Textdaten
Autor: Dante Alighieri
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Titel: An Cino von Pistoja
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aus: Epistolae aus:

Dante Alighieri's prosaische Schriften mit Ausnahme der Vita Nova, Zweiter Theil. – S. 172-174

Herausgeber: Karl Ludwig Kannegießer
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Entstehungsdatum: zwischen 1307 und 1319
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Karl Ludwig Kannegießer
Originaltitel: An Cino von Pistoja
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
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[172]


IV. An Cino von Pistoja.


Dem verbannten Pistorienser der unschuldig verbannte Florentiner auf ewige Zeiten Heil und dauernder Zärtlichkeit Glut.[1]


1. Der Brand deiner Liebe stieß das Wort heftigen Vertrauens aus, vermöge dessen du mich befragt hast, o Theuerster, ob die Seele von Leidenschaft zu Leidenschaft übergehen könne: von Leidenschaft zu Leidenschaft sage ich hinsichtlich desselben Vermögens, und indem eine verschiedene sich darbietet der Zahl nach, nicht der Art nach; wiewol nun dies aus deinem Munde richtiger hervorgehen mußte, wolltest du mich dennoch zum Stimmgeber machen, um durch die Aufhellung einer zu sehr bezweifelten Sache die Ehre meins Namens zu erhöhen. Wie sehr ich dies anerkenne, wie willkommen und angenehm es mir sei, sagt ohne ungelegene Schwächung [173] die Sprache nicht; nachdem du daher die Ursache meines Schweigens wahrgenommen hast, ermiß Das, was nicht ausgedrückt wird, selber.

2. Siehe, die kalliopeische Rede folgt unten, wo der Sinn in Lehrversen erscheint, wenn er gleich bildlich nach dichterischer Weise bezeichnet wird, daß die Kraft der Liebe für Eines ermatten und endlich schwinden könne, und ferner, daß das Verschwinden des Einen in der Seele eine Anderes aufs neue erzeuge.

3. Und diese Behauptung, wiewol die Erfahrung sie bezeugt, kann durch Vernunft und Ansehen vertheidigt werden. Denn jedes Vermögen, das durch das Schwinden Einer Thatäußerung nicht zerstört wird, bleibt natürlicherweise für eine andre aufbewahrt. Daher werden die Sinnesvermögen, die Empfindungsvermögen, wenn das Werkzeug bleibt, durch das Aufhören der einen Aeußerung nicht zerstört und natürlicherweise für eine andere aufbehalten. Wenn nun das Begehrungsvermögen, in welchem die Liebe ihren Sitz hat, ein Empfindungsvermögen ist, so erhellt, daß nach dem Schwinden der Einen Leidenschaft, wodurch es zur Thätigkeit kam, es für eine andere aufbehalten bleibt. Den Ober- und Untersatz des Schlusses, in welche sich leicht eingehen läßt, überlasse ich deinem Fleiße zu beweisen.

4. Den Ausspruch aber des Naso im vierten Buche der Verwandlungen, der gradezu und buchstäblich hierauf paßt, betrachte sorgsam, nämlich da, wo der Verfasser (und zwar in der Dichtung von den drei götterverachtenden Schwestern) von den Sprößlingen der Semele spricht, indem er zum Sol sagt (der, nachdem er die andern Nymphen verlassen und vernachlässigt hatte, für welche er früherhin entbrannt war, seit kurzem die Leukonoe liebte): „Was nun, Sohn Hyperion’s?“ und so weiter.

5. Hiemit, theuerster Bruder, mahne ich dich an das Vermögen zur Geduld gegen die Geschosse der rhamnusischen Göttin. Durchlies, ich bitte dich, die Mittel [174] gegen den Zufall, welche von dem berühmtesten der Philosophen, dem Seneka, uns wie Söhnen von einem Vater dargeboten werden, und zumal entfalle deinem Gedächtnisse der Spruch nicht: „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb“[2] u. s. w.


  1. Dieser kurze und eben nicht bedeutende Brief ist dem Dante nicht mit völliger Gewißheit beizulegen und beantwortet die Frage Cino’s, ob es der Liebe entgegen sei, von einem Gegenstande auf den andern überzugehen. Der Brief muß in die Zeit der Verbannung Cino’s zwischen 1307 und 1319 fallen. Die kalliopeische Rede bezieht sich wol auf ein beigelegtes Gedicht.
  2. Joh. 15, 19.