Anekdoten von Franz Liszt

Textdaten
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Titel: Anekdoten von Franz Liszt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 722–723
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[722] Anekdoten von Franz Liszt. Der verstorbene große Musiker, dessen Bedeutung für das gesellschaftliche Leben unserer jüngsten Vergangenheit keineswegs durch die kritische Würdigung seiner künstlerischen Leistungen in erschöpfender Weise dargelegt werden kann, war nicht nur aus Herzensneiguug ein Anhänger der römischen Kirche, er war auch ein pikanter Abbé im Geiste des vorigen Jahrhunderts, ein Mann des Salons mit schlagendem Witze, von großer Gewandtheit und unerschütterlicher Geistesgegenwart. In der „Revue Internationale“, einer in Florenz erscheinenden Zeitschrift, veröffentlicht Janka Wohl Erinnerungen an Liszt, welche manchen werthvollen und pikanten Beitrag zu einem Charaktergemälde des Meisters und vor Allem manche interessante Probe seiner geistigen Schlagfertigkeit geben. Als ein so feiner Hofmann und Diplomat sich Liszt in den höchsten Kreisen bewegte: so wenig ließ er sich’s gefallen, wenn das Recht des Künstlers in ihm verletzt wurde. Während einer Soirée am Petersburger Hofe, wo er sehr gern gesehen war, begab es sich, daß sich der Kaiser Nikolaus, der sich wenig aus Musik machte, mit einer Dame zu unterhalten anfing und, um den musikalischen Vortrag von Liszt sich weiter nicht kümmernd, ganz laut sprach. Plötzlich stand Liszt auf und verließ das Piano. Der Zar, darüber befremdet, wandte sich an den Meister und fragte ihn: „Warum haben Sie Ihr Spiel unterbrochen?“ Der Künstler erwiderte: „Wenn der Kaiser spricht, muß man schweigen.“

Die Fürstin Metternich, die Gattin des berühmten Premierministers, war eine eifrige Gegnerin von Liszt, den sie nie für sich hatte gewinnen können. Einmal fragte sie ihn zu Wien in ihrem Salon, vor allen Gästen: „Machen Sie gute Geschäfte, Doktor?“ „Nur die Banquiers und die Diplomaten machen gute Geschäfte, Durchlaucht,“ erwiderte er.

Mit Recht sagt die Verfasserin dieser Erinnerungen, daß Liszt einer der gemischtesten Charaktere gewesen, daß er eben so viel vom Dämon wie vom Engel gehabt. Keiner von den berühmten Größen der Gegenwart [723] würde einer Anekdotensammlung so reichen Stoff bieten: alle seine geflügelten Worte einzufangen, dürfte unmöglich sein; denn an glücklichen Abenden, wie sie am Hofe von Weimar den Anwesenden in bester Erinnerung sein werden, jagte bei ihm, um die Wendung einer Posse zu gebrauchen, ein Witz den andern, und kein Abbé der Rokokozeit konnte sich an funkelndem Esprit und unerschöpflichen Einfällen mit diesem oft so tiefsinnig ernsten Meister der Töne messen. †