ADB:Urslingen, Werner Herzog von

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Artikel „Urslingen, Werner Herzog von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 372–374, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Urslingen,_Werner_Herzog_von&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 19:26 Uhr UTC)
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Urslingen: Werner Herzog von U., ein Bandenführer des vierzehnten Jahrhunderts, entstammte einer nach der jetzt verfallenen, bei dem Dorfe Irslingen (richtiger Uerslingen) im württembergischen Oberamtsbezirke Rottweil gelegenen Burg benannten freiherrlichen Geschlechte, welches durch die Gunst der Hohenstaufen gefördert und gehoben, die Herzogswürde von Spoleto erwarb und dessen Häupter sich, nachdem sie dieses Lehens bald verlustig gegangen waren, den Titel, ihn auf ihren schwäbischen Stammbesitz übertragend, weiterführten. Herzog Werner v. U., von den Italienern, welche seinen Vornamen verwelschten, Guernieri oder Guarnieri geheißen, erscheint zuerst im J. 1342 als Führer einer jener Söldnerschaaren, in deren Reihen Abenteurer aller Länder, kampf- und beutelustig, die Halbinsel heimsuchten, um sich an den Fehden der Fürsten und Städte zu betheiligen; er war der erste, welcher unabhängige Schaaren, die in keines Höheren Solde standen, bildete, mit denen er sengend, plündernd und brandschatzend das Land durchzog. Eine Neuerung, welche er dabei schuf, bestand darin, daß alles, was auf diese Weise erworben war, in eine gemeinsame Kasse geworfen und später getheilt wurde. Dahin flossen die Gelder, durch deren Zahlung Ortschaften und Provinzen die Plünderung abkauften, die Loskaufsgelder der Gefangenen, die Beute an allem, was der Aneignung werth erschien. Wenn der Tag der Auseinandersetzung gekommen war, so geschah nach vorher bestimmten Verhältnissen die Vertheilung und in aller Güte einigten sich die Räuber über das was ein jeder von ihnen zu erhalten hatte. Herzog Werner war es, der ihnen diese Gesetze vorschrieb und die zuchtlosen Banden in Ordnung hielt. Daß sie sich ihm fügten, dankte er neben dem Ansehen, in dem er als Soldat stand, der Achtung, welche seine Untergebenen seiner vornehmen Abkunft zollten; sie fühlten sich dadurch geehrt, daß er mit ihnen in Gemeinschaft lebte und sich zu ihresgleichen machte.

U. hatte im J. 1342 im Solde von Pisa gegen Florenz gefochten. Als der Krieg beendet war, wünschten die Pisaner ihn mit seiner Schaar los zu werden, sie schlugen ihm daher vor, einen geringen Sold von ihnen anzunehmen und im übrigen auf seine eigene Hand zu leben, wobei sie den Hintergedanken hegten, daß es auf Kosten ihrer Gegner geschehen würde. U. und den Seinen gefiel der Gedanke und im September jenes Jahres traten sie zu einer auf Grund der oben entwickelten Regeln zu bildenden Genossenschaft zusammen, welcher sie den Namen der Großen Compagnie (la gran compagna) beilegten; U. nannte sich „Herzog Werner, Herr der großen Genossenschaft, der Feind Gottes, der Traurigkeit und der Barmherzigkeit“. Bald hatte er 3000 Helme, das Fußvolk und den Troß ungerechnet, beisammen. Damit zog er aus. Zuerst gegen Malatesta, den Herrn von Rimini, der im letzten Kriege gegen Pisa gefochten hatte; dieser verstand die Genossenschaft durch Geld und gute Worte für sich zu gewinnen und sie zum Weitermarsche zu bewegen. Der Marsch ging gegen die Herren von Ferrara, Bologna und Ravenna, die nebst den Gemeinden von Imola und Faenza einen Bund geschlossen hatten, um sich gegen die Räuber zu schützen. Auch sie kauften den Besuch durch Gewährung von freiem Durchzuge, Lebensmitteln und einer Summe von 60 000 Gulden ab. Dann ging [373] der Zug weiter gegen die Alpen. Ueberall wohin die Freibeuter kamen, verfuhren die Bewohner ebenso und als erstere am Fuße der Berge angekommen waren, hatten sie soviel Geld und Gut zusammengeraubt, daß sie es nicht mehr fortschaffen konnten; ihre Schaaren lösten sich nach und nach auf und gingen zu Hause oder schlossen sich anderen Banden an. Es geschah dies im Frühling 1343.

Vier Jahre später, im November 1347, erschien U. von neuem auf der Halbinsel. Dieses Mal im Süden des Landes. Dorthin zog König Ludwig von Ungarn um den Tod seines Bruders Andreas, des am 20. August 1345 ermordeten Gemahls der Königin Johanna von Neapel an dieser und ihrem Buhlen und nunmehrigen Gatten Ludwig von Tarent zu rächen. In des Königs Gefolge befand sich Herzog Werner von U. an der Spitze von 1500 Helmen. Mit leichter Mühe machte Ludwig sich zum Herrn von Neapel und, da er glaubte sich ohne die kostspielige Hilfe seiner fremdländischen Söldner behaupten zu können, dankte er sie ab; gegen U., welchen er zum Commandanten der Festung Aquila ernannt hatte, war außerdem die Anklage erhoben, daß er mit dem entthronten Herrscherpaare im Einverständnisse sei und auf Verrath sinne. U. kam durch die Entlassung nicht in Verlegenheit. Er sammelte sofort eine neue Compagnie, welche alsbald 3000 geharnischte Reiter zählte und unternahm nun Raubzüge. Zuerst gegen die Städte Campaniens. Die Verheerungen, welche seine Schaaren anrichteten, bewogen die Fürsten und Städte Mittelitaliens zu deren in Aussicht stehendem Erscheinen ein gemeinsames Heer aufzustellen; dieser Umstand, verbunden mit dem Auftreten der Pest, welcher viele der Seinen zum Opfer gefallen waren, veranlaßte U. im April 1348 für zwei Monate in den Dienst des zu Avignon in der Verbannung lebenden Papst Clemens VI. zu treten, um dessen Feldherrn bei der Wiedereroberung einiger dem heiligen Stuhle genommener Landstriche behilflich zu sein. Daß er dem Könige von Ungarn geschworen hatte, nicht in den Dienst des Papstes zu treten, hinderte ihn ebensowenig wie das gleiche eidliche Versprechen ihn davon abhielt, sich der Königin Johanna und deren Gatten anzuschließen, als diese aus der Provence, wohin sie geflüchtet waren, im August 1348 in Italien erschienen, um ihr Königreich von neuem in Besitz zu nehmen. Als sie ungehindert in die Stadt Neapel einzogen, ritt U. dem Königspaare voran und bald darauf ließ König Ludwig sich von ihm, um U., dessen Beistand er für die bevorstehenden Kämpfe gegen die noch im Lande befindlichen ungarischen Besatzungen nicht entbehren zu können glaubte, zu ehren, zum Ritter schlagen. – Aber nicht lange blieb U. dem neapolitanischen Königspaare treu. Er versprach sich von einem Uebertritte zu den Ungarn größere Vortheile, knüpfte Verbindungen mit den Führern derselben an, ließ sich, nach Apulien entsendet um hier die Anhänger des Königs zu schützen, von jenen zu Cornito gefangen nehmen und wurde mit einer hohen Befehlshaberstelle im ungarischen Heere betraut. Die Kämpfe, welche jetzt entbrannten, brachten den Söldnern reiche Beute; als sie durch eine Waffenruhe unterbrochen waren, ließen die Freibeuter sich durch den päpstlichen Legaten bestimmen auseinanderzugehen um das Erworbene in Sicherheit zu bringen oder auch es zu verprassen und dann zu ihrem schändlichen Gewerbe zurückzukehren; Neapel aber, wo beide Parteien der Erholung bedurften, wurde sie los. – U. wählte keinen von diesen beiden Wegen. Er bildete von neuem eine Compagnie von 500 Reitern und trat mit diesen Anfang Mai 1350 in den Dienst zweier Edelleute, Johann Manfredi von Faenza und Franz Ordelaffi von Forli, welche in Fehde mit Astorgio Duraforte begriffen waren, dem der Papst die Grafschaft Romagna verliehen hatte. Aber Reiter, welche Schätze im Mantelsacke mit sich führen, sind wenig geneigt ihr Leben zu wagen; auch von Urslingen’s und der Seinen Thaten in den Kämpfen der nächsten Zeit wird wenig berichtet und nach [374] einigen Monaten wechselten diese von neuem die Fahne, indem sie unter die des Johann Pepoli traten, welchen in Bologna die Päpstlichen bedrängten. Als indessen Pepoli sich dem Erzbischofe von Mailand, Johann Visconti, in die Arme warf, mit dem U. in schlechtem Einvernehmen stand, verließ letzterer (Herbst 1350) die Stadt und trat bald mit seiner auf 1200 Reiter angewachsenen Compagnie von neuem in die Dienste des Papstes, indem er sich dem Grafen Duraforte verpflichtete. Aber Duraforte konnte die Verbindlichkeiten nicht erfüllen, welche er den Söldnern gegenüber auf sich genommen hatte, und im März 1351 ging U. in den Dienst von Mastino della Scala, des Herrn von Verona, über. Dieser starb schon am 3. Juni 1351, sein Sohn Can Grande II. della Scala, verbündete sich mit dem nämlichen Johann Visconti, um des willen U. Bologna verlassen hatte, und so sah sich der letztere bewogen, auch aus dem Dienste der Veroneser zu scheiden. Der Erzbischof steuerte selbst dazu bei, daß ihm sein seit Monaten rückständiger Sold ausbezahlt werden konnte; Urslingen’s Bruder, Herzog Reinhold, trat mit 400 Reitern, dem Reste der Compagnie, in mailändische Dienste und Herzog Werner kehrte in seine schwäbische Heimath zurück, wo er bald nachher (nach Steger im J. 1354) gestorben ist. Er hinterließ einen Sohn, von dessen ferneren Schicksalen wir keine Kenntniß haben; die Nachkommen eines Bruders setzten den Stamm fort, aber Werner’s unredlich und unrühmlich erworbene Schätze zerrannen unter den Händen seiner Nachfolger und in Armuth ist der letzte derselben um die Mitte des 15. Jahrhunderts, ein Bettelherzog, gestorben.

F. X. Bronner, Abenteuerliche Geschichte Herzog Werner’s von Urslingen, Aarau 1828. – F. Steger, Geschichte Franz Sforzas und der italienischen Condottieri, S. 65–75. Leipzig 1858.