An Louise
Nimm dieses Lied das in vergangnen Zeiten
Des Alterthums der weise Barde sang,
Nie hat ein Lied auf eines Sängers Saiten
Dahingerauscht, das diesem gleich erklang: –
Zum Hügel dort, das stille Thal entlang!“
So sprach der Greis, und gern vernahm die Worte
Das gute Kind, und leitet’ ihn zum Orte.
Die Barden folgten dem verehrten Greise
Malvina trug nach der gewohnten Weise
Des Sängers Saitenspiel in ihrer Hand,
Und gab’s ihm hin, wo an den Hügel leise
Die Eiche rauschte, die dort einsam stand.
Und schweigend horchten des Gesanges Söhne.
Er sang die Zeit, wo noch sein Vater lebte
Und ihn als Kind in seinem Arme trug,
Der Helden Zeit, die ach! zu schnell entschwebte
Malvina weinte, denn die Klage bebte
Auf jedem Ton, den seine rechte schlug,
Und wehmuthsvoll umschlang sie mit den Händen
Des Vaters Knie, bis seine Klagen enden.
Malvinens, die ihr weinend Angesicht
An ihm verbirgt, er hält sie fest umfangen
Mit Innigkeit und tröstet sie und spricht:
Komm, holdes Kind, laß mich zur Ruh’ gelangen
Zur stillen Wohnung, daß ein sanfter Schlummer
Mir Frieden bring’ und stille meinen Kummer.
Das Mädchen faßt des Greises Hand und leitet
Mit treuer Sorgfalt von dem Hügel ihn
Um dessen Rand die bunten Blumen blühn;
Die Fluth ist hell und kühl und gern bereitet
Erquickung sie, wenn heiß die Tage glühn:
Gieb mir den Becher, spricht mit holden Blicken
Es dankt der Greis, der Sänger schöner Lieder,
Wie keiner ist und keiner jemals war:
Das Mädchen eilt zum Bache schnell hernieder
Mit leichtem Schritt, daß ihr gelocktes Haar
Und reicht den Becher ihrem Sänger dar;
Er nimmt ihn segnend, und die Augen glänzen
Ihm freudig, weil den Becher Blumen kränzen.
Er labt den Durst und fühlt ein neues Leben
Malvina, spricht er, was die Götter geben
Ist alles gut! nur mögen wir das Glück
Nicht stets erkennen, und die Blicke streben
Stets höher auf, als weise das Geschick
Und, was geschieht, laß uns den Göttern danken.
Der Abend kommt, und an dem Himmel sinket
Die Sonne schon mit goldnem Abendschein,
Die Felder ruhn, und jedes Blümchen trinket
Da tritt der Greis, wo ihm die Ruhe winket,
Mit seiner Tochter in die Wohnung ein,
Er dankt den Göttern, und die Götter geben,
Daß Schlummer bald und Frieden ihn umschweben.
Vom Hügel her, wo Ossian gewohnt,
Die Stille herrscht, und ach! Malvina singet
Ihr Lied nicht mehr am Abend, wann der Mond
Am Himmel schwebend rings den Frieden bringet
Am Hügel stehn zwey moosbewachsne Steine,
Der Wandrer weilt und segnet die Gebeine.
O Heil dem Sänger, der mit solchen Tönen
Der Liebe singt, was er im Busen hegt,
Wo alles ewig seine Blüthen trägt;
Die spätsten Enkel singen ihren Söhnen
Des Sängers Lied, der tief das Herz bewegt,
Und danken froh, wenn freyer sich ihr Busen
So wirst auch du, was ich dir freudig biete,
Des Barden Lied mit frohem Sinn empfahn,
Louise, du, die in der holden Blüthe
Der frühen Jugend ihren Ossian
Zum Schönen fügt auf seiner hohen Bahn:
Ein solches Lied ist wenigen gelungen
Und gerne hat’s der Sänger dir gesungen.