Aus Dresden
Zu unsrer diesjährigen Kunstausstellung hofften die Freunde der Kunst besonders auch auf einen Beitrag von dem Maler Matthäi, der ein Sohn des hiesigen Inspektors der Mengsischen Gypssammlung, jetzt in Rom lebt und sich durch mehrere in Italien gewonnene Preise[WS 1] ausgezeichnet und auch dem Vaterlande Beweise seiner Talente, die wir bei voriger Ausstellung[1] und früher von ihm gesehen haben, gegeben hat. Aber die Kunstausstellung war geschlossen und jene Hoffnung schien vergeblich, als vor einigen Wochen ein historisches Gemälde und eine Portraitgruppe in Lebensgröße von ihm ankam und zum Genuß für Kunstfreunde auf der Gemäldegallerie ausgestellt wurde. Das historische Gemälde, das eigentlich für eine Preisaufgabe in Mailand bestimmt war, aber wegen verspätigter Vollendung nicht mit konkurrirt hat, enthält die Behandlung folgenden Vorwurfs aus Lucians Lobrede auf einen schönen Saal. Siehe Wielands Uebersetzung 6ter Theil S. 347. „Das nächstfolgende Gemälde stellt ein berühmtes Beispiel der strafenden Gerechtigkeit auf, dessen Sujet der Maler mir aus dem Euripides oder Sophokles genommen zu haben scheint, denn beide haben ein ähnliches Bild gemalt. Die beiden jungen Freunde Pylades von Phocäa und Orestes kommen, unter Begünstigung des Gerüchtes von ihrem Tode, unerkannt in den Palast Agamemnons, und fallen beide mit den Schwerdtern über den Aegistheus her. Die bereits ermordete Klytemnestra liegt halbnackend auf einem Bette; eine Menge Sklaven und Sklavinnen in größter Bestürzung um sie her, wovon die einen laut zu jammern und zu heulen scheinen, und die andern ängstlich umhersehen, wie sie sich durch die Flucht retten wollen. Der Maler hat diese Geschichte mit großem Gefühl für das Schickliche so behandelt, daß er das, was Religion und Natur gleich stark beleidigt, den Muttermord, nicht unmittelbar vor den Augen der Zuschauer begehen läßt, sondern als schon geschehen blos andeutet, hingegen zur Haupthandlung den Augenblick wählte, wo die beiden Jünglinge den Ehebrecher zur verdienten Strafe ziehen.“ Dies letztere, was Lucian rühmt, hat auch der neuere Künstler beibehalten. Hinter der Gruppe der Jünglinge und des Aegistheus sehen wir die ermordete Mutter auf dem blutschänderischen Bette liegen. Aegistheus ist auf die Knie geworfen, Orestes zuckt den blutenden Dolch auf den verruchten Mörder seines Vaters, und Pylades faßt ihn mit gewaltiger Hand an der Gurgel. Links im Bilde sehen wir die Schwester des Orest, die sich, furchtsam und erschüttert über das wilde Morden um sie her, schüchtern an einen danebenstehenden Sklaven hält. Rechts stehen Gruppen, welche der fürchterliche Greuel, der das Haus des Agamemnons zerstörend durchschreitet, aufgeschreckt und herbeigeführt hat; und durch eine geöffnete Thür erblickt man zwei fliehende Mädchen. Die Erfindung gab im Ganzen jene Stelle. Zeichnung, Farbengebung, Drapperie sind mit verständigem Fleiße ausgeführt und sehr lobenswerth. Was uns weniger befriedigte war die Anordnung der Gruppen und der Ausdruck in den einzelnen Gestalten; doch schieben wir auch hier vieles auf die Schwierigkeit, historische Süjets aus dem Alterthume darzustellen, und werden in einer Abhandlung: Ueber die schicklichste Behandlung aus dem Alterthume entlehnter Süjets, die vielleicht bald erfolgen wird, wieder dieses Bildes so wie einiger von andern neuern Künstlern gedenken. – Die Portraitgruppe war sehr karakteristisch und mit vieler Fertigkeit ausgeführt.
- ↑ Durch das Gemälde Semir und Semira aus der Sündfluth von Gesner.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Prise