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Artikel „Vietor, Philipp Otto“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 688–689, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vietor,_Philipp_Otto&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:56 Uhr UTC)
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Vietor: Philipp Otto V., reformirter Theologe, ausgezeichnet sowol als Superintendent wie als Erklärer des Heidelberger Katechismus, geboren am 24. März 1646 auf Schaumburg, der bei Rinteln gelegenen Burg, † zu Kassel am 1. Januar 1718. Sein Vater, Joh. Heinr. V., hessischer Amtmann, ließ ihm frühe eine gute Erziehung und Ausbildung zu Theil werden. Seine theologischen Studien machte er hauptsächlich in Bremen, wo er auch unter die Candidaten des Predigtamtes aufgenommen wurde. Daselbst vertheidigte er auch öffentlich unter Gerhard Meyer 1669 eine Dissertation über die Sünde und Christi Höllenfahrt, letztere im Sinne des Heidelberger Katechismus Fr. 44. Hierauf hörte er einige Zeit Jacob Alting und Samuel Maresius in Groningen. Der Letztere, einer der besten Dogmatiker der reformirten Kirche, übte einen nachhaltigen Einfluß auf ihn aus, empfahl ihn auch für die holländische Gesandtschaftspredigerstelle in Wien. Nachdem er dieselbe zwei Jahre versehen, wurde er Adjunct des reformirten Predigers Joh. Strübinius zu Nürnberg. Auf der Rückreise in seine Heimath, um einem Rufe nach Rinteln zu folgen, wurde er in Kassel, wo man ihm die erste Predigerstelle an der Unterneustädter Gemeinde mit dem Metropolitanate übertrug, festgehalten. Hier wurde V. im J. 1676 zum zweiten Hofprediger, 1684 zum Consistorialrathe und Oberhofprediger und 1699 zum Superintendenten der Kasseler Diöcese befördert. In der letzteren Eigenschaft hatte er reichliche Gelegenheit, seine vielen für ein solches Amt ersprießlichen Gaben zum besten der seiner Leitung unterstellten Gemeinden und deren Diener in Kirche und Schule zu verwenden. Emsig und gewissenhaft [689] zeigte er sich jederzeit in demselben, dabei brüderlich gegen die Prediger und zuvorkommend gegen die Gemeindeglieder. Doch war sein äußerst nüchterner kirchlicher Sinn allen sectirerischen und separatistischen Elementen von Herzen abhold. Allen Nachdruck legte er auf die kirchlichen Katechisationen, welche während seiner Leitung wieder eingeführt wurden. Er selbst schrieb eine treffliche Anleitung zu denselben in seiner Schrift: „Fürbild der heylsamen Worthe vom Glauben und von der Liebe in Christo Jesu, das ist, Kurtze und einfältige, doch gründliche und schrifftmäßige Erklährunge des Heydelbergischen Catechismi, und der Lehre der Christl. Reformirten Religion: Benebenst Einem Anhang, worin die Lehr-Puncten, welche zwischen den Reformirten und denen Lutheranern und Papisten streitig, kürtzlich erörtert, und die Uebunge des Christenthumbs angewiesen werden.“ Cassel 1683. Dieses Buch, eine Perle unter den Commentaren zum Heidelberger Katechismus, widmete V. seiner ehemaligen Schülerin, der Königin Charlotte Amelie von Dänemark, geborenen Landgräfin von Hessen.

Außer diesem Werke besitzen wir noch eine stattliche Anzahl von Sonntags-, Fest- und Gelegenheitspredigten von V., welche sämmtlich von Strieder aufgeführt werden. Im J. 1709 wurde V. von einem Schlagflusse heimgesucht, so daß er nur mit großer Mühe noch einige Jahre sein Amt versehen konnte und sich durch einen Gehülfen unterstützen ließ. Sein gleichnamiger Sohn, Prediger und Professor in Rinteln, starb 1775 als Emeritus in Kassel. Von ihm hat man drei Schriften.