Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sicard (Monsignore)
Band: 34 (1877), ab Seite: 208. (Quelle)
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Sicard, Pauline (Sängerin, geb. zu Pesth im J. 1810). Wer ihre Eltern in Pesth waren, wie über ihre Familienverhältnisse ist nichts bekannt. Schon in der Biographie des Architekten August Sicard v. Sicardsburg ist bemerkt, daß als sein Geburtsort von Einigen Wien, von Anderen Pesth bezeichnet wird. Vielleicht besteht zwischen ihm und der Sängerin Pauline Sicard, einer geborenen Pestherin, ein Familienzusammenhang. Pauline kam in jungen Jahren nach Mailand, wo sie durch den berühmten Banderoli zur Sängerin herangebildet wurde. Erst 15 Jahre alt, trat sie bereits im Theater San Carlo zu Neapel in der Rolle der Amenaida in Rossini’s „Tancred“ auf, und feierte, obgleich erst vor ihr die berühmte Fodor diesen Part gesungen, einen glänzenden Erfolg. Ihre Jugend und Schönheit, ihre bezaubernde Stimme und meisterhafte Schule halfen ihr diesen Sieg erringen. Nach solchem Erfolge fehlte es nicht an den vortheilhaftesten Anträgen von verschiedenen Seiten. Zunächst ging sie nach Mailand und sang in der Scala. Darauf nahm sie einen Antrag nach Lissabon an, wo sie drei Jahre verweilte. Ihr Aufenthalt daselbst fiel gerade in die Zeit der Verleihung der Constitution und der Ankunft Don Miguel’s. Sie erregte dort eine kaum zu schildernde Begeisterung, sie wurde oft vom Publikum stürmisch zum Vortrage der Constitutions-Hymne aufgefordert, nicht selten selbst dann, wenn sie als Zuschauerin in der Loge saß. Man wollte diese Hymne, von dem Zauber ihrer Stimme verklärt, immer wieder hören. Aber eben diese Beliebtheit wurde auch die Ursache ihres Mißgeschickes. Nachdem nun alle übrigen Mitglieder erkrankt waren, mußte sie sich über ihre Kräfte anstrengen und fast drei Monate hindurch alle Abende hinter einander singen, obwohl ihr Organ schon bis zum krankhaften Anschwellen des Halses angegriffen war. Ihre Gegenvorstellungen beim „Impresario“ waren [209] eitel in den Wind geredt, er bestand auf seinem Schein und war nicht um ein Haarbreit davon abzubringen, weil sonst die Bühne hätte geschlossen werden müssen. Pauline raffte daher alle ihre Kraft zusammen und sang. Aber sie büßte diese vermeintliche Pflicht mit dem Verluste ihrer Stimme. Diese war durch solche Anstrengung so erschüttert und geschwächt worden, daß sie die glänzendsten Anträge von London, Paris, Neapel, Mailand ausschlagen mußte. Ihre einzige Hoffnung blieb, durch Ruhe den Verlust zu ersetzen. Nachdem sie ein Jahr lang pausirt, wagte sie es in Mailand wieder aufzutreten. Das Wagniß mißlang. Sie ging nun nach Paris, um alle berühmten Aerzte und Gesangslehrer zu Rathe zu ziehen, allein kein Mittel, kein Rath halfen mehr. So in der Blüthe ihrer Jahre durch die nichtswürdige Rohheit und den gemeinen Eigennutz eines Menschenwucherers aus dem Zauberlande des Gesanges gewissermaßen verbannt, kehrte sie in tiefer Schwermuth in ihr Vaterland zurück. Nachdem sie einigermaßen Fassung und Ruhe gefunden, wollte sie es auf anderer Laufbahn versuchen und sie beschloß, Schauspielerin zu werden. Sie machte auch einige für eine Anfängerin vielversprechende Versuche auf den Bühnen in Wien, Dresden und Berlin, konnte aber kein festes Engagement finden. In Berlin endlich, wo sie zuletzt sich aufhielt, gelang es ihr, als Gesangslehrerin der königlichen Prinzessinen Beschäftigung zu finden. Für den Salon war ihre Stimme noch ausreichend und eignete sich ihr angenehmes Organ vornehmlich zum Vortrage von Liedern romanischer Zunge, u. z. italienischer, spanischer und portugiesischer Volkslieder. Sie nahm nun in Berlin bleibenden Aufenthalt und lebte dort eine Reihe von Jahren als treffliche und sehr gesuchte Gesangslehrerin.

Schilling (G. Dr.), Das musikalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhard, gr. 8°.) S. 315.