Aus der Mappe eines Künstlers
Wenn der Landschaftsmaler durch Flur und Wald streift, um Motive für seinen Pinsel zu suchen, und wenn er solche endlich gefunden hat und dann Stunden lang auf einem lauschigen Plätzchen sitzt, um die Töne von Himmel und Erde, Wald und Flur zu studiren – wie oft tritt dann die Versuchung an ihn heran, Blicke in eine Welt zu thun, die mit seinem Studium zwar nur indirect zusammenhängt, aber es zu vertiefen und zu vervollkommnen in hohem Grade geeignet ist – in die Thierwelt. Gestatten Sie mir heute, Ihren Lesern einen solchen Blick in das Privatleben der Thierwelt zu eröffnen!
Es war an einem Sommerabende – die Sonne schickte sich an, glühend roth im Westen zu verschwinden –, ich warf mich nieder in’s Getreide und sog nach einem heißen Tage entzückt die süßen erfrischenden Düfte ein, welche Erdreich und Pflanzen ausströmten. Der blaue Himmel, mit rosigen Wölkchen durchzogen, hing hoch oben, und dicht über meinem Haupte bückten sich und nickten die goldenen Aehren, daß ich traumselig und wie im leichten Schwindel die Augen schloß und lange, lange regungslos dalag.
Durch ein huschendes, sich öfter wiederholendes Geräusch wurde mein Ohr wieder empfänglich für äußere Eindrücke. Ich wandte den Kopf. Welch niedlicher, drolliger Anblick! Durch einen Spalt im Getreide, welcher durch geknickte Aehren entstanden war, sah ich auf einer kleinen von Korn entblößten Stelle mitten im wogenden Halmenmeere eine Hamsterfamilie ihr Wesen treiben. Diese kleinen Gesellen hatten mich stets interessirt, ihr Muth hatte mir oft imponirt, wenn ich sie mit einem Stocke verfolgte, oder der kleine Affenpinscher, welcher mich häufig zu begleiten pflegt, sie angriff. Hat man einmal ihren Zorn gereizt, so ist ihnen die Größe ihres Gegners gleichgültig. Sie setzen sich muthig zur Wehr, heben sich auf ihre Hinterfüße und lassen die Vorderpfoten, welche kleinen rosigen Händen gleichen, herabhängen, indem sie ihren Feind starr mit den runden, glänzenden Augen betrachten. Doch zur Familienscene zurück!
Frau Hamster saß hart am Rande des Getreides und nährte ihre Jungen, welche schon recht groß waren, sich putzten, auch die mütterliche Nahrung zuweilen mit einem Körnchen vertauschten, welches sie, zierlich in den Vorderpfötchen haltend, verknabberten. Die Mama war, während sie ihre Mutterpflichten erfüllte, auch noch thätig für den Haushalt. Sie bog mit den Händchen die hohen Halme sehr geschickt nieder und biß mit den scharfen Zähnen die Aehren ab. Als sie eine Anzahl beisammen hatte, begann sie die Körner mit großer Schnelligkeit zu enthülsen und schlüpfte, als die Maultaschen voll waren, in die Wohnung. Bald kam sie indessen wieder hervor und zwar mit Papa Hamster, der ihr in der Arbeit half, aber auch manches Körnchen in komischer Hast verzehrte. – Man sagt, daß diese Gesellen vier bis fünf Metzen Getreide in einem Herbste sich aufspeichern, und wenn man bedenkt, daß es gerade bei uns im Harz und in Thüringen viele Tausende dieser Thiere giebt, so kann man leicht berechnen, daß der Schaden, den sie anrichten, ein bedeutender ist!
Plötzlich wurden die beobachteten Hamster unruhig, und husch! fuhr die ganze Sippe theils in die Schlupflöcher, theils in’s dichte Getreide. – Ich hob mich fast ärgerlich in die Höhe, um zu erspähen, was hier störend eingewirkt, und erblickte meinen Burschen, welcher angeschlendert kam, um meine Mal-Utensilien nach Hause zu tragen. Ich zeigte ihm den Hamsterbau und versprach ihm einige Thaler, wenn er mir die Familie einfinge. Der Bursche war, ob dieses silbernen Lohnes, gern zur bösen That bereit und erbat sich zu deren Ausführung nur ein Paar dicke wildlederne Handschuhe von mir. Der andere Morgen ward zur Ausführung bestimmt, und ich sagte ihm meine Betheiligung und Hülfe zu, da ich mir den Bau betrachten wollte. Nachdem wir vier Fuß tief gegraben, stießen wir auf eine Wohnung und zwei Getreide-Kammern. Während ich mir diese voll Interesse beschauete, setzte mein Bursche der Beute nach. Die Schlupflöcher hatte er mit Steinen verstopft, und wie verzweiflungsvolle Versuche auch Frau Hamster machte, sich einen neuen Weg zu bahnen, sie wurde mit ihren sieben Kindern, nach tapferer Gegenwehr, gefangen. – Die Wildledernen hatten nicht viel genützt; denn dem Burschen rieselte das Blut von den Händen.
Nachdem wir die Gesellschaft in einem großen Vogelbauer von Eisendraht untergebracht, durchstöberte ich nochmals die Wohnung meiner Gefangenen. Vater Hamster war nicht zu finden; er hatte das Weite gesucht, – aber diese kleine Häuslichkeit, wie war sie sauber und gemüthlich! Das Wohnzimmer war mit dem allerfeinsten Stroh und mit Hülsen so verschwenderisch ausgefüttert, daß man noch die runden Formen der kleinen Hamsterkörper darin entdecken konnte. Wie reichlich war schon das Getreide aufgespeichert, wie reinlich das Ganze gehalten! [29] Es kam fast wie Reue über mich, daß ich die keinen Geschöpfe aus ihrer selbstgeschaffenen Behaglichkeit aufgestört, und als die Alte mich wutschnaubend, die Kinder aber ganz starr anblickten, da versprach ich ihnen, auch bei Hamstern etwas Eitelkeit voraussetzend und so mein Gewissen beschwichtigend, ich wolle sie malen. Das habe ich denn auch gethan und führe in anliegendem Bildchen den geehrten Lesern der Gartenlaube diese possierlichen und wirklich in ihrem ganzen Wesen und Gebahren nicht uninteressanten Thierchen vor. – Manch’ sinnend Auge ruht vielleicht lächelnd auf der kleinen Gruppe.
Bemerkt sei noch, daß während der vierzehn Tage, welche ich an den Hamstern studirte, die Jungen sehr zahm wurden. –
Wenn ich sie zeichnete, ließ ich sie zu zwei und drei, von meinem Burschen bewacht, auf einem großen Tisch umherlaufen, dann knabberten sie an Getreide-Aehren, Mohrrüben oder Kartoffeln, und wenn ich mit den Fingern schmalzte, richteten sie sich empor und streckten die drolligen Pfötchen mit den vier rosa Fingern von sich. – Mama Hamster machte aber keine Freundschaft mit mir, sie zernagte alle Tücher, welche ich über das Bauer hing, bog die Stäbe, an welchen sie mit Verzweiflung arbeitete, ganz krumm, und magerte, trotzdem sie fraß, sichtbar ab. Als ich mein Bildchen vollendet, war ich in Verlegenheit: was mit der Sippschaft beginnen, da sie so viel Schaden macht? Tödten mochte ich sie nicht, nachdem ich mit den Kindern auf so freundschaftlichen Fuß gekommen, und auch die Alte hatte mir Modell gestanden. Mein Garten ist von Feld umgeben, das theilweise mein Eigenthum ist. Da schenkte ich ihnen eines Abends die Freiheit wieder. Ob sie sich nun für die erlittene Unbill bezahlt gemacht, auf meinem oder des Nachbarn Felde, ich weiß es nicht, aber ich denke, es ist nicht unrecht, selbst gegen das Thier Dankbarkeit zu üben für, wenn auch nur erzwungene, Dienste.