Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der Tod und der Gänshirt

Die Bremer Stadtmusikanten Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I von Johannes Bolte, Jiří Polívka
27a. Der Tod und der Gänshirt
Der singende Knochen
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27a. Der Tod und der Gänshirt.

Es ging ein armer Hirt an dem Ufer eines großen und ungestümen Wassers, hütend einen Haufen weißer Gänse. Zu diesem kam der Tod über Wasser und wurde von dem Hirten gefragt, wo er herkomme und wo er hinwolle. Der Tod anwortete, daß er aus dem Wasser komme und aus der Welt wolle. Der arme Gänshirt fragte ferners, wie man doch aus der Welt kommen könne. Der Tod sagte, daß man über das Wasser in die neue Welt müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sagte, daß er dieses Lebens müde, und bat den Tod, er solle ihn mit über nehmen. Der Tod sagte, daß es noch nicht Zeit und er hätte jetzt sonst zu verrichten. Es war aber unfern davon ein Geizhals, der trachtete nachts auf seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zusammenbringen möchte; den führte der Tod zu dem großen Wasser und stieß ihn hinein. Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu Grunde gesunken, bevor er an das Ufer kommen. Seine Hunde und Katzen, so ihm nachgelaufen, sind auch mit ihm ersoffen.

Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gänshirten, fand ihn fröhlich singen und sprach zu ihm: ‘Willst du nun mit?’ Er war willig und kam mit seinen weißen Gänsen wohl hinüber, welche alle in weiße Schafe verwandelt worden. Der Gänshirt betrachtete das schöne Land und hörte, daß die Hirten derorten zu Königen würden. Und indem er sich recht umsah, kamen ihm die Erzhirten Abraham, Isaac und Jacob entgegen, setzten ihm eine königliche Krone auf und führten ihn in der Hirten Schloß, allda er noch zu finden.


Aus Harsdörfer, Der große Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichten (Hamburg 1663) S. 651 nr. 181 ‘Der bestraffte Diebstal’.

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