Textdaten
Autor: Dante Alighieri
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Titel: An Guido von Polenta
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aus: Epistolae aus: Dante Alighieri's prosaische Schriften mit Ausnahme der Vita Nova, Zweiter Theil. – S. 198-201
Herausgeber: Karl Ludwig Kannegießer
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Entstehungsdatum: 1313
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Karl Ludwig Kannegießer
Originaltitel: An Guido von Polenta
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Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Scans auf Commons: Seite 198ff.
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
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[198]

XI. An Guido von Polenta. (1313.)

Die Echtheit dieses Briefes ist sehr zweifelhaft. Er erschien in einer von Antonio Francesco veranstalteten Sammlung von prosaischen Schriften verschiedener Verfasser zum erstenmal gedruckt im Jahr 1547 und ist der Unterzeichnung nach am 30. März 1313 geschrieben, ein Bericht an Guido von Polenta über den Erfolg einer Gesandtschaft nach Venedig, womit ihn dieser beauftragt hatte. Die Venetianer werden darin als ganz Ungebildete dargestellt, die weder Lateinisch noch Italienisch verständen, und die Gesandtschaft hatte eben so schlechten Erfolg, wie die, welche Dante kurz vor seinem Tode in [199] Auftrag desselben übernahm und die seinen Tod veranlaßte. Diese beiden Gesandtschaften sind also nicht zu verwechseln. Zu verwundern ist aber, daß Dante während des sieghaften Zuges Heinrich VII. nach Italien, mit welchem für die Ghibellinen und also auch für Dante neue Hoffnungen aufgingen, sich in den Schutz einer guelfischen Familie zu Ravenna begeben, denn Guido war ein Guelfe, oder wenigstens einen Auftrag von derselben übernommen habe. Sodann ist es auch seltsam, daß diese Gesandtschaft bestimmt war dem Dogen Soranzo zu Venedig zu seiner Erhebung Glück zu wünschen, da diese doch schon in dem vorgehenden Jahre erfolgt war.


*       *

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Dem Hochgebornen Hern Guido von Polenta, Gebieter von Ravenna.


Eher hätte ich alles Andere zu sehen erwartet als Das, was ich mit meinen leiblichen Augen gesehen und gefunden habe von der Beschaffenheit des hiesigen erhabenen Herrscherthums. Verringert hat die Gegenwart den Ruf,[1] um mich der Worte Virgil's zu bedienen. Ich hatte mir im Stillen eingebildet dort zu finden jene edlen und hochherzigen Katonen und jene strengen Richter verderbter Sitten, kurz alles Das, was sie mit Erheuchelung eines pomphaften Wesens in ihren Personen darzustellen, dem armen und betrübten Italien glaubhaft machen wollen. Lassen sie sich nicht Herren der Welt und Volk des Friedens nennen? Unglücklicher in der That und übel geleiteter Haufe! seit du so übermüthig unterdrückt, so niederträchtig geknechtet, so grausam gequält wirst von diesen Neulingen, den Zerstörern der alten Gesetze, den Urhebern [200] ungerechter Verderbnisse! Aber was soll ich Euch sagen, Gebieter, von der stumpfen und thierischen Unwissenheit dieser ernsten und ehrwürdigen Väter? Um Eurem Hochsinn und meinem eigenen Ansehen nicht zu nahe zu treten, wollte ich, als ich vor die Augen dieser ergrauten und reifen Versammlung trat, meines Geschäfts und Eures Auftrages mich in derjenigen Sprache entledigen, welche zugleich mit der Herrschaft des schönen Ausoniens sich allethalben hin verbreitet hat und mit Abweichungen stets verbreiten wird, in der Meinung, sie in diesem äußersten Winkel in ihrer Majestät angesessen zu finden, um sich sodann zugleich mit deren Einrichtungen wenigstens über ganz Europa auszudehnen: aber ach! nicht anders erging es mir neuem und unbekanntem Pilger, als wenn ich dahin gekommen wäre von dem äußersten westlichen Thule; ja ich hätte wohl eher dort einen Dolmetscher fremder Mundart finden können, wenn ich von den fabelhaften Gegenfüßlern gekommen wäre, der ich mit der römischen Wohlredenheit meines Mundes nicht angehört wurde; denn nicht sobald hatte ich mit einigen vorher erwogenen Worten angefangen in Eurem Namen meine Freude über die neue Wahl (des hochpreislichen Doge) auszudrücken: Lux orta est justo et rectis corde laetitia[2] – als man mir hieß, entweder einen Dolmetscher zu nehmen oder die Sprache zu tauschen. So, halb verlegen, halb ärgerlich, ich weiß nicht welches mehr, fing ich an ein Weniges in derjenigen Sprache vorzutragen, die mich seit den Windeln begleitet; welche ihnen jedoch nicht eben mehr bekannt und vertraut war als die lateinische. Statt ihnen also Freude und Vergnügen zu bringen, säte ich in das so fruchtbare Feld ihrer Unwissenheit den üppigen Samen der Verwunderung und der Verwirrung. Auch darf man sich nicht wundern, daß [201] sie die italienische Sprache nicht verstehen: denn, abstammend von dalmatischen und griechischen Voreltern, haben sie in unser edles Land nichts als die schlechtesten und tadelhaftesten Gewohnheiten mitgebracht, und obenein den Schmuz jeder zügellosen Ueppigkeit. Darum erachtete ich es, Euch diesen kurzen Bericht von der mir anvertrauten Gesandtschaft zu geben, mit der Bitte, obgleich ich gänzlich von Euren Befehlen abhänge, mit ähnlichen Aufträgen mich ins künftige gütigst zu verschonen, von welchen ich weder Ehre für Euch, noch Befriedigung für mich hoffen kann. Ich werde mich hier noch einige Tage aufhalten, um meinen nach der Neuheit und Schönheit der hiesigen Gegend lechzenden Augen eine Weide zu gönnen, und werde mich sodann in den holden Hafen meiner Muße begeben, welche von Eurer Königlichen Huld so freundlich in Schutz genommen wird.

     Venedig, den 30. März 1313.

          Euer unterthäniger Diener Dante Alighieri

                    der Florentiner.


  1. Minuit praesentia famam, aber nicht Worte Virgil's, sondern Claudian's.
  2. Licht ist dem Gerechten aufgegangen, und den Rechtschaffenen Freude.