Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 53 (1886), ab Seite: 243. (Quelle)
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Wehler, Albert (Schriftsteller, geb. zu Semlin 18. November 1852). Sein Vater Ferdinand, welcher in Diensten der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft stand, wurde in denselben bald nach der Geburt des Sohnes nach Pesth versetzt, wo Letzterer zunächst das Szönyi’sche Erziehungsinstitut, dann die evangelische Normal- und zuletzt die ungarische Oberrealschule besuchte. 1867 ward der Vater zum Oberinspector bei der Centraldirection der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft in Wien ernannt, und als die Familie dahin übersiedelte, setzte Albert seine Studien an der Rossauer Communal-Oberrealschule fort. Nunmehr seiner Neigung für die Landwirthschaft folgend, widmete er sich den Studien aus derselben. Einigermaßen vorbereitet, verließ er 1869 Wien, um auf den Gütern des bayrischen Grafen Arco-Valley in Oberösterreich seinen Beruf praktisch zu treiben. Nach zweijähriger Praxis gab er sich auf der höheren landwirthschaftlichen Lehranstalt Francisco-Josephinum in Mödling bei Wien zwei Jahre hindurch seinen Studien weiter hin und ging dann nach Deutschland, um an den Universitäten zu Halle a. d. Saale und Leipzig Vorträge über Landwirthschaft, Naturwissenschaft, Nationalökonomie, Philosophie und sonstige allgemein [244] bildende Disciplinen zu hören. Mit der Inaugural-Dissertation: „Die Capitalarmut und Creditnoth der Landwirthe Ungarns, deren Ursachen und Abhilfsmittel“ (Leipzig 1877, Stauffer) erlangte er an letztgenannter Hochschule die philosophische Doctorwürde, worauf er seine Kenntnisse noch durch weitere Privatstudien und durch Reisen zu vervollständigen suchte. Im Jahre 1879 verlor er seinen Vater durch den Tod. 1880 gründete er in Leipzig das Correspondenzbureau für Landwirthe und Industrielle und das „Landwirthschaftliche Verkehrsblatt“. Im nächstfolgenden Jahre nahm er einen Ruf nach Bayreuth als erster technischer Secretär des landesculturellen Kreiscomités für Oberfranken an, redigirte als solcher das Vereinsorgan und wirkte nebenbei als technischer Beirath der Regierung und als Wanderlehrer des genannten Kreises. Der gedruckte Jahresbericht (1882) des Kreiscomités enthält eine genaue Darstellung der Wirksamkeit Wehler’s in Bayreuth. Obwohl eine solche umfassende Thätigkeit ihn stark in Anspruch nahm, fand er doch noch immer Zeit, den politischen Vorgängen, die sich mittlerweile abspielten, seine Aufmerksamkeit zu widmen und den schöngeistigen Erscheinungen, wie sie im bunten Wechsel der Büchermarkt brachte, zu folgen. So betrachtete er es denn auch als eine geistbefriedigende Erholung, sich selbst auf diesem Gebiete zu versuchen, und so ward es ihm eine angenehme Nebenbeschäftigung, sich als Mitarbeiter politischer Journale zu bethätigen. Unter solchen Umständen schrieb er eine Reihe von volkswirthschaftlichen, socialen und philosophischen Abhandlungen und Artikeln, Feuilletons, kleine Erzählungen, Kunstreferate u. d. m. Allmälig gewann das Interesse für diese Richtung die Oberhand, und um sich ausschließlich derselben für die Zukunft widmen zu können, nahm er 1883 die Stelle des verantwortlichen Redacteurs des „Prager Tagblattes“ an, welchen Posten er nahezu durch zwei Jahre versah. Nach Verlauf derselben übersiedelte er nach Berlin, wo sich seinem strebsamen Geiste neue Bahnen und ein weiterer Schaffenskreis eröffnen sollte. In der frisch aufstrebenden jungen Weltstadt an der Spree mit ihrem lebhaft pulsirenden literarischen Schaffen fühlte sich Wehler besonders angeregt, sein Talent nach einer Richtung zu entwickeln, für die er zwar von vornherein beanlagt war, die er aber bislang, wenn auch mit Vorliebe, so doch nur nebenbei gepflegt hatte: es ist die Causerie, die Plauderei. So hat er denn beschlossen, seine zahlreichen in den Feuilletons der Zeitungen, an denen er arbeitet, veröffentlichten Aufsätze zu sammeln und in Buchform herauszugeben, welche demnächst bei Luckhart in Berlin in zwei Bänden erscheinen sollen, deren einer den Titel hat: „Berliner Plaudereien. Gelegenheitsbetrachtungen und Stimmungsbilder“; der andere: „Blätter am Wege. Gesammelte Skizzen, Feuilletons, Erzählungen, Humoresken, Novelletten u. s. w.“ Früher entlehnte das Feuilleton seinen Inhalt zumeist aus Büchern, jetzt werden diese aus Feuilletons zusammengesetzt.

Deutscher Literaturkalender auf das Jahr 1884. Herausgegeben von Jos. Kürschner. Sechster Jahrg. (Berlin und Stuttgart, W. Spemann, 32°.) S. 282.