Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Plattner, Franz
Band: 22 (1870), ab Seite: 405. (Quelle)
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Plattner, Anton (Poet und Sonderling, geb. zu Zirl bei Innsbruck 3. November 1787, gest. 27. Jänner 1855). Der Sohn dürftiger Eltern, der als Knabe Schafe hütete, später besuchte er das Gymnasium zu Hall und hörte die philosophischen Studien zu Innsbruck. Er hatte dieselben eben beendet, als das denkwürdige Jahr 1809 über Tirol hereinbrach. Er schloß sich sofort der Erhebung seiner Landsleute gegen die Bayern an und theilte als Hauptmann der ersten Compagnie der Freiwilligen aus dem Gerichte Hörtenberg alle Gefahren und Mühen des Kampfes, von der Erstürmung der Innbrücke zu Innsbruck am 12. April bis zum Abbrechen des letzten scharfen und blutigen Gefechtes unter der Martinswand am 3. November. Er hat über diese Periode sorgfältig ein Tagebuch geführt, welches sich leider in seinem Nachlasse nicht vorgefunden hat. Sein Geburtsort Zirl brannte am 3. November ab und auch sein väterliches Haus ward ein Opfer der Flammen. Mit dem Kriegsleben hatte es auch ein Ende und so gerieth P. auf den Gedanken, auf Reisen zu gehen. Ohne Paß, ohne Geld, nichts als seine Studien- und Schützenzeugnisse in der Tasche, machte er sich auf den Weg. Er durchzog Bayern, Böhmen, kam nach Prag, wo er eine unerwartet gute Aufnahme fand, einen ordentlichen Reisepaß nach Wien erhielt, wo es ihm auch ganz gut erging und er ansehnliche Unterstützung erhielt. Von Wien machte er einen Ausflug nach Ungarn und dann kehrte er in seine Heimat zurück. Näheres und mitunter Ergötzliches über diese abenteuerliche Fahrt Plattner’s berichtet die S. 407 angeführte Quelle. Diese Reise war nicht ohne Gewinn geblieben, arm war er ausgezogen und mit so viel Geld war er zurückgekehrt, daß er seinen verunglückten Eltern ihr Haus bauen helfen und seine Studien mit Ehren fortsetzen konnte. Er wählte sich den geistlichen Stand und erhielt im Februar 1818 die Priesterweihe; er wurde bald in der Seelsorge verwendet und diente bis 1825 im Innthale zwischen Volders [406] und Petnau, wohl an zehn verschiedenen Orten als untergeordneter Priester, bis er endlich auf die Expositur Jerzens versetzt wurde. Bis dahin währt der freundliche Abschnitt seines Lebens, nun aber tritt eine Wendung in demselben ein, welche sich allmälig zu einer höchst abenteuerlichen Verwicklung steigert, wofür es keinen nur einigermaßen annehmbaren Erklärungsgrund gibt. In Jerzens brach 1826 das Uebel offen aus, das ihn von nun an zu einem Räthsel für die Leute machte. Er wollte „Kränkungen bis zum Wahnsinn“ erlitten haben, worin dieselben bestanden, konnte man nie erfahren. Im Jahre 1828 trat er zeitweilig ganz aus der Seelsorge und privatisirte in Zirl. Eine Unbesonnenheit, die er sich zu Schulden kommen ließ, veranlaßte, daß er, nach Brixen berufen, zur Verantwortung gezogen wurde. Die Verhandlung endete damit, daß man ihn im Juli 1831 in das Irrenhaus zu Hall abgab. Aus demselben wurde er nach zwei Jahren entlassen, worauf er nach Zirl, ohne in der Seelsorge verwendet zu werden, zurückkehrte. Er wurde für geisteskrank angesehen. In Zirl verlebte er in einem überschwenglichen Naturgenuß die Jahre bis 1839. Im Frühlinge letztgenannten Jahres liefen neue Klagen über ihn ein, in Folge deren er wieder nach Brixen zur Verantwortung geladen wurde. Seine Bitte, sich vor dem Decan in Innsbruck verantworten zu dürfen, wurde ihm gewährt, und dieser überredete ihn, freiwillig nach Brixen zu gehen und sich als Geisteskranken behandeln zu lassen. P. ließ sich nach Brixen führen, erfuhr daselbst eine schonende Behandlung, welche die besten Früchte zu tragen schien, als er eines Tages Anfangs Juli plötzlich verschwand. Er war in seine Heimat in die ihm so lieb gewordenen Gebirge derselben geflohen und lebte dort wie ein Wilder. Mitleidige Seelen schickten ihm dann und wann eine Speise. Später erbaute er sich eine Hütte, in der er wohnte. Versuche seiner Vorgesetzten, ihn zu einer anständigen Lebensweise zurückzubringen, blieben erfolglos. Endlich wandten sich diese an die politische Obrigkeit, die den bedauernswerthen Sonderling aus dem Gebirge abholte, in welchem er über drei Monate zugebracht hatte, und ihn nach Brixen an die Krankenanstalt ablieferte. Sein Aufenthalt daselbst dauerte über zwei Jahre. Im Jahre 1842 schien er soweit hergestellt, daß er, wie es sein eigener Wunsch war, wieder in die Seelsorge treten konnte. Er erhielt eine Stelle in Bruneck. Aber nach wenigen Monaten war er bereits mit allen seinen Verhältnissen und seiner Umgebung völlig überworfen. Nach Brixen zurückgebracht zu werden fürchtete er, und so faßte er die abenteuerliche Idee, durch und nach Amerika zu gehen. Er machte sich auch wirklich auf den Weg, kam auch über Mainz in’s Württembergische, kehrte aber dann nach mannigfachen Erlebnissen, die sein Biograph erzählt, wieder zurück und lebte von nun an mehrere Jahre friedlich, theils zu Zams, theils zu Fließ. Von dort übersiedelte er im Sommer 1846 nach Brixen, wo er durch und durch aber ein gutmüthiger origineller Sonderlinge bis an sein im Alter von 68 Jahren erfolgtes Lebensende verblieb. Dieses ungewöhnliche und bewegte Leben wäre es noch immer nicht, was ihm eine Stelle in diesem Werke einräumte, aber P. war, wie es aus seinen Aufzeichnungen erhellet, eine geniale hochpoetische Natur. Sein Biograph, der Erbe seines handschriftlichen Nachlasses, theilt größere Abschnitte aus seinen eigenhändigen Aufzeichnungen und eine ziemlich ansehnliche [407] Menge von Dichtungen Plattner’s mit, aus welchen eine hohe poetische Begabung spricht und von denen einzelne wahrhaft reizend genannt werden müssen. Aus allen diesen Arbeiten spricht nichts weniger als ein irrer Geist; wohl aber scheint P. in der Wahl der geistlichen Laufbahn einen Mißgriff gethan zu haben, und von seinen für das Verständniß von Naturen in der Weise Plattner’s geradezu unfähigen Collegen schief beurtheilt, theils verhöhnt, theils denuncirt und so endlich in Conflicte hineingezogen worden zu sein, welche sein Dasein so sonderbar gestalteten und ihn bei der Unmöglichkeit einer anderen entsprechenden Lösung in diese falsche Stellung zur Gesellschaft brachten.

Volks- und Schützen-Zeitung für Tirol und Vorarlberg (Innsbruck, 4°.) 1855, Nr. 36 bis 53: „Anton Plattner. Ein Lebensbild“.