Als künstlerisches Ereigniß ersten Ranges

Textdaten
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Titel: Als künstlerisches Ereigniß ersten Ranges
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 706–707
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[706] Als künstlerisches Ereigniß ersten Ranges wird überall in Deutschland die kürzlich in München durch Konservator Hauser bewerkstelligte wundervolle Restauration der Darmstädter Madonna von Holbein gefeiert. Bekanntlich ging diese aus dem jahrzehntelangen Kampf der Kunstgelehrten 1872 als Siegerin über die Dresdener Madonna hervor, nachdem eine genaue Vergleichung der beiden sowie der vorhandenen Studien das Darmstädter Bild als das ältere Originalwerk festgestellt hatte. Immerhin blieb dem Dresdener der Vorzug viel größerer Farbenpracht und Schönheit der Köpfe; man sah wohl: das Darmstädter war im Lauf dreier Jahrhunderte schlimm übermalt und gefirnißt worden; allein zum Wagniß einer Restauration wollte sich der hohe Besitzer des Bildes doch nicht verstehen. Erst auf dringendes Zureden seines neuen Galerie-Inspektors, Herrn Hoffmann-Zeitz (des bekannten Malers der „Francesca da Rimini“, „Heilige Elisabeth“ u. a.), der aus langjährigem Münchener Aufenthalt Hauser’s vortreffliche Methode und große Erfolge kannte, entschloß er sich dazu. Der Inspektor kam mit dem sorgsam verpackten Schatz in München an und nach kurzem Aufenthalte in dem geheimnißvollen Parterreraum der Pinakothek, wo Apparate, Flaschen und Fläschchen die Tische bedecken, stand ein wundervolles Bild da, ein echtes Meisterwerk.

Der dicke schwarze Ueberzug ist verschwunden, mit ihm alle fremde störende Uebermalung. In ursprünglicher Herrlichkeit und Leuchtkraft heben sich die Figuren vom Grunde, und ihre Züge stimmen jetzt in Linien und Ausdruck vollständig mit denjenigen der Dresdener Kopie überein. Das Kind auf dem Arm der Madonna lächelt nicht mehr krampfhaft; diese selbst hat die Steifheit verloren und blüht in holdseligem Jugendreiz; der hintere Frauenkopf, bisher eine schattenhafte Maske, tritt aufs Lebendigste hervor; der vordere aber, die klugblickende Bürgermeisterin, die knieenden Kinder mit dem entzückenden blonden Knäbchen, vor Allen die Prachtgestalt des Bürgermeisters Meyer selbst, sind von einer Frische, als habe das Bild gestern die Staffelei verlassen.

Zeugte nicht schon die unvergleichliche Schönheit und Feinheit der Ausführung laut für dieses Bild als Original, so würde es ein hochwichtiger Umstand thun: man sieht erst jetzt nach entfernter Schmutzkruste ganz deutlich unter der obersten Farbenschicht allerhand frühere Kontouren an den Kopftüchern der Frauen, den Haaren des Mädchens, der Hand des knieenden Jungen u. s. w., welche genau mit den in Basel befindlichen Studien Holbein’s zu dem Bilde stimmen, von ihm aber während der Arbeit abgeändert wurden.

[707] Der Großherzog von Hessen soll gewillt sein, das Bild, welches bisher in seinen Wohnräumen hing, von nun an im alten Schlosse zu Darmstadt dem allgemeinen Besuch zugänglich zu machen. Geschieht dies wirklich, so wird er damit den Dank Unzähliger ernten, welche herbeiströmen werden, dieses neu erstandene höchste Kleinod der deutschen Kunst zu sehen.