Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Auerbach’s Hof in Leipzig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 345, 360
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[345]

Auerbach’s Hof in Leipzig.0 Nach einer Radirung von E. Kiesling.

[360] Auerbach’s Hof in Leipzig. (Mit Illustration S. 345.) Es war im Jahre 1420, als Leipzig durch eine Feuersbrunst heimgesucht wurde, die gegen 400 Bürgerhäuser zerstörte, damals hölzerne, großentheils mit Stroh gedeckte Gebäude. Dieser Brand brachte der Stadt neben vielem Jammer auch bedeutende Vortheile, insofern an Stelle der leichten Häuser steinerne Gebäude mit feuerfesten Gewölben und Niederlagen aufgeführt wurden, wie sie sich in vielen Unterbauen der inneren Stadt bis zum heutigen Tage erhalten haben.

Das berühmteste jener nach dem Brande von 1420 entstandenen Kaufmannshäuser wurde „Auerbach’s Hof“. Von der Patricierfamilie Hommelshain, in dessen Besitze sich das Gebäude zuerst befand, erwarb dasselbe im Jahre 1519 der Rektor und Dekan der medicinischen Fakultät Doktor Heinrich Stromer aus Auerbach bei Straubing in Bayern, der bekannte Freund und Verehrer Luther’s, welchen man, nach der Sitte jener Zeit, nach seinem Geburtsorte „Doktor Auerbach“ nannte. Als er 1520 Rathsherr geworden war, kaufte er mehrere Nachbarhäuser, namentlich auch die an den Neumarkt grenzenden, dazu und verband sie (1530 bis 1538) zu einem Grundstücke, das seit dieser Zeit den Namen „Auerbach’s Hof“ führt. Besonders für den Handelsverkehr mit den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg, Frankfurt am Main, sowie für die italienischen, französischen und niederländischen Kaufleute war Auerbach’s Hof ein wichtiger Sammelplatz. Hier befanden sich hundert Gewölbe, viele offene Buden, zwei Bilderhäuser nebst schönen Stuben und Logiamentern, und selbst ein Reisigenstall für die Rosse der fremden Kaufleute fehlte nicht. Alle Chronisten Leipzigs rühmen den Reichthum und die Pracht der kostbaren Waaren, welche hier aufgespeichert wurden.

Der seit 1592 in Wittenberg lebende, durch seine trefflichen Witzreden noch jetzt unvergessene Professor Friedrich Taubmann schrieb begeisterte Verse über „Auerbach’s Hof“, und zahllose lateinische und deutsche Reimschmiede ahmten ihm nach. Während der Messen belebte seine Räume der glänzende Dresdener Hof, der Landesadel und überhaupt die vornehmste und reichste Gesellschaft. Die letzten Meßbesuche des sächsischen Fürstenhauses in „Auerbach’s Hofe“ geschahen zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Um diese Zeit schwand auch der alte Ruf dieses „Klein-Leipzigs“, von welchem Taubmann einst geschrieben, „daß, wer sich nicht in ‚Auerbach’s Hofe‘ umgeschaut, nicht sagen könne, daß er Leipzig gesehen habe.“ Jetzt haben die Gewölbe, wo einst die Reichthümer aller Zonen auslagen, größtentheils Leipziger Gewerbetreibende inne. Von dem berühmten Weltbazar der letzten drei Jahrhunderte zeigt sich keine Spur mehr.

Vielleicht würde „Auerbach’s Hof“ kaum noch genannt werden, wenn an ihm nicht die Faust-Sage haftete, welche Goethe zu seiner herrlichen Dichtung benutzte, deren Plan er in „Auerbach’s Keller“ entworfen haben soll. Die Erinnerung an den Schwarzkünstler, welcher auf einem Weinfasse aus diesem Keller geritten sein soll, erhalten noch zwei in demselben befindliche, in die Füllungswände einer Wölbung befestigte Bilder mit der Jahreszahl 1525, also des Jahres, in welchem Faust notorisch in Leipzig war. Goethe’s Trauerspiel hat dieser Lokalität Unsterblichkeit verliehen, aber modernen Umgestaltungen ist auch sie nicht entgangen. Hätte Goethe nicht seinen „Faust“ geschrieben, so würde „Auerbach’s Keller“, gleichwie der berühmte Weltbazar in den Hofräumen, wahrscheinlich längst in Vergessenheit versunken sein. Sachverständige Kritik hat ergeben, daß die Jahreszahl 1525 auf den Bildern sich zuverlässig nur auf das Faktum des Kellerrittes, keineswegs aber auf die Ausführung der Malerei bezieht. Nahe liegt die Wahrscheinlichkeit, daß Heinrich Stromer, welcher 1542 gestorben ist, die Bilder als Warnung gegen die Völlerei stiftete. Der obere Keller, wo die Bilder angebracht sind, war im Jahre 1525 noch gar nicht vorhanden, da dieser Theil des Hauses, wie auch eine vorhandene Jahreszahl bezeugt, erst 1530 erbaut worden ist.

Die Baulichkeiten, welche unsere Abbildung zeigt, gehören verschiedenen Zeiten an. Sie sind an der Stelle aufgenommen, wo der eigentliche alte „Auerbach’s Hof“ mit seinen Kaufläden und seinem lebendigen Meßverkehr begann, während die andere Seite nach dem Neumarkt hin Herbergen für die fremden Handelsleute und den Reisigenstall enthielt. In dem großen Gebäude zur Rechten befanden sich die Bildersäle; das kleine Haus mit dem Spitzgiebel wurde das „Juwelierhaus“ genannt, wahrscheinlich weil hier die fremden Goldschmiede ihre Schätze feilboten. Der hinter demselben sichtbare Ausgang führt nach der Grimmaischen Straße, gegenüber dem Rathhause. Rechtsseitlich an dem Vordergebäude, durch welches dieser Ausgang führt, befindet sich eine Treppenpforte, durch welche man nach dem unteren Keller, dem eigentlichen Faust-Keller gelangt. Dieser Keller rührt noch von dem alten Bau aus dem Jahre 1420 her. Durch diese Kellerpforte erfolgte „Faust’s unsterblicher Faßritt“, also nicht nach der Grimmaischen Straße, sondern nach dem Hofe heraus, wie dies auch auf einem der obengenannten Bilder, welches diese Heldenthat des Schwarzkünstlers darstellt, ersichtlich ist.

Hat „Auerbach’s Hof“, jetzt Eigenthum der gräflichen Familie von Veltheim, noch einige Baulichkeiten aus seiner Glanzperiode aufzuweisen, so dürfte hier die Neuzeit ebenfalls bald ihre Forderungen zur Geltung bringen. Es steht eine Renovation des Gebäudekomplexes bevor, durch welche wahrscheinlich auch manche noch damit verbundene Erinnerung weit in das Dunkel der Vergangenheit zurückgedrängt werden wird. Otto Moser.