Aus den Jahren der Pest
Zu den schweren Zeiten der Not im Harze
zählen gewiß am ehesten die Jahre, in denen die
Pest, die grausame verheerende Seuche, auftrat
und bis in die Berge des Oberharzes heraufdrang.
Einmal erschien sie in den Jahren 1347/49, als der Harz freilich noch schwach bevölkert war. Damals fiel ihr fast jedermann, der nicht rasch genug die Flucht vor diesem Schrecken ergriffen hatte, zum Opfer; auch das Kloster Cella, die erste Ansiedlung auf der Hochfläche des Oberbarzes, wurde einige Zeit darauf, nach etwa 150jährigem Bestehen, von den Benediktiner-Mönchen verlassen und stand öde und leer da, von da an nur noch herumstreichenden räuberischem Gesindel Unterschlupf bietend. Wie man sagt, sind hernach, als der Harz wieder bevölkert murde, viele Bergleute gefunden worden, die im Schacht verkommen sind. Daß man damals, als man infolge des Massensterbens die Gruben- und Hüttenbetriebe schließen mußte, glaubte, die Arbeiten bald wieder aufnehmen zu können, ist daran zu erkennen, daß man die Gruben nur einfach verdeckt vorfand, als man 200 Jahr später den Bergbau wieder aufnahm. Nach dieser ersten großen Pestseuche war der Harz lange Zeit wie ausgestorben.
Eine Nachricht aus der alten Geschichte von Osterode gibt noch die Jahre 1569, 1597, 1611 bis 1625 als besonders schwere Pestzeiten an, da allein in der dortigen Aegidiengemeinde über 1500 Personen der Seuche erlagen. Und mehr oder weniger werden auch die oberen Harzstädte und Orte mit davon betroffen worden sein.
Als die Pest zum zweiten Male im Harze auftrat, hatte längst wieder fröhliches Leben pulsiert. Die Harzstädte und all die kleineren Ansiedlungen waren inzwischen erstanden, Gruben und Hütten waren allerorten im Betriebe, mit auf und absteigendem Glück gingen Berg- une Hüttenmann ihrer mühevollen Beschäftigung nach und die Bevölkerung des Harzes ward bedeutend zahlreicher als zu der Zeit des Wütens der ersten Pestseuche. Seit einigen Jahren bereits wütete der dreißigjährige Krieg durch alle deutschen Lande, in dessen Drangsale auch bald unser Harz einbezogen wurde. Teuerung und Hungersnot waren seine Vorboten. Schon 1619 war ein unglückliches Jahr gewesen, denn viel Regen hatte im ganzen Lande Mißernte gebracht, und auch „das Heu von den Bergwiesen hinweggeführt“. 1621 kostete ein Malter Roggen (6 Himten also 33 Zentner) 17 Rthlr., ein Stübchen (3½ Liter) Goslarsches Bier 9 Gr., ein Stübchen Broihan 3 Gr.
Das große Sterben breitete sich nun mit unheimlicher Geschwindigkeit aus. Bald begannen Träger und Totengräber ihre unheimliche Tätigkeit. Aerztliche Hilfe, häusliche Pflege – ach sie waren [24] ja hier bei dieser „Sterbenseil“ fast ganz ausgeschaltet. Sie nützten so gut wie nichts. Wie angehaucht brachten die meisten die Krankheit mit heim, auf der Straße überfiel sie die Armen bei völligem Wohlsein, kaum, daß manche Bergleute ihren Weg aus der Gruben Tiefen noch herausfanden. Wen sie ergriffen hatte, der litt nicht lange. Furcht, Angst und tödlicher Schrecken lagen über der gesamten Einwohnerschaft, ganze Häuser starben aus und oft ohne Feststellung der Personalien wurden die Leichen schließlich durch die Träger fortgeholt und beigesetzt, und kaum noch wußten sie, wen dies oder jenes Grab barg.
Von der Kanzel herab wurde am Neujahrstag 1626 durch den Prediger Volswete bekannt gegeben, daß in dem eben vollendeten Jahre in den beiden Bergstädten Clausthal und Zellerfeld mehr als 1350 Personen an der Pest gestorben seien, ¾ davon in der Bergstadt Clausthal. Aber sie hatte auch in den übrigen Harzorten ihre Opfer gefordert. So waren z. B. in St. Andreasberg über 700 Personen dahingerafft, in Lautenthal in mancher Woche bis zu 25 usw. In Goslar starben an der Pest, wie eine handschriftliche Aufzeichnung besagt, „diesmal noch einige Hundert mehr als 50 Jahre zuvor (1573), da eine pestartige Seuche auftrat, die sich weithin ausdehnte, schwer auf Andreasberg lag, wo die Toten stündlich beigesetzt wurden, und der in Goslar mehr als 2000 Menschen erlagen.“
„Nach dem großen Sterben hat das Volk häuffig wieder gefreyet,“ meint am Schlusse einer Pestschilderung ein alter Clausthaler Chronist. Ja, was hätten sie auch besser tun sollen? –
Etwa 150 Jahre später, 1771. grassierte in Clausthal wiederum eine Krankheit, die der auch damals aufgetretenen und anhaltend teueren Zeit nach für eine Art von Hungertyphus anzusehen gewesen sein mag. „Auch, ist hier zu Clausthal ein alsgemeines Sterben, daß manchen Tag 4–6 Leichen begraben werden. Die mehresten werden vom Zellbach weggetragen, wo eine allgemeine Seuche unter den Menschen ist, daß gantze Häuser darniederliegen oder wohl gar aussterben,“ berichtet eine alte Nachricht über dies Unglück. 1772 aber hielt sowohl die Teuerung wie auch das „Sterben“ noch an; auch von 1773 wurde noch ähnlich gemeldet, bis 1774 Krankheit und Sterben etwas“ nachließen.
Im Sommer des Jahres 1782 herrschten unter den Kindern die Blattern so stark, baß an manchen Tagen 6 bis 7 starben, im ganzen Jahre etwa 300.
Ihre furchtbaren Spuren, die schmerzlichen Wunden, die die Pest den Harzern fast ohne Ausnahme geschlagen, blieben aber noch auf lange Zeit hinaus fühlbar. Wohl kein Haus war von ihren Keulenschlägen verschont geblieben, kaum einen Hausstand gab es, dem nicht das eine oder das andere oder mehrere Glieder fehlten. Andere waren ganz ausgestorben oder fortgezogen. Und so gings weiter in die Not der Zeit, denn der Krieg tobte noch ärger als zuvor und die Teuerung war auch zur Regel geworden. –