Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 98. (Quelle)
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27. Mayer, Emil (Tonsetzer, geb. zu Linz um das Jahr 1816). Sohn des um die Tonkunst im Allgemeinen, insbesondere aber um die Gründung des Linzer Musikvereins viel verdienten dirigirenden Schullehrers und Regenschori bei St. Mathias in Linz Anton Mayer [s. d. S. 79, Nr. 6]. In Linz beendete er die Studien und widmete sich dem Beamtenstande, indem er in die Dienste der oberösterreichischen Landstände trat, obgleich ihm seine Erziehung und namentlich der musikalische Unterricht seines Vaters eine mehr künstlerische Richtung gegeben hatte. Schon während seiner Studienjahre machte sich sein Talent für Musik und Poesie geltend, dieß sprach sich in vielen lyrischen Gedichten aus, zu welchen ihn zunächst Lenau’s Poesien angeregt, und in mehreren Compositionen, die eine edlere Kunstrichtung verfolgten und von einem in classischer Schule gebildeten Geschmacke zeigten. Damals bereits schrieb er eine große Oper, welche, wenngleich ein Jugendwerk, selbst dem gereifteren Urtheile und der strengeren Kritik im Ganzen für nicht mißlungen, im Einzelnen aber als eine fleißige und tüchtige Arbeit erscheinen mußte. Sie kam nicht zur Aufführung. Seine Vaterstadt bot der Thätigkeit seines nimmer ruhenden Geistes nur einen engbegrenzten künstlerischen Wirkungskreis, er sehnte sich daher nach Anknüpfungspuncten, die ihn mit der Kunstwelt in directen Verkehr setzten. Wie ein leuchtender Strahl, so schreibt er selbst in einem Briefe, fiel daher die Ankündigung des Erscheinens von A. Schmidt’s Musikzeitung, damals für Musik das einzige journalistische Organ des österreichischen Kaiserstaates, in seine Seele. In kurzer Zeit schon sendete er die Biographie seines Landsmannes Joh. Math. Kainerstorfer der Redaction ein (erschien I. Jahrg. 1841, Nr. 55); dieser lud ihn in Folge dessen zur Theilnahme und Mitwirkung an dem Blatte ein, welcher Einladung er mit Freuden folgte, da er dadurch mit dem bewegten künstlerischen Treiben der Residenz wenigstens einigermaßen in Verbindung trat. Nun lieferte er von dem Tage seiner Betheiligung an der Zeitung bis zu ihrem Aufhören (Juli 1848) ausschließlich die Correspondenz-Artikel aus Linz für dieselbe. Seine dießfälligen Aufsätze tragen alle das Gepräge eines gereiften Kunsturtheils und zeigen von vielseitigem Wissen. Ihr größter Vorzug aber besteht in einer strengen Unparteilichkeit und einer Gesinnungstüchtigkeit, die selbst die heftigsten Invectiven der in seinen Kritiken hart getroffenen Musiker und Sänger nicht ein Haar breit zu verrücken vermochten. Außer diesen Correspondenz-Artikeln schrieb er mehrere tüchtige musikalisch-theoretische Aufsätze, einige musikalische Novellen, in schwungvoller Sprache eine reiche Phantasie verrathend, vor Allem aber gründliche Beurtheilungen von musikalischen größeren Werken, welche von seinem bedeutenden kritischen Scharfblicke Zeugniß gaben, wie z. B. über das Oratorium von Marx: „Mose“, welche zu den gediegendsten kritischen Abhandlungen, die über dieses Werk erschienen sind, zählt. Aber auch als Componist war M. thätig. Im Jahre 1841 schrieb er die 8stimmige „Hymne an den Unendlichen“, von Schiller, mit Begleitung des großen Orchesters. Felix Mendelssohn-Bartholdy, welchem er dieselbe [99] widmete, nahm die Dedication mit einem den Componisten ehrenden Dankbriefe an, in welchem der berühmte Meister unter Andern schreibt: „Ich habe dieses Musikstück mit dem größten Interesse gelesen und gespielt, und bin von vielen Wendungen darin so überrascht, daß ich höchst begierig bin, mehr von Ihren Compositionen kennen zu lernen“. Er nennt diese Hymne im weiteren Verlaufe seines Briefes ein „ungewöhnliches Tonstück“. Noch im Jahre 1841 begann M. die Oper: „Der Cid“, deren Text ihm Karl Schmidt, ein Mitarbeiter der Musikzeitung, lieferte. Er sandte dieselbe nach ihrer Vollendung im Jahre 1843 an seinen Freund Karl Kunt [Bd. XIII, S. 388], den kenntnißreichen Musikkritiker der Witthauer’schen Zeitschrift und damals gesuchtesten Singmeister Wiens, der sie nach genommener Einsicht beim Hof-Operntheater einreichte. Nach dem Ausspruche der Capellmeister, welche das Werk prüften, wurden Musik und Libretto zur Aufführung für geeignet anerkannt und ließen einen günstigen Erfolg erwarten, dessen ungeachtet blieb die Oper liegen. Mayer verschmähte in seiner Ehrenhaftigkeit die krummen Wege und der gerade führte ihn nicht zum Ziele. Erst im Jahre 1848 kam diese Oper in Linz zur Aufführung, wo sie gefiel, die politisch aufgeregte Zeit aber künstlerischen Interessen und Bestrebungen überhaupt wenig hold war. Auch die oberwähnte „Hymne“ bahnte sich erst später, und ebenfalls in seiner Vaterstadt Linz den Weg in die Oeffentlichkeit, nachdem sie lange Zeit unbeachtet bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gelegen und endlich zurückgesendet wurde. Der Linzer Musikverein brachte sie in einem seiner Concerte am 8. Juni 1847 zur Aufführung. Der überaus glückliche Erfolg rechtfertigte den Ausspruch Mendelssohn’s über dieselbe. Ein Kritiker schrieb darüber folgendes: „Es beurkundet dieses Tonwerk bei der richtigen Auffassung des Textes und der gewandten Benützung großartiger Orchester-Effecte tiefe Studien des Componisten und eine klare Einsicht in das Wunderreich der Töne. Die Steigerung im Vocalsatze bei den Worten: „Creaturen, erkennt ihr mich?“ ist von erschütternder Wirkung.“ Obgleich M.’s Hoffnungen durch die Nichtaufführung seines „Cid“ in Wien bedeutend herabgestimmt waren, ging er doch schon im folgenden Jahre (1844) an die Composition einer neuen Oper: „Die Gnomenbraut“, in 3 Acten, zu welcher ihm wieder Karl Schmidt das Libretto lieferte. Im nämlichen Jahre schrieb er noch eine Ouvertüre für das große Orchester zu Shakespeare’s „König Lear“. Als ihn bei seinem Besuche in Wien im Jahre 1843 der in diesem Jahre von A. Schmidt begründete Wiener Männergesang-Verein zum auswärtigen Mitgliede ernannte, schrieb er bei seiner Heimkunft einen Männerchor über Arndt’s: „Des Deutschen Vaterland“, welchen er im Jahre 1844 dem Vereine übersandte. An der Wahl des Gedichtes, das mit Reichardt’s Musik bereits zum deutschen Volksliede geworden, scheiterte der Erfolg dieser an sich sehr wirksamen Composition. Noch componirte M. mehrere gehaltvolle und tiefempfundene Lieder. Als Lyriker machte er sich durch mehrere in Zeitschriften zerstreut abgedruckte Gedichte, dann aber noch durch eine Sammlung bekannt, welche unter dem Titel: „Liederblüthen“ erschien. Noch veröffentlichte er die Gelegenheitsschrift: „Das deutsche Sängerfest in Passau am 5., 6. und 7. Juli 1851, ein Erinnerungsblatt, allen deutschen Sangesbrüdern gewidmet“ (Linz [100] 1851, Vinc. Fink), in welcher er die Eindrücke, welche dieses großartige deutsche Fest auf ihn machte, mit der ganzen Frische poetischer Empfängniß zum Ausdrucke brachte und die in betheiligten Kreisen eine sehr freundliche Aufnahme fand. In dem Bewegungsjahre 1848 trat M. an die Spitze eines journalistischen Unternehmens und redigirte im Vereine mit Dr. Ulrich das bei Fink in Linz erschienene politisch-belletristische Blatt: „Der Vaterlandsfreund“, dem jedoch keine lange Lebensdauer beschieden war. Sein innerer Drang nach einem ungebundenen Künstlerleben und seine Liebe für Musik, zuletzt wohl auch der Ueberdruß der fortwährenden Conflicte, in welche ihn seine künstlerische Thätigkeit mit seiner Berufspflicht als Beamter brachte, veranlaßten ihn, im Jahre 1853 seine Stelle bei den Landständen niederzulegen und sich ausschließlich der Tonkunst zu weihen. Er verließ seine Vaterstadt und suchte in Norddeutschland ein Unterkommen als Musiker, das er auch bald fand, indem er für das Theater in Rostock und Stralsund als Capellmeister engagirt wurde. In dieser Eigenschaft brachte er eine seiner Opern unter persönlicher Leitung zur Aufführung und wurde dieselbe von Seite des Publicums beifällig aufgenommen. Ueber seine Thätigkeit als Componist und Capellmeister in den letzten Jahren fehlen alle weiteren Mittheilungen.

Nach handschriftlichen Mittheilungen des Dr. A. Schmidt, ehemaligen Redacteurs der „Wiener Musik-Zeitung“.