Am Vorabend der Hinrichtung

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Titel: Am Vorabend der Hinrichtung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 616–617, 642–643
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[616–617]

Am Vorabend der Hinrichtung.
Nach einem Gemälde von P. J. van der Ouderaa.

[642] Am Vorabend der Hinrichtung. (Zu dem Bilde S. 616 u. 617.) Es ist ein Vorgang aus der traurigen Zeit der deutschen Soldläuferei, den unser Bild darstellt, aus der Zeit, da in allen Kriegsheeren deutsche Landeskinder anzutreffen waren, die um ein Geringes ihre Haut für fremde Herren zu Markte trugen.

Der Graf Lodron, welcher in den Kämpfen König Philipps gegen die wider ihren Zwingherrn sich erhebenden Niederländer auf spanischer Seite Dienste that, hatte auch eine Schar deutscher Söldner in seinem Heerhaufen. Als er ihnen nun einmal den ausbedungenen Sold nicht zahlte, da meuterten sie und hielten ihren vertragsbrüchigen Herrn zwei Monate lang in Valenciennes gefangen. Das vergaß ihnen der Graf nicht. Mit allerlei listigen Versicherungen gelang es ihm, einen Theil der Deutschen zum Wiedereintritt in die spanischen Dienste zu bewegen. Als sie nun aber in Borgerhout bei Antwerpen eintrafen, da ließ sie der Graf plötzlich durch spanische Reiter und Fußsoldaten umzingeln, und zur Rache für Valenciennes ward eine bestimmte Anzahl von ihnen zum Tode durch Henkershand verurtheilt. Vergeblich flehten die Weiber der Betroffenen um Gnade. Der schwer gereizte Graf wies sie ab, und so zogen sie in höchstem Schmerze vor das Gefängniß zu Antwerpen, in dem die Verurtheilten ihrem Ende entgegenharrten. Da spielte sich denn jene herzzerreißende Abschiedsscene ab, die unserem Künstler den Stoff zu seinem Bilde gegeben hat. Verzweiflungsvoll reichen sich die Gatten zum letzten Male die Hand – ein Vater preßt sein Gesicht zwischen den Stäben des Kerkergitters durch, seinem Kinde den letzten Kuß aufs Mündchen zu drücken, andere werfen ihre letzten Habseligkeiten, das Geld, um das sie ihr Leben verkauft, heraus durch die eisernen Maschen.

Hart und fühllos bleiben die spanischen Schildwachen, der finstere Kerkermeister – in den vorübergehenden Bürgern von Antwerpen aber [643] regt sich ein tiefes Mitleid mit den armen Opfern einer grausamen Justiz. Etwas eint sie mit den Fremdlingen; wohl standen sie eben noch im Solde des verhaßten Spaniers – jetzt aber haben sie einen Unterdrücker.