Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Urban, Fr.
Band: 49 (1884), ab Seite: 124. (Quelle)
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4. Gregor Urban lebte zu Beginn dieses Jahrhunderts; Schuster seines Zeichens, übte er sein Handwerk in Budweis. Er ist nicht der erste Schuster, der außer der Ahle auch den Federkiel ergriff, verdanken wir doch dem ehrbaren Hans Sachs solche geistige Genüsse, daß sich heute noch die ernstesten Literaturhistoriker mit der Redaction seiner Werke befassen. Ein Schuster aber, der bei seinem Leisten bleibt und über sein Handwerk schreibt, tritt uns in Gregor Urban entgegen, und Engelman’s „Bibliotheca medico-chirurgica et anatomico-physiologica“ (1848) bringt ohne Anstand das Werk des in Rede Stehenden: „Wissenschaft der äußeren Fußpflege oder Anweisung, wie die Füße nicht durch üblen Gang und schlechte Schuhmacherarbeit zu verderben sind“ (Wien 1817, gr. 8°.) in die Reihe wissenschaftlicher Werke. Um einen Grad tiefer steigt der Budweiser Schuster mit seiner Schrift: „Praktische Bemerkung über Stiefelwichs und Stiefelwichser“ (Neuhaus in Böhmen 1818, Jos. Landfraß), und wenn er auch diesen Gegenstand nicht wie den vorigen als Wissenschaft behandelt, so bleibt er doch dem wissenschaftlichen Principe möglichst treu, da er gleich im Vorwort sagt: „Eine Sache wird dann gut und zweckmäßig genannt, wenn sie das, was sie beabsichtigt, leistet“ („Zweck“ und „leisten“, man sieht, Schuster Urban bleibt auch in seiner Schreibweise bei seinem Leisten). Nun aber versteigt er sich zur Metaphysik, indem er wörtlich schreibt: „Es ist eine freche Anmaßung und schamlose Charlatanerie, wenn Wichsfabrikanten unbedingt, ohne die Idiosynkrasie des Leders zu kennen, Wundercuren von den Stiefeln verheißen oder keck eine förmliche Wasserscheu (witzige Umschreibung für Wasserdichtigkeit) durch ihre Composition hervorbringen zu können, prahlen...“. Der Autor spricht von einer Idiosynkrasie des Leders!! Das geht über Hegel und Rosenkranz! Man sieht, der Mann hat Methode und geht in seiner Behandlung des Stoffes rationell vor. Uebrigens war auch Urban, der vor mehr als 60 Jahren lebte, schon von dem Einflusse der Reclame überzeugt, denn als Motto setzt er seiner Schrift, die wohl heute eine bibliographische Seltenheit sein möchte, die Verse vor: „Will dein nettes Füßchen rein, | dauerhaft und dennoch fein | Wie es sich gebührt, bekleidet sein, | Kehre zu dem „großen Stiefel“ ein. | Sein Schild hieß nämlich „zum großen Stiefel in Budweis“. Das waren denn noch gute Zeiten: heutzutage würde der große Budweiser Stiefel von den Čechonen zerrissen werden. –