch dem wachthabenden Fahrbeamten und den Reisenden ermöglichen, den Zug zum Stehen zu bringen, darf von der Mitführung der Zugleine oder der dieselbe ersetzenden anderen Vorrichtung (Abs. 2) Abstand genommen werden.

§. 49. Maßregeln bei betriebsstörenden Ereignissen.

Wenn in Folge eines betriebsstörenden Ereignisses ein Zug auf der Bahn liegen bleiben muß, sind in der Richtung, aus welcher andere Züge sich auf dem [309] versperrten Geleise nähern könnten, sichere Maßregeln zu treffen, durch welche solche Züge zeitig genug von dem Orte, wo der Zug liegt, in Kenntniß gesetzt werden.

§. 50. Signalordnung.

(1) Für die gemäß §§. 40 bis 49 erforderlichen Signale sind die Vorschriften der Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands maßgebend.
(2) Führen mehrere Bahnlinien neben einander her, so ist den optischen Signalen an denselben eine Stellung zu geben, welche der Lage der Bahnlinien zu einander entspricht.

§. 51. Stellung und Bedienung spitzbefahrener Weichen.

(1) Jede Weiche, gegen deren Spitze fahrplanmäßige Züge fahren, muß während des Durchgangs des Zuges entweder verschlossen gehalten werden oder von einem Weichensteller bedient sein.
(2) Den Weichenstellern an der Einfahrt in größere Stationen oder Zweigbahnen, sowie an den auf freier Bahn gelegenen Ausweichungen, ebenso den auf der Fahrt befindlichen Lokomotivführern, Heizern und Bremsern dürfen Geschäfte, durch welche die sorgfältige Wahrnehmung ihrer Funktionen beeinträchtigt werden könnte, nicht aufgetragen oder gestattet werden.

§. 52. Bedienung und Führung der Lokomotiven.

(1) Zur Bedienung der Lokomotive muß dieselbe mit einem Führer und einem Heizer besetzt sein.
(2) Die Führung der Lokomotiven darf nur solchen Personen übertragen werden, welche mindestens 21 Jahre alt und unbescholtenen Rufes sind und ihre Befähigung als Lokomotivführer unter Beachtung der vom Bundesrath darüber erlassenen Vorschriften nachgewiesen haben.
(3) Die Heizer müssen mit der Handhabung der Lokomotiven mindestens soweit vertraut sein, um dieselben erforderlichenfalls still- oder zurückstellen zu können.

IV. Bestimmungen für das Publikum.

§. 53. Allgemeine Bestimmungen.

Die Eisenbahnreisenden und das sonstige Publikum müssen den allgemeinen Anordnungen nachkommen, welche von der Bahnverwaltung behufs Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Bahngebiets und beim Transport der [310] Personen und Effekten getroffen werden, und haben den dienstlichen Anordnungen der in Uniform befindlichen oder mit einem Dienstabzeichen oder mit einer besonderen Legitimation versehenen Bahnpolizeibeamten (§. 66) Folge zu leisten.

§. 54. Betreten der Bahnanlagen.

(1) Das Betreten des Planums der Bahn, der dazu gehörigen Böschungen, Dämme, Gräben, Brücken und sonstigen Anlagen ist ohne Erlaubnißkarte nur der Aufsichtsbehörde und deren Organen, den in der Ausübung ihres Dienstes befindlichen Beamten der Staatsanwaltschaften, Forstschutz-, Zoll-, Steuer-, Telegraphen- und Polizeibeamten, sowie den zur Rekognoszirung dienstlich entsendeten Offizieren gestattet; dabei ist jedoch die Bewegung wie der Aufenthalt innerhalb der Fahr- und Rangirgeleise zu vermeiden. Die bezeichneten Personen, sowie die nach §. 55 zum Betreten der dem übrigen Publikum nicht geöffneten Stations- und Diensträume berechtigten Beamten haben, sofern sie nicht durch ihre Uniform als solche kenntlich sind, sich durch eine Bescheinigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde auf Erfordern auszuweisen.
(2) Das Publikum darf die Bahn nur an den zu Ueberfahrten oder Uebergängen bestimmten Stellen überschreiten, und zwar nur so lange, als die letzteren nicht durch Barrieren verschlossen sind. Die mit Drehkreuzen oder sich selbst verschließenden Fallthüren versehenen Uebergänge (§. 4 Abs. 3) dürfen nur passirt werden, wenn kein Zug in Sicht ist.
(3) In allen Fällen ist jeder unnöthige Verzug zu vermeiden.
(4) Die Gewährung von Erlaubnißkarten zum Betreten der vorstehend bezeichneten Bahnanlagen bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
(5) Es ist untersagt, die Barrieren oder sonstigen Einfriedigungen eigenmächtig zu öffnen, zu überschreiten oder zu übersteigen, oder etwas darauf zu legen oder zu hängen.

§. 55. Betreten der Stationen.

(1) Außerhalb der bestimmungsmäßig dem Publikum für immer oder zeitweise geöffneten Räume darf niemand die Station ohne Erlaubnißkarte betreten, mit Ausnahme der in Ausübung ihres Dienstes befindlichen Chefs der Militär- und Polizeibehörde, sowie der im §. 54 gedachten und der Postbeamten.
(2) Den Festungskommandanten, Fortifikationsoffizieren und den durch ihre Uniform als solche kenntlichen Fortifikationsbeamten ist gestattet, auch den Bahnkörper wie die Stationen innerhalb des Festungsrayons zu betreten.
(3) Für das Anhalten von Wagen behufs Aufnahme oder Absetzung von Personen, sowie zur Abholung oder Zufuhr von Gütern sind nur die dafür bestimmten Stellen auf den Vorplätzen der Stationen und auf den Plätzen an den Räumen für die Lagerung der Güter zu benutzen. [311]
(4) Die Ueberwachung der Ordnung auf diesen für die Fuhrwerke bestimmten Plätzen steht den Bahnpolizeibeamten zu, insofern in dieser Beziehung nicht besondere Vorschriften ein Anderes bestimmen.

§. 56. Hinüberschaffen von Gegenständen über die Bahn.

Das Hinüberschaffen von Pflügen und Eggen, sowie von Baumstämmen und anderen schweren Gegenständen über die Bahn darf, sofern solche nicht getragen werden, nur auf Wagen oder untergelegten Schleifen erfolgen.

§. 57. Betreten der Bahn durch Vieh.

(1) Für das Betreten der Bahn und der dazu gehörigen Anlagen durch Vieh bleibt derjenige verantwortlich, welchem die Aufsicht über dasselbe obliegt.
(2) Das Treiben von größeren Viehherden über die Bahnübergänge ist innerhalb zehn Minuten vor dem erwarteten Eintreffen eines Zuges nicht mehr gestattet.

§. 58. Benutzung von Privatübergängen.

Privatübergänge dürfen nur von den Berechtigten unter den von der Aufsichtsbehörde genehmigten Bedingungen benutzt werden.

§. 59. Geschlossene Uebergänge.

So lange die Uebergänge geschlossen sind, müssen Fuhrwerke, Reiter, Treiber von Viehherden und Führer von Lastthieren bei den aufgestellten Warnungstafeln halten. Das Gleiche gilt, sobald die Glocken an den mit Zugbarrieren versehenen Uebergängen ertönen. Fußgänger dürfen sich den geschlossenen Barrieren nähern, dieselben aber nicht öffnen.

§. 60. Bahnbeschädigungen und Betriebsstörungen.

Alle Beschädigungen der Bahn und der dazu gehörigen Anlagen, mit Einschluß der Telegraphen, sowie der Betriebsmittel nebst Zubehör, imgleichen das Auflegen von Steinen, Holz und sonstigen Sachen auf das Planum, oder das Anbringen sonstiger Fahrhindernisse sind verboten, ebenso die Erregung falschen Alarms, die Nachahmungen von Signalen, die Verstellung von Ausweichevorrichtungen und überhaupt die Vornahme aller, den Betrieb störenden Handlungen. [312]

§. 61. Verbot des Ein- und Aussteigens während der Bewegung der Züge.

Das Einsteigen in einen bereits in Gang gesetzten Zug, der Versuch, sowie die Hülfeleistung dazu, imgleichen das eigenmächtige Oeffnen der Wagenthüren oder Aussteigen, während der Zug sich noch in Bewegung befindet, ist verboten.

§. 62. Bestrafung von Uebertretungen.

Wer den Bestimmungen der §§. 53 bis 61 und den nachfolgenden Bestimmungen des Betriebs-Reglements für die Eisenbahnen Deutschlands zuwiderhandelt, welche also lauten:
„Feuergefährliche Gegenstände, sowie alles Gepäck, welches Flüssigkeiten und andere Gegenstände enthält, die auf irgend eine Weise Schaden verursachen können, insbesondere geladene Gewehre, Schießpulver, leicht entzündbare Präparate und andere Sachen gleicher Eigenschaft, dürfen in den Personenwagen nicht mitgenommen werden. Das Eisenbahndienstpersonal ist berechtigt, sich in dieser Beziehung die nöthige Ueberzeugung zu verschaffen.
Jägern und im öffentlichen Dienste stehenden Personen ist jedoch die Mitführung von Handmunition gestattet.“
wird mit einer Geldstrafe bis zu einhundert Mark bestraft, sofern nicht nach den allgemeinen Strafbestimmungen eine härtere Strafe verwirkt ist.

§. 63. Befugnisse der Bahnpolizeibeamten.

(1) Die Bahnpolizeibeamten sind befugt, einen Jeden vorläufig festzunehmen, der auf der Uebertretung der im §. 62 gedachten Bestimmungen betroffen oder unmittelbar nach der Uebertretung verfolgt wird und sich über seine Person nicht auszuweisen vermag. Derselbe ist mit der Festnahme zu verschonen, wenn er eine angemessene Sicherheit bestellt. Die Sicherheit darf den Höchstbetrag der angedrohten Strafe nicht übersteigen.
(2) Enthält die strafbare Handlung ein Verbrechen oder Vergehen, so kann sich der Schuldige durch eine Sicherheitsbestellung der vorläufigen Festnahme nicht entziehen.
(3) Jeder Festgenommene ist ungesäumt an die nächste Polizeibehörde oder an den Staats- oder Polizeianwalt abzuliefern. [313]

§. 64. Verfahren im Falle einer Festnahme.

Den Bahnpolizeibeamten ist gestattet, die festgenommenen Personen durch Mannschaften aus dem auf der Eisenbahn befindlichen Arbeitspersonal in Bewachung nehmen und an den Bestimmungsort abliefern zu lassen. In diesem Falle hat der Bahnpolizeibeamte eine mit seinem Namen und mit seiner Dienstqualität bezeichnete Festnehmungskarte mitzugeben, welche vorläufig die Stelle der aufzunehmenden Verhandlung vertritt, die in der Regel an demselben Tage, an dem die Uebertretung konstatirt wurde, spätestens aber am Vormittage des folgenden Tages an die Polizeibehörde oder den Staats- oder Polizeianwalt eingesendet werden muß.

§. 65. Aushang der Vorschriften für den Personenverkehr. Beschwerdebuch.

Ein Abdruck der §§. 53 bis 65 dieses Reglements und der §§. 13, 14, 22 Absatz 2 und 5 und §. 23 des Betriebs-Reglements ist in jedem Warteraum auszuhängen und ferner auf jeder Station ein dem Publikum zugängliches Beschwerdebuch im Stationsbüreau auszulegen.

V. Bahnpolizeibeamte.

§. 66. Bezeichnung der Bahnpolizeibeamten.

(1) Zur Ausübung der Bahnpolizei sind zunächst folgende Eisenbahnbeamte berufen:
1. Betriebsdirektoren und Oberingenieure,
2. Oberbetriebsinspektoren,
3. Betriebsinspektoren und Betriebs-Bauinspektoren (Transport-Oberinspektoren, Transportinspektoren und deren Assistenten),
4. Eisenbahnbaumeister, Abtheilungsbaumeister und Ingenieure,
5. Bahnkontrolöre und Betriebskontrolöre,
ferner:
6. Stationsvorsteher (Stationsmeister, Bahnhofsinspektoren, Bahnhofsverwalter),
7. Stationsaufseher (Bahnhofsaufseher) und Stationsassistenten (Bahnhofs-Inspektionsassistenten), [314]
8. Bahnmeister und Hülfsbahnmeister,
9. Weichensteller (Weichenwärter, Stationswärter und Hülfsweichenwärter),
10. Oberbahnwärter, Bahnwärter (Brücken-, Schlag-, Signal-, Streckenwärter) und Hülfsbahnwärter (Beiwärter),
11. Oberzugmeister und Zugmeister (Zugführer, zugführende Schaffner, Oberschaffner),
12. Packmeister (Güterschaffner, Gepäckschaffner),
13. Schaffner (Personenschaffner, Kondukteure),
14. Rangirmeister (Oberkoppler, Schirrmeister),
15. Wagenwärter und Bremser (Schmierer, Zugsöler),
16. Thürhüter (Portiers, Perrondiener),
17. Nachtwächter.
(2) Die Bahnpolizeibeamten müssen bei Ausübung ihres Dienstes die vorgeschriebene Dienstuniform oder das festgestellte Dienstabzeichen tragen oder mit einer Legitimation versehen sein.

§. 67. Instruktion.

Allen im §. 66 genannten Bahnpolizeibeamten, welche in der zur Sicherung des Betriebes erforderlichen Anzahl angestellt werden müssen, sind von der Eisenbahnverwaltung über ihre Dienstverrichtungen und ihr gegenseitiges Dienstverhältniß schriftliche oder gedruckte Instruktionen zu ertheilen.

§. 68. Befähigung.

(1) Alle zur Ausübung der Bahnpolizei berufenen Beamten müssen mindestens 21 Jahre alt und unbescholtenen Rufes sein, lesen und schreiben können und die sonst zu ihrem besonderen Dienste erforderlichen Eigenschaften besitzen. Diese müssen bezüglich der im §. 66 Nr. 6 bis 17 aufgeführten Bahnpolizeibeamten den vom Bundesrath darüber erlassenen Bestimmungen entsprechen.
(2) Die Bahnpolizeibeamten werden von der zuständigen Behörde vereidet. Sie treten alsdann in Beziehung auf die ihnen übertragenen Dienstverrichtungen dem Publikum gegenüber in die Rechte der öffentlichen Polizeibeamten.
(3) Die Offiziere und Mannschaften der militärischen Formationen für Eisenbahnzwecke sind von obigen Vorschriften über das Alter und die Beeidigung ausgeschlossen. [315]

§. 69. Pflichten gegen das Publikum. Personalakten.

(1) Die Bahnpolizeibeamten haben dem Publikum gegenüber ein besonnenes, anständiges und rücksichtsvolles Benehmen zu beobachten und sich insbesondere jedes herrischen und unfreundlichen Auftretens zu enthalten.
(2) Unziemlichkeiten sind von dem Vorgesetzten streng zu rügen und nöthigenfalls durch angemessene Disziplinarstrafen zu ahnden.
(3) Diejenigen Bahnpolizeibeamten, welche sich als zur Ausübung ihres Dienstes ungeeignet zeigen, müssen sofort von der Verrichtung polizeilicher Funktionen entfernt werden.
(4) Die Bahnverwaltung ist verbunden, über jeden Bahnpolizeibeamten Personalakten anzulegen und fortzuführen.

§. 70. Bezirk der Amtsthätigkeit.

Die Amtswirksamkeit der Bahnpolizeibeamten erstreckt sich ohne Rücksicht auf den ihnen angewiesenen Wohnsitz auf die ganze Bahn, die dazu gehörigen Anlagen und so weit, als solches zur Handhabung und Aufrechthaltung der für den Eisenbahnbetrieb erlassenen oder noch zu erlassenden Polizeiverordnungen erforderlich ist.

§. 71. Gegenseitige Unterstützung der Polizeibeamten.

Die Staats- und Gemeindepolizeibeamten sind verpflichtet, die Bahnpolizeibeamten auf deren Ersuchen in der Handhabung der Bahnpolizei zu unterstützen. Ebenso sind die Bahnpolizeibeamten verbunden, den übrigen Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Amts innerhalb des im vorhergehenden Paragraphen bezeichneten Gebiets Beistand zu leisten, soweit es die den Bahnbeamten obliegenden besonderen Pflichten zulassen.

VI. Beaufsichtigung.

§. 72. Aufsichtsbehörden.

Die Aufsicht über die Ausführung der im Vorstehenden zur Sicherung des Betriebes gegebenen Vorschriften liegt ob:
a) bei den unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen den Eisenbahndirektionen,
b) bei den unter Privatverwaltung stehenden Eisenbahnen dem obersten Betriebsdirigenten oder den Eisenbahndirektionen und
c) den Aufsichtsbehörden. [316]

VII. Ausnahmebestimmungen.

§. 73.

(1) Insofern auf einer Bahn einzelne in diesem Reglement vorgeschriebene Einrichtungen noch nicht bestehen, auch ihre Herstellung ohne besondere Schwierigkeiten bis zu dem im §. 74 bestimmten Termine nicht zu bewirken ist, können für deren Ausführung von der betreffenden Landesregierung mit Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts angemessene Fristen bewilligt werden.
(2) Befristungen, welche bereits auf Grund des bisher gültigen Reglements bewilligt sind, werden hiervon nicht berührt.
(3) Für die an den Grenzen Deutschlands gelegenen Strecken, welche von ausländischen Bahnverwaltungen betrieben werden, können Ausnahmen bezüglich dieses Reglements von der betreffenden Landesregierung unter Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts bewilligt werden.
(4) Das Reichs-Eisenbahn-Amt ist ferner ermächtigt, für gewisse Züge und Zuggattungen einer Hauptbahn auf Antrag der zuständigen Landesregierung erleichternde Abweichungen von einzelnen Bestimmungen dieses Reglements zuzulassen.

VIII. Schlußbestimmungen.

§. 74.

(1) Dieses Reglement tritt mit dem 1. April 1886 an Stelle des bisher geltenden Bahnpolizei-Reglements in Kraft und findet Anwendung auf allen Eisenbahnen Deutschlands mit Ausnahme derjenigen, für welche nach der Entschließung der zuständigen Landesbehörde mit Zustimmung des Reichs-Eisenbahn-Amts die Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung maßgebend ist.
(2) Dasselbe wird durch das Reichs-Gesetzblatt und das Centralblatt für das Deutsche Reich, sowie außerdem von den Bundesregierungen publizirt.
(3) Die von den Bundesregierungen oder Eisenbahnverwaltungen erlassenen Ausführungsbestimmungen sind dem Reichs-Eisenbahn-Amt mitzutheilen.
Berlin, den 30. November 1885.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

von Boetticher.


[317]

Anlage A. Normalprofil des lichten Raumes für die Eisenbahnen Deutschlands für die freie Bahn.


*) Bemerkung. Siehe auch die umstehende Zeichnung des unteren Profiltheiles.

[318]

Anlage B. Normalprofil des lichten Raumes für die Eisenbahnen Deutschlands für die Bahnhöfe und Haltestellen.