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Titel: Ameise und Blattlaus
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 192
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[192] Ameise und Blattlaus. Die Gartenlaube hat schon so oft Mittheilungen gebracht, welche von einem Nachdenken der Thiere Zeugniß ablegen sollen und können, aber soviel ich mich erinnere, sind diese Zeugnisse noch nie so tief in der Thierwelt hinabgestiegen als bis dahin, wohin ich gegenwärtig die Aufmerksamkeit der Leser lenken möchte.

Die jungen Apfel und Birnbäume in meinem neu angelegten Garten blühten jedes Jahr, selten brachten sie jedoch vollständig ausgewachsene, gesunde Früchte, ja, meistens fielen die Blüthen ab, ohne Frucht angesetzt zu haben. Es konnte meiner Aufmerksamkeit nicht wohl entgehen, daß auf diesen Bäumen sich eine starke Bevölkerung von Ameisen befand, welche beständig den Stamm auf und niederliefen. Nun war mir auch bekannt, daß diese Thierchen den auf den Blättern befindlichen Blattläusen ihre Besuche machen, oder daß vielmehr die Blattläuse ihre Kühe sind, zu denen sie zum Melken gehen; ebensowohl war mir bekannt, daß weder Ameisen noch Blattläuse die wahre Ursache von dem Verdrusse an meinen Bäumen waren, sondern die Verdickung der Säfte, welche bald durch Dürre, bald durch Stockung in Folge plötzlich eingetretener Kälte hervorgebracht wird. Dennoch war mir die freche Thätigkeit der Ameisen ärgerlich, und ich beschloß, ihnen wenigstens eine Verlegenheit zu bereiten. Ich nahm von dem Theer aus der Schwammdose meiner Tabakspfeife und zog davon einen fingerbreiten und hohen Ring rings um den Stamm eines der Bäume. Als nun die Ameisen von den Aesten des Baumes heruntergekommen waren, fanden sie den Theerring, machten einige Versuche, einen Durchgang durch denselben zu gewinnen, sobald sie sich aber überzeugt hatten, daß dieses Bemühen doch ohne Erfolg bleiben mußte, gingen sie ohne langes Bedenken schnell wieder an dem Stamm in die Höhe. Bald darauf kamen die Ameisen in einer großen Schaar von oben herunter, jede trug eine Blattlaus und drückte diese in den Theer; darauf ging es wieder “nach oben, und das Pflastern mit den Blattläusen wurde so lange fortgesetzt, bis eine Brücke über den Ring fertig war, worauf die fleißigen Arbeiter alle, ohne sich zu beschmutzen, darüber hinweggingen. Die Folgerungen aus diesem Vorgange, der durch nichts ausgeschmückt ist und den, wie ich nicht zweifle, Jeder in seinem Garten wiederholen lassen kann, will ich den Lesern überlassen;

sie führen leicht in ein Gebiet, wo das Bestehende nicht mehr haltbaren Boden geben will.
Kchm.