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Artikel „Woepcke, Franz“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 209–210, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Woepcke,_Franz&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 13:11 Uhr UTC)
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Woepcke: Franz W., Mathematiker und Orientalist, geboren am 6. Mai 1826 zu Dessau, † am 25. März 1864 in Paris. Er war der Sohn eines Postbeamten. Schon als Schüler des Dessauer Gymnasiums legte er hohe Begabung an den Tag und wurde zu Ostern 1843, nicht volle 17 Jahre alt, mit dem Zeugniß der Reife entlassen, um in Berlin Mathematik zu studiren. Dieser erste Abschnitt seiner Lehrjahre endete im Sommer 1847, wo er auf Grund einer Abhandlung über die Sonnenuhren der Alten und nach stattgefundener Prüfung mit dem Prädicate magna cum laude in Berlin doctorirte. Schon die Doctordissertation hatte Woepcke’s geschichtliche Neigungen enthüllt, und kein Geringerer als Alexander von Humboldt ermunterte den jungen Mathematiker, diesen Bestrebungen getreu zu bleiben, welche große Erfolge versprächen, wenn man mathematisches Wissen mit so umfassenden Sprachkenntnissen verbinde, daß man die zahlreichen mathematischen Handschriften arabischer Verfasser im Urtexte zu lesen im Stande sei. W. beherzigte diesen Rath und begann in Bonn unter Freytag das Studium der arabischen Sprache, während er unter Argelander’s Leitung sich mit Astronomie bekannt machte. So verflossen etwa zwei Jahre. Am Anfange des Jahres 1850 habilitirte sich W. in Bonn als Privatdocent, nahm dann Urlaub und begab sich über Leyden nach Paris, wo er im Mai zu langem Aufenthalte eintraf. Er hörte von 1850 bis 1855, dann wieder von 1858 bis zu seinem Tode 1864 alle Vorlesungen, welche der berühmte Orientalist Julius Mohl (s. A. D. B. XXII, 57–59) am Collège de France hielt, trieb Sanskrit unter Foucaux, vervollkommnete sich in der Mathematik unter Liouville. Die Pause zwischen 1855 und 1858 brachte W. in Deutschland zu, zuerst in Dessau, wo Familienverhältnisse seine Anwesenheit forderten, dann in Berlin als Lehrer am Französischen Gymnasium. Letztere Stellung hatte er zwei Jahre inne, dann gab er sie auf, weil sie ihm zu wenig freie Zeit für das ließ, was [210] er als seinen Lebensberuf erkannt hatte, und kehrte nach Paris zurück. Fast hätte er Paris sofort wieder verlassen, um als Kanzleibeamter des preußischen Gesandten Hesse, den er persönlich kannte, nach Persien abzugehen. Da starb Hesse, an seine Stelle wurde General[WS 1] Minutoli mit der Gesandtschaft betraut, und nun entsagte W. Kürzere Reisen führten W. einmal nach Rom, zweimal nach England. Von Woepcke’s Arbeiten sind mehrere mathematischen Inhalts, welche die Wissenschaft zwar nicht wesentlich förderten, immerhin aber genügen, um W. als einen tüchtigen Fachmann zu kennzeichnen. Von unvergänglichem Werthe dagegen sind seine geschichtlich-mathematischen Arbeiten, welche theils als besondere Bände, theils im Journal Asiatique, theils in den Veröffentlichungen der päpstlichen Academia dei nuovi Lincei und der Berliner Akademie der Wissenschaften erschienen. Die vier bedeutendsten Leistungen auf diesem Gebiete sind wohl: 1. eine Ausgabe des Omar Alkhayyâmi (1851); 2. eine Ausgabe des Fakhrî von Muhammed Alkarkhî (1853); 3. eine Reihe von Aufsätzen in den Atti dell’ Acad. pontif. dei nuovi Lincei (1856–1861) über die Beziehungen zwischen Leonardo von Pisa und den Arabern; 4. die Abhandlung: Mémoire sur la propagation des chiffres indiens im Journal Asiatique (1863). Die ganze Reihe seiner Veröffentlichungen ist mit 50 Nummern in dem unten anzuführenden Nekrologe von Narducci angegeben. Das Kennzeichnende an allen Arbeiten Woepcke’s ist seine große Gewissenhaftigkeit, welche genau die Grenze zwischen den gesicherten und möglichen oder muthmaßlichen Ergebnissen zieht, und welche sich nie erlaubt, im weiteren Verlaufe jene einmal gezogene Grenze zu überschreiten oder zu verwischen. Sie gründet sich auf die große persönliche Bescheidenheit, welche Alle, die W. gekannt haben, neben seiner persönlichen Liebenswürdigkeit rühmten.

Vgl. Grunert’s Archiv, Bd. XLII, Heft 1, Litterar. Bericht S. 1–3 (1864) und Enrico Narducci, Intorno alla vita ed agli scritti di Francesco Woepcke im Bulletino Boncompagni II, 119–152 (1869).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der General war schon 1846 gestorben; hier ist dessen Sohn gemeint.