Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Ignaz Wrobel
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Titel: Beiseite
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 22, Nummer 36, Seite 392
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 7. September 1926
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Beiseite

In der außerordentlich bedeutsamen Auseinandersetzung zwischen Fr. W. Foerster und Ludwig Quidde sei ich, gewährt mir die Bitte, keinesfalls der Dritte. Aber einen kleinen Sekundantendienst möchte ich doch leisten.

Quidde nennt als Ursache des deutschen Nationalismus unter andern „den uns aufgezwungenen Friedensvertrag“.

Hat man eigentlich schon einmal von einem Friedensvertrag gehört, der dem besiegten Volk nicht aufgezwungen worden ist? Hat je ein Besiegter die ihm auferlegten Bedingungen für gerecht gehalten? Führen die in Anarchie lebenden Staaten deshalb kostspielige Kriege, um nachher das Resultat in einer Konferenz Gleichberechtigter festzusetzen?

Nein.

Diese fertiggenähte Phrase vom „uns aufgezwungenen Friedensvertrag" stammt von derselben Firma, die den Ruhrkampf gegen Poincarés durchaus gerechtfertigte Maßnahmen und die Vorgeschichte eines Waffenstillstands erfunden hat, der nicht geschlossen worden ist, weil etwa das damals politisch geknebelte und unmündige deutsche Volk Wilsons Friedensbedingungen gekannt und gebilligt hätte, sondern weil die Oberste Heeresleitung in verbrecherischer Weise die Konstatierung ihrer selbstverschuldeten Niederlage bis achtundvierzig Stunden vor dem Zusammenbruch nach eignem Geständnis hinausgezögert hat.

Die von Ludwig Quidde in Nummer 34 der ‚Weltbühne‘ aufgezählten „Ursachen“ sind keine – es sind Anlässe und Vorwände eines bestehenden Offensivgeistes, der sich auf alle Fälle Bahn gebrochen haben würde und sich stets Bahn brechen wird. Sinds die Franzosen nicht, sinds die Polen; sinds die Polen nicht, sinds die Tschechen. Es muß etwas geschehn.

Quiddes Auffassung in diesem Punkt bekämpfe ich umso schärfer, als Quidde einer der mutigsten und aufrechtesten Pazifisten ist, die wir aufzuweisen haben. Aber das Schicksal seiner Denkschrift sollte dem so hoch verdienten Mann zu denken geben: kein Mensch, geschweige denn ein Parlamentarier hat sich um diese grauenhaften Enthüllungen gekümmert – wo sind die weiten, weiten Kreise des Bürgertums, das dergleichen mit Entrüstung ablehnt? Fehlanzeige.

Es ist leider so, daß der im Ausland lebende Foerster die Deutschen besser kennt als der im Inland inhaftiert gewesene Quidde.

Ich gehöre nicht zu Denen, die Gesinnungsgenossen, wenn sie in ihren Forderungen nicht so weit gehen, wie ich es für richtig halte, schlappe Verräterei vorwerfen – mit diesem Gepolter wäre ja gar nichts getan. Aber bei der größten Verehrung, die ich der unantastbar reinen Lebensarbeit des Mannes Ludwig Quidde entgegenbringe: er offenbart in diesem Punkt seiner ‚Entwaffnungsfrage‘ das Gefährlichste, was es für uns geben kann.

Naivität.

Ignaz Wrobel