Ausreißer im Hussitenkriege 1438

Ursprung der Sachsenhymne Ausreißer im Hussitenkriege 1438 (1894) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Naturalbezüge der Rathsherren
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Ausreißer im Hussitenkriege 1438.

Trotz der unsäglichen Leiden, die durch die Hussitenkriege über die sächsischen Lande gebracht wurden, und trotz der wiederholten schweren Niederlagen, welche die sächsischen Fürsten mit ihren Heeren in Böhmen erlitten, gehören diese Zeiten zu den ruhmvollsten in der Geschichte der Wettiner. Mit ungebrochenem Muthe nahmen sie immer aufs neue den Kampf gegen die „verdammten Ketzer“ auf, auch noch zu einer Zeit, wo dem Lande eine unmittelbare Gefahr von ihnen nicht mehr drohte. Als im Jahre 1438 die utraquistischen Stände dem neuen König Albrecht II, die böhmische Krone streitig machten, rückte neben andern deutschen Reichsfürsten auch Kurfürst Friedrich der „Sanftmüthige“ mit einem Heere zu seiner Unterstützung herbei. Zwar gelang es, die Feinde auf Tabor zurückzudrängen, aber die Belagerung dieses festen Platzes blieb erfolglos und die deutschen Truppen mußten unverrichteter Dinge abziehen. Auf diesem Rückzuge nun war es dem Kurfürsten Friedrich beschieden, am 23. September 1438 zwischen Brüx und Bilin mit Hilfe seines tapfern Feldherrn Grafen Heinrich von Schwarzburg noch einen glänzenden Sieg über die ihn verfolgenden Böhmen zu erfechten. Adam Ursinus berichtet darüber in seiner Thüringischen Chronik Folgendes:

„Als Sie nu schir kommen an den walt, da folgte Ihnen nach ein gros heer der Behmen, die sich aus den Steden hatten zusammen geworffen, vnd meindten diese Fursten nider zuwerffen, da sprach Graff Heinrich von Schwarczburgk, der gar ein mennlich vnd weyser Graffe war: „Ist das wir zu sehr fliehen vor Ihnen, vnd kommen auff den Walt, so möchten Sie uns zu sehr vberhandt nemen. Darumb so wollen wir an diesem bache bleiben, vnd diesen graben zu steur nemen, vnd wollen Ihrer beytthen.“ Vnd das bey dem Stettichen Duxen. Da kam Ihnen der Behmen [149] heer also nahe, das Sie auch meindten mitt Ihrer Wagenburgk vber den Bach. Vnd das wart Ihnen nicht gestattet, sondern dieser Mennlich herre Graff Heinrich von Schwartzburg ließ frolich auffposaunen vnd pfeiffen, und erbeytte sich mit gueten schutzen mitt Ihnen, also das Ehr zu den feindten ynn Ihre Wagenburgk sprengete, das Sie die flucht namen, vnd fingk vnd erschlugk Sie alle. Davon diesen Fursten grosse schatzunge wart.“ Nach einer andern Quelle soll die Zahl der Getödteten 3000, die der Gefangenen 2000 betragen haben. (Vgl. Menckenii Scriptores rer. Germanicar. T. III, p. 9 u. 1326.)

Der erfochtene Sieg ist für den Kurfürsten und die übrigen Anführer, unter denen sich auch ein brandenburgischer Prinz mit einer Truppenabtheilung befand, um so ruhmvoller, als er überwiegend ihr persönliches Verdienst war. Denn die Stimmung im Heere war nach dem nothgedrungenen Abzuge von Tabor jedenfalls nicht die beste. In Erinnerung an die früheren Niederlagen hatte man die Heerfahrt wohl schon nicht mit großer Zuversicht angetreten. Die Kurfürstin hatte deshalb im Lande kirchliche Fürbitten, daß die Gnade Gottes das Unternehmen zu einem guten und glückseligen Ende führen möge, angeordnet, wie dies aus einem an den Rath zu Dresden gerichteten Schreiben vom 29. Juli 1438 hervorgeht. Sehr bedenklich aber klingt der Inhalt eines Schreibens, das der Kurfürst selbst aus dem Feldlager vor Tabor unterm 18. August an den Rath abgehen ließ. Während er mit dem auserlesenen Kern seiner Leute um des gemeinen Friedens und Nutzens willen Leib und Leben einsetze, würden ihm viele von den Trabanten und Reisigen, auch aus den Städten, abtrünnig und machten sich heimlich davon, weswegen er von den Böhmen schon manche „gämliche“, d. i. spöttische Reden habe hören müssen. Er befiehlt dem Rathe, alle, die aus dem Heere ohne Auftrag von ihm durch die Stadt kämen, festzunehmen und bis zu seiner Rückkehr gefangen zu halten, damit sie dann ihre gebührende Strafe empfingen.

Hiernach hatte offenbar die Desertion im meißnischen Heere bereits lange vor Beginn des Rückzugs einen bedenklichen Umfang erreicht, und es ist deshalb nicht anzunehmen, daß das Heer auf dem Rückzuge selbst von großem Kampfesmuthe beseelt gewesen ist.

Die erwähnten beiden Schreiben (im Dresdner Rathsarchive) lauten:

Margaretha von gots gnaden herczogynne zcu
Sachsen etc
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Lieben getruwen. Nach deme als uch wol wissintlichin ist, das unsir liber herre und gemaheln mit etwiewil sinen graven, herren, rittern, knechten und steten ins land zcu Behemen zcu wederstehin den vordampten ketezern geczogen ist, begern wir von uch mit unserm grosten vliße, in uwer pfarre, clostern und cappellen mit den pristern alsbalde zcu bestellin, vor yn und alle die sinen uff sollichin wege und zcoge flissiclich zcu bitten, messin zcu singen and got den almechtigen dorynne zcu vormanen, das sine gnade alle unsirs libin hern und gemaheln sachen iczunt zcuvorhanden zcu einem guten und gelugseligin ende fugen und schicken wolle, und haldit des nicht andirs, daran irczeigit ir sin und uns groß wolgefallen. Gegebin zcu Missin am dinstage noch Jacobi undir Thamme Losers unsers hofemeisters insigel, unsers nuczumal gebrochins halbin anno dom. etc. XXXVIIIo.


Friderich von gots gnaden herczoge zcu Sachssen etc.
Liben getruwen. Wir sind itczunt gote dem almechtigin zcu lobe, der ganczin cristenheit zcu troste, unserm gnedigstin herren dem Romischin konige zcu dinste, uns, unsern landen und luten zcu heile, nutcze und fromen in das land gein Behemen geczogen und besundern umb gemeynes friedes und nutcis willen, und setczin nicht alleyne dar unsir lieb und leben, sundern den ußerlesin kern unser lande und lute, und wanne nu sich vaste der unsern von drabanten und reisigin und auch der stete von uns ane wissen flissen und zcu huse gedencken, das uch billich leit sin solle, begern wir mit ernstem flisse, das ir bestellit in uwer stat, wer in sollichirmasse von uns komet und nicht in unserm gewerbe .....[1] durch uwer stat zcuhet, wer der sie nymandes ußgeslossin, das ir.....[1], und festiclich biß an uns in uwer beheltniß setczet und darynne.. frunde noch fremde bie unseren hulden sparet, wanne wir durch derselbin abetrunnygen wege hie von den Behemen manichfeldige gemeliche rede mussen dulden, der wir uns an in wil got mit straffungen wollen widermutigin. Haldet des nicht anders, daran tut ir uns wol zcudancke. Gebin im felde bie der stat Thabar am mantage nach assumpcionis Marie anno etc. tricesimo VIIIo.
Aufschrift: Dem rate zcu Dresden unsern liben getruwen.
Dr. O. Richter. 

  1. a b Loch im Original