Textdaten
Autor: Susanne von Bandemer
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Titel: An den Kirchhof zu Y * * *
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aus: Neue vermischte Gedichte, S. 192–
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Erscheinungsdatum: 1802
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Erscheinungsort: Berlin
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[192]

An den Kirchhof zu Y***. Im Maymonath 1799.


Kleiner Kirchhof, nimm im Frieden
Mich in deiner Mitte auf,
Denn kein Trost ist mir beschieden
Für des Lebens längern Lauf:

5
Schenke freundlich mir ein Grab

Wo ich ruhig schlummern mag.

Weder Kranz noch Steine schmücken
Deiner Hügel leichten Sand;
Aber Blümchen kann man pflücken

10
Von des Rasens grünem Rand,

Liebe Kinder freuen sich
Deiner Blümchen so wie ich.

Weiße Blüthe deckt die Bäume
Die dir frischen Schatten leihn;

15
Auf dir schlummern alle Träume

[193]

Falscher Lebensfreuden ein;
Und aus deinem Schoos entseht
Eine Saat, von Gott gesät.

Schlummert sanft, ihr Guten! Lieben!

20
Frey von jeder Erdenpein;

Nie wird euch ein Schmerz betrüben,
Jeder Gram euch fremde seyn,
Ruh’ umsäuselt, gleich dem West,
Eures Staubes Überrest.

25
Wohl mir, wenn mein Grabeshügel

Sich an eurer Seite thürmt!
O, die Seele wünscht sich Flügel
Fort von hier, wo alles stürmt;
Wo gleich dunkler Wetternacht

30
Mir kein Stern der Hoffnung lacht.


Bilder der Verwesung schweben
Meinem trüben Geiste vor;
Und mit leisen Ahnungsbeben
Blick ich, Gott! zu dir empor,

35
Der den Baum mit neuer Pracht,

Schmückte nach der Winternacht.

[194]

Dir will ich entgegen lächeln,
Tod, wie meinen besten Freund;
Denn du kühlst mit sanften Fächeln

40
Dieses Auge das noch weint;

Schließ es sanft zur langen Ruh,
Und des Herzens Wunden zu.

Sey gesegnet, Muttererde!
Nimm mich auf in deinen Schoos,

45
Kette mich von der Beschwerde

Dieses Jammerlebens los.
Frey entschwingt mein beßres Ich,
Zu der Wesen Quelle sich

Gott, tu dir! wo reine Klahrheit

50
Diesen müden Geist umgiebt;

Wo die Tugend und die Wahrheit
Keiner Natter Gift mehr trübt.
Wo Verfolgung, Neid und List,
Ewig, ewig fremde ist.

55
Von den Menschen hart betrogen,

Stets verfolget und gekränkt,
Wurde mir Gefühl gelogen,

[195]

Und, ach! kein Asyl geschenkt.
Darum sehn’ ich mich zu dir,
Kleiner Kirchhof, sey es mir.

60
Dieses Herz, das man verkannte

Wird dann ewig ruhig seyn:
Was ich Lieb’ und Freundschaft nannte,
Werd’ ich nicht mehr Thränen weihn.
Holder Genius der Ruh’.

65
Führ mich dieser Freystatt zu.


Wo bedeckt mit leichter Erde
Mancher biedre Landmann ruht,
Frey von drückender Beschwerde,
Und der Ärndte Tage Gluth;

70
Dort wird mir auch ohne Stein,

Eine Zähre heilig seyn.

Die gedankenvoll und trübe
Mir verschwiegner Kummer weint.
Wo die Freundschaft und die Liebe

75
Traurend um mich sich vereint;

Dann schwebt sanft mein Geist herab,
Segnend – liebend – um mein Grab.