Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 241. (Quelle)
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Bellani, Karl (Philantrop, geb. zu Monza 10. Sept. 1772, gest. zu Mailand 5. Apr. 1838). Ist der Sohn wohlhabender Kaufleute. Als er im Alter von 9 Jahren den Vater verlor, leitete des Knaben Erziehung die Mutter und der Onkel und Karl besuchte das berühmte Jesuitengymnasium seines Geburtsortes; studirte die Philosophie am Collegio Gorla und die Rechtswissenschaft an der Universität von Pavia. Am 11. Juni 1794 erhielt er die juridische Doctorwürde. In seiner Jugendzeit machte sich B. durch zwei Dinge bemerkbar: er hielt regelmäßig ein Tagebuch, worin er Tag um Tag die kleinen Vorfallenheiten seines Lebens niederschrieb; und ein Vormerkbuch, welches die trefflichsten Gedanken, Ideen der Schriftsteller, die er las und die Eindrücke, welche die Lectüre irgend einer Stelle eines Autors in ihm hervorbrachte, enthielt. So fand sich in letzterem folgende bemerkenswerthe Ansicht: „Es liesse sich für alle europäischen Völker Ein bürgerliches Gesetzbuch anwenden, weil die Verhältnisse und Bedürfnisse des socialen Lebens in Europa zur Zeit fast dieselben sind. Anders verhält es sich mit den Strafgesetzen, welche das schirmende Schwert in der Hand des Königs zur Vertheidigung der Gesellschaft und ihrer Glieder sind; sie vertreten jenen Theil der persönlichen Freiheit, welcher der Sicherheit des Lebens und der Ehre gegen die verruchten Attentate verblendeter Missethäter und der die Ordnung verkehrenden Leidenschaften gewidmet ist. Diese können bei dem mannigfaltigen Einflusse, den Clima, Temperamente, politische Umwälzungen, religiöse Ideen, öffentliche und Privaterziehung auf die Leidenschaften ausüben, nicht einerlei, und müssen daher, den verschiedenen Verhältnissen angemessen, auch verschieden sein.“ Ehe B. einen praktischen Dienst antrat, begab er sich auf Reisen, besuchte Deutschland und Frankreich, studirte die Rechtsverhältnisse der einzelnen Völker, die Geschichte ihrer allmäligen Entwickelung, und eignete sich neben der Kenntniß der französischen und classischen Sprachen auch die der deutschen an. Im Mai 1796 trat er beim königl. Kriminalgerichte in Mailand in Dienste. Ende 1798 wurde er von der französischen Regierung als Commissär zu dem Gerichtshofe nach Mella entsendet, wo er eine Organisation der Gerichte dieser der venetianischen Regierung unterthänigen Gebietstheile zu entwerfen hatte. Seine [242] Geschicklichkeit und Umsicht bewirkten seine Erhebung zum Central-Commissär des Ministeriums der Justiz und allgemeinen Polizei und bald darauf zum Rath beim Mailänder Straftribunal. Als die Organisirung der cisalpinischen Republik im Werke war, wurde eine außerordentliche Consulta in Lyon bestellt und B. als Deputirter dahin entsendet. Die Haltung B.’s auf diesem Posten, der Widerstand, den er in Worten gegen die Absichten Napoleons bethätigte [so daß Napoleon über ihn den Ausspruch that: der Mann hat Charakter], waren nicht mächtig genug, das Schicksal Italiens zu ändern. Bei seiner Rückkehr von Lyon erhielt er aber die Ernennung zum Rathe und Mitglied der Corrections-Abtheilung des Appellhofes. Sein Bericht über die Arbeiten des Justizministeriums im Gebiete der Criminal-Justiz in den Jahren 1805/6 enthält staatsmännische, beherzigenswerthe Ansichten, unter anderen: „Die Pflege der Wissenschaften und Künste der italienischen Völker sei zu sehr von den Gesetzen beeinträchtigt. Welche Studien, welche Kenntnisse müsse derjenige haben, der das Amt eines Gesetzgebers erfüllen wolle! Die Menge der Gesetze und ihr dunkler Sinn seien dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit hinderlich. Das Labyrinth von Gesetzen, ihre Willkür und Unklarheit erschweren nicht nur dem Richter das Studium derselben, sondern erzeugen nicht selten Hinterlist und üble Absichten im Gemüthe der Bürger. Dunkle und verwickelte Gesetze waren stets eine Quelle der Verbrechen und Tacitus sagt schon: In pessima autem Republica plurimae leges.“ Solche Ansichten waren aber durchaus für B. kein Hinderniß, beim Entwurfe eines neuen Gesetzbuches und bei der Organisirung der Gerichtsbehörden nach dem neuen Reglement zur Commission zugezogen zu werden. Als 1807 der Appellhof in Mailand errichtet worden, wurde B. vom Vicekönig zum Rath an demselben ernannt. Im Februar 1810 verlieh Napoleon dem würdigen Rechtsmanne das Ritterkreuz des Ordens der eisernen Krone, ernannte ihn im Jän. des folgenden Jahres zum Generalprocurator des bürgerl. und Strafgerichtshofes von Olona, und einen Monat später erhob ihn der Vicekönig zum Generalrath des Departements von Olona. Als im J. 1814 die Lombardie in den Besitz der alten, d. i. österr. Regierung überging, blieb B. noch bis März 1818 in österr. Diensten, welche er, nachdem die neuen Gerichte in’s Leben traten, verließ. Im Jänner 1819 übernahm nun B. die Administration des großen Spitals in Mailand, und gab in dieser Stellung die seltensten Beweise wahrer Humanität und Energie. Hier ist nicht der Ort, die Zustände dieser humanistischen Anstalt zu schildern, die ihre Entstehung von 1456 herschreibt und die im Zeitraume von 3 Jahrhunderten die Hälfte der mailändischen Provinz besessen und wieder verkauft hatte, und trotz eines Vermögens von 2 Millionen doch Ausgaben hat, welche die Einnahmen weit übersteigen. Das in seinen Vermögensverhältnissen in die größte Unordnung gerathene, in seinen inneren Einrichtungen an den mannigfaltigsten Uebelständen leidende Institut den Anforderungen der Zeit gemäß herzustellen, war die Aufgabe, welche B. so glänzend löste, daß sein Ruf über die Marken der Provinz Mailand drang und sich de Rossetti, als er ein Spital in Triest errichten sollte, und Gaspare Vincent, einer der Administratoren des Hôtel Dieu in Paris, an. B. um Rathschläge wendeten, Ersterer bei der Einrichtung der neuen Anstalt, Letzterer bei den Reformen, welche vorgenommen werden sollten. Ohne sich in’s Detail einzulassen, sei nur bemerkt, daß bis zur Verwaltung Bellani’s in einem Spitale, das täglich 1100 Kranke im Durchschnitt beherbergt, eine Apotheke und ein chemisches Laboratorium fehlten und die schwersten chirurgischen Operationen [243] in den gemeinschaftlichen Krankenzimmern vorgenommen wurden. Daß es, um solche mit Absicht belassene Mißbräuche zu beseitigen, seltener Willenskraft und großen Muthes bedurfte, braucht kaum bemerkt zu werden. Dreimal wurde auch B.’s Leben bedroht und zweimal entging er fast wie durch ein Wunder dieser Gefahr. Auch auf eine zweckgemäße Reform des Irrenhauses und der Bedienung in demselben erstreckte sich B.’s Umsicht. Nach 17jähriger angestrengter Thätigkeit in seinem schweren, dem Wohle der leidenden Menschheit gewidmeten Dienste begann das Leiden sich bemerkbar zu machen, das seinen Bestrebungen 2 Jahre später ein Ziel setzen sollte. Das Monument auf dem Campo santo der Porta orientale in Mailand enthält folgende Inschrift: „Carlo Bellani | cav. della corona ferrea | gloria di Monza | salve | te per dottrina ed aurea facondia | del foro presidio e lustro | del maggior nosocomio | procuratore | solertisssimo integerrimo | fra lunghe pene di grave malore | saggio sempre e pio | la moglie, il fratello, la suora, l’amico | tutti | piangenti desiderano | mori il 5. Aprile 1838 d’anni 66.“ B.’s schriftstellerische Thätigkeit beschränkt sich neben den in der Skizze erwähnten ämtlichen, nicht gedruckten Berichten auf drei in den Jahren 1811–13 jedesmal bei der Eröffnung der Gerichtsverhandlungen gehaltenen Reden, und zwar: „I. discorso: La tolleranza delle opinioni; II. disc.; L’amore dei proprj doveri; III. disc.: La coscienza del giudice.“ Der Inhalt dieser drei gediegenen Reden gibt das vollendete Bild des gediegenen Mannes und Rechtsgelehrten, der sie hielt.

Marimonte (Giuseppe), Biografia di Carlo Bellani Cav. della corona ferrea già amministratore dell’ ospedale maggiore die Milano con tre discorsi del medesimo (Milano 1839, Plac. Mar. Visaj, 8°., 115 S.).