Textdaten
Autor: Annette von Droste-Hülshoff
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Titel: Am Thurme
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aus: Gesammelte Schriften von Annette Freiin von Droste-Hülshoff. Band 1: Lyrische Gedichte.
Seite 125–126
Herausgeber: Levin Schücking
Auflage:
Entstehungsdatum: 1841/42
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung:
Zuerst erschienen im Morgenblatt Nr. 203, 25. August 1842
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[125]
 Am Thurme.


Ich steh’ auf hohem Balkone am Thurm,
Umstrichen vom schreienden Staare.
Und lass’ gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;

5
O wilder Geselle, o toller Fant,

Ich möchte dich kräftig umschlingen
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh’ ich am Strand, so frisch

10
Wie spielende Doggen, die Wellen

Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht’ ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,

15
Und jagen durch den korallenen Wald

Das Walroß, die lustige Beute!

[126]
Und drüben seh’ ich ein Wimpel wehn

So keck wie eine Standarte,
Seh’ auf und nieder den Kiel sich drehn

20
Von meiner luftigen Warte;

O, sitzen möcht’ ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.

25
Wär’ ich ein Jäger auf freier Flur,

Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär’ ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir rathen;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,

30
Gleich einem artigen Kinde,

Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!