BLKÖ:Thierry, Adolph Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Thiergen, Adalbert
Band: 44 (1882), ab Seite: 228. (Quelle)
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Thierry, Adolph Freiherr von (k. k. Polizeiminister, geb. zu Kuttenberg in Böhmen im Jahre 1803, gest. zu Wiesbaden am 6. November 1867). Ein Sohn des Maria Theresien-Ritters Ludwig Freiherrn Thierry [siehe den Folgenden], der einer adeligen katholischen Familie im Großherzogthum Luxemburg entstammt, verlebte er seine Kindheit in Kuttenberg, wo er auch die Schule besuchte. Als dann sein Vater als Generalmajor nach Brünn kam, setzte er daselbst seine Studien fort, nach deren Abschluß er der politischen Sphäre des [229] Staatsdienstes sich widmend, bei dem Gubernium in Brünn eintrat. Im Jahre 1830 aber ging er zur Diplomatie über, kam 1837 als Legationsrath zur Bundespräsidial-Gesandtschaft in Frankfurt a. M., wo er später zum Hofrathe und Bundeskanzlei-Director befördert wurde. Zu Anfang des Jahres 1849 ins Ministerium des Aeußern übersetzt, zog er sich nach dem Tode des Fürsten Schwarzenberg ins Privatleben zurück, aus welchem er nach fünf Jahren durch den Grafen [[BLKÖ:Rechberg und Rothenlöwen, Johann Bernhard Graf|Rechberg], der ihn von Frankfurt her kannte, wieder in seine frühere Stellung zurückberufen wurde. Als Freiherr von Hübner das am 21. August 1859 übernommene Polizeiministerium nach kaum achtwöchentlicher Verwaltung niederlegte, erhielt unter dem Minister Agenor Grafen Goluchowski am 21. October Freiherr Thierry dasselbe, aber schon nach einem Jahre, am 20. October 1860, trat er zugleich mit Goluchowski zurück, worauf seine Ernennung zum Mitglied des ständigen Reichsrathes erfolgte, aus welcher Stellung er nach Aufhebung dieses letzteren in den bleibenden Ruhestand versetzt wurde. Das Jahr seiner polizeiministeriellen Wirksamkeit gehört nicht zu seinen glorreichsten, sein Rücktritt ward nicht nur nicht bedauert, sondern im Gegentheil beklagte man, daß derselbe nicht schon viel früher erfolgt sei, ja, daß Thierry überhaupt zu einer Stelle berufen worden, zu welcher er den ganz vormärzlichen Geist kleinlicher Nergeleien und die Kunst im Kleinen groß zu sein, aber sonst auch nicht ein Atom staatsmännischer Begabung mitgebracht. In der Muße seines Ruhestandes vertrieb er sich die Zeit mit nationalökonomischem Sport, und zwar war er in London als Haupttheilnehmer bei den Verhandlungen thätig, durch welche von der österreichischen Regierung die Concession für die Anglo-Austria-Bank erwirkt werden sollte, worüber er gemeinschaftlich mit John Lever in einen Proceß gegen Lord Fermoy und O’Beirne sich verwickelt sah, bei dem es sich um nichts Geringeres als den Ersatzanspruch einer Summe von 30.000 Pfund Sterling handelte. Die Angelegenheit, welche am 20. Februar 1865 vor dem Gerichtshof der Queens Bench in London zur Verhandlung kam, wurde auf Antrag des Lordoberrichters und mit Genehmigung beider Parteien einstweilen durch einen Vergleich geschlichtet, der darauf ausging, daß der Gerichtshof für den Fall einer Entscheidung zu Gunsten der Kläger ermächtigt sei, das Streitobject, wenn er es für angemessen hatte, auf 20.000 Pfund Sterling zu reduciren. Welchen Ausgang der Proceß dann genommen, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht genau bekannt, doch scheint es, daß er nicht zu Gunsten des Expolizeiministers ausgefallen, da dieser später aus London nach Wiesbaden übersiedelte, was wohl zunächst deshalb geschah, weil ihm, nachdem die englischen Gerichte sich mit seinen Bankgründungskostenrechnungen nicht ganz einverstanden erklärt, die Luft Altenglands nicht eben gut bekommen haben mag. In Wiesbaden aber erlag er nach kurzer Zeit einem Lungenleiden im Alter von 63 Jahren. Baron Thierry gehört der Periode jener unglückseligen Experimente an, mit denen Agenor Graf Gołuchowski die Aera der trostlosen Verwicklungen Oesterreichs inaugurirte, an welchen es noch heute leidet, und welche der Wiener Witz – im höchsten Weh noch immer urkomisch und drastisch – in der Anspielung auf den griechischen Vornamen des an die Spitze des Staates gestellten Sarmaten mit [230] dem Wortspiel kennzeichnete: „Agenor, ah geh nur!“

Presse (Wiener polit. Blatt) 1859, Nr. 275, vom 26. October: „Baron Adolph Thierry“. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 310, in den „Personal-Nachrichten“.