BLKÖ:Tyszkiewicz, Vincenz Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 201. (Quelle)
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18. Vincenz Graf Tyszkiewicz (geb. in Galizien 1795) trat nach beendeten Studien in Kriegsdienste und machte die Feldzüge 1809 und 1812 mit. Nach der Entscheidung des Schicksals seines Vaterlandes im Jahre 1814 nahm er Theil an allen geheimen Verbindungen der Polen. Später als Mitglied der russischen Verbindung vom Jahre 1825, deren Häupter Pestel, Bestuschew, Rylejew und Andere den Henkertod starben, sowie als Mitglied der polnischen Gesellschaft Lukasinski’s wurde er zu achtmonatlicher Haft verurtheilt, welche er in Lemberg verbüßte. Aus derselben entlassen, begab er sich zu seinem Bruder Heinrich, der zu jener Zeit Adelsmarschall von Kiew war, und nachdem er sich vermält hatte, ließ er sich 1827 bleibend in Podolien nieder. Dort lebten die Erinnerungen an das alte Polen ungeschwächt, wenn auch im Geheimen fort. Als daher der Aufstand vom 29. November 1830 ausbrach, blieb auch Podolien nicht zurück. Bald warf man die Augen auf Tyszkiewicz, denn die Verfolgungen, die er im Jahre 1826 erlitten, waren kein Geheimniß, und die Wahl eines Chefs der allgemeinen Insurrection fiel daher auf ihn. Er weigerte sich wohl, dieselbe anzunehmen, aber man drang in ihn, und um nicht in der Stunde, wo es galt, für die [202] Sache des Vaterlandes einzutreten, als feige zu erscheinen, gab er nach, behielt sich aber vor, im Augenblicke, wenn er Alles organisirt habe und man zur That schreiten müsse, die Oberleitung in die Hände eines Fähigeren niederzulegen. Als es sich um die Ernennung eines Chefs für die podolische Insurrection handelte, verfiel eine große Partei wieder auf Tyszkiewicz, während in einem anderen Bezirke Johann Sulatycki gewählt wurde. Um nicht durch Zwiespalt der Sache zu schaden, verzichtete der Graf auf seine Wahl, sich freiwillig seinem Competenten unterordnend und den Eid der Treue leistend. Als aber später sich Umstände einstellten, welche Sulatycki hinderten, die Wahl anzunehmen, trat Tyszkiewicz als Hauptorganisator von ganz Podolien und der Ukraine auf. Oczeretna, das Gut seines Bruders, wurde nun der Mittelpunkt der podolischen Erhebung, deren Haupt er selbst war. Nach dem Einzuge des Generals Dwernicki in Volhynien erhob sich ganz Podolien. Da aber erschien an der galizischen Grenze ein gewisser Major Chruszikowski, der sich für einen Agenten der polnischen Regierung ausgab und auch bald einigen Anhang gewann. So gab es jetzt zwei Parteien in einem Momente, wo Einigkeit und Einheit vor Allein noth that. Zum Ueberflusse waren die Befehle Chruszikowski’s nur geeignet, Verwirrung hervorzurufen, statt auf ein Zusammenwirken der Erhebung hinzuarbeiten. In Folge dessen geschah es, daß statt der allgemeinen Erhebung, die an einem Tage, am 5. Mai 1831 erfolgen sollte, der Aufstand an vielen Punkten vor dem anberaumten Tage isolirt zum Ausbruche kam. Hiedurch war die ganze Insurrection dem Zufall preisgegeben und den Russen es leicht gemacht, dieselbe zu bewältigen. Tyszkiewicz legte, da sich im Augenblicke an der Sache nichts ändern ließ, sein Commando nieder, und als überall russische Truppen ins Land brachen, galt es, sich durch die Flucht zu retten. Ein Fräulein Wyslocka verhalf ihm zu Bedientenkleidern und in diesen entkam er glücklich auf galizisches Gebiet. Auch hier entging er allen Nachforschungen, und so kehrte er bald darauf nach Polen zurück, wo er zum Adjutanten des Oberbefehlshabers und später zum Abgeordneten seines Districts bei der Nationalversammlung in Warschau ernannt wurde. Als Landbote war er auch Mitglied der Deputation, welche das Verhalten des Generals Skrzynecki zu untersuchen hatte. Später theilte er das Schicksal des Reichstages und flüchtete mit den Mitgliedern desselben nach Preußen, von wo er nach Sachsen ging. Im Jahre 1832 begab er sich mit Erlaubniß der österreichischen Regierung auf seine Güter in Galizien. Als aber 1833 neue Verschwörungen gegen die russische Regierung angezettelt wurden und man ihn der Theilnahme an denselben verdächtigte, mußte er, obgleich er sich allen Umsturzplänen gegenüber theilnahmslos[WS 1] verhalten, dieselben sogar als unausführbar und nur ihren Urhebern Verderben, dem Lande aber kein Heil bringend bezeichnet hatte, dennoch Galizien verlassen. Und so begab er sich im Winter 1833 mit seiner Familie nach Belgien. Seine ferneren Geschicke sind uns unbekannt. [Straszewicz (Joseph). Die Polen und die Polinen der Revolution vom 29. November 1830 (Stuttgart 1832 u. f., E. Schweizerbart, gr. 8°.) S. 457: „Graf Vincenz Tyszkiewicz“. – Derselbe. Les Polonais et les Polonaises de la révolution du 29 Novembre 1830 etc. (Paris 1832, Pinard, Lex. 8°.). – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1834, Brockhaus, gr. 8°.) Bd. IV, S. 678 [nach diesem ist Graf Tyszkiewicz im Jahre 1795, nach Straszewicz 1792 geboren]. – Porträt. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges. Darunter in lateinischer Schrift: W. Tyszkiewicz. Lith. de Villain, gr. 8°.). –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: theilnamslos.