BLKÖ:Selvatico, Pietro
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 34 (1877), ab Seite: 73. (Quelle) | |||
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Winckelmann[WS 1] und unter den Franzosen einem Agincourt an die Seite stellten. Neben seinen Studien als Kunstforscher machte er sich aber auch als Zeichner und Architekt verdient. So entwarf er anläßlich des Todes des Kaisers Franz I. das Castrum doloris, [74] welches in der Paduaner Domkirche aufgestellt wurde und welches als Denkmal der Trauer von Seite der Kunstkritik wegen seiner ebenso sinnigen als künstlerischen Anordnung gerechte Würdigung fand. Auch entwarf er im Jahre 1848 im Spitzbogenstyl die neue Façade von S. Pietro in Trient, deren Ausführung Gasparo Bartolozzi durch Verschreibung eines ansehnlichen Legates angeordnet und ermöglicht hatte. Dann zeichnete er im Jahre 1850 den Hochaltar in der neuen Kirche des h. Johann Baptist in Mezzolombardo, welcher von dem Bildhauer Antonio Gradenigo ausgeführt worden, und eine Todtencapelle im gothischen Styl, welche in Vescovana der Conte Almoró Pisani von dem vorbenannten Künstler hatte ausführen lassen. Ungleich bedeutsamer erscheint aber Selvatico’s Wirksamkeit als Schriftsteller auf kunsthistorischem und kunstphilosophischem Gebiete. Der größere Theil seiner Arbeiten befindet sich wohl meist in Sammelwerken und periodischen Fachschriften zerstreut gedruckt, doch Einzelnes ist auch selbstständig erschienen, so: „Sulla Symbolica cristiana del Secolo X, XI e XII“ (Venezia 1846, Antonelli); – „Sugli insegnamenti architettonici[WS 2] e sulle riforme di cui abbisognamo“ (Milano 1846, Redaelli), und „Storia estetico critica delle arti del disegno, ovvero l’Architettura, la Pittura, e la Statuaria considerate nelle correlazioni fra loro e negli svolgimenti storici, estetici e tecnici“, zwei Bände 1852, Naratovich, 8°.), Selvatico’s Hauptwerk, in dessen erstem Theile er in 25 Lectionen die Kunst der Alten, im zweiten Theile in 32 Lectionen die Kunst seit ihrem Wiederaufleben in der christlichen Zeit bis zu Anbeginn des 19. Jahrhunderts behandelt. In einem Anhange gibt er Nachrichten über die Zeichnenmethode und Malpraxis in Oel und al fresco der Maler im 15. und 16. Jahrhunderte, verglichen mit jener der heutigen Künstler. Jeder einzelnen Lection ist eine reiche Uebersicht der einschlägigen Literatur beigegeben, wodurch das ohnehin gründliche Werk noch werthvoller erscheint, wie dann noch andere Zugaben, so Seite 186 des 2. Bandes die Uebersicht der merkwürdigsten Kirchenbauten und jene der bedeutendsten Grabdenkmäler seit Beginn des 14. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart besonders hervorzuheben sind. Treffliche, beiden Bänden angeschlossene, reichhaltige Register steigern wesentlich den Werth des anerkannten Werkes. Selvatico hat zu seinen Kunststudien Reisen gemacht und die Ergebnisse derselben in verschiedenen Fachschriften veröffentlicht. Einer seiner dahin einschlägigen Aufsätze: „Ueber die moderne Kunst in München und Düsseldorf“, worin sich S. vornehmlich über die Bauwerke Friedrich Gärtner’s verbreitet und der im Maihefte der „Revista Europea“ des Jahres 1845 abgedruckt war, hat seinerzeit allgemeines Aufsehen erregt und in Fachkreisen die Aufmerksamkeit auf den unerschrockenen Verfechter reformatischer Ideen in Sachen der Kunst gerichtet. Mehr noch aber alles bisher Gesagte erhöht Selvatico’s verdienstvolles Wirken auf dem Gebiete der Kunst seine Bemühung, dem Mißbrauche der stricten Nachahmung des Alterthums auf den italienischen Akademien zu steuern. Wir sind nicht mehr Römer und Griechen, ruft er aus, also ist es lächerlich, es ihnen in Allem nachzumachen. Die Gesetze des Schönen bleiben sich überall und zu allen Zeiten, bei den Alten wie in der Gegenwart, gleich und [75] in denselben gibt es keine sklavische Nachahmung, sondern nur ein sorgfältiges Studium. Mit dieser Theorie der wahren Kunst ist eben auch die Praxis zu vereinbaren und ist das Studium der Natur auf das sorgfältigste zu betreiben. Das Studium derselben bietet den einzigen Schlüssel, welcher die Pforten der Kunst öffnet. Mit diesen Ansichten, welche Selvatico in seinen beiden Abhandlungen: „Intorno alle condizioni presenti delle arti del disegno“ (Venezia 1857) und „Sull insegnamento libero delle arti del disegno surrogati alle Accademiae“ (ebd. 1858) mit objectiver Klarheit auseinandergesetzt, und worin er gegen das Gebaren der Kunstakademien in Italien Front gemacht, hatte er aber alle bösen Geister gegen sich heraufbeschworen. Freilich gehörte auch der ganze Mannesmuth eines Selvatico, der es ehrlich mit der Kunst meint, dazu, es offen auszusprechen, „daß die etwa 1217 Künstler, welche in der Zeit von 1807–1857 an der Venetianer Akademie ausgebildet worden, „1217 sociale Plagen“ sind, deren jede dem Aerar 800 fl. gekostet“. In der Presse begann der Kampf gegen den freventlichen Neuerer; der in Venedig erscheinende „Indicatore“ griff Selvatico in erbittertster[WS 3] Weise an; allen voran aber trat der k. k. Feldmarschall-Lieutenant in Pension, Baron Vacani, der als einstiger Zögling der Akademie der Brera für die in ihrer Wirksamkeit angegriffenen vier Akademien zu Mailand, Venedig, Florenz und Carrara das Wort ergriff, gegen S. auf, und schleuderte seinen Bannstrahl gegen den einstigen Secretär und Ex-Präsidenten der Venetianer Akademie einen Strahl, der nicht zündete, während die Einwürfe seines mannhaften Gegners Licht in die Dunkelheit der oberitalienischen Kunst geworfen. Selvatico lebt als beständiger Secretär und Präsidenten-Stellvertreter der Accademia di belle arti, in Venedig, ist Ehrenmitglied der Akademie der schönen Künste in Mailand, correspondirendes Mitglied des Institutes der Wissenschaften und Künste in Venedig, Ehrenmitglied und Correspondent des kön. Institutes der britischen Architekten in London und im April 1854 hat ihn der Kaiser von Oesterreich mit dem Orden der eisernen Krone 3. Classe ausgezeichnet.
Selvatico, Pietro (Kunstforscher und Kunstschriftsteller, geb. zu Padua 27. April 1803). Einer alten italienischen Adelsfamilie entstammend, zeigte er in früher Kindheit einen seltenen Lerntrieb und mit nicht gewöhnlichen Talenten ausgestattet, betrieb er mit großem Eifer historische und dann vornehmlich kunsthistorische Studien, in letzteren mit solchem Erfolge, daß ihn seine eigenen Landsleute unter den Deutschen einem- L’Indicatore (Venezia, kl. Fol.) 1858 Nr. 30: „Le Accademie di belle arti“; Nr. 33; „Cenno sugli oposcoli Selvatico stampati contra le accademie di belle arti“; Nr. 34: „Gli allievi della Veneta Accademia di belle arti.
- Porträt. Unterschrift: P. Selvatico, A. Tomaselli dis., A. Costa inc. (Venezia 4°.).