BLKÖ:Ignjatovics, Jacob
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 10 (1863), ab Seite: 176. (Quelle) | |||
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Paul Jambor, S. 60] war. Zur Feststellung des politischen Standpunctes, den I. einnimmt, bietet eben diese Rede den reichsten Stoff. Nur weil sie den Mann ganz kennzeichnet und so zu sagen das Programm jener kleinen Partei ist, welche Rohheit und Uebermuth als Devise auf ihr Banner gepflanzt hat, werden hier die Hauptmomente derselben mitgetheilt. Ignjatovics lehnt die Antwort an den König in Form einer Adresse ab, „weil letztere nur an den verfassungsmäßigen König und sonst an Niemand anderen gerichtet werden könne; einen verfassungsmäßigen, gekrönten König aber besitze Ungarn zur Zeit nicht. Der Gebrauch, daß auch an nicht gekrönte, also nicht gesetzliche Könige Ungarns Adressen gerichtet wurden, finde seine Rechtfertigung in dem Umstande, daß solche Thronerben dem Lande gegenüber ein gesetzliches Terrain einnahmen, der gegenwärtige Landtag stehe aber keiner gesetzlichen, sondern nur einer factischen Macht gegenüber, welche die Verfassung aus den Angeln hob und zur Zeit mit Beseitigung der Verfassung regiert“; – „Wenn das Haus an Stelle einer Adresse einen Beschluß ergehen lasse, so finde er darin keinen Mangel an Pietät für die Person des Königs, sondern eben nur ein Mittel zur Wiederherstellung dieser Pietät. Würde z. B. Königin Victoria die Selbstständigkeit des Parlaments aufheben, die Preßfreiheit wegnehmen, die Steuer beliebig hinaufschrauben und durch Militärmacht eintreiben, die freien Söhne Englands einfangen, festhalten und vor außerordentliche Gerichte stellen, würde ein dann gelegentlich zusammentretendes Parlament auch eine Adresse an die Königin richten? Nein, es würde vielmehr beschließen: Die Königin Victoria habe das Land auf ewig zu verlassen“ – „Ungarn steht freilich im Augenblicke einer factischen Macht, die es regiert, gegenüber. Diese factische Macht beruft sich auf die pragmatische Sanction, will aber diese nur zugestutzt und octroyirt hinstellen und bietet Ungarn das Octoberdiplom, welches aber nicht kräftiger und besser ist als was immer für ein schwankendes und verfassungswidriges österreichisches Patent. Das Octoberdiplom gab indessen einige Hoffnung, daß Ungarn auf dessen Spur auf die alte Rechtsbasis zurückkehren könnte. Da fuhr wie ein Blitz das Februar-Patent zwischen die Hoffnungen des Landes. Eine für ein einheitliches Oesterreich schwärmende, halb deutsche und halb nichtdeutsche [177] amphibienartige Partei erwirkte die Organisirung eines Reichsrathes, eines Rathes, welcher das chaotische Conglomerat heterogener (?) Interessen (!) vertreten sollte. In diesem Reichsrathe sollen auch Ungarn sitzen, damit sich Ungarn selbst verschlinge, nachdem es der Absolutismus nicht verschlingen konnte. Dieser Reichsrath bringt große Gefahren, das Schmerling’sche System ist gefährlicher als das Bach’sche. Letzteres wollte das unterdrückte Land zu einer österreichischen Provinz machen, durch den Reichsrath Schmerling’s verlöre aber Ungarn den wesentlichsten Theil seiner Verfassung, es würde nicht einmal eine Provinz Oesterreichs sein, sondern einfach in der österreichischen Monarchie aufgehen. In Bach’s System wirkte die Regierung durch ihre Organe auf das Volk; im Reichsrathe kommt eine Nation mit der anderen in Berührung und diese öftere Berührung schadet mehr, als das Bach’sche System. Der Reichsrath würde das Leichentuch der ungarischen Verfassung sein. Ungarn wäre dann weniger als eine Provinz“. – „Oesterreichs größter Diplomat Fürst Metternich hatte, welch’ ein großer Feind der Selbstständigkeit des Landes er auch war, doch nicht den Muth, dieselbe offen anzugreifen, nur deßhalb nicht, damit er die Legitimität, welche die Grundlage Oesterreichs ist, nicht verletze. Metternich bereitete für Ungarn ein langsames Gift. Er benützte die österreichische Zolllinie als Waffe gegen die Producte dieses Landes, damit die Nation materiell nicht vorwärts schreiten könne; er führte das Administratorensystem ein, damit er unter dem Vorwande des scheinbaren Schutzes des Rechtes der Krone die allgemeine ungarische Verwaltung demoralisire.“ – „Es ist eine bekannte Thatsache, daß unter den europäischen Staaten Oesterreich und die Türkei im Auslande den wenigsten Credit haben. Das kleine Hessen hat im Auslande mehr Credit als das große Oesterreich. Mit österreichischem Gelde treibt man Spott im Auslande. Wer im Auslande österreichisches Geld hat, trachtet, es so bald als möglich los zu werden, damit man nicht glaube, er sei ein Oesterreicher. Man schämt sich des Oesterreicherthums (!!!). – „Es könnte Jemand sagen, daß sich dennoch Mächte finden dürften, die Oesterreich vor dieser Calamität bewahren werden.“ Nachdem I. verschiedene Staaten durchgegangen, sagt er von Bayern: „Wird Bayern Oesterreich helfen? Dieses Land ist sehr klein und könnte den Oesterreichern höchstens ein paar Tausend Eimer Bier schicken“ (!) – Nun geht I. auf die Stellung der Serben und Croaten zu Ungarn und dem Gesammtstaate über. Er weiß nicht genug der Worte des Lobes und der Bewunderung für erstere, der Rücksichtswürdigkeit und Theilnahme für Letzteres. „Es war keine Schlacht, die Ungarn je gefochten, sagt Herr I., an der nicht Serben beträchtlichen Antheil nahmen. Der Kern der Armee des Königs Mathias bestand aus Serben. Paul Kinisy war kein Müllerbursche, sondern ein serbischer Herzog. Bekannt sind die Brankovits, Battic, Jakusics, Radics. Im Jahre 1847 gab die serbische Nation in Damjanics dem Lande einen Helden und einen Märtyrer. Und in den Adern der großherzigen ungarischen Aristokratie fließt genug serbisches Blut. Was machte das Wiener Regiment, nachdem sie uns die Serben abwendig gemacht, aus diesen Serben? Es machte aus ihnen eine Wojwodina, ein politisches Ungethüm, wie solches nur ein Wiener Centralist zur Welt bringen kann. Vor dieser Wojwodina [178] schämten sich Serbe, Rumäne und Ungar gleichmäßig, denn es war hier keinerlei Nationaltypus zu finden und dennoch war das Territorium des Landes verletzt. Die Wiener Regierung machte die Wojwodina zum Vaterlande der Gotscheer (mit diesem Namen meinte I. die deutschen Beamten). – In analoger Weise kritisirt I. das von der Kaiserin Maria Theresia gegründete Institut der Militärgrenze, welche nach seiner Meinung überflüssig ist. Croatien endlich, meint I., könne auf dem ungarischen Reichstage nicht mehr als Land (in einer Collectivvertretung), sondern nur als Volk repräsentirt sein. Da aber Croatien seine eigene Landesrepräsentanz besitze und zu Ungarn nur als Nation zu Nation sprechen wolle, so dürfe der ungarische Reichstag Croatien gegenüber keinen moralischen Zwang ausüben, sondern diesem Lande die freie Erneuerung des alten Pactes überlassen. Uebrigens weichen der Inhalt der Adresse und des Beschlusses im Wesen nicht von einander ab, es ist dabei nur eine Frage der Form, der Höflichkeit im Spiele. Wegen ein wenig Höflichkeit könne Ungarn aber nicht nachgeben. Ignjatovics beschließt demnach seine lange Rede damit, daß er sowohl vom Gesichtspuncte des Rechtes, als von jenem der Zweckmäßigkeit für den Beschluß stimme. Wenn gleich im Vorstehenden nur ein Auszug aus dem langen Vortrage – denn, um ihn eine Rede zu nennen, fehlt ihm alle kunstgemäße Anordnung und aller Anstand im Ausdrucke und Inhalte, und im letzteren die geschichtliche Wahrheit – gegeben wird, so fehlt doch keines der Schlagworte, auf welche der Redner und seine Partei besonders Gewicht legten. Das Bach’sche System, der Schmerling’sche Reichsrath, der Metternich’sche Absolutismus, die Schulden Oesterreichs, das Deutschthum, die Serben, die Croaten und die Militärgrenze, alle Factoren, welche das Magyarenthum umstanden und noch umstehen, sind darin berücksichtigt. Wie? In diesen Auszügen sind die Glanzpuncte dieser Logik enthalten. Diese verwegene, die Gesetze des Anstandes und die dem Throne schuldige Ehrfurcht so schwer verletzende Sprache machte in loyalen Kreisen einen gegen die Persönlichkeit des Redners erbitternden Eindruck. Er wurde auch bald darauf, als er ein öffentliches Versammlungslocale betrat, von einem Stabsofficiere unter der Erklärung, mit einem Manne, der eine so schimpfliche Rede gehalten, nicht an einem Tische sitzen zu können, in sehr unsanfter Weise an die Luft gesetzt. Obige Rede von I. ist unter dem Titel: „Ignjatovics Jacab beszéde“ (Pesth 1864, Lauffer und Stolp, 8°.) im Drucke erschienen.
Ignjatovics, Jacob (Abgeordneter des ungarischen Landtages im Jahre 1861). Ignjatovics ist Advocat zu Neusatz und wurde, als mit königl. Einladungsschreiben vom 14. Februar 1861 der ungarische Landtag auf den 2. April d. J. einberufen wurde, in Großbecskerek in den Landtag gewählt, auf welchem er als Schriftführer fungirte und einer der fulminantesten Redner der Beschlußpartei [siehe Näheres darüber unter- Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Carl Osterlamm, 8°.) Bd. II, S. 212–228: „Die Beschlußrede“. – Fremdenblatt (Wien, 4°.) 1862, Nr. 25. – Ein Ignjatović, dessen Taufname nicht bekannt ist – vielleicht ist es der Obige – hat einen historischen Roman in serbischer Sprache unter dem Titel: „Milan Narandzic“ (Neusatz 1860, K. Hinc, 12°.), der mit serbischer Schrift gedruckt ist, erscheinen lassen.