Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mayer, Ulrich Johann
Band: 18 (1868), ab Seite: 182. (Quelle)
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115. Meyer, Ursula, gemeiniglich Meyerin genannt (Kammerfrau der Königin Anna von Oesterreich, Gemalin Sigismund’s III. von Polen, geb. zu München im Jahre 1575, gest. zu Warschau im Jahre 1635). Diese Frau, ein Kind armer Eitern und viele Jahre in Diensten Anna’s von Oesterreich, einer Tochter des Erzherzogs Karl I. von Steiermark, die seit 31. Mai 1592 dem Könige Sigismund III. von Polen vermält war, spielt eine wichtige Rolle in der Regierungsgeschichte dieses Königs und selbst noch seines Nachfolgers Ladislaus IV. Sie stand schon in Diensten der Erzherzogin Anna, ehe diese nach Polen zu ihrem Gatten sich begab, und begleitete sie auf ihrer Reise dahin. Wie bei ihrer Gebieterin, so stand sie auch bei dem Könige bald in hohen Gnaden, und wußte sich auch darin zu erhalten, als Königin Anna (gest. 1598) starb, und ebenso wieder jene der Königin Constantia, der Schwester Anna’s, zu erwerben, als diese nach Anna’s Tode Gemalin des Königs Sigismund III. wurde, so daß sie bald als das Orakel des ganzen Hofes angesehen wurde. Sie saß nicht bloß im Familienrathe, sondern hatte auch Einfluß auf Berathungen in Staatssachen, namentlich aber auf alle Handlungen und Aeußerungen der Huld des Königs. Sie aß immer am königlichen Tische, eine Auszeichnung, welche der bayerischen Prinzessin, die am königlichen Hofe erzogen wurde, nur ausnahmsweise zu Theil ward. Sie fuhr mit dem Könige und der Königin aus, und stieg zu so hoher Achtung, daß sie der königlichen Familie gleichgehalten wurde. Sie führte die Aussicht über die Kinder Sigismund’s III., welche sie wie die eigene Mutter in Ehren hielten und von ihr selbst mit der Ruthe gezüchtigt wurden. In ihrer Anwesenheit, ja eigentlich unter ihrer Obhut wurden alle Geschäfte bei Hofe abgemacht, und in ihrem Gewahrsam befanden sich die Schätze, Kleinodien und Kronjuwelen. Sie besaß ein außerordentliches Gedächtniß, eine Rührigkeit und Ausdauer ohne Gleichen, und je verwickelter eine Angelegenheit erschien, mit um so größerer Leichtigkeit fand sie sich mit ihrem Scharfsinn darin zurecht. Die Jesuiten erkannten bald den Standpunct, den Ursula Meyer am königlichen Hofe einnahm, selbstverständlich näherten sie sich ihr und die gottesfürchtige Deutsche erlag um so eher dem Einflusse dieser Priester, als ihre Beichtiger diesem Orden angehörten. Um sich in dem einflußreichen Weibe eine bleibende und mächtige Stütze am königlichen Hofe zu erhalten, brachten sie es am päpstlichen Hofe dahin, daß Papst Urban ihr zugleich mit einem huldvollen Schreiben, in welchem ihrer Tugenden und Frömmigkeit in huldvollster Weise gedacht ward, den päpstlichen Segen und die goldene Rose schickte. Dieses Geschenk, das in der Regel nur regierenden Königinen und Fürstinen von Geblüt vom Papste dargebracht zu werden pflegte, erfüllte sie mit solcher Dankbarkeit gegen die Jesuiten, daß diese nun, von ihrem Einflusse unterstützt, immer festeren Fuß bei Hofe faßten, und ihre Macht, die ihnen zur Erreichung aller ihrer Zwecke diente, ihrer Gewohnheit gemäß, allmälig immer weiter ausdehnten. Wenn auch darüber viel geflüstert und gelästert wurde, es half nichts. Mehrere polnische Edelleute hatten um Ursula’s Hand geworben, aber vergebens; sie wollte das königliche Haus, ihre Wohlthäter, bei denen sie von ihrer Kindheit an aufgewachsen war, nicht verlassen. Als die Königin Constantia (gest. 10. Juli 1631) nach 26jähriger Ehe mit König Sigismund starb [183] und sich der König im Schmerze über den Verlust seiner Gattin, die er auf das Zärtlichste geliebt, nicht zu trösten wußte, war es die Meyer, die ihn beruhigte, die ihn nun ganz in ihre Obsorge nahm, ihm alle Pflege angedeihen ließ und nicht mehr bis zu seinem letzten Athemzuge von seiner Seite wich. An seinem Krankenlager sitzend, ließ sie Niemand vor, der ihr nicht gefiel, vermittelte die Unterschrift des Königs und förderte die an ihn gerichteten Bitten. Wenn der König sich schlechter fühlte, so war es die Meyerin, wie ein Zeitgenosse, der damalige Kanzler von Lithauen, Albert Radziwill, beschreibt, die in allen öffentlichen Geschäften mitwirkte und deren Erledigung herbeiführte. In Gegenwart der um das Sterbebett versammelten Höflinge verkündete sie, was die Bestellung der Hofämter und sonstiger Gnaden betraf, den letzten Willen des sterbenden Königs, und als der König bereits die Sprache verloren hatte, bestätigte er ihre Worte durch Kopfnicken. Ein solches Ansehen besaß sie und ging dabei, wie der in den Quellen genannte Visconti berichtet, mit so viel Umsicht und Klugheit vor, daß alle auf sie gezielten Geschosse des Neides an ihr abprallten, und daß Niemand weder bei Lebzeiten des Königs und der Königin, noch aber nach deren Tode gegen sie aufzutreten wagte. König Wladislaw IV., den sie selbst aufgezogen und dem sie nicht minder unentbehrlich war wie vordem seinen Eltern, beließ sie unverändert in ihrer Stellung, und nur in den öffentlichen Geschäften hatte sie sich jedes ferneren Antheils entäußert. In häuslichen und Familienangelegenheiten aber besaß sie wie vordem unbegrenzte Macht, und der junge König schrieb, wenn er eben abwesend war, eigenhändig an sie, und zwar wöchentlich mindestens einmal, wenn es auch die Geschäfte nicht gerade erheischten. Wenige Monate vor ihrem Tode ließ sie sich in Lebensgröße malen, in der Mitte der Kinder Sigismund’s III. aus erster und zweiter Ehe, gleichsam als Führerin und Beschützerin ihrer Jugend. Auch der Kaiser, der Nachrichten über seine beiden, an den Polenkönig verheiratheten Schwestern und ihre Kinder zu hören liebte, hielt sie hoch in Ehren und stand mit ihr in ununterbrochenem vertraulichen Briefwechsel; sie als Vermittlerin zwischen sich und den Geschwistern ansehend, erhielt er von ihr alle Nachrichten, welche den königlichen Hof, den König und die Königin und selbst auch die Staatsgeschäfte betrafen. Ursula starb in Warschau im Alter von etwa 60 Jahren; ihr Leichnam wurde in einem der Gemächer des Warschauer Königsschlosses mit dem bei Fürstinen üblichen Gepränge ausgesetzt, dann wurde sie feierlich bestattet. Kronprinz und Kronprinzessin wohnten der Bestattung bei, zu welcher der Bischof von Breslau eigens nach Warschau gereist war. Ihren Angehörigen hinterließ sie nichts, ihr Vermögen, das in Anbetracht der Stellung, welche sie eingenommen, bedeutend größer hätte sein können, verschrieb sie theils zu wohlthätigen Zwecken, theils dem Könige und dem Kronprinzen. Dominik Magnuszewski führt die Gestalt der Meyerin in ihrer ganzen Bedeutung in seinem Werke: „Prace literackie“, d. i. Literarische Arbeiten (Wien 1848, 8°.), in der Erzählung: „Die Rache der Frau Ursula“ (Zemstwa Panny Urszuly) vor. Constantin Majeranowski aber, ein jüngerer polnischer Poet, machte sie zur Heldin des nach ihr benannten Drama: „Ursula Meyerin“, welches zwar noch ungedruckt, aber mit entschiedenem Beifall auf der Bühne in Krakau dargestellt worden ist.

Visconti (Honorat.), Relacyje nuncyjuszów apostolskych o Polsce, d. i. Berichte der päpstlichen Gesandten über Polen (Berlin 1864), Bd. II, S. 218 u. f.