CCLXXVI. Die Bettenburg Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXXVII. Bei Eger
CCCLXXVIII. Stockholm
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BEY EGER
in Böhmen

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CCLXXVII. Bei Eger.




Eger, die alte Thorwache Böhmens und für die Geschichte des Landes und Deutschlands überhaupt ein merkwürdiger Schauplatz (in Eger wurde Wallenstein ermordet; an seinen Mauern brach sich die Kraft der Hussiten und auf seinen Feldern wurden mehre Schlachten geschlagen), hat, als Festung, keine Wichtigkeit mehr; aber um den unfruchtbaren kriegerischen Glanz hat es die fruchtbringende Gewerbthätigkeit des Friedens getauscht und Wohlhabenheit und Fleiß haben der uralten Stadt ein genügliches, beschauliches Ansehen gegeben. Ihre 8000 Einwohner betreiben eine Menge Fabriken, und mehre Tuch-, Zeug-, Seifen-, Hut- und Ledermanufakturen gehören unter die bedeutendsten des Landes. Auch die Natur hat es gesegnet. Das Egerland wird zu den fruchtbarsten und anmuthigsten Strichen Böhmens gerechnet.

Eine Stunde von Eger ist Kaiser-Franzensbad, und es ist, obschon erst seit 12 Jahren eröffnet, eine der besuchtesten Heilquellen der Monarchie. Die hiesigen Wasser, Franzensbrunn, Louisenquelle, kalter Sprudel und die Salzquelle gehören zu der Klasse der alkalisch-salinischen Eisensäuerlinge, sind in ihrer Zusammensetzung wenig von einander unterschieden und haben eine natürliche Temperatur von 9 Gr. Reaum. Sie wirken wie Karlsbad, nur gelinder, in den Leiden des Unterleibs, bei Anomalien der Gallenabsonderung, auch bei rheumatischen Uebeln und Krankheiten der Haut. Viele, die das an Erregkraft reichere Karlsbad nicht vertragen können, setzen ihre Kur in Franzensbad fort.

Franzensbad, der Ort, hat keine andere Nahrung als das Bad und außer der Saison herrscht daselbst Stille und Oede. Außer einigen verzweifelten Kranken, welche das Diktat des Arztes, oder eine letzte Hoffnung an die Rettung verheißenden Quellen treibt, und die an Krücken, oder von ihren Wärtern geführt, den Bädern zuwanken, sieht man dann keine Fremden. Aber so wie sich Berge und Thaler in das neue Frühlingsgewand kleiden, nimmt mit jedem Tage Leben und Regsamkeit zu, und mit dem Juni beginnt ein wahres Zuströmen der Gäste. Beinahe ohne Aufhören, von Morgen und von Abend her, rollen die Wagen mit Kranken ein; zu ihnen gesellen sich die Zuge der halbkranken und ganz gesunden Badegaste, und der buntfarbige, glänzende Strom der Spaziergänger, von den Melodien der Egerer Musikchöre begleitet, wogt immer breiter und gedrängter auf dem vordern Brunnenplatze des herrlichen Parks und durch die mit demselben durch schon gebahnte Wege verbundenen schattenreichen Thalgründe. [113] Eine der lieblichsten und am häufigsten besuchten Parthien ist das Felsthal am Seebach, das wir in unserm Stahlstich verbildlichen.

Franzensbad ist mit allen Bequemlichkeiten eines Badeortes vom ersten Range ausgestattet und es hat manchen Genuß, den weder Karlsbad noch Töplitz bieten kann. Dahin gehört die freie Jagd für jeden Badegast in dem romantischen, wildreichen und großen Reviere.