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Artikel „Verbiest, Ferdinand“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 612–613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Verbiest,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 23:24 Uhr UTC)
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Verbiest: Ferdinand V., Astronom, geboren am 9. October 1623 in Pitthem bei Courtray, † am 28. Januar 1688 in China, trat am 2. September 1641 in Mecheln in den Orden der Jesuiten ein und wurde bald dazu bestimmt, als Missionar nach China zu gehen, wohin er sich, gründlich vorbereitet, 1659 einschiffte. Die Jesuitenmissionare für China waren längst regelmäßig unter den astronomisch geschulten Ordensmitgliedern ausgewählt worden. Am Ende des 16. Jahrhunderts war Mathias Ricci mit der vormals erblichen Würde eines Leiters des Kalenderwesens betraut worden. Julius Aleni, Johann Franz Gerbillon vereinigten gleich Ricci den Missionseifer mit der Verbreitung mathematischen Wissens. Adam Schall war, als V. in China landete, Präsident des Collegiums für Astronomie. Dieser ließ V., sobald er von dessen Fähigkeiten Kenntniß erhalten hatte, nach Peking kommen, um ihn sich selbst als Gehilfen beizugesellen. Aber nun trat während der Minderjährigkeit des Kaisers Kang-hi ein heftiger Rückschlag in der Gesinnung der regierenden Kreise ein, der sich bis zur vollständigen Christenverfolgung steigerte. Schall wurde abgesetzt, ein unwissender Mandarine erhielt seine Stelle, V. mußte ins Gefängniß wandern. Die Todesstrafe drohte ihm bereits, als man bemerkte, daß unter Schall’s Nachfolger der Kalender außer [613] Rand und Band gerathen war, was in China als ein Staatsunglück betrachtet wurde. Nun ließ Kaiser Kang-hi den gefangenen V. holen, der den Fehler alsbald zu entdecken und zu verbessern wußte. Yang-Kang-Sien, der Führer der Jesuitengegner wurde zu ewigem Gefängnisse in einer fernen Grenzfestung verurtheilt, V. erhielt den Auftrag, die astronomischen Beobachtungen neu zu regeln und durfte dem Kaiser selbst Unterricht in der Sternkunde ertheilen. Auch in einem anderen Fache machte V. sich nützlich. Er stand seit 1681 an der Spitze der kaiserlichen Geschützgießerei, aus welcher binnen kurzem 300 Geschütze hervorgingen. Als er 1688 starb, wurde bei den Leichenfeierlichkeiten die denkbar größte Pracht entwickelt. Unter seinen Schriften ragt besonders der „Liber organicus astronomicus Europaeae“ von 1668 hervor, 125 Blätter mit Zeichnungen und geringem chinesischen Texte zur Erklärung der Figuren, lateinisch ist nur der Titel.

Vgl. De Backer, Bibliothèque des écrivains de la Compagnie de Jésus. VII, 372–377 (Liège 1861). – Quételet, Histoire des sciences mathématiques et physiques chez les Belges p. 235–239 (Bruxelles 1864). – Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik I2, 625–626 (Leipzig 1894).