Aus dem Leben der Sterne

Textdaten
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Autor: H. J. Klein
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Titel: Aus dem Leben der Sterne
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 876, 878–880
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus dem Leben der Sterne.

Von Dr. H. J. Klein.

Nichts im Weltall ist unveränderlich, Entstehen und Vergehen, Leben und Tod sind keineswegs auf die organischen Wesen unserer Erde beschränkt, sondern bilden die Grenzpunkte eines allgemeinen Entwicklungsgesetzes, dem alles unterworfen ist und das selbst über den Sternen des Himmels waltet. Wohl wird unser Gemüth mächtig ergriffen, wenn wir uns erinnern, daß Sonne, Mond und Sterne, welche wir heute sehen, schon in den ältesten Aufzeichnungen der Menschheit erwähnt werden; sie scheinen erhaben über den Wechsel der Zeiten und der Dinge. Seit jenen nebelgrauen Tagen, da zuerst menschliche Füße die Erdscholle betraten, hat sich das Antlitz unseres Planeten wesentlich verändert; Berge sind versunken und Flüsse entstanden, Inseln haben sich abgetrennt von den Festländern und Urwälder sich ausgebreitet, wo vordem Steppe war; Völkerstämme sind aufgetaucht aus unbekanntem Dunkel und wieder hinabgestiegen ins Meer der Vergessenheit. Ungestört von allem aber wandeln die Sterne ihre hohen Bahnen, gestern wie heute und morgen wie vor Myriaden von Jahren. Daher sagt mit Recht der Dichter, daß alles vergeht unter des Himmels Bogen, aber die Wissenschaft setzt hinzu: auch die Sterne des Himmels sind vergängliche Erscheinungen, sie haben ihr besonderes Leben, und dieses Leben hat nur eine zeitliche Dauer. Bloß die Kürze unseres eigenen Daseins läßt uns an Unveränderlichkeit und Bestand glauben, wo in Wirklichkeit nur Wechsel und Entwicklung vorhanden sind. Die heutige Kultur ist wie das erste Aufblitzen eines Strahles der aufgehenden Sonne nach langer und tiefer Nacht. Die Wissenschaft lehrt, daß die normale Dauer des menschlichen Lebens 70 Jahre beträgt; schreiten wir also nur 15 Generationen in die Vergangenheit zurück, so finden wir uns schon mitten in allgemeiner Barbarei; und versuchen wir, darüber nachzudenken, was in der 15. Generation nach uns noch von heutigen menschlichen Einrichtungen Bestand haben wird, so müssen wir sagen: wahrscheinlich nur wenig oder nichts. Diese rasche Vergänglichkeit menschlicher Einrichtungen ist es, welche uns eine Unveränderlichkeit der Himmelskörper vorspiegelt, die gar nicht besteht. Im Dasein der Weltkörper spielen freilich Jahrtausende keine größere Rolle als Minuten in der Lebensdauer eines menschlichen Wesens. Immerhin aber rauscht die Zeit nicht einwirkungslos vorüber an den Sternen, die den nächtlichen Himmel schmücken, auch sie haben ihre Jugend, ihre Blüthe und ihren Verfall.

Wie aber, fragt man, kann der Menschen kurzlebiges Geschlecht urtheilen über Entstehung und Verfall ganzer Welten, über die Entwicklung von Sonnensystemen, deren Dauer diejenige des Erdballes unermeßlich übertrifft? Aus der eigenen Erfahrung über die Reihenfolge nacheinander eingetretener Veränderungen des Sternenhimmels sicherlich nicht; aber der große Mann Friedrich Wilhelm Herschel, welcher zuerst das menschliche Auge für die Tiefen der Himmelsräume geschärft, hat gezeigt, wie man aus den zahlreichen nebeneinander bestehenden Formen der Himmelskörper, besonders der sogenannten Nebelflecke, die allmähliche Entwicklung derselben, das Nacheinander ihrer Bildungen herausfinden kann. „Unter diesem Gesichtspunkt,“ sagt er selbst, „gleicht der Himmel einem üppigen Garten, der eine große Mannigfaltigkeit von Erzeugnissen in blühenden Beeten enthält, und wir können bei dieser Betrachtungsweise den Schwung unserer Erfahrung gleichsam auf eine unermeßliche Dauer ausdehnen. Denn, um das dem Pflanzenreich entlehnte Gleichniß fortzusetzen, ist es nicht einerlei, ob wir fortleben, um nach und nach das Sprossen, Blühen, Belauben, Fruchttragen und Verwelken einer Pflanze anzusehen, oder ob zahlreiche Exemplare eines jeden Zustandes dieser Pflanze gleichzeitig uns vor Augen treten?“

Welches ist nun diejenige Gestalt der Materie im Weltenraum, die wir als die früheste Form der Himmelskörper anzusehen haben? Es ist nach Herschel diejenige der schwachleuchtenden, ausgedehnten Nebel ohne bestimmte Gestaltung. Diese Nebelflecke sind ohne Ausnahme dem bloßen Auge unsichtbar, sie können nur in großen Fernrohren wahrgenommen werden; die Menge dieses nebeligen Stoffes, der durch die Himmelsräume verbreitet ist, erscheint aber so ungeheuer groß, daß schon Herschel äußerte, sie überschreite die Begriffe des Menschen. Dabei ist diese Nebelmasse so äußerst zart und verdünnt, daß die kleinsten Sternchen, die über sie zerstreut stehen, sich in einem Glanze zeigen gegen den selbst der hellste Nebel als düster erscheint. Eine Reihe anderer Nebel zeigt sich heller, gewissermaßen verdichteter, viele darunter haben lichte Stellen, dann wieder trifft man auf Nebel, die offenbar in mehrere Stücke zertheilt sind, auf dreifache, vierfache [878] und vielfache Nebel, ja, wie ein neuerer Astronom sich bezeichnend ausdrückt, auf förmliche Nebelnester.

Wo diese Nebelflecke bestimmte Gestaltung zeigen, sind sie meist rundlich oder länglich eiförmig. Die runden Nebel erscheinen gegen die Mitte hin oft stufenweise heller, gleichsam als wenn in diesem Mittelpunkte der Sitz einer bildenden und verdichtenden Kraft wäre. Auch bei länglichen Nebelflecken zeigt sich Aehnliches, und das Aussehen derselben läßt keinen Zweifel darübcr, daß dort ein Zusammenschluß der Nebelmaterien stattfindet, ja daß sich eine Art von Kern daselbst zu bilden beginnt. Bei mehreren dieser Nebel sieht man um den Kern herum eine zarte Helligkeit, die Herschel mit einer Mähne vergleicht. Diese Nebel haben die Vorstellungen Herschels lange und lebhaft beschäftigt. „Ihr Bau,“ sagt er, „ist verwickelt und geheimnißvoll, .und beim gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse nmöchte es anmaßend sein, eine Erklärung zu wagen; wir können nur wenige Ansichten fassen, die aber zu Fragen führen. Deutet die Mähne vielleicht darauf hin, daß ein Theil der Nebelmaterien ehe sie in dem Kern sich niederläßt, anfängt, eine Gestalt anzunehmen, in welcher sie diesen Kern in konzentrischer Anordnung umgiebt? Und – wenn wir wagen dürfen, noch weiter zu fragen – wird nicht die Materie bei ihrem Herabsturz gegen den Kern eine Art von Wirbel oder herumschwingender Bewegung hervorrufen? Ja, muß nicht eine solche Wirkung eintreten und sehen wir hier nicht eine natürliche Ursache, die einem Weltkörper gleich bei seiner Bildung eine umwälzende Bewegung ertheilen kann?“

„Mit dem Genius steht die Natur im ewigen Bunde!“ Dieses Dichterwort bestätigt sich auch hier. Herschel hat, man möchte sagen instinktiv, das Richtige getroffen; jene Nebel sind in der That Vorstufen der Bildung von Sonnensystemen. Was der große Mann nur unvollkommen mit seinen leiblichen Augen sehen konnte, das liegt heute, dank den Fortschritten der Optik und der Photographie, klar und unzweifelhaft vor dem Blicke der Gegenwart. In einigen Fällen hat die unermeßlich weit entfernte Nebelmaterie selbst ihr Bild auf die photographische Platte gezeichnet und uns in nicht mißzuverstehender Sprache enthüllt, was der geistige Blick Herschels schon vor einem Jahrhundert erschaute. Jene Mähnen sind nichts anderes als ungeheuere Wirbel von Nebelmaterie, sie gehören einer besonderen Klasse von Nebelflecken, den sogenannten „Spiralnebeln“ an, die zuerst Lord Rosse mit seinem Riesenteleskop erkannte und die in neuester Zeit genauer mit dem noch mächtigeren Riesenfernrohr auf dem Berg Hamilton in Californien gesehen worden sind. Man erkennt in den Abbildungen, welche die Beobachter von diesen außerordentlich merkwürdigen Gebilden gegeben haben, leuchtende Windungen der Nebelmaterie, in einem Falle stellen sie sich dar wie ein schneckenartig gewundenes Tau, das an seinen Endpunkten in dichte runde Knoten ausläuft. Dabei darf man niemals vergessen, daß es sich hierbei um Größenverhältnisse handelt, welche alle menschlichen Begriffe übersteigen, daß die kleinsten Nebelpünktchen in diesen Gebilden unsere ganze Sonne an Volumen weit übertreffen und jene lichteren Schneckenwindungen sich durch Räume erstrecken, gegen welche die Entfernung der Erde von der Sonne verschwindend klein erscheint.

Es handelt sich also hier um Vorgänge, welche mit der Bildung ganzer Weltsysteme in engster Beziehung stehen, um Entwicklungen in den Werkstätten des Alls. Aus den Nebelmassen heraus haben sich die Sonnensysteme, haben sich die Fixsterne und die Planeten gebildet, und zwar in einer Art und Weise, welche zuerst der große französische Mathematiker Laplace kennen gelehrt hat. Nach seiner Hypothese bildete z. B. unsere Sonne in der Urzeit einen ungeheuer ausgedehnten Nebelfleck von hoher Temperatur, der sich von West nach Ost um seine Axe drehte. Infolge der allmählichen Erkaltung mußte sich die Materie dieses Nebelfleckes mehr und mehr zusammenziehen und dadurch endlich, nach bestimmten mechanischen Gesetzen, in der Gegend des Aequators der Nebelmasse ein frei schwebender Ring abgetrennt werden. Da die Erkaltung fortdauerte und mit ihr die Zusammenziehung des umschwingenden Nebels, so mußte sich nach Ablauf einer gewissen Zeit die Ringbildung wiederholen, und alle Ringe drehten sich ununterbrochen von West nach Ost um die centrale Nebelmasse. Die fortdauernde Erhaltung dieser Ringe würde eine gewisse Regelmäßigkeit ihrer Zusammensetzung und Zusammenziehung in allen Theilen erfordern, die sehr wenig wahrscheinlich ist. Daher mußte der Fall eintreten, daß die Ringe auseinander brachen und ihre Materie sich, da sie noch flüssig oder gasförmig war, zu Kugeln ballte. Aus diesen glühendheißen Nebelkugeln entstanden die Planeten. Jede solche Kugel drehte sich von West nach Ost um ihre Axe, und indem sie erkaltete, konnten sich hier alle Vorgänge, die bereits bei der ursprünglichen Nebelmasse eintraten, wiederholen. Es bildeten sich also wiederum Ringe, aus deren Zerfall später die Monde der Planeten entstanden.

Laplace hat, als er seine berühmte Hypothese der Weltenbildung aufstellte, von den Untersuchungen Herschels über die Nebelflecke nichts gewußt, wenigstens erwähnt er diese nicht. Er ging vielmehr von einer anderen Thatsache aus, die er mit großem Scharfsinn verwerthete und die wirklich höchst merkwürdig ist. In unserem Planetensystem bewegen sich nämlich alle Hauptplaneten von West nach Ost um die Sonne, diese selbst dreht sich von West nach Ost um ihre Axe, die Erde dreht sich in der nämlichen Richtung um sich selbst, und das Gleiche gilt vom Mars, Jupiter und Saturn. Außerdem läuft der Mond von West nach Ost um die Erde, die Monde des Jupiter laufen in der gleichen Richtung um ihren Planeten, und das Nämliche gilt von den Monden des Saturn. Diese allen gemeinsame Bewegung von West nach Ost muß einen Grund haben, und Laplace berechnete, daß man 4000 Millionen gegen Eins wetten könne, es handle sich hier nicht um eine Wirkung des Zufalles, sondern um eine verborgene, allgemeine Ursache. Diese suchte er auf und fand sie in der oben geschilderten gemeinsamen Entstehung aller Planeten aus einer ungeheueren Nebelmasse. Es ist etwas Großartiges um den Gedanken an die Art und Weise der Bildung des ganzen Sonnensystems, um die Erforschung von Vorgängen, die sich abspielten, ehe unser Erdball noch vorhanden war, ehe die heutige Sonne ihren ersten Lichtstrahl ausgesandt hatte! Und dem großen Geiste, von dem man mit Recht gesagt hat, daß er mehr als jeder andere verstanden habe, sich wissenschaftlichen Irrthümern zu entziehen, welche die Einbildungskraft so leicht hervorruft, ihm kann man mit Bezug auf die Entstehungsgeschichte des Planetensystems mit vollem Recht die Worte in den Mund legen:

„Ich war dabei, als noch da drunten siedend
Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug,
Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,
Gebirgestrümmer in die Ferne schlug!“

In der That, mit prophetischem Blicke über Zeit und Raum hinaus dringt der wissenschaftliche Geist vor und enträthselt den Zustand der Dinge zu einer Zeit, die begraben liegt im Schoße tiefster Nacht der Vergangenheit, zu einer Zeit, in welcher der heutige Sternenhimmel nicht vorhanden war und das Dasein der scheinbar ewig den Pol umkreisenden Sternbilder noch im Nebel der Zukunft ruhte.

Sehr richtig sagte Arago über die Laplacesche Theorie der Weltenbildung, sie sei als die einzige anzusehen, welche durch ihre Großartigkeit, ihre Folgerichtigkeit, ihren mathematischen Charakter sich wirklich zur Begründung einer physischen Kosmogonie, einer auf Naturgesetzen aufgebauten Weltbildungslehre, eigne, die einzige, welche in den Ergebnissen der neueren astronomischen Untersuchungen über die Nebelflecke von jeder Größe und Gestalt, die sich am Himmel finden, eine mächtige Stütze erhalte. Letzteres ist heute in einem noch ungleich höheren Grade der Fall, als man selbst vor einem Jahrzehnt ahnen konnte. Wer hätte auch vermuthet, daß es der vervollkommneten Photographie gelingen würde, die Welt der Nebelflecke gewissermaßen zur Erzählung ihrer Geschichte zu bringen, indem sie dieselbe vermochte, mit dem eigenen Lichte ihre Gestalt und ihr Wesen niederzuschreiben? Heute ist dies gelungen, und wir besitzen von einem der größten Nebelflecke photographische Darstellungen, welche die Ringe und Nebelballen der Laplaceschen Theorie dem Beschauer unmittelbar vor Augen führen, von der Natur selbst gezeichnet, unverfälscht, ohne daß die mangelhafte Sicherheit eines Zeichners die Linien auch nur um Haaresbreite verändert hätte. Eine solche photographische Aufnahme eines Nebelfleckes wurde zuerst gewonnen am 29. Dezember 1888 in Liverpool, und zwar von einem Liebhaber der Astronomie und Photographie, Jsaak Roberts mit Namen.

Der Nebelfleck, um den es sich hier handelt, steht am Himmel im Sternbild der Andromeda und ist dem bloßen Auge in klaren Nächten, wenn man den Ort kennt, als schwaches, nebliges Sternchen erkennbar. In mächtigen Ferngläsern sieht man, daß [879] dieser Nebel länglich elliptisch oder spindelförmig ist, nahe der Mitte einen hellen Kern hat und seitlich von einem kleinen rundlichen Nebel begleitet wird. Sterne stehen hin und wieder über den Nebel zerstreut, auch tauchte im August 1885 nahe seinem Mittelpunkt ein gelbliches Sternchen auf, das nach einigen Monaten wieder verschwand und seitdem nicht wieder gesehen worden ist. Beobachter an sehr großen Fernrohren wollten im Innern des Nebels hier und da dunkle Striche wahrgenommen haben, andere konnten dergleichen nicht sehen, kurz, Besonderheiten seines eigentlichen Baues oder seiner Bildung waren nicht bekannt. Da schickte sich am 29. Dezember 1888 der obengenannte Isaak Roberts an, mit einem großen Spiegelteleskope und einer überaus empfindlichen Platte den Nebel photographisch aufzunehmen. Um bei der Lichtschwäche desselben ein genügend deutliches Bild zu erhalten, hat er volle vier Stunden lang exponiert, wobei das Fernrohr ununterbrochen, der Drehung des Himmels entsprechend, nachgeführt werden mußte , damit es das Bild auf der Platte unverrückt festhalte. Diese überaus mühevolle, anstrengende Arbeit wurde von einem ungeahnten Erfolg gekrönt. Auf der Platte erschien ein Bild, welches von allem abwich, was bis dahin das Auge am Fernrohr gesehen hatte. Der Nebel erschien als ein System von Ringen mit einem Kern in der Mitte, genau so, wie die Weltenbildungstheorie von Laplace dies voraussetzt!

Der Andromeda-Nebel.

Niemals hat sich menschlichen Blicken etwas Ueberraschenderes in der Welt der Nebelflecke dargeboten als dieses Bild. Man erblickt in ihm unmittelbar und ohne Zuhilfenahme von Phantasie eine flache Nebelscheibe, schräg gegen unsere Gesichtslinie liegend, im Stadium der Ringbildung mit mehreren Verdichtungen auf einzelnen Ringen, welche wahrscheinlich die Anfänge von Planetenbildungen darstellen. Ja, der kleine, den Hauptnebel begleitende Nebelfleck ist vielleicht nichts anderes als ein bereits abgetrennter Nebelball, der frei den großen centralen Nebel umkreist. Die Laplacesche Weltenbildungstheorie feiert in dieser photographischen Aufnahme des Andromeda-Nebels einen währen Triumph. Es ist, als wenn der Nebel eigens vorhanden wäre, um einen augenfälligen Beweis für ihre Richtigkeit zu geben. – In der obenstehenden Abbildung ist eine möglichst getreue Wiedergabe der Robertsschen Photographie versucht worden. Der Leser sieht deutlich die schräg gegen unsere Gesichtslinie liegenden Ringe und die Lichtknoten darauf. Er sieht außerdem den ganzen Nebelfleck auf allen Seiten umgeben von größeren und kleineren Sternchen, die ohne bestimmte Ordnung gruppiert erscheinen und offenbar keine Beziehung zu dem Nebel selbst haben. Höchst wahrscheinlich steht dieser letztere uns näher als jene Sterne. Wie groß seine Entfernung ist, weiß man nicht, nur so viel ist sicher, daß sie viele tausend Milliarden Meilen beträgt, also so beträchtlich ist, daß wir uns keine sinnliche Vorstellung davon machen können. Von den unzähligen Sternchen aber, welche auf demselben Bilde mit dem Nebel zugleich erscheinen, kannte man früher nur einige wenige, kein Fernrohr hatte sie bis dahin gezeigt, und erst die photographische Platte zog sie aus dem Dunkel ihres bisherigen Daseins vor die Augen der Menschen. Und alle diese Sternchen, die kleinsten nicht ausgenommen, sind leuchtende Sonnen, gleich unserer Sonne, alle sind mächtige Weltkörper, die seit Myriaden Jahren glühen und leuchten zu Zwecken, die wir nicht kennen, Weltkörper, von denen wir nur sagen können, daß sie nicht unsertwegen vorhanden sind. Indem wir uns dieses recht versinnlichen, eröffnet sich vor unserm Geiste eine Vorstellung von dem Weltall und seinen Einrichtungen, die alles übertrifft, was die kühnste Phantasie ersinnen könnte. Gleich Schneeflocken wirbeln Sonnen und Planeten im schrankenlosen All; Raum, Zeit und Materie treten uns in überwältigender Fülle entgegen. Körper von der Größe unserer Sonne spielen im All kaum eine wichtigere Rolle als Tropfen im Ocean, als Sandkörner am Strande des

Meeres. Jedes der Sternchen, die wir auf der Abbildung sehen, hat seine eigene Weltgeschichte, jedes bildet in seiner Heimath eine Welt für sich, von den andern getrennt durch unermeßliche Entfernungen. Jedes ist eine ungeheure Gluthmasse, ähnlich unserer Sonne, und das Spektroskop hat uns offenbart, daß auf allen Sternen des Himmels gewisse einfache Stoffe, wie Wasserstoff, Stickstoff, Natrium, Magnesium, im Zustand glühender Gase vorhanden sind, ähnlich wie dies auch bei der Sonne der Fall ist. Von der kleinen dunklen Erde aus, die, aus Fixsternentfernung gesehen, durch nichts eine Spur ihres Daseins mehr verrathen kann, ist der Mensch, mit Hilfe seiner Vernunft und bewaffnet mit den bewundernswerten Instrumenten der Neuzeit, vorgedrungen bis in jene entlegenen Regionen und hat dort den Werdeprozeß der Welten belauscht, hat in den Sternen die Vorgeschichte seiner eigenen Heimath gelesen und zieht aus den Zuständen der Vergangenheit und Gegenwart begründete Schlüsse auf das, was noch im Schoße der Zukunft schlummert, aber dereinst kommen wird, weil es naturnothwendig kommen muß.

Wie alles, was entsteht, zu Grunde gehen muß, so ist auch den Sternen, die sich aus dem Urnebel gebildet haben und noch bilden werden, keine ewige Dauer ihres Daseins beschieden. Schon die Thatsache, daß die Fixsterne Sonnen sind gleich unserer Sonne und wie diese ununterbrochen Wärme ausstrahlen, beweist, daß jeder Stern mit der Zeit erkalten muß. Aus einer selbstleuchtenden Sonne wird er alsdann zu einem dunkeln erstarrten Körper von so grausenvoll niedriger Temperatur, wie wir sie aus der Erfahrung nicht kennen. Es ist wissenschaftlich festgestellt, daß wenn die Sonne keine Wärme mehr der Erde zusenden würde, die Temperatur an der Oberfläche unseres Weltkörpers so tief unter den Gefrierpunkt sinken würde, daß nicht nur alle uns bekannten Flüssigkeiten erstarren müßten, sondern sogar die atmosphärische Luft ihren gasförmigen Zustand verlassen und als fester Körper die Erde bedecken würde. So viel liegt daran, daß die Gluth einer Sonne ihren Planeten zustrahlt; mit dem Erlöschen dieser Gluth beginnt die Erstarrung des Todes. Die zahllosen leuchtenden Fixsterne im Weltraum sind ebensoviel Quellen der Wärme und damit des Lebens und der Bewegung. Wir dürfen annehmen, daß sich um viele oder gar um die meisten von ihnen dunkle Planeten bewegen, von denen wir freilich nichts Bestimmtes wissen und auch niemats erfahren werden. Unbestreitbar aber bleibt, daß jene Fixsterne, und unter ihnen auch unsere Sonne, einst ihre Wärme eingebüßt haben werden, denn das, was sie an Gluth ununterbrochen ausstrahlen, ist nur der Ueberrest derjenigen Wärme, die aus dem Ballungsprozeß ihrer Nebelmaterie erwuchs. Daher ist Erstarrung, Nacht und Kälte der letzte Ausblick, welcher sich für die Sterne des Himmels eröffnet, Kraftlosigkeit und Tod das Ende ihres kosmischen Lebens. Auch gibt es manche Sterne des Himmels, die Spuren beginnenden Alters zeigen, deren Licht röthlich geworden ist, als Zeichen, daß die höchste Gluth dort längst vorüber und erhebliche Minderung der Wärme eingetreten ist. Im Verlauf zahlloser Jahrtausende werden diese Sterne erloschen sein. Unsere Sonne zeigt in ihrem bläulich-weißen Licht und durch ihre jeden Vergleich mit irdischen Wärmequellen übersteigende Gluth, daß ihr noch ein langes Leben beschieden ist. Doch auch sie kann sich dem allgemeinen Gesetze nicht entziehen, auch sie wird dereinst erlöschen, und für den Erdball wird die Zeit kommen, in der es keinen Tag mehr gibt. Vom Menschengeschlecht wird dann allerdings längst jede Spur verschollen, jegliche Erinnerung an menschliche Leiden und Freuden, an alle Großthaten unseres Geschlechtes wird dahin sein, weil kein sterbliches Wesen hiniedea mehr vorhanden ist, in dessen Bewußtsein sie erklingen könnte. Was in dieser Beziehung für uns noch in nebelgrauer Zukunft liegt, ist an anderen Stellen des Weltraumes, in anderen Sonnensystemen ohne Zweifel schon oftmals [880] eingetreten, da gewiß zahlreiche Sonnen im Laufe der Zeit erloschen sind. Andererseits ist nicht zu bezweifeln, daß neue Bildungen sich vorbereiten, wie in jenem Nebelfleck der Andromeda, wo sich der Weltenstoff zu dereinstigen Sonnen und Planeten zusammenballt. So vollzieht sich auch im Weltall ein fortwährendes Entstehen und Vergehen, Aufblühen und Verwelken im ruhelosen Spiel der kosmischen Kräfte. Wann es sein Ende finden wird, weiß niemand, daß es aber ein solches erreichen muß, ist sicher. Die Wissenschaft verfolgt die Kette der Erscheinungen Glied um Glied, ohne Anfang oder Ende derselben zu erreichen, und nur der Glaube setzt an den Beginn derselben ein göttliches „Werde!“