BLKÖ:Vocedálek, Franz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 51 (1885), ab Seite: 117. (Quelle)
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Vocedálek, Franz (čechischer Naturdichter, geb. in Böhmen – Geburtsort unbekannt – um das Jahr 1755, gest. zu Nová Ves 1845). Franz erlernte das Schneiderhandwerk’, später übte er in dem Dorfe Nová Ves, welches am Fuße des Riesengebirges liegt, auch die Schusterei aus; ja als er bereits fünfundfünfzig Jahre zählte, hantirte er sogar als Maurer; es galt, wie es den Anschein hat, unter allen Umständen den Lebensunterhalt zu erwerben, und ging es nicht mit dem einen Geschäfte, so versuchte er es mit dem anderen. Erst 1802, im Alter von 47 Jahren, erlernte er lesen und schreiben. Eine Bibel, welche er zufällig in die Hand bekam, machte ihn so lernbegierig, daß er sich diese Grundelemente alles Wissens aneignete. Jung verheiratet, hatte er aus seiner Ehe mehrere Söhne, [118] deren einer in der kaiserlichen Armee diente und zu Prag in Garnison sich befand. Im Jahre 1809 besuchte der Vater denselben und wohnte bei dieser Gelegenheit zum ersten Male im Leben einer theatralischen Vorstellung bei. Der Eindruck, den er da erhielt, war jedenfalls ein mächtiger, denn, heimgekehrt, konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, ein Schauspiel zu verfassen, ähnlich demjenigen, welches er in Prag gesehen, und nun benützte er seine freien Stunden an Sonn- und Feiertagen zur Ausführung seines Vorhabens. So vollendete er 1811 seine erste dramatische Arbeit, für welche er den Stoff der Bibel entnommen. Das Stück, welches den Titel „Moses“ führte, wurde noch im nämlichen Jahre alle Sommersonntage auf dem Bauerntheater in Nová Ves unter freiem Himmel auf grüner Wiese gespielt. Es hat sich jedoch von dieser Dichtung nur ein Bruchstück erhalten. Aus demselben theilt Alf. Waldau in seinem Schriftchen „Böhmische Naturdichter“, S. 124–130, eine Probe in deutscher Uebersetzung mit, aus welcher das Talent des Bauerndramatikers unverkennbar hervorleuchtet. Im Sommer 1812 brachte Vocedálek ein anderes biblisches Schauspiel: „Tobias“, im Sommer 1813 ein drittes: „David“, zur Aufführung. Ersteres ist verloren gegangen, dagegen hat sich letzteres, betitelt: „Nova komedia o Davidova“, vollständig erhalten, und auch von diesem Stücke gibt Waldau im benannten Werke eine Probe in deutscher Uebersetzung. Noch zwei andere Dramen: „Daniel“ und „Nová komedia o svatém Petru a Pavlu“, d. i. Neue Komödie vom heiligen Petrus und Paulus, sind unversehrt auf uns gekommen, ebenso das weltliche Stück: „Nová komedia o Libuši“, d. i. Neue Komödie von Libuša, welches Vocedálek am 12. März 1816 vollendete. In die genannten Dramen hat der Dichter auch eine kleine Anzahl von Liedern eingeflochten, welche meist didaktisch-moralische Betrachtungen und christlich-erbauliche Gedanken enthalten. Wenn Waldau den eigentlichen poetischen Werth derselben minder hoch anschlägt, so wollen sie ihm doch besser gefallen, als die Dichtungen jenes Theiles der „modernen böhmischen Dichterschule“, der durch „Krankhaftigkeit des Geistes, forcirte Gewalt, gereiztes Pathos, Disharmonie, Extravaganz, Zerfahrenheit der Composition und farbenschillernde Blasirtheit der Gedanken“ nicht eben zu seinem Vortheile charakterisirt wird.

Der Bote von der Eger und Biela (4°.) 1860, Nr. 30: „Ein Dramendichter aus dem Volke“.