Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 12 (1864), ab Seite: 296. (Quelle)
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Kohn, Abraham (Rabbiner, geb. zu Zaluran im Prachiner Kreise Böhmens im J. 1806, gest. an Vergiftung zu Lemberg 7. September 1848). Die Eltern, die so viel besaßen, um dem talentvollen und lernbegierigen Sohne eine wissenschaftliche Erziehung angedeihen zu lassen, bestimmten ihn in früher Jugend zum Rabbiner. Schon im Alter von 12 Jahren verließ er das Elternhaus und er kam zu tüchtigen Rabbinern, um sich mit den Lehren des Talmud vollends vertraut zu machen. Während er das Hebräische systematisch trieb, studirte er aus eigenem Eifer die Gegenstände der lateinischen Schule. In Pisek legte er die Gymnasialprüfung ab, in Prag beendete er die philosophischen Studien. Um nun seinem Vater, dem seine Studien doch mancherlei Opfer auferlegten, nicht länger mehr zur Last zu fallen, begann er Unterricht zu ertheilen und machte gleichfalls die herbe Schule des Lebens frühzeitig durch. Nach einer glücklich überstandenen schweren Krankheit trat er im Jahre 1830, 24 Jahre alt, zum ersten Male öffentlich auf, u. z. bei Gelegenheit der Einweihung einer kleinen Synagoge in Pisek. Ein paar Jahre hielt er nun gottesdienstliche Vorträge zu Prag, bis er im Jahre 1833 nach Hohenems in Vorarlberg berufen wurde, von welcher Zeit seine eigentliche Wirksamkeit beginnt. Die dortige Judengemeinde ist zwar nur klein, sie zählt etwa 90 Familien, aber seiner Thätigkeit bot sich ein um so weiteres Feld, als er zu der Fortschrittspartei zählte und nach einer Seite echte Aufklärung zu befördern, nach der anderen Indifferentismus und Unglauben zu verhüten bemüht war. Er ging bei diesem Reformwerke mit seltener Umsicht und einer Gewissenhaftigkeit ohne Gleichen vor. Seine Tendenz, um mit seinen eigenen Worten zu reden, war: „Diejenigen, welche von der Allgewalt des Zeitgeistes zu Neuerungen getrieben werden, in ihrem Gewissen zu beruhigen und ihnen zu zeigen. wie weit sie in der Abschaffung alter Gebräuche gehen dürfen, ohne der Religion nahe zu treten; diejenigen aber, welche beim Alten bleiben wollen, zur Nachgiebigkeit und Toleranz gegen Andersgesinnte zu stimmen; damit, da die Einheit im Glauben unmöglich ist, wenigstens brüderliche Einigkeit herrsche“. Seine Bestrebungen fanden Anerkennung und nach einjährigem Provisorium wurde er als definitiver Rabbiner angestellt. Acht Jahre war er in der Hohenemser Gemeinde thätig, führte mit seltener Klugheit sein Reformwerk durch und stieg von Jahr zu Jahr in Achtung und Ansehen. Im Jahre 1843 beriefen ihn zwei Gemeinden Deutschlands und jene in Lemberg als Rabbiner. So schwer es ihm fallen mochte, aus den glücklichen Verhältnissen der Hohenemser Stellung zu treten, so bewog ihn doch die Aussicht, seiner Thatkraft einen größeren Wirkungskreis zu schaffen und Gutes in ausgedehnterem Maße zu stiften, der Berufung nach Lemberg zu folgen. Im Juli 1843 trat er seine Probereise dahin an, und als er dort bei allen [297] Freunden des Fortschritts Anklang fand, wurde sein Antritt auf den Frühling 1844 angesetzt. Im April 1844 traf er in Lemberg ein. Hier aber stellten sich seinem Reformwerke von vornherein nicht geringe Hindernisse entgegen. Die Altglauber – die orthodoxe Partei des Judenthums, diejenigen, die im christlichen Evangelium als die Pharisäer auftreten – wollten von Neuerungen durchaus nichts wissen. Kohn fühlte es sehr wohl, er müsse den Boden für den Acker, wenn er Früchte bringen sollte, neu bebauen, und so drang er vor Allem, um der großen Unwissenheit zu steuern, die in diesen Kreisen herrschte, auf Errichtung einer Schule, und schon 1845 wurde die israelitische Normalschule eröffnet. Die Früchte blieben nicht aus, die männliche wie die weibliche Jugend machte sichtliche Fortschritte. Als im Jahre 1846 die neue Synagoge erbaut wurde, hielt er gewöhnlich dort seine Predigten, weil sich dort auch die Fortschrittspartei, auf deren Kosten die Synagoge erbaut worden war, zu versammeln pflegte. Auch erhielt er um diese Zeit das Kreisrabbinat. Sein Ansehen wuchs in der Gemeinde und vor der Obrigkeit; aber die Zeloten der Orthodoxie haßten und verfolgten ihn offen und heimlich. Um seine Glaubensgenossen auch äußerlich den übrigen Confessionen gegenüber in eine der Toleranz entsprechende Stellung zu bringen, so setzte er sich die Aufgabe, die Israeliten von den drückenden Steuern, mit welchen das Koscherfleisch und die Sabbathlichter belegt waren, zu befreien. Zu diesem Zwecke setzte er sich mit den Häuptern mehrerer anderer Gemeinden in Verbindung und im Herbste 1847, wie im Frühlinge 1848 verfügte sich eine Deputation der Israeliten, an deren Spitze Kohn stand, nach Wien, um die Erlassung der genannten Steuern, bei deren Erhebung sich den Cultus entwürdigende Zwischenfälle ergaben, zu bewirken. Erfolgte die Aufhebung auch nicht unmittelbar, so war sie doch, als sie ein Jahr später stattfand, vornehmlich sein Werk. Während aber das Vertrauen zu ihm in der Gemeinde sichtlich wuchs, wurden die Verfolgungen der Anhänger des Alten immer erbitterter; bald kannten Neid und Fanatismus keine Grenzen mehr. Eine Gegenpartei trat auf und behauptete, die abgeschafften Steuern seien gar nicht drückend und ihre Abschaffung nicht nothwendig. Durch persönliche Insulten suchten sie dem Rabbiner seinen Aufenthalt in Lemberg zu verleiden; endlich als alle ihre Ausschreitungen sie zum erwünschten Ziele nicht führten, brachten sie falsche und lächerliche Anklagen bei Gericht vor. Um das hirntolle Vorgehen dieser Orthodoxen einigermaßen verständlich zu machen, so sei hier eine der Beschuldigungen mitgetheilt, die ihm schwer zur Last gelegt wurden. „Warum, fragte ihn einer dieser Weisen, trage er Samstagssein Schnupftuch in der Tasche und binde es nicht um den Leib, wie es ein wahrhaft frommer Mann zu thun pflege?“ Die Angriffe dieser Unheilbaren und die daraus entspringenden Unannehmlichkeiten wurden bei Kohn reichlich ausgewogen durch das wachsende Vertrauen des besseren Theiles seiner Gemeinde, durch die Liebe und Achtung, die ihm die wahrhaft Gebildeten zollten. Ja einer der Verfolger wurde wegen böswilliger Verleumdung und Aufreizung des Volkes gegen Kohn gerichtlich eingezogen. Kohn verschaffte ihm durch persönliche Fürbitte die Freiheit wieder. Diese eine That Kohn’s möge für viele sprechen! Da nun alle Ränke der Fanatiker in Nichts zerfielen, so bot [298] das Jahr 1848 die geeigneteste Gelegenheit, dem Beginnen der Verruchtheit die Krone aufzusetzen. Gegen Ende des Sommers 1848 befaßte sich Kohn eben mit den Anstalten zur Herausgabe eines Wochenblattes, dessen Tendenz durch den Titel „Der israelitische Volksfreund“ genügend angedeutet ist. Am 6. September, nachdem er sich den Tag über mit diesen Vorbereitungen beschäftigt, setzte er sich mit den Seinigen zum Mahle. Es sollte das letzte Mahl sein. das er in Gemeinschaft mit den Seinen gehalten. Eine verruchte Hand hatte die Speisen vergiftet. Während K. selbst mit dem Tode rang, war er bemüht – Kohn war seit 1835 mit einer bayerischen Rabbinerstochter verheirathet – den Seinigen hilfreich beizustehen. Aber seine Stunden waren gezählt, schon am nächsten Tage erlag er unter furchtbaren Leiden der Vergiftung. Im Jahre 1856 begann sein Sohn Jacob die Herausgabe des Nachlasses seines Vaters, und zwar in der deutschen Abtheilung der (in Lemberg bei Poremba, 8°., erscheinenden) Zeitschrift „Jeschurun“; dieser Nachlaß ist homiletischen Inhaltes. Denselben aber hat sein Sohn mit einer ausführlichen Biographie dieses Märtyrers seines Glaubens in entsprechender Weise eingeleitet.

Allgemeine Zeitung des Judenthums von Dr. L. Philippson (Leipzig, 4°.) XX. Jahrgang (1856), Nr. 43, S. 580. – Przyjacíel domowy, d. i. Der Hausfreund (ein Lemberger Volksblatt. 4°.) 1857, Nr. 21, S. 163: „Abraham Kohn, rabin łwowski“, d. i. Abraham Kohn, Rabbiner vor Lemberg.